Warum heiraten wir eigentlich?
Heiraten ist altmodisch. Nur Spießer heiraten, allenfalls noch diejenigen, die sich finanzielle Vorteile versprechen. Die heiraten wegen der Steuerersparnis. Aber wir lieben uns. Wir brauchen keinen amtlichen Stempel, um das glaubhaft zu dokumentieren. Zusammen eine Wohnung zu teilen, sollte genügen. Früher sagten die biederen Bürger dazu „wilde Ehe“. Sie leben in Sünde, lautete das strenge, antiquierte Urteil der Frommen. Doch wir sind nicht fromm und wir kämen auch ohne Steuerersparnis klar. Was die Leute sagen könnten, ist uns egal. Wir halten uns für Mann und Frau, ehegleich und wir sind uns treu. Wir verstehen uns. Das ist wichtig, finden wir. Viele standesamtlich und kirchlich getraute Ehepaare sind nicht annähernd so glücklich wie wir. Ihre Schwüre vor Gottes Gnaden und vor der staatlichen Gesetzesmacht sind oft und schnell keinen Pfifferling mehr wert.
Ihr „Ja“ verwandelte sich in ein zum Himmel schreiendes „Nein“. Sie trennen sich teuer, schmerzhaft, aufwendig, bereuen ihr eheliches Leben zutiefst. Vergeudete Jahre. Und wir wissen das alles noch zu gut. Schließlich waren wir auch schon verheiratet, viele Jahre. Hat halt nicht geklappt wie angedacht. Die Partner waren damals nicht die richtigen. Wir waren nicht die richtigen. Das wissen wir heute. Heute kommen wir uns schlauer vor und fangen noch einmal von vorne an. Ist das nun mutig oder ein Zeichen von Dummheit?
Wir leben nunmehr einfach so zusammen, sind zusammengezogen, sorgen uns umeinander. Wir sind nicht verheiratet. Du heißt so und ich heiße soundso. Nur das trennt uns.
Nun wollen wir auch und wieder heiraten. Warum wollen wir das?
Wir sind keine kleinbürgerlichen Spießer. Um Gottes Willen, nein wer will das schon sein. Wir ganz bestimmt nicht. Auch wenn wir inzwischen Geranien pflanzen. Die Familie, Freunde oder irgendwelche Leute drängen uns nicht, es zu tun. Wir können (zum Glück oder aber zum Pech) keine Kinder mehr bekommen. Also man ist aus dem Alter heraus. Doch warum heiraten wir?
Der gemeinsame Name, die geringere Lohnsteuer, die Altersabsicherung, ist es das alles in seiner Gesamtheit? Heiraten nur der uns zustehenden gesetzlichen Vorteile wegen?
Als Realisten und Mitglieder unserer ehrenwerten Gesellschaft, müssen wir sicher eingestehen, dass die Ehe gleichermaßen Vorteile wie Gefahren mit sich bringt. Wir neigen dazu, die Vorteile mitnehmen zu wollen. Sie stehen uns zu. Die Gefahren sind uns wohlbekannt. Zunächst erkennen wir keine, dennoch schließen wir wenigstens einen Ehevertrag ab. Man weiß ja nie!
Warum heiraten wir nun wirklich und freuen uns sogar darauf?
Ich spreche jetzt nur für mich:
Ich liebe dich. Das genügt aber nicht. Nein, es muss amtlich sein, es muss verbindlich sein, es muss öffentlich sein, vor aller Welt (auch wenn sie noch so klein ist). Nur so hat alles Gewicht und es ist nun ganz offiziell, dass ich zu dir gehöre. Damit das ein für allemal klar ist. Dies ist keine Drohung, es ist eine Feststellung und ich finde sie ganz fantastisch!
Mein Name ist nichts wert. Ich möchte deinen. Jawohl! Das bringt uns noch näher und von nun an sagst du nicht mehr, dass ich nur deine Freundin bin. Ich bin jetzt mehr, ich bin deine Frau. Das macht mich stolz. Aber ach,… könnte ich trotzdem auch noch deine Freundin sein?
Sag jetzt bloß nicht, man kann nicht alles haben. Schließlich möchte ich auch alles für dich sein.
Ich glaube wir haben es richtig gemacht und wir können alles haben und bekommen, was wir uns erträumen. Ob so oder so, aber so ist es besser.
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Und so kam es dann zum Hochzeitsmarsch.
Der Oktober geht mit einem nebligen Tag zu Ende. Es ist kalt und ich drehe die Heizungen auf. Nun, wir hoffen dennoch sehr, dass wir am kommenden bedeutsamen Wochenende noch einige Sonnenstrahlen sehen werden oder dass es wenigstens nicht ständig regnet. Für alle Fälle nehmen wir entsprechende Bekleidung mit, denn schließlich können wir ja nicht die ganze Zeit im Hochzeitsbett verbringen. Wir werden uns notfalls warm genug anziehen, durch den Wald wandern und uns dabei rechtschaffen und verdient den guten Appetit für unser Hochzeitsessen holen. Der Hochzeitsmarsch wird durchgeführt, auf Gedeih und Verderb. Bernd meint, man müsse unbedingt die Wanderschuhe einstecken, schließlich wäre in den Prospekten von Urwald, also unwegsamen Geländes die Rede. Ich halte trotzdem das Vorhandensein von angelegten, begehbaren Wanderwegen für möglich und wahrscheinlich und werde eigensinnig nur die festen Turnschuhe mitnehmen. Bernd möchte, dass ich die schweren Wanderbotten zur Sicherheit trotzdem einstecke, am Ende würde ich sonst im knietiefen Kallamatsch stecken. Na gut, sage ich und gebe aber zu bedenken, dass er nicht einmal eine Mütze hätte und an seiner Wetterjacke wäre auch keine Kapuze. Ich denke dennoch wie immer hoffnungsvoll und optimistisch, dass wir den Hochzeitsmarsch trotz der Mängel an Gewand und Schuhwerk gesund überstehen werden und guten Mutes am Abend genauso entspannt wie genussvoll in Ruhe schmausen und schmusen können.
Um diese Jahreszeit wird sich vermutlich die Zahl der Gäste im Märchenschloss in Grenzen halten, ergo wird keine Hektik unseren Frieden stören. Wir praktizieren also erstmalig und ganz bestimmt einmalig bleibend das geheime erholte Entspannungsheiraten ohne jegliche Brut nebst Anhängen. Heutzutage braucht man nicht einmal mehr Trauzeugen, was uns sehr entgegen kommt.
Wir freuen uns sehr und werden alles in vollen Zügen genießen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir nämlich ein ganz wundervolles Brautpaar sind, welches nicht nur schön anzuschauen sein wird, sondern auch mit unserer uns eigenen unendlichen Weisheit diesen Bund eingeht. Oder etwa nicht? Wir haben alles erlebt, was kann passieren? Wir lieben uns, wir kennen uns, wir sind keine Zweifler, wir werden „Ja, ich will“ sagen, ohne mit der Wimper zu zucken. Wir können mit dieser Zustimmung nur gewinnen. Natürlich denkt man das immer. Alle denken das in ihrer Naivität.
Ich fühle mich jedenfalls sehr gut und denke Bernd teilt mein Gefühl. Wir wissen, dass die Ehe nicht heilig ist und die Schwüre nicht immer bis in den Tod halten, dennoch wollen wir es wieder versuchen und darauf vertrauen.
Nichts spricht dagegen. So sei es.
Tag der Veröffentlichung: 03.11.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Bernd