Moni, die Meier und die Elsen
Raini S. nennt andere Menschen häufig Meier, obwohl sie wahrscheinlich gar nicht so heißen. Er könnte sie auch Müller oder Schulze nennen, aber das kommt niemals vor. Meier klingt für ihn irgendwie gehässiger, gemeiner, viel gewöhnlicher eben.
Nein, Meier ist auch der am weitesten verbreitete Namen in Deutschland. Seine Bedeutung war durchaus nicht gering.
Ein Meier (lat. maior oder maius „grösser, stärker, bedeu-
tender“) war ursprünglich ein Verwaltungsbeamter, später reduziert auf den Pächter eines bäuerlichen Landgutes, von dem die Bezeichnung dann auch auf das bäuerliche Gut übergeht. Das Meierrecht ist belegt seit 1290 und bedeutet das örtlich spezifische Besitz- und Verwaltungsrecht der in Verwaltung gegebenen Höfe.
Es gibt aber auch das Meier-Loch.
Das Meier-Loch ist in Mitteldeutschland befindlich, hier heißt man eher Hoffmann. Aber darüber möchte Moni jetzt nichts sagen, obwohl in Mitteldeutschland, wozu auch weite Teile der ehemaligen DDR gehören, die Leute tatsächlich mehr Hoffmänner sein müssen als eben Meier. Aber das ist jetzt wirklich weit her geholt.
Es sind nur Männer, die stets von Raini S. so tituliert werden. Frauen werden milde lächelnd als Elsen zusam-
mengefasst, was aber auch nicht gerade anerkennend gemeint sein kann.
Raini S. belässt es allerdings nicht dabei, nur irgendwelche Querulanten als Meier abzustempeln, nein, er findet den Namen durchaus auch für Dingliches passend. Gegenstände aller Art können Meier sein, besonders Werkzeuge jeglicher Größe. Mit einem Meier macht man etwas. Was auch immer. Der Meier ist das Mittel zum Zweck. Man kann also mit ihm auch durchaus etwas zustande bringen, vielleicht sogar ein richtiges gutes Ziel verwirk-
lichen. Das klingt positiv.
Der Meier ist also irgendwie wichtig. Manchmal hat Moni schon gedacht, wir wären ein Volk der Meier. Mit uns wird ständig irgendetwas gemacht. Irgendwer bedient sich unser, erfüllt sich mit und durch uns seine Wünsche, schätzt uns aber reichlich gering ein. Wenn wir unsere Schul-
digkeit getan haben, dann wandern wir wieder in die Schubladen. Selbstverständlich nicht nach ganz weit hinten, denn der Meier muss bei Bedarf zur Hand sein. Darauf sind die Meiers stolz.
Stolze Meier
Unsere Meier jagen, hasten
In den Klöstern Nonnen fasten
Oben geifert man wie irre
Arbeitspferde im Geschirre
Schlagen fruchtlos montags aus
Fernsehblödel stecken Zungen raus
Große Leute gehn ins gute Land
Germany ist abgebrannt
Sparen kann man anderswo
Hoch die Tassen
Pipapo
Man ist prächtig, mächtig, schick
Zeigt sich grinsend, schillernd, dick
Bildung, Schule, wahre Kunst
Weichen vor dem Festzeltdunst
Römer laut nach Spielen schrien
Und dabei auf Menschen spien
Aber wir sind höher jetzt entwickelt
Menschlich, freundlich, keiner krickelt,
Sauber, pünktlich, makellos
Erteilt man heut den Todesstoß
Und wenn einer schreit dabei
Nachbarn ist das einerlei
Schließt das Fenster keine Frage
Gegen Krach gibt’s ja die Klage
Wer nicht mitspielt, hat s verdient
Sabbert Meier,
Müller grient
Aber wie verhält es sich nun mit den Elsen? Wenn man es nachliest, so muss man feststellen, dass die Elsen 1895 groß im Rennen waren, dennoch spricht Raini S. heute meist nur von Elsen. Sie scheinen manchmal ziemlich im Wege zu stehen, fallen hin, wenn es absolut unangebracht ist, und kreischen, wenn es zu handeln gilt. Elsen sind Dummchen, die das Große und Ganze nicht begreifen wollen oder können. Bestenfalls erlaubt man sich, sich mit ihnen zu zeigen oder sich mit ihnen ein paar aufregende Minütchen zu gönnen. Das wäre es aber auch schon.
„Allerdings gäbe es ohne Elsen weit aus weniger Spaß am Leben. Man braucht sie wohl eigentlich doch. Wofür oder für wen sollte Meier denn sonst rotieren?
Man muss also zugeben, dass die Meier und die Elsen nicht ganz unwichtig sind. Es wäre also wirklich gut, sie am Leben zu lassen“, denkt Moni milde.
Moni möchte die Menschen verstehen, wenn es auch zuweilen nicht einfach ist, dahinter zu kommen, was die Menschen bewegt, warum sie so sind wie sie sind, wer oder was sie dazu gebracht hat, zum Beispiel bei Big Brother mitzumachen oder ins Dschungelcamp zu gehen. Warum wollen junge Männer und Mädchen Superstar werden, warum riskieren sie, sich von einem Dieter B. beleidigen zu lassen und warum glauben sie überhaupt, ein Superstar werden zu können? Moni schüttelt ungläubig ihre Mähne. Woher nehmen die kleinen Elsen ihr hohes Selbst-
bewusstsein?
Moni ist solange zur Schule gegangen, hat wie blöde gelernt und gelernt, hat Diplome erkämpft, aber Superstar werden zu wollen, wäre ihr im Traum nicht eingefallen, sie hätte sich allerdings auch nicht im Morgengrauen stundenlang angestellt, um eine Konzertkarte von Tokiohotel zu ergattern. Nein, diese Beharrlichkeit hatte sie nie.
Na ja und überhaupt, damals gab es Tokiohotel auch nicht. Es gab die Rolling Stones, und Jimi Hendrix, von denen man mit Ach und Krach eine Schallplatte beschaffen konnte, also im Osten war’s so.
Moni seufzte. Irgendwie scheint sie doch alt geworden zu sein und kann nicht mehr alles begreifen.
Vielleicht sagte deshalb Raini S. zu ihr niemals „Else“.
Tag der Veröffentlichung: 22.03.2009
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