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Moni denkt über Früher nach



Typisch DDR



Broiler, Plastetüten und dreiviertel Sechs noch im Trabbi, dann ist eigentlich nichts mehr möglich.
„Was denken denn jetzt die gebildeten Menschen von uns“, sinniert Moni laut. „ Am Ende glaubt hier einer, man würde Sex nicht richtig schreiben können. Das wäre peinlich!“ Gemeint ist natürlich 17.45 Uhr und um die Zeit sollte man unbedingt aus dem Gefährt raus sein, weil sonst der Konsum zumacht, was fatal wäre, denn der nächste „Früh und Spät“ ist JWD und die haben wirklich nicht alles, was so eine große Kaufhalle bietet. Einen Fleischstand haben die nämlich nicht, also würde man auf den Broiler am Wochenende verzichten müssen. Das wird Stress, seufzt Moni, daran denkend, dass sie also wieder einmal den Einkauf am Freitag nicht schaffen würde. Am Sonnabend war die Kaufhalle voll, überall Schlangen und wahr-
scheinlich würde ihr auch wieder eine Milchtüte platzen. Flaschen gab es auch, aber da war Pfand drauf, man müsste die Flaschen sauber gespült wieder hinbringen und das im Beutel am Fahrrad hängend, was auch keinen großen Spaß macht, wenn man vorne im Körbchen noch den Knirps zu sitzen hatte. Das bedeutet, dass man schieben muss und somit noch mehr Zeit verlöre.

Irgendwie wird es schon gehen, dachte Moni. Sie machte sich nun Gedanken, was es am Wochenende zum Mittag geben könnte. Sie hätte gerne einen Sauerbraten zubereitet aber wahrscheinlich gibt es kein schieres und vor allen Dingen auch kein mageres Rindfleisch. Also wird es wieder auf Gehacktes oder Kotelett hinauslaufen.
„Am Sonnabend mache ich also Kochklops und am Sonntag eben die Koteletts, vielleicht mit Blumenkohl, wenn sie welchen haben.“ Das wusste man nie.
Moni wollte nicht länger darüber nachdenken, ein Glas mit Mischgemüse bekam man immer und die Kinder wären zufrieden. Moni seufzte wieder ganz leise. Die Einkauferei hing ihr zum Halse heraus, man konnte einfach nichts planen, musste mit Dem vorlieb nehmen, was angeboten wurde. Alles reine Glücksache!

Schließlich bekam sie doch einen Blumenkohl, wenn der auch nicht mehr so toll aussah. Man schnitt das Schwarze einfach ab und dann ging es. Außerdem gab es fünf Negerküsse pro Kunde. Das war etwas Außerordentliches, was die Kinderaugen strahlen lassen würde. Jedes Kind bekam zwei und den anderen, den Fünften würde Papa essen können, der wollte auch immer Mal Süßes naschen.
Moni war also doch noch ganz zufrieden. Das Wochenende war essenstechnisch gesichert. Da war aber noch etwas, worüber sich Moni Gedanken machen musste. Es war nämlich Fasching angesagt und die Kinder brauchten ein Kostüm. In der Schule und im Kindergarten wurde gefeiert und jedes Kind wollte sich natürlich verkleiden. Was als Fertigkostüm angeboten wurde, war scheußlich und teuer. Moni hatte auch keine Zeit in der Woche durch die Läden zu rennen und am Sonnabend war alles sowieso schon weg.
„Manche können einfach von der Arbeit los in die Stadt, um irgendetwas zu ergattern oder lassen sich von den Verkäuferinnen etwas zurücklegen.“
Moni schüttelte wütend den Kopf, weil sie das nicht durfte. Sie arbeitete in der Materialwirtschaft und konnte den Betrieb nicht verlassen, erst nach der Feierabendhupe. Außerdem hatte sie keine Beziehungen, weil sie leider nichts zu bieten hatte. Sie kannte auch niemanden, der etwas zu bieten hatte, um eventuell ein Geschäft zu vermitteln.

Somit stand die gute Moni immer ziemlich belämmert da und musste Das nehmen, was die anderen übrig ließen. Manchmal eben gar nichts. Moni bastelte also die Kostüme für die Kinder und redeten ihnen ein, wie hübsch sie damit aussahen. Die Kinder zogen manchmal einen kleinen Flunsch aber sie waren dann doch glücklich, überhaupt ein Kostüm zu haben und freuten sich auf die schöne Feier und die war wirklich immer schön. Es gab Pfannkuchen und Brause, Luftschlangen, Konfetti und Musik zum Tanz. Meist war noch ein Clown dabei, der mit den Kindern komische Spiele machte. Begeistert kamen die Kinder nach Hause. Moni freute sich mit ihnen. Die Kinder brachten auch ihre kleinen Gewinne mit: Buntstifte, ein Fläschchen zum Seifenblasen machen, ein Malheft. Ja, was will man mehr? Die Kinder hatten in der Regel alles und waren sicher glücklich. Das ist das Wichtigste, dachte Moni und wollte nicht weiter wegen der verdammten Mangelwirtschaft hadern.

Moni wusste so Einiges über die eigenartigen Differenzen zwischen Zeitungsberichten und tatsächlichen Produk-
tionserfolgen. Sie wunderte sich schon lange nicht mehr darüber, dass ihre Wirtschaftlichkeitsberechnungen in den Pflichtenheften der Forschungsthemen scheinbar kaum Beachtung fanden. Den Bereichsdirektor hatte sie deswegen mehrfach angesprochen, doch der lächelte nur und zuckte die Schultern. „Seien sie bloß froh, dass sie kein SED-Mitglied sind. Die Entscheidungen sind immer politischer Natur. Das Kombinat bestimmt, was gebaut wird. Wir empfehlen nur.“ Er hatte sich damit erstaunlich weit aus dem Fenster gelehnt. Moni meinte darauf nur „Na, denn Mahlzeit Herr Dr.“ Sie ging anschließend in die Kantine, um für 80 Pfennige Mittag zu essen. Die müssen doch nur Verluste schreiben, dachte sie noch. Keiner machte sich darüber große Sorgen. Die waren ja auch unerwünscht. Was in der Zeitung stand war alles erstunken und erlogen, alle wussten es. Man durfte es nur nicht laut sagen.

Moni hatte immer ein wenig Sorge, dass die Kinder sich verplapperten, wenn sie das Westfernsehen einschaltete. Alle machten das. Die Tanten im Kindergarten auch, selbst die Lehrer. Aber die meisten gaben es nicht zu, zumindest in Gegenwart fremder Leuten nicht. Viele erhielten fette Westpakete und düngten sich in ihren besseren Klamotten, etwas Besonderes zu sein. Sie waren manchmal hochnäsig und glaubten wohl auch schlauer zu sein, tönten aber auf den Partei- oder Brigadeversammlungen linientreu herum. Wenn das ihre einzige Schlauheit war, widerlich! Moni konnte diese Brut gar nicht ausstehen. Sie wusste, dass viele ihr Parteiabzeichen nur als Schwimmkorken ansahen. Sie standen dadurch auf den Wartelisten etwas weiter oben.

Moni dachte, alles würde immer so weitergehen. Man müsse sich ewig in irgendwelche Wartelisten eintragen, die es reichlich für alles gab und die westliche Welt würde ihr verschlossen bleiben. Sie würde weiterhin ganz gerne zur Arbeit gehen, weil sie dort Anerkennung fand, Geld verdiente und die Kollegen einander beistanden. Man half sich und es gab am Arbeitsplatz immer etwas zum Lachen, wenn bloß die allabendliche Hetze nicht wäre. Moni war nicht unglücklich aber irgendetwas schien zu fehlen. Alles war klar. Das Leben war berechenbar, Überraschungen gab es nicht, wenn man halt wusste, wann Klappe gehalten werden musste. Moni wusste das ganz genau. Nein, ändern würde man nichts können. Jeder versuchte sich zu arrangieren und für die Familie zu sorgen, jeder auf seine Art.

Ja, das war ein wenig typisch DDR bis alles ganz anders kam und eine mehr oder weniger wunderbare Wende nahm.

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Tag der Veröffentlichung: 16.02.2009

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