Vom Leben nach dem Tode
Den Streit darüber möchte Moni heute einmal ausnahmsweise nicht provozieren. Man einigt sich sowieso nicht und jeder schwört auf seine Version.
Viele sagen unbedingt
und einige meinen nie und nimmer
, manche haben konkrete Vorstellungen, andere glauben, das Leben davor würde darauf Einfluss nehmen, so hat jeder über die Geschichten nach dem Diesseits eine mehr oder weniger glaubwürdige Fassung in der Schublade. Wenn es dem Einzelnen nützt, bitteschön. Moni ist alles recht.
Sie weiß nämlich, dass es nach ihrem Ableben ein Leben gibt und es ist fast das Gleiche wie das davor. Das Leben geht ja weiter, wie alle wissen, nur Moni würde halt nicht mehr mitmachen. Ihre Asche würde noch geraume Zeit irgendwo unter der Erde herumwarten bis diese auch wieder zu Erde geworden ist. Damit wäre der körperliche Teil erledigt. Also vielleicht nicht ganz, denn Moni hat Kinder und in ihnen ist ein Teil von ihr und der lebt. Auch ihre Gedanken und Schriften, die Bilder und ein paar Erinnerungsfotos sind noch vorhanden. Aber Moni selber kann nunmehr nicht mehr eingreifen oder doch?
Monis Tochter spricht zu ihrem Kind und sie verwendet haargenau die gleichen Worte wie Moni früher, sie hat eine sehr ähnliche Stimme. Es ist als wenn die Moni immer noch etwas sagen würde. Manche meinen die Verstorbenen sprechen aus den Lebenden und sie glauben fest daran.
Moni schüttelt den Kopf. Nein, das ist wörtlich genommen nicht möglich aber in unbewusster oder absichtlicher Nachahmung sind die Menschen groß, was ja nicht immer schlecht sein muss.
Also was den Menschen anbelangt, so denkt Moni, ist nach dem Tode kaum noch etwas los. Das wird zwar allgemein kaum Gefallen oder Zuspruch finden, weil’s so absolut, endgültig und wenig tröstlich klingt und ist.
Doch es gibt einen Trost. Moni möchte ihn geben. Leben nach dem Tod gibt es nämlich manchmal doch, das heißt ein völliges Sterben ist einfach nicht immer nötig. Man spricht sogar von Veredelung. Von Fall zu Fall eben. Die Materie lebt, sie wird verändert, schlägt in eine neue Qualität um und erhält neue Funktionen, ob sie nun edler sind, das wagt Moni zu bezweifeln, es bleibt Ansichtssache. Die Veredelung ist ein menschlicher Begriff.
Ab wann ist zum Beispiel Holz tot? Ein Baum wird gefällt. Ist er nun tot? Nein, es wird daraus Papier, Kochlöffel oder Balken für ein Haus hergestellt und damit wird gearbeitet oder es arbeitet selber. Holz arbeitet, sagt man und manchmal hört man es dabei sogar knacken. Ja, und auf dem Papier, das wissen wir alle, ist eine Menge los. Was ein Kochlöffel alles erleben kann, worin man mit ihm rührt, welche Aromen er in sich aufnimmt, das kann Moni kaum beschreiben. Es sind die wundervollsten überhaupt.
Oder nehmen wir die Eisenerze, die sich über Millionen Jahre gebildet haben. Sie werden gefördert, brutal aus dem Berg gesprengt, gereinigt, geschmolzen, mit Zusatzstoffen versetzt, bearbeitet, veredelt, Stahl erzeugt. Manchmal rostet er und manchmal nicht. Wir bauen unsere Häuser und schneiden unser Fleisch. Manchmal läuft ein Löffel an. Ist er tot oder wehrt er sich gegen Chemikalien?
Materie kann nach dem „Tod“ veredelt werden. Sie stirbt nicht wirklich. Sie erfüllt Aufgaben im Kreislauf der Welt, lebend. Nur eben anders als zuvor.
Menschen sind auch Materie. Man veredelt sie nach ihrem Tod nicht. Na gut, Pharaonen wurden mumifiziert, Lenin auch und Michael Jackson liegt im goldenen Sarg, ob die Nachwelt sich darüber freut oder es ihr nützt, dürfte zu bezweifeln sein. Die Menschen haben es in der Tat in der Hand oder im Kopf, Zeit ihres Lebens dafür zu sorgen, dass sie in Form ihres Andenkens nach ihrem Tod edel dastehen. Denn nur das bleibt. Genießen können sie es nicht, nicht einmal Wissen darüber ist ihnen zuteil, nur die Hoffnung an ein gutes Gedenken ihrer dürfen sie zu Lebzeiten haben. Mehr nicht.
Moni hebt die Schultern, aber mehr ist nicht drin.
Tag der Veröffentlichung: 28.09.2009
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