Der einfache Job und die Gefühle
Es kommt tatsächlich vor, dass ich auch einmal schlecht drauf bin. Der Grund ist meine Arbeitslosigkeit. Das heißt, die alleine natürlich nicht, sondern ein Gespräch über die Notwendigkeit, im Ernstfall auch eine Tätigkeit zum Beispiel als Putzfrau aufzunehmen. Mein Mann meinte, er würde dabei nichts finden. Um zu überleben, könne man auch so sein Geld verdienen.
Im Prinzip hat er selbstverständlich Recht, nur dass ich mich in dieser speziellen Lage ganz furchtbar fühlen würde. Eine derartige Arbeit tagaus, tagein verrichten zu müssen, wäre für mich eine schreckliche Strafe. Ich hätte das Gefühl, auf ganzer Linie in meinem Leben versagt zu haben. Es wäre ein Abstieg, der mich vermutlich depressiv werden lassen würde. Sicher ist das Putzen keine unehren-
hafte Arbeit, dennoch würde ich mich schämen, wenn ich nach meiner Tätigkeit gefragt werden würde.
Warum? Vielleicht weil man landläufig glaubt, dass damit auch eine gewisse geistige Armut einherginge, ein niederer Bildungsstand verbunden wäre oder halt die Unfähigkeit, mehr aus sich zu machen, offensichtlich wird. Ganz abgesehen mal davon, dass ich auch gewiss keine gute Putzfrau wäre, denn ich hasse das Putzen und die Hausarbeit im Allgemeinen ebenso. Aber der Aspekt spielt hier keine Rolle.
Der Job macht auf anderen, höheren Ebenen genauso wenig Spaß. Das Sitzen auf der untersten Treppe der Hühnerleiter ist das Deprimierende, man hat das beschissene Gefühl, minderwertig zu sein. Natürlich würde ich, wenn ich nur damit überleben könnte, eine solche Arbeit annehmen. Aber vermutlich keine bekommen, da ich zu alt bin. Ich bin nun scheinbar für jegliche Arbeit zu alt.
Mein guter Mann verlangt nicht, dass ich mich als Putzfrau bewerbe. Dies sei hier und jetzt zum Glück nur eine theoretische Betrachtung.
Ich habe aber trotzdem das Gefühl, dass wir diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen haben, obwohl er einräumte, dass er zum Beispiel sich nicht vorstellen könne, als Straßenfeger zu arbeiten, was das Gleiche in grün wäre. Auch würde er niemandem erzählen wollen, dass seine Frau putzen ginge, mal angenommen, sie würde es tun. Es wäre ihm peinlich. Ich bin demzufolge mit meinem Gefühl, was das Putzen und seine Wertstellung anbetrifft, nicht ganz auf dem falschen Dampfer. Man sagt ja, dass es völlig egal sei, was man macht, Hauptsache die verdiente Knete ist OK. Das wäre dann die echte und notwendige Flexibilität und Aufgeschlossenheit, nur so wäre ein Fortkommen oder Überleben möglich. Frei nach dem Motto: vom Tellerwäscher zum Millionär! Das klingt plausibel und nachvollziehbar, wobei die Sache mit dem Millionär totaler Schwachsinn ist.
Außerdem geht es mir bei der Diskussion allerdings in erster Linie um meine Gefühle, die ich empfinde, wenn ich Dinge tun muss, die mir widerstreben. Man darf dabei also keine Gefühle haben, bzw. es wird erwartet, dass man sie beherrscht und unterdrückt, seinen Stolz vergisst, auf die Meinungen oder Gedanken, die andere Menschen haben, pfeift und still, leidend jedweder Arbeit nachgeht, denn sie ist zumutbar.
Wenn man arm ist und putzen muss, darf man sicher keine Gefühle haben oder zeigen, das heißt, es interessiert auch keinen. Gefühle wegen des Jobs oder beim Ausüben der Arbeit sind eigentlich immer unangebracht, unerwünscht, völlig verschwendet. Das ist meine Erfahrung.
Aber ein Mensch hat Gefühle, sie abzuschalten bei Bedarf oder gar auf Dauer, ist eine schwere, auch zwiespältige Aufgabe und könnte möglicherweise böse Folgen haben. Das Gleiche tritt ein, wenn man sie zeigt. Was ist also richtig? Es ist wohl wie immer diplomatisches Verhalten angesagt. Wer kann das immer? Und ob dies die Lösung ist? Alles fraglich.
Eines ist sicher, Gefühle zu zeigen ist immer ein Wagnis, ebenso wie seine Haltungen zu offenbaren und ehrlich zu sein. In einer Gesellschaft zu leben und sich nicht in allem anpassen zu können, ist als Folge dessen immer mit Schmerzen oder Einbußen verbunden. Mangelnde Anpassungsfähigkeit wird immer bestraft.
Nur sind das Schleimen, Krauchen, auch nur widerspruch-
loses Mitschwimmen nicht gerade rühmenswerte Eigen-
schaften, auch nicht jedem gegeben. Aber um Ruhm geht es nun wirklich überhaupt nicht und es gibt auch stets eine nettere Darstellung und Umschreibung derselben Attribute. Wer kann es sich leisten, sich heutzutage so zu outen? Ein älterer Arbeitsloser erst recht nicht, ihm ist alles zuzumuten. Außerdem muss er sich nicht outen, das ist bereits geschehen. Jetzt spricht aber Bitterkeit aus mir. Das möchte ich nicht zulassen. Wie kann ich das, wenn täglich aus der Zeitung, aus dem Fernseher und dem Radio dazu weitere untröstliche Nachrichten verströmt werden. Das traurige Fazit ist, es gibt keine Chance mehr.
Dennoch….mir geht es gut! Ich bin gesund und habe einen Partner, der mich liebt. Wie viele müssen mit Weniger auskommen.
Es reicht also und ich höre auch sofort auf mit dem Gejaule.
Tag der Veröffentlichung: 13.01.2010
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