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Es gibt Bilder, die ich malte um freizukommen von unbe-
schreiblichen nächtlichen Ängsten, um meine Vergan-
genheit abzuschütteln, meinem Unterbewusstsein einen Dialog anzubieten, um mir einen Weg aus dem Chaos meiner Persönlichkeit zu bahnen. Einmal sollte ich mich doch erkennen können und wissen, was mein Leben lebenswert macht.
Diese Bilder werden zum Teil von Texten begleitet, die eine gewisse Erklärung zulassen, die jedoch, da von mir selbst verfasst, auch einen hohen Grad an Befangenheit in sich tragen, dennoch ein wenig von dem vermitteln können, was ich zu diesem Zeitpunkt dachte.
Aufarbeitung ist schmerzhaft und eine Offenbarung nicht weniger, wenn sie denn die Vergeudung einer großen Lebensetappe mit all ihren Chancen sichtbar werden lässt, ein sich selbst bemitleidendes Häufchen Elend zeigt und keinen anderen Vorschlag erkennen lässt als die verstärk-
te Suche nach einem Ausweg, einer Wende…das Wohin bleibt offen.
Möglicherweise wäre die schrittweise Aufgabe der Selbstisolation ein Anfang, wenn sich Ketten lösen lassen, ohne die Selbstachtung zu verlieren, ohne ein anerzo-
genes Pflichtbewusstsein zu vergessen. Wer vermag über den eigenen, allgegenwärtigen Schatten zu springen? Ist es überhaupt der eigene Schatten…eine gute Frage, wenn nicht, wäre so einiges möglich!
Der Ernst des Lebens und der eigene Schatten, eine nicht unbedingt günstige Konstellation, die mich und jeden anderen Menschen sicherlich in ähnlicher Form lange Zeiten begleitet. Wir neigen hier, unser Schicksal mehr oder weniger kampflos zu akzeptieren, wissen wir doch, dass es schier unmöglich scheint nur mit einem großen Sprung über den eigenen Schatten zu entfliehen. Ich war und bin nicht sehr mutig und noch weniger sportlich, gehöre also zu den Typen, die lange artig, fügsam und ehrfürchtig dem Ernst des Lebens begegnen und aushar-
ren bis der Blitz einschlägt.

Der Ernst des Lebens, manchmal glaubt man, er könne kein Wässerchen trüben. Der Ernst des Lebens ist aber scheinheilig, mimosenhaft, reichlich Nerven sägend, unzuverlässig bis an die Leistungsgrenzen, kommt und geht ganz nach Belieben. Keiner vermag ihn zu durchschauen.
Sollten wir ihn wirklich so ernst nehmen, wenn er denn einmal aufgetaucht ist, alles durcheinander wirbelt. Er kann uns wohl zuweilen zwingen, ihm den nötigen Respekt zu zollen, zumindest solange er drohend und aufrecht vor uns steht, uns berührt, hart und unerbittlich…“Kusch“, sagt er, „auf die Knie…ich bin jetzt hier der Meister, alles tanzt nach meiner Pfeife.“
Was hätten wir ihm entgegenzusetzen??...ein kühles Herz, unseren messerscharfen Verstand, die harte Schale, auch das Aalglatte um ihm zu entschlüpfen?
Könnten wir damit siegreich aus einem Kampf mit dem Ernst des Lebens hervorgehen?
Und wenn ich diese Waffen nicht zur Verfügung habe, wird er mich vernichten?

Der Ernst des Daseins ist Besuch, zugegeben kein beson-
ders lieber, aber er sagt uns zuweilen wo unten und oben ist, öffnet verkleisterte Augen und holt uns aus dem Wolkenkuckucksheim, dann geht er wieder und lässt uns in Scherben sitzend zurück.
Der Kühlschrank ist leer, der Wein ausgetrunken, die Jalousien noch herunter gelassen. Man kann aber noch einen Zeh bewegen…immerhin ein Anfang.
Ich kämpfe nicht mit irgendeinem Ernst, ich höre zu und denke nach, warte bis er gegangen, denke wieder nach und wage es allmählich mehr zu probieren als mit dem Zeh zu wackeln…und siehe da, es funktioniert noch mehr. Man könnte mal schauen, wie das Wetter heute ist…Sonne scheint!!
Klingt einfach, ist einfach, dauert nur ein wenig…bei mir etwas länger…
Kein kühles Herz, kein messerscharfer Verstand, auch die Öligkeit nicht…was ist es dann?...ein Mensch, der wie ich tickte, der für mich erreichbar wäre, der mir zu hörte, der mein Ich ergänzt…es gibt ihn. Doch bis zu ihm ist es ein langer beschwerlicher Weg. Ich gehe ihn…hoffnungsvoll!

Immer wieder glaubte ich, dass ich mich lieber anpassen sollte. Ich wollte keinen Unmut erzeugen, hatte Verständ-
nis für das Verhalten anderer Menschen oder suchte wenigstens Erklärungen dafür. Meine Situation verbesser-
te sich dadurch nicht, dennoch ging ich stets über eigentlich unerträglich lange Zeiten, den Entscheidungen aus dem Wege. Man nennt das wohl schlicht Feigheit. Sie ist mit Sicherheit auch schuld für viele Desaster, ohne sie wäre mein Leben ganz anders verlaufen.
Ich hatte aber auch sehr oft großes Glück, konnte in letzter Minute von der Schippe springen, bin immer wieder davon gekommen.
Wie auch immer, es tat weh und ich heulte, weil der Ernst des Lebens mir mit seinen und meinen Schatten darüber hinaus noch Träume bescherte, denen ich auch noch begegnen musste.
Ich nutzte dafür meine Möglichkeiten erst viel, viel später zum Beispiel mit den „Versen der Nacht“ als Ventil, um den Träumen ihre Schwere und damit das Bedrückende zu nehmen.
*
Heute versuche ich mich nun fast krampfhaft an meinen Traum der letzten Nacht zu erinnern. Ich hatte beim Aufwachen das Gefühl, die ganze Nacht vielfach geträumt zu haben, denn ich wachte einige Male auf und mein Traum setzte sich fort oder begann aufs Neue. Natürlich hatte ich das Fernsehprogramm zu verarbeiten. Ich bin normaler-
weise kein großer Freund der Fernsehberieselung. Es langweilt und ermüdet mich, es nervt zuweilen sehr. Aber ich schaue natürlich brav hin, wenn da was flimmert, versuche dem Fernsehen auch fast höflich etwas abzuge-
winnen, bisher ohne wesentliche Erfolge, die nackte Nachrichtenübermittlung mal ausgeklammert.


1.Traum



Ich nahm also in meinem Traum an einer Veranstaltung teil, scheinbar handelte es sich um ein Autorennen oder Ähnliches. Ich war nur Zuschauer, spielte aber dennoch eine gewisse Rolle, ich hatte nämlich Anweisungen zu erteilen bezüglich der Platzaufteilung, konnte auch Absperrungen veranlassen. Legte mich dann wie selbst-
verständlich selber auf den Asphalt. Plötzlich kam ein Mann zu mir, scheinbar einer der Fahrer und offenbarte mir seine pathologischen Fähigkeiten. Er zeigte mir das Innere seines Ohres in dem er seine Kopfhälfte herunterklappte. Es interessierte mich nicht besonders, bemerkte ich doch, dass er mir nur damit imponieren wollte. In dem Moment dachte ich, dass ich einen Partner habe und der Kopf eines anderen Mannes mir nichts bedeutet, mir gleichgültig wäre.



Damit endete dieser Traum. Ich fühlte keine Angst, hatte keinerlei Unsicherheiten, wusste mich zu verhalten, war nicht beeindruckt.
Ich träumte weitaus mehr in dieser Nacht, aber nichts ist davon aus meiner Erinnerung momentan greifbar. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn ich mir sofort nach dem Aufwachen Stichpunkte dazu machen würde. Einiges könnte ich womöglich dann erhalten. Seltsam wie schnell viele Träume verfliegen. Wahrscheinlich liegt es an ihrer Bedeutungslosigkeit oder aber an meinem mangelnden Gedächtnis, eine bedauerliche Konzentrationsschwäche.
An Deutungen meines Traumes möchte ich augenblicklich noch nicht heran gehen. Ich werde mich später damit auseinandersetzen.

*
2.Traum

Ein Arbeitsteam, ich gehöre augenscheinlich dazu, die Leute sind mir aus dem wirklichen Leben nicht bekannt, sitzt an einem Tisch und jeder hat sich einiges zum Speisen mitgebracht. Es ist ein besonderer Tag, man frühstückt gemeinsam. Früher, so hieß es, haben wir alles nett angerichtet, keiner musste sich sein eigenes Essen mitbringen. Alle gingen freundlich miteinander um. Dann begab ich mich mit einigen Kollegen und meiner Mutter, die auf einmal dabei war, in einen U-Bahnschacht. Ich wusste nicht, in welche Richtung ich fahren muss, kannte die Stadt nicht und stand also wieder einmal ratlos auf dem Bahnhof.
Plötzlich lag ich wieder morgens in meinem Bett, ich hatte mich nachdem mein Freund zur Arbeit gefahren war, nochmals hingelegt und schlief, hörte aber ein deutliches Geräusch. Es kam jemand in die Wohnung. Das wird er sein, dachte ich. Er kam durch die Tiefgarage, betrat das Schlaf-
zimmer und hatte ein großes dunkelrotes Tuch in Tisch-
tuchgröße über dem Kopf und Körper, war damit völlig verhüllt, aber ich wusste, wer es war, obwohl er nicht sprach. Er kam dann zu mir an das Bett, setzte sich und ich schlug das Tuch hoch, sah sein Gesicht und wir küssten uns zärtlich. Er legte sich hin und ich wollte ein Liebesspiel beginnen, aber er hatte keinen Körper. Das heißt anfangs sah ich Umrisse, sie lösten sich bei meiner Berührung sofort in Nichts auf. Völlig bestürzt erwachte ich.



Einen derartigen Traum hatte ich noch nie. Was könnte er bedeuten? Es steht nichts zwischen uns, wir empfinden tiefe Zuneigung, wir glauben an unsere Liebe, an das Besondere unserer Beziehung. Gibt es ein geistiges Nähern bei körperlicher Entfremdung oder sind es nur die banalen Alltagssituationen, die uns selbst im Traum jede Berührung verwehren? Ich bin besorgt. Normalerweise konnte ich immer hemmungslose Sexualität auch im Traum erleben. Warum also auf einmal diese unheimliche Körperauflösung? Die scheinbare Wahrhaftigkeit, die Deutlichkeit dieses kurzen Traumes geben mir Rätsel auf, lassen fast Zweifel keimen, verunsichern mich ein wenig.

Vielleicht war dieser Traum eine Eintagsfliege. Ich hoffe das sehr, müsste ich mich andernfalls doch intensiver damit auseinandersetzen und mit ihm im Notfall auch darüber reden. Wir sprechen über alles, was unsere Hirne bewegt. Über fast alles. Vieles ist doch nicht der Rede wert oder einfach noch nicht spruchreif. Mancher Gedankengänge schämt man sich, zeigen sie doch Unreife, Unwissenheit oder eine Lüsternheit, die man sonst nicht wagt zu zeigen, aus Ängsten heraus, die nur einer reichlich verklemmten Kindheit und Jugend zuzuschreiben sind. Träume bauen auf verdrängte, fast schon vergessene Geschehnisse auf. Immer wieder knüpfen sie einfach an und halten das komplizierte Netzwerk intakt. Träume verstehen zu wollen, die eigenen Träume, das intimste an und in uns, bedeutet einen langen Weg zurückzugehen in die Kindheit und Jugend und diese Ereignisse mit der Gegenwart zu verbinden. Das vermag unser Unterbewusstsein mit subtiler Leichtigkeit und schickt uns nächtliche Träume, die ein wacher Verstand nur mit unendlichen Mühen fassen kann, ist er doch so abgelenkt durch die Einflüsse des Tages, will verdrängen, ignorieren, vergessen. Nur unter Zwang geht er mit mir auf die Reise zurück.

*
Epilog



Ich beschloss, meine Träume zu notieren, meine Träume zu deuten, mein Leben aufzuarbeiten, meine Geschichte aufzuschreiben. Vielleicht finde ich mich, lerne von mir und springe endlich über die Schatten, welche und wessen auch immer, hoffte ich.
Nunmehr habe ich das Programm bewältigt. Die Bücher liegen vor. Es war keine einfache Zeit. Ich musste in die Tiefen der Vergangenheit eintauchen, Tag für Tag, Woche für Woche, monatelang. Jetzt ist alles raus. Ich fühle mich frei.

Es gibt in diesem Forum Auszüge:

Träume einer Ahnungslosen (Auszug: Kindheit und Jugend)
Träume einer Ahnungslosen (Auszug: Das Internat)
Träume einer Ahnungslosen (Auszug: Die Mutterschaft)
Träume einer Ahnungslosen (Auszug: Die erste Ehe)
Auf Sand gebaut (Auszüge: Die 2. Ehe)
Träume einer Ahnungslosen (Auszug: Die Fernbeziehung)

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Tag der Veröffentlichung: 21.08.2010

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