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Moni und die Kontakte



Moni hat viele Kontakte geschlossen. Sie war dazu verpflichtet, rein dienstlich wegen der Geschäfte. Nur so funktioniert das Business. Sie musste lernen, dass diese Kontakte nichts mit dem Herzen zu tun haben sollten, ja dürfen, denn ansonsten würde es gefährlich werden. Die Objektivität würde angeblich nicht mehr gegeben sein. Man würde zu tief involviert sein und das ist gar nicht gut.

Moni versteht das nicht ganz, denn sie will ja dabei sein und sich einbringen, wo sollte denn sonst die geforderte und notwendige hohe Motivation herkommen, wenn nicht aus dem tiefsten Herzen?

Kontakte herzustellen, zu halten, zu vertiefen…aber daraus auf keinen Fall Gefühle zu entwickeln, oder diese gar zu verinniglichen aber beständig, verlässlich zu fördern, auch zu schützen, ohne wirklich beteiligt zu sein, das erscheint anstrengend, fast gar nicht realisierbar. Aber im Geschäft muss man kalt sein, heißt es.

Kalte Kontakte! Moni stöhnt.

Banker, Großindustrielle, Versicherungen, Politiker, Kirchenfürsten, Richter und Anwälte scheinen das von Fall zu Fall recht gut zu beherrschen.
„Wie machen die das nur?“ fragt sich Moni erstaunt.
Ist Erfolg und Kaltschnäuzigkeit oder besser Skrupel-
losigkeit immer gekoppelt oder wäre das eventuell doch nur ein großer Irrtum? Oder muss das Geschäft erst eine gewisse Größenordnung erreichen, um völlig losgelöst von menschlichen Gefühlen, fast robotermäßig, nur einem Ziel gestundet, nämlich der höchstmöglichen Rendite, zu funktionieren?
Robotermäßig! Moni schüttelt sich.

Nein, die Sache mit dem Erfolg und der herzlosen Geschäftstätigkeit, den kalten Kontakten hat sich wohl doch nicht bewährt. Die gegenwärtige Krise zeigt es. Die geschlossenen Kontakte halten nicht, der Erfolg stellte sich nicht ein, zumindest nicht beständig. Diese Kontakte zeigen sich fast für alle desastriös instabil. Einige genehmigen sich noch schnell ein paar fette Boni, andere bitten um Hilfe und zur Belohnung für ihr systemruinöses Verhalten wird sie großzügig aber ängstlich gewährt. Das System ist gefährdet. Das System muss geschützt werden, obwohl es jämmerlich versagte.

Moni bemüht sich alles zu verstehen, denn Moni muss ja wie alle anderen Steuerzahler auch dafür bluten. Jetzt ist Solidarität gefragt, denn es ist unser großes System, das beste der Welt, das beste, was es je gab.
„Wir sind für die Menschen da“, predigt die Kanzlerin süßsauer und schiebt den Banken nur so die Milliarden rüber.

„Seid lieb zueinander“, meint der Dalailama lächelnd.
„Vertrauet auf Gott, übet Euch in Demut“, leiert der Papst vergrämt im goldenen Gewande.

Wie es den Menschen geht, scheint keiner wirklich zu wissen, wohl auch nicht wissen zu wollen, denkt Moni traurig.

Wer das Sagen hat also oben ist und seine Existenz gesichert weiß, hat vermutlich den Boden und leider auch das Herz verloren. Sie glauben also, wiederholt und scheinbar absolut unbelehrbar, dass es ohne Gefühl funktionieren muss.
Moni seufzt. Würde man so das System retten können und ist genau dieses kaputte System überhaupt die Rettung wert? Moni hat große Zweifel.

Man wird unter Umständen Prämissen setzen müssen, Abstriche an anderen auch so furchtbar wichtigen Dingen vornehmen. Kunst, Bildung, Kultur, Wissenschaft, alles muss sich nun gedulden, die Not leidenden Banken und die Großindustrie muss befriedigt werden. Das System, das System ist wichtig.
Das ist jetzt von enormer Bedeutung! „Aber hat keiner das System weiterentwickelt, damit sich nicht in Abständen alles wiederholt?“ fragt sich Moni besorgt. Nein, dafür ist jetzt keine Zeit und früher hat man ja von der Krise nichts gewusst. Man hat einfach nichts gewusst. Moni schüttelt empört den Kopf.

Reichlich ratlos stehen wir hier vor einem Problem, das sehr ausgewachsen anmutet.

Aber zuweilen gibt es auch Verständnis für diese Zwickmühle. Die Bürger sind allerdings schwer verwirrt und wissen eigentlich auch nichts Besseres. Doch ist dies ihre Aufgabe, Systemlösungen einzubringen?
Und wie lange hält ihr Verständnis vor?
Möglich, dass es von der kollektiven Langmut aber mehr von der Tiefe der Beziehung zum System und dem Ver-
trauen zu den Führenden geprägt ist. Das beantwortet allerdings die Frage nicht.
Jetzt ist Gespür, Diplomatie angesagt…sicher auch das, doch ohne Einsatz, effektiven, voll involvierten Einsatz jedes Einzelnen, geht es vermutlich sicher wieder an den Baum, das wird nur oft nicht sofort bemerkt, weil manchmal Rückzüge schrittweise stattfinden.

Das Entfremden ist ein reichlich tückischer Prozess. Werden die Impulse schwächer, dann breitet sich leicht die Langeweile, nein die Gleichgültigkeit, auch die Resignation aus. Sie ist der Hauptfeind, sie erstickt das Interesse, nimmt die Spannung, sie dämpft Leidenschaften, sie bereitet Abwendung vor. Sie ist der Anfang vom Ende.

Zugegeben, Moni denkt an ein friedfertiges Aus, aber der Kontakt ist gelöst. Alles beginnt von neuem, sofern wir Glück haben…und ein besseres System Einzug hält. Neue heiße, leidenschaftliche Kontakte…gepaart mit Klugheit und Vernunft…hofft die optimistische Moni. Vielleicht ist sie aber auch ein ganz klein wenig naiv.


Impressum

Texte: Titelblattcover und Bilder von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 24.02.2009

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