Die Seifenblase
Über das Leben nachzudenken, passende Vergleiche zu finden, die allumfassend, gleichermaßen verständlich, das große Phänomen unseres Daseins, unserer Vergäng-
lichkeit und das was sonst noch als ganz großes Geheimnis uns umgibt, in uns wohnt und uns angeblich auch wieder verlässt, ist für Moni fast zu einem täglichen Denksport geworden.
Moni hat nun Zeit und ist es leid, nur im Hause herumzu-
zuwuseln, zu putzen, zu kochen oder sich das Näschen zu pudern. Sicher muss alles erledigt werden, denn sonst gerät der Rhythmus ins Wanken, das gute Lebensgefühl schwindet mit der Ordnung des Heims und nimmt die Attraktivität des Frauchens gleich mit. Nein, Moni will einigermaßen hübsch bleiben und eine gepflegte Umgebung ist für ihr Wohlbefinden auch nicht ganz unwichtig.
Aber da gibt es noch etwas, was nach Pflege und Förde-
rung ruft. Es ist ganz tief in unserer Moni drin. Wo genau, weiß man nicht. Im Kopf, im Herz, im Bauch, in jeder kleinen Nervenzelle? Ist es nur so ein Gefühl, sind es unkon-
trollierte Gedanken, ist es das, was die Menschen Seele nennen? Moni ist ein wenig unsicher, denn sie weiß nicht, was die Triebkraft wirklich ist, die so drängt und warum werden diese Fragen jetzt auf einmal so wichtig?
Moni weiß, das sie sich nunmehr im letzten Drittel ihres Lebens befindet. Also wenn nichts dazwischen kommt natürlich. Moni will alt werden, uralt, wenn es geht und den Verstand dabei nicht auf der Strecke lassen. Das ist nichts Besonderes, alle wollen das. Nein, reich werden will sie nun nicht mehr, das war ganz früher, als Moni noch ein Trottel war, ein Thema.
Aber das Glück, das Lebensglück glaubt unsere Moni gefunden zu haben. Sie weiß es und damit Basta. Man muss das nicht erklären, wenn man es fühlt.
Moni ist überhaupt zu der weisen Erkenntnis gelangt, dass das Fühlen das Wichtigste ist. Mag sein das gerade in dem Bereich alles unglaublich fließend und damit vergänglich ist, einer Seifenblase ähnlich, die zerplatzt und zerstiebt. Dennoch kann mit einem guten, ehrlichen Gefühl der Mensch mehr für sich erreichen als mit einem heimlichen Goldesel im Keller.
Moni möchte über das Ewige, das Wahre, über das, was bleibt, mehr wissen, denn dass das Leben eigentlich nur eine große schillernde Seifenblase ist, wird immer offensichtlicher. Seifenblasen sind weiß Gott nichts Beständiges und sie sind absolut schwer auszumachen. Wer kann schon vorhersehen wie groß sie wird, wohin sie fliegt, welche Formen sie annimmt und wann sie schließ-
lich zerplatzt.
Wir schauen sie an, finden sie schön und bedauern, wenn ihr Aus gekommen ist. Dann heben wir bald darauf die Achseln und schauen der neuen Seifenblase nach. Sie sieht ganz anders aus aber sie bleibt unverkennbar nur eine Seifenblase, in der wir stecken. Nein, mehr noch, wir sind mit ihr verwoben und zerspringen mit ihr, wenn die Zeit gekommen ist. Manchmal fühlen wir in ihr großes Glück und manchmal auch Schmerz und tausend andere Nöte, ein pulsierendes, empfindliches Leben in allen Farben bietet unsere Seifenblase. Moni denkt aber weiter, sie möchte sich nicht mit dem Zerplatzen als Schlussakkord, quasi dem Feuerwerk einer Seifenblase zufrieden geben. Es muss etwas bleiben, zumindest sollte es immer jemanden geben, der neue Seifenblasen erzeugt, die ein klein wenig Geist der alten in sich tragen. Die Welt muss fließen aber auch bewahren können, findet Moni.
Was wir niederschreiben, was wir dokumentieren, erzählen, malen, weiterreichen an unsere Kinder, das Erbgut wird neue Seifenblasen hervorbringen und sie ist immer mit dabei. Das glaubt nun Moni, Sie möchte wenigstens eine winzige Farbnuance der schillernden Regenbogenfarbe kommender Seifenblasen sein, auch wenn sie ganz gewiss keiner erkennt, auch wenn sich kaum einer erinnert. Es ist trotzdem irgendwie ein gutes Gefühl, wenn es so kommen würde.
Monis Seifenblasen-Feuerwerk
Texte: Bild und Bild Titelblatt
von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2009
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