Moni schreibt sich einen Brief
Briefe zu schreiben ist out. Moni schreibt trotzdem. Sie lässt es sich einfach nicht austreiben, denn die gute Moni ist zuweilen ein wenig halsstarrig und einige ihrer Lieben müssen deshalb ihre Briefe zwangshalber in Empfang nehmen, wenn sie ihre Briefkästen öffnen. Das machen sie nämlich noch, obwohl Tag für Tag nur Rotz darin ist. Werbung für alles flattert ins Haus. Nichts, was nicht ins Haus geliefert werden würde, was man nicht braucht
Moni möchte aber mit ihren Briefen Freude verbreiten, doch ganz heimlich in ihrem tiefsten Inneren wünscht sie sich auch einmal einen privaten Brief zu bekommen. Aber keine Sau schreibt ihr! Man könne doch mailen oder telefonieren, wenigstens simsen, sagen sie und dabei blieb es. Moni wünschte sich zu ihrem sechzigsten Geburtstag nichts sehnlicher als einen Brief aber die verdammte Brut ließ sich darauf nicht ein. Zum Weihnachtsfest hatte sie sich in ihrer Verstiegenheit auch schon einmal so etwas Ausgefallenes gewünscht aber vergeblich.
Moni ist stinksauer, was sie allerdings auch nicht weiter bringt, so kommt sie auf die geniale Idee, sich selber zu schreiben. Vielleicht kann sie damit auch herausfinden, warum keiner sonst schreibt:
Meine liebste Moni,
ich schreibe Dir, weil es kein anderer tut und Du es Dir so inbrünstig wünschst. Doch was kann ich Dir schon schreiben, Du weißt ja alles über mich, Du denkst ja über jeglichen Mist lange genug nach, dem kann man kaum noch etwas hinzufügen außer neuen Mist. Es ist einfach alles bereits aufgeschrieben und in der Welt, im Internet bis hin ins kleinste Kaff bekannt, was schon an Peinlichkeit grenzt.
Worüber möchtest Du also lesen? Es ist alles gesagt und wir wiederholen unsere Wünsche zum Fest auch jedes Jahr aufs Neue und immer wieder regen wir uns über dieselben Verhaltensweisen der Menschen auf.
Sind wir denn alle schon senil und merken nicht, dass sich hier rein gar nichts ändern wird? Geschenke einpacken, Geschenke auspacken, Essen bis die Hose platzt, die Jugend haut ab in die Disko, die Alten zwitschern sich einen nach dem anderen in die Birne und jammern wie gut und wie viel besser alles früher war.
Ach, Moni Du denkst und denkst aber begreifst auch nichts. Die Welt besteht aus Wiederholungen, sonst wäre sie ja schon lange ausgestorben. Mit dem Schreiben verhält es sich ähnlich. Wir schreiben alles tausendmal auf und glauben, so hätte die Welt es noch nicht vorgelegt bekommen. Das müsste es bringen. Bloß was, wenn alles schon da war?
Ganz einfach, ein Brief ist etwas Persönliches, um die Welt geht es dabei überhaupt nicht. Er betrifft nur Dich und mich. Wenn ich Dir schreibe, dann denke ich an Dich und ich stelle mir vor, dass Du das Briefpapier in den Händen hältst, welches ich kürzlich mit meinen Gedanken bereichert habe, die direkt aus meiner Hand geflossen sind, ohne dass eine verdammte Maschine dazwischen funkt.
Du wirst jetzt sagen, das Ganze läuft auf nutzloses und damit absolut unwichtiges Gelaber hinaus. Damit ist übrigens die Welt inzwischen randvoll.
Was also erwartest Du noch, wenn Du einen persönlichen Brief öffnest?
Vermutlich möchtest Du über meine Gedanken lesen, die ich genau in dem Augenblick des Schreibens habe. Jetzt wird es echt schwierig. Was denke ich, wenn ich einen Brief schreibe?
Alltägliches, dann schaue ich in den Garten und betrachte den Schnee, den Himmel und ich vermute, Du bist auch im Winter und befasst Dich mit den Weihnachtsvorbereitungen. Wie jedes Jahr! Dann denke ich an Früher. Weißt Du noch, frage ich Dich, was wir zu Weihnachten immer gemacht haben, wie es abgelaufen ist? Ich muss schmunzeln. Die Familie war so groß und dann noch der Hund dazwischen, in allen Räumen ein Chaos, ein Lachen und manchmal war der Weihnachtsbaum nur eine traurige Figur, die uns aber noch mehr zum Lachen brachte. Geschenke gab es reichlich, jedenfalls haben wir es so empfunden. Mit den heutigen Ausmaßen hatte das allerdings wenig zu tun
Jetzt ist es still geworden. Aber ich bin damit auch sehr zufrieden. Ich mag keinen Trubel mehr und außerdem wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass es schon wieder Frühling wäre. Ich weiß, dass Du diesen Wunsch verstehst, denn Du weißt ja warum ich so bin. Du bist mir vertraut.
Liebe Moni, Du musst Dich noch ein paar Monate gedulden und dann ist es wieder soweit, dann erwacht die Natur und alle Melancholie ist vergessen. Und noch etwas, Papa wäre heute 88 Jahre alt geworden. Ich werde immer daran denken, dass er so gerne mit Dir Kaffe getrunken hat und dabei eine Menge Dominosteine vertilgte.
Er liebte alle weichen Pfefferkuchen und er erzählte ganz unweihnachtliche Witze und Geschichten…
Ja, das waren so meine Gedanken während ich schreibe, ob sie Dir gefalllen, weiß ich noch nicht. Vielleicht, wenn Du mir antwortest…aber das bleibt nur ein Wunsch…
Deine etwas versonnene Moni
Tja, so schrieb sich die Moni einen Brief und damit war sie in Gedanken versunken, die die Welt nicht interessiert. Moni lächelt dabei so vor sich hin, denn das ist das Normalste überhaupt, man muss deshalb nicht bekümmert sein. Man schreibt trotzdem, einfach für sich zum eigenen Vergnügen und wenn man Glück hat, dann freut sich sogar ein Empfänger.
So schiebt sie noch ein paar ganz herzliche Wünsche in die allgemeine Weihnachtszeit für alle, die das Schreiben lieben und vielleicht sogar einen richtigen Brief zustande bringen. Das wäre ein Erfolg.
Kommt gut durch die Weihnachtszeit, gut durch den Winter und lasst Euch nicht unterkriegen. Schreibt fleißg weiter, ob mit oder ohne Rang!
Tag der Veröffentlichung: 16.12.2010
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