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Ob mit oder ohne Hut

Moni ist heute echt gut gelaunt, was nicht bedeutet, dass sie den ganzen Tag singt oder lacht. Der Moni-Mann würde dann nämlich seine Laune ziemlich schnell verlieren, fürchtet Moni, obwohl sie das natürlich nicht so genau weiß, denn sie singt ja nie ganz laut. Doch sie summt vor sich hin, lächelt und ist ein wenig betriebsamer als sonst. Sie hat eine gute Nachricht empfangen. Das kommt nicht jeden Tag vor, was wiederum nicht bedeutet, dass sie dann schlechte Laune hätte. Moni ist eigentlich eher eine frohe Natur, die allerdings durchaus über ernste Sachen nachzudenken versteht. Sie wendet diese dann hin und her, bis sie auch hier etwas Gutes entdeckt, dann summt sie auch und lächelt so vor sich hin.

Diesmal ist alles anders. Sie musste kein bisschen nach-
denken, um das Gute zu entdecken. Die gute Nachricht kam von allein. Der Verlag schreibt, ihr Gedicht würde angenommen, für gut befunden und man würde es sehr gerne drucken. „Sehr gerne!“ Moni traut ihren Augen nicht als sie weiter liest, dass sie dafür rein gar nichts bezahlen müsste. Jetzt würde fast die ganze Welt endlich an ihren Gedanken teilhaben können, an ihren ernst-
haften, kritischen Versen. Ob die Welt, das dann in Anspruch nimmt, weiß man nicht. Moni ist das jetzt auch egal. Der Verlag will ein Gedicht drucken und das sogar umsonst. Was für ein Glück!

Der Verlag hatte ihr bisher jedes Mal, wenn sie ein Werk einreichte, einen Vertrag angeboten, weil ihr Werk so gut in das Verlagsprogramm passen würde. Es handelt sich hier nicht um einen Null-acht-fuffzehn-Verlag, nein um den August von Goethe Literaturverlag in Frankfurt. Ja, scheiß an die Wand! Das ist weiß Gott ein guter Verlag!
In den Anlagen wurde jeweils ordentlich aufgeführt, was der Verlag für Kosten hätte, was der Autor dazu beitragen müsse bzw. wie viele Bücher ein Autor abzunehmen habe.
Moni lag das Veröffentlichen ihrer Werke irgendwie danach nicht mehr wirklich am Herzen. Sie hatte deshalb auch keine Herzschmerzen und behielt ihre paar Talerchen lieber in der Börse. Sie pfiff, zugegeben ein wenig frech, auf die altehrwürdige Frankfurter Verlagsgruppe und schrieb weiter ihre Gedanken in den Computer.

Diesmal ist also alles anders. Ein Gedicht würde gedruckt werden. Das ist besser als nichts. Moni freut sich und beschließt sich zur Belohnung einen Hut zu kaufen. Das kann man doch mal machen? Dichter tragen nämlich gerne Hüte, anerkannte und weniger anerkannte. Sie sagt es ihrem Moni-Mann nicht, obwohl der einmal meinte, dass ein Hut für viele Künstler ganz wichtig sei. Er hat so komisch dabei gegrinst, findet Moni, deshalb würde sie sich ihren Hut heimlich und ganz alleine beschaffen, mal abgesehen davon, dass sie nicht sicher ist, ob sie nunmehr eine Künstlerin wäre. Wegen der bevorstehenden Veröffentlichung des Gedichtes würde sie diesem Status vielleicht ganz nahe kommen, denkt sie gut gelaunt und wandert in den Hutladen.

Es gibt sie wieder, diese Hutgeschäfte. Ob es denn auf einmal so viele Künstler gibt, sinniert sie ein wenig aber sie verwirft den Gedanken beim Anblick der Leute auf den Straßen und der Hüte im Geschäft. Dennoch, Moni ist irgendwie gut drauf und probiert die Dohlen, eine nach der anderen. Sie lächelt still vergnügt in den Spiegel, während eine hoffnungsvolle Verkäuferin sie diskret beobachtet. Moni summt dabei, Hüte aufprobierend, vor sich hin. Schließlich verabschiedet sie sich, ohne einen zu kaufen.
„Ihre Hüte passen nicht zu meinem Typ“, sagt sie zu der enttäuschten Verkäuferin freundlich und verlässt froh gestimmt das Geschäft. Die Verkäuferin schüttelt den Kopf und tippt sich an die Stirn. Moni lächelt, sie hat es im Spiegel gesehen aber es kümmert sie nicht im Geringsten.


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Kleines Nachwort:

Monis Gedicht ist gedruckt im Jahrbuch für das neue Gedicht 2007, Seiten 917, Spalte 1 und es heißt „Stolze Bürger“. Moni ist stolz und das sogar ohne Hut.
Der Brentano-Gesellschaft sei Dank!



Stolze Bürger



Unsere Bürger jagen, hasten. In den Klöstern Nonnen fasten.
Oben geifert man wie irre, Arbeitspferde im Geschirre
schlagen fruchtlos montags aus. Fernsehblödel stecken Zungen raus.

Große Leute geh’n ins gute Land, Germany ist abgebrannt.
Sparen kann man anderswo. Hoch die Tassen, Pipapo!
Man ist prächtig, mächtig, schick, zeigt sich grinsend, schillernd, dick.
Bildung, Schule, wahre Kunst, weichen vor dem Festzeltdunst.

Römer laut nach Spielen schrieen und dabei auf Menschen spieen.
Aber wir sind höher jetzt entwickelt, menschlich, freundlich, keiner krickelt,
sauber, pünktlich, makellos, erteilt man heut den Todesstoß.

Und wenn einer schreit dabei, Nachbarn ist das einerlei.
Schließt das Fenster, keine Frage gegen Krach gibt ‘s ja die Klage.
Wer nicht mitspielt, hat’s verdient, sabbert Meier, Müller grient.

Impressum

Texte: Bild Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2010

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