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Was bleibt

Vielleicht Fragmente, eine Maske und hin und wieder das Erinnern der Nachfahren, wenn sie zufällig einen für sie vertrauten Duft atmen, einen typischen Blick entdecken oder eine merkwürdig vertraute Geste wahrnehmen. Sie bemerken es manchmal an sich, wenn sie einen Moment innehalten, auch könnte es sein, dass ein anderer bekannter Mensch eine Ähnlichkeit feststellt, die sie selber nicht für möglich hielten.

Sie denkt nun häufiger daran, denn sie hat Zeit. Vermutlich machen sich alle anderen Menschen, die sich in ähnlicher Situation befinden, auch so ihre Gedanken über das, was bleibt.

In früheren Zeiten waren die begüterten Menschen sehr darauf bedacht, mit monumentalen Bauwerken darauf hinzuwirken, dass die Nachwelt recht viel und auch absolut Großes mit ihnen verbindet. Man denke nur an die Pyramiden, an die prunkvollen Paläste und Schlösser der Könige, die geblieben sind.

Doch wissen wir deshalb wirklich etwas über den Menschen?



Wir sehen, er hatte Geld und große Macht. Vermutlich sind unzählige Menschen deshalb und nur durch seine hochtrabenden Wünsche jämmerlich zugrunde gegangen. Man erwähnt diesen schrecklichen Umstand ungern und nur am Rande.
Wir sehen darüber hinweg und schauen nur auf das, was geblieben ist. Es erfreut uns und wir danken diesen furchtbar eitlen, vermutlich unerbittlichen, gnadenlosen Herrschern für ihre Bauwerke, die unser Kulturerbe sind. Wir entschuldigen uns nicht, wir reden uns alles schön, sehen nur das Gute, nehmen das, was geblieben ist und freuen uns, dass die Menschen nicht alles davon wieder zerstörten, was ja leider auch recht oft passierte.

Sie weiß, dass Großes, für alle sichtbar Großes, damals einen Preis hatte. Das Leben und die Gesundheit Unzähliger wurde bedenkenlos geopfert. Das Ergebnis zählte.

Ist das normal und ist das heute auch noch so? Fordert großartige Architektur für die Ewigkeit immer noch Opfer? Man möchte diese Frage entrüstet von sich weisen. Heute ist die Gesellschaft wachsam, heute werden Monumente mit sozialer Sensibilität errichtet, möchte man rufen.

Weiß jemand, wie viele Bauarbeiter, wo und wie hausen, mit Hungerlöhnen abgespeist werden, um moderne und ehrgeizige Mammutprojekte z. B. in Dubai, in China oder Sonstwo zu errichten?
Die Welt sieht, was ein reicher Mann wachsen lassen kann. Hat sich etwas geändert? Ja, die Gebäude sehen anders aus, sind mit anderen Finessen ausgestattet. In Ihnen leben oder feiern die Superreichen. Der Rest kann irgendwo verrecken. Darauf ein gewaltiges Feuerwerk.

Die Armen der Welt sehen es von weitem. Sie werden in ein Sparpaket

eingebettet und bluten, damit etwas bleibt. Später wird keiner deshalb einen ernsthaften Gedanken verschwenden. Es bleibt nur das Große.

Sie ist deshalb ein wenig traurig aber sie weiß, dass damit der Lauf der Welt sich nicht ändert.

Sie möchte, dass von i h r etwas bleibt, ein Hauch, ein paar Gedanken, eine Idee, eine Seifenblase, aber die fliegt davon und platzt.

Nichts bleibt.


Impressum

Texte: Bilder von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 09.06.2010

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