Wir waren noch nie auf Helgoland. Mein Mann meinte, dass es nun endlich Zeit dafür wäre, die einzige Hochseeinsel Deutschlands zu besichtigen und im Sommer würde hier ganz sicher auch ein erfrischender Wind unseren inzwischen hitzegeplagten Leib erfreuen. Ich denke, da hat er Recht, denn bei uns zu Hause herrschen seit einigen Tagen Temperaturen, die selbst in Südafrika derzeit nicht zu finden sind. Wir können schließlich nicht schnell einmal dorthin fliegen, um uns bei einem heißen Fußballspiel abzukühlen, so wie es gerade Frau Bundeskanzler versucht. Sie ist die Glücksbringerin der deutschen Mannschaft, heißt es. Man wird sehen! Ein Flieger für Frau Merkel. Bitteschön er steht bereit. Man kann es sich leisten. Hitzige Debatten machen ihr nichts aus, sie sucht hier halt Bürgernähe. Die Spielerbürger sind ihr nahe. Was will man dazu noch sagen. Nichts.
Ich komme vom Thema ab.
HELGOLAND ist rund 70 km vom Festland entfernt.
Wir buchen also eine Fahrt mit dem Katamaran. Meine Mutti hatte gesagt: „Mädel steck dir einen Pudel und einen warmen Pullover mit Rollkragen ein, dort pfeift es.“ Sie war schon auf Helgoland und es war Sommer und der Wind hätte sich schließlich nicht geändert. Sie war 1938 auf Helgoland mit dem Dampfschiff von Hamburg kommend und wüsste Bescheid.
Wir schlafen in Cuxhaven, stecken uns keinen Rollkragen-
pullover ein und auch keine Pudelmütze. Man muss nicht alles befolgen, was die Mutti sagt, denke ich. In Cuxhaven sind auch fast 30 Grad. Heimlich hoffe ich immer noch auf ein wenig Wind auf Helgoland.
Vorher suche ich vor Aufregung noch eine öffentliche Toilette auf, obwohl ich damit so meine Erfahrungen habe. Doch sie ist sehr gepflegt, man muss nichts bezahlen und ich muss mich auch nicht in eine Schlange müssender Frauen einreihen. In der Kabine finde ich ein nagelneues hellblaues Basekap. Hat wohl eine der Müssenden vergessen. Ich überlege, ob es sich schickt, die Mütze einfach einzustecken. Noch in der Box probiere ich sie auf. Vielleicht ist es ja windig und ich habe keine Mütze mit, überlege ich leise und extra noch den fünfundfünfzigsten Deckel zu kaufen…nö, das nun auch nicht. Ich stecke sie also in meine Tasche und verlasse den Tatort. Irgendwie komme ich mir ein bisschen blöd damit vor. Und am liebsten würde ich sie zurücktragen, was allerdings noch dämlicher erscheint.
Im Schiff nehmen wir unsere Fensterplätze ein und rasen mit 70 kmh nach Helgoland, alles ohne besondere Vorkommnisse. Man sitzt wie im Flugzeug und die Men-
schen benehmen sich auch so. Sie lassen sich Essen und Trinken servieren. Schließlich kann man eine knappe Stunde Fahrt sonst kaum überleben. Im Fernsehen wird für alle irgendein Fußballspiel übertragen, während ich aufs Meer schaue und auf die Schiffe, die wir überholen.
Wir sind angekommen und schiffen uns aus. Aus den anderen Dampfern müssen die Passagiere ausgebotet werden. Tausende Menschen suchen die Insel heim. Man kann hier zollfrei einkaufen, wird laufend verkündet. Wir wollen nicht zollfrei einkaufen. Wir möchten überhaupt nicht einkaufen und auch nichts essen. Wir beabsichtigen die Insel zu erkunden.
Beim Bummel durch die Gassen fällt erst auf den zweiten Blick auf, warum auf Helgoland so eine himmlische Ruhe herrscht: die Insel kommt ohne Autos aus, denn dafür gibt es hier weder die Entfernungen noch die breiten Straßen. Nur einige Elektrowagen für schwerere Transporte surren durch den kleinen Ort mit seinen ca. 2.400 Einwohnern. Krankenwagen und Feuerwehr sind natürlich motorisiert!
Vom "Unterland", wo sich der Ort befindet, kommt man auf das "Oberland", wo in einer Miniatur-Hügellandschaft Schafe am Abgrund grasen und eher selten einen Blick für die herrliche Weite der Nordsee ringsum haben. Vom 58 m über dem Meeresspiegel liegenden Oberland hat man auch einen schönen Blick auf die Düne, eine vorgelagerte Insel, auf der Flugzeuge starten und landen können. Sand und Gras beherrschen das Bild und es besteht die Möglichkeit zum Baden. In regelmäßigen Abständen bringen kleine Boote die Inselbesucher zum Strand. Wir lassen das aus, denn Badezeug haben wir nicht eingepackt. Zum Glück auch keine Pullover oder Strickmützen, denn auf Helgoland haben wir heute auch fast 30 Grad und der Wind hat sich verkrümelt.
Wir steigen also die 240 Stufen hoch, um ins Oberland zu gelangen. Den Fahrstuhl verschmähen wir, denn wir sind doch keine Weicheier oder schon alte Leute, die dieses nicht mehr können!!! Oben angekommen sind wir allerdings schweißgebadet, doch der Ausblick und die Wanderung um die Insel ganz oben auf den roten Felsen entschädigt. Die Wege sind gepflastert, die Felsen-
abgründe durch Zäune gesichert, alles ist ganz wunderbar bis auf die vielen Menschen, die hier herumpilgern. Ich versuche sie tapfer zu übersehen. Das ist schwer.
Die Sonne scheint unbarmherzig und ich entscheide, die besagte Mütze aufzustülpen, schließlich will ich ja keinen Stich bekommen.
Das Wahrzeichen Helgolands ist der hoch aufragende, schmale Felsen "Lange Anna". Die Meeresbrandung hat am Sockel der Anna im Laufe der Zeit jedoch so große Höhlen ausgespült, dass der Felsen umzustürzen droht, lesen wir.
Mit Hilfe von Betonfüllungen könnte dies bislang verhin-
dert werden. Die Lange Anna dient außerdem zahllosen Seevögeln als Brutrevier. Hier stinkt es ein wenig, finde ich aber ich weiß, dass das nicht schädlich sein kann. Auf Helgoland soll die gesündeste Luft von ganz Deutschland sein, erfahren wir.
Der "Lummenfelsen" ist die Brutstätte von sehr vielen Seevögeln. An diesem Felsen kann man im Sommer, nach Ende der Brutphase, jeden Abend ein spektakuläres Ereignis, den so genannten "Lummensprung", beobachten, bei dem sich die jungen Trottellummen (Vogelart) von Felsvorsprüngen aus ins Meer stürzen. Dieses war uns nun leider nicht vergönnt, denn wir mussten uns ja wieder zum festgesetzten Zeitpunkt einschiffen.
Helgoland zieht neben den vielen Tagestouristen auch Gäste an, die länger auf dem kleinen Eiland bleiben möchten. Während es an einem Tag problemlos möglich ist, alle Sehenswürdigkeiten zu besuchen, schätzen die anderen Gäste vor allem die Ruhe und den hohen Erholungswert. Zahlreiche Kureinrichtungen helfen dabei, Leib und Seele zu pflegen. Besonders Pollenallergiker schätzen Helgoland: da es kaum blühende Pflanzen und Bäume, dafür aber immer Wind gibt, hat Heuschnupfen hier keine Chance, heißt es.
In einer Vogelwarte können die Besucher die Vogelwelt Helgolands und im Aquarium die Meeresbewohner der Nordsee kennen lernen. Die Tunnel und Bunker aus dem 2. Weltkrieg können bei einer Führung entdeckt werden, auf der man mehr über die Seefestung und das Bombenziel im 2.Weltkrieg erfährt. Nun, ich bin nicht unbedingt so ein Grottenolm. Wir lassen also diese Sehenswürdigkeit einfach aus, schlendern lieber zum Schluss an den Hummerbuden entlang.
Mir war so schrecklich heiß, also beschließen wir nun doch einzukehren, um etwas zu trinken und es gab natürlich auch leckeren Kuchen im Angebot. Wir konnten nicht anders und mussten zuschlagen, wenn auch nicht gerade zollfrei.
Die bunten "Hummerbuden" am Südhafen, dienten den Fischern Helgolands früher als Lager für ihre Ausrüst-
ungen. Heute sind die "Hummerbuden", die eine echte Sehenswürdigkeit darstellen, Standort für Cafés, Galerien und Läden.
Wir schlenderten nach allem gemütlich zum Schiff, um wieder nach Cuxhaven zu düsen.
Helgoland zeigte sich uns von seiner heißen Seite. Ob das so typisch für die Insel ist? Wir wissen es nicht. Für uns war der Ausflug eine feine Sache auch oder gerade mit der unerwarteten Hitze.
Texte: Bilder von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 03.07.2010
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