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Monis Ehre



Moni hatte früher einen Chef, der behandelte alle Mitarbeiter gleich.
Ungläubig fragt man sich: „Gibt es denn so was? Einen gerechten Chef?“
Nein, über Gerechtigkeit hatte Moni schon zu Genüge nachgedacht und kam leider zu dem traurigen Schluss, dass es Gerechtigkeit nicht gäbe, allenfalls hin und wieder ein meist erfolgloses Bemühen um sie.

Monis Chef behandelte alle Mitarbeiter gleich fies. Er trampelte, gelinde gesagt, auf jeden Einzelnen scheinbar genüsslich herum. Die meisten ertrugen das sogar ohne Widerspruch. Einfach so!
Moni wunderte sich. „Hatten die denn gar keine Berufs-
ehre?“
Sie hatten eine Berufsehre aber schlechte Karten, um sie zu verteidigen. Sie fürchteten schlicht um ihren Arbeitsplatz und hielten auf Deutsch gesagt nur deshalb ihr Maul. Manche meinten, man müsse sich einfach ein dickes Fell zulegen, dann ginge es. Die Sache mit der Verteidigung der Ehre müsse in dem Fall unbedingt in den Hintergrund treten.
„Freche Mitarbeiter sind hier nicht erwünscht, die fliegen ruck zuck,“ meinte einer lakonisch.

Moni war noch nicht lange in dieser Firma, wollte zunächst vorfühlen, was so lief. Nein, frech war die gute Moni bestimmt nicht, aber sie wusste, was sie kann. Moni wusste auch, dass ein Mensch nicht unfehlbar ist. Bei aller Mühe und Aufmerksamkeit, keiner ist perfekt. Der unselige Chef selber natürlich auch nicht, doch das ist natürlich ein völlig anders Thema. Chefs dürfen nämlich alles, glauben sie.

Moni dachte in ihrer Unschuld, wenn ihr ein Fehler unterlief, dann würde sie die Sache berichtigen und alles wäre damit erledigt. Aber es kam immer ganz anders. Der kleinste Pissfehler war für den Chef offensichtlich ein Desaster.
Wie konnte das passieren und würde der Fehler sich vielleicht noch an anderen Stellen eingeschlichen haben und bla, bla, bla…die arme Moni wusste nicht, wie ihr geschah.
„Haben sie denn überhaupt keine Berufsehre. Bei ihnen muss alles stimmen. Ich muss mir da ganz sicher sein. Das ist unmöglich.“ Wetterte der Chef völlig echauffiert.

Moni meinte nur ganz ruhig, dass sie den Fehler inzwischen auch entdeckt und bereits bereinigt hätte. Es tue ihr leid. Und eine Berufsehre hätte sie durchaus.
Der Chef war schockiert, sagte aber nichts. Die Tür fiel ins Schloss. Moni hatte seit dem nichts mehr zum Lachen. Sie habe eine zu freche Antwort gegeben, meinte ein Kollege.

Moni hatte die nächsten drei Jahre insgesamt furchtbar schlechte Karten für alle Spiele, deshalb entschloss sie sich zur Kündigung.
Die Ehre scheint etwas Gefährliches an sich zu haben, sinniert Moni und außerdem hat sie wohl für viele kaum eine Bedeutung. Man pocht nicht drauf. Warum? Früher war dieses Wort eigentlich eine heilige Kuh und keiner lies sich die Ehre nehmen. Man verteidigte sie, ohne nachzudenken. Das war selbstverständlich.

Moni denkt. „Die Zeiten haben sich halt geändert, was früher unehrenhaft war, ist heute längst legitim. Was soll das Gesumse.“

Sicher muss man hier sortieren. Moni schaut mal im großen Internet nach und findet Unendliches. „Das kann ja heiter werden“, murmelt Moni.

„Gesellschaftliche Bedeutung

Durch Missachtung seines Kollektivs wird der Einzelne, durch Missachtung des Einzelnen wird sein Kollektiv getroffen (vgl. die Ehrverletzung) – anders als z. B. beim Ruhm. Beim „Verlust der Ehre“ ist auch von „Gesichtsverlust“ die Rede, was sich auf den Verlust von Ansehen innerhalb des Kollektivs bezieht.
„Verletzte Ehre“ wurde und wird in Gesellschaften-
/Kulturkreisen, in denen das Ansehen eines familiären, ethnischen oder religiösen Kollektivs über das Wertesystem des Individualismus gestellt wird, unter offener Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien (Gewaltmonopol des Staates) auf gewaltsame Weise „wiederhergestellt“ (vgl. Rache, Duell, Ehrenmord).
Das Streben einer Person nach Ruhm oder Ehre führte und führt nicht selten zu persönlichen und äußeren Konflikten.
Die Ehre war im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa auch ein Medium, um Konflikte zwischen Personen und/oder Institutionen auszutragen. Bei der Lösung und Austragung von Streitfällen wurde darauf geachtet, offene Konflikte möglichst zu vermeiden oder zu verschleiern, da ein offener Streit einen Ehrverlust des Widerparts zur Folge haben könnte. Da man sich des Eskalationspotenzials von Ehrverletzungen durchaus bewusst war, wurde es für beide Seiten erforderlich, den Konflikt dergestalt auszutragen, dass beider Ehre keinen Schaden nahm. Insofern kann man der Ehre in bestimmten Fällen durchaus eine deeskalierende Wirkung zugestehen.“



Moni gefällt das alles nicht so sehr, denn da ist ihr entschieden zuviel von Gewalt und Rache die Rede. Sie würde ja ihrem Chef am liebsten auch den Hals umdrehen aber sehr ehrenvoll käme das gewiss nicht rüber, mal abgesehen von der Kriminalisierung.
Die Sache mit der Ehre führt zu Konflikten. Soviel ist sicher. Aber muss das immer mit dem Holzhammer ausgetragen werden? Und was hat das alles mit Ehre zu tun, wenn einer am Boden liegt? Und wieso ist dann die Ehre wieder hergestellt? Moni schüttelt den Kopf. Nein, das wäre es nicht.

Moni ist sich eigentlich ganz sicher, dass man miteinander vernünftig und sachlich kommunizieren sollte, dann wäre auch die Ehre wieder herzustellen und alles ganz ohne Haudrauf.
Leben wir tatsächlich ehrenmäßig betrachtet noch im Mittelalter? Was nützt uns die Ehre, wenn sie nicht für alle gleichermaßen gilt? fragt sich Moni noch, ehe sie es aufgibt über die Ehre weiter nachzudenken.
Sie ist friedfertig und harmoniebedürftig und würde nie blutige Fehden wegen der Ehre führen können. Moni weiß nun nicht, ob das besonders ehrenhaft ist. Aber auf alle Fälle gesünder.

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Tag der Veröffentlichung: 26.02.2009

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