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Monis Klischee-Vorstellungen



Der Künstler
ein Lebenskünstler



Das ist einer
Der kann leben
Wie sonst keiner

Kommt es schlecht
So lacht er nur
Schaut kaum auf die Lebensuhr

Ist des Künstlers Teller leer
Klagt er nicht
Auch fällt’s ihm schwer

Ein Lebenskünstler logisch
Das Leben meistert kategorisch
In der Regel provisorisch




Moni weiß, dass es Künstler wie Sand am Meer gibt und jeder glaubt anscheinend, er wäre einzigartig. Also zumindest ein ganz kleines Bißchen. Das ist doch ein Mindestanspruch, den ein Individualist stellen dürfte. Künstler sind nämlich Individualisten, also meistens. Sie wollen es zumindest sein, glaubt Moni. So geben sie zunächst ihrem Outfit eine besondere Note. Es sei denn sie sind Bestandteil eines Orchesters oder eines Balletts, über die ich hier im Moment aber nicht schwätzen möchte.

Der Künstler möchte als solcher unbedingt erkannt werden und strebt somit an, sich von den Normalos möglichst deutlich zu unterscheiden. Das ist heutzutage keine einfache Aufgabe, denn wie man weiß, gehen die Menschen in den abenteuerlichsten Verkleidungen in die Öffentlichkeit.

Wie sieht also ein Künstler aus? Woran könnte man ihn erkennen? Moni kennt einige Künstlertypen, ob sie nun die ganze Gruppe repräsentieren könnten? Wer weiß das schon? Jedenfalls sind es irgendwie Leute, die anders sind als Lieschen Müller Partygirli oder Fußballfan Gröli vom Ballermannkaliber.

Der Künstler, der auf sich hält, trägt eine Kopfbedeckung. Männlein wie Weiblein dieser Gilde bevorzugen stets ihr Haupt zu bedecken, meist mit einem breitkrempigen Hut der männliche Autor, mit einer kleinen merkwürdigen, etwas lächerlich wirkenden Filzkappe undefinierbarer Farbe die verschrobene Malerin, die dazu einen langen Rock und mehrere Jacken unterschiedlichster Länge bevorzugt. Als Schmuck werden einige grobe Ketten mit grünen oder türkisen Amuletten umgehängt. Das Haar ist kurz geschnitten, auf keinen Fall gefärbt, wenn, dann auf alle Fälle Pumuckelrot. Hat die Malerin langes Haar, dann bleibt es Natur belassen. Moni meint, Künstlerinnen lieben Gefilztes und ob sie dick oder dünn am Leibe sind, ist ihnen meist egal. Persönlichkeit ist alles und man muss sich wohl fühlen.

Moni sagt, Künstler sind eigentlich Genussmenschen. Sie lieben es natürlich, gut zu leben. Wie alle Menschen halt aber es ist bekannt, dass leider die Kunst oft brotlos ist und auch hartnäckig bleibt. So müssen die Künstler sich herablassen, auch einen bürgerlichen Beruf auszuüben, was bitter sein kann. Tja, oder man lebt ein wenig wie ein Penner und vergräbt sich wild in seiner Kunst. Sicher gibt es Unterschieden zwischen den alten und jungen Meistern jeglicher Kunst. Die einen wollen der Welt und sich allerhand beweisen, wollen avantgardistisch vorpreschen, wollen so viel erreichen und umstülpen und wenn da gar nichts klappen will, dann kommt die große Depression. Die Bilder und Texte werden düster und grauslich.
Moni schüttelt den Kopf, sie ist ja schon etwas älter.

Um noch einmal auf Das Äußere zu kommen, für die männlichen Künstler trifft fast Ähnliches wie auf das Gesagte für weibliche zu. Die Haare, sofern vorhanden, sind meist länger als es die Mode zulässt und zum Hut gehört ein unendlich langer Schal. Im Sommer trägt er den Leinen-Knitter-Look, im Winter nichts Bemerkenswertes, vielleicht einen Rollkragenpullover, den Hut selbstver-
ständlich. Schmuck lehnt der männliche Künstler ab. Die neuste Mode interessiert ihn überhaupt nicht, denn ein Trendsetter ist er auf keinen Fall. Er macht genau das, was nicht Mode ist. Verschrobenheit ist hier das Mar-
kenzeichen, je mehr desto besser.

Künstler lieben Katzen und hassen Fernsehen, trinken Rotwein und sind oft Raucher. Sie lieben ihr künstlerisches Chaos, Pedanterie ist ihnen ein Graus. Gerne schaffen sie bis spät in die Nacht und schlafen etwas länger am Morgen. Maler und Autoren verabscheuen den Tages-
schlager, lieben aber Musik, die einen Klassik, die anderen Blues, sie lesen die Zeitung aber auch Bücher, zuweilen mehrere auf einmal und sie liegen überall herum. Also die Bücher.

Bücher sind wichtig. Bücher und Bilder, auch die Erinne-
rungen an Reisen, denn Künstler verreisen auch sehr gerne, umgeben sie in ungeheurer Vielfalt in ihrem Zuhause. Jedes Fleckchen an der Wand ist besetzt. Entweder Bilder oder auch Anderes wird an den Wänden befestigt, oft auch provisorisch, denn ein Handwerker ist ein Künstler in der Regel nicht, insbesondere die Autoren stehen mit dem Handwerk ein wenig auf Kriegsfuß. Ihr Anspruch an Genauigkeit ist nicht besonders hoch, auch an die Pünktlichkeit nicht. Er sieht’s nicht so verbissen.
Mit den Gesetzeshütern will er aber nicht in Konflikte geraten, da lässt er sich lieber nichts zu Schulden kommen. Künstler sind friedfertig und gutmütig, meist lassen sie sich von jedem gehörig ausnutzen und sie sind nicht unbedingt Rechenkünstler. Das ist ein Nachteil. Sie handeln nicht berechnend. Entscheidungen werden aus dem Bauch heraus getroffen.

Die Künstler sind zwar Individualisten, sie sind aber trotzdem oft zum Lachen aufgelegt und machen allen möglichen Quatsch mit, denn sie sind nicht gerne Spiel-
verderber. Wenn der Spaß vorbei ist, dann sind sie aber mächtig froh, wieder alleine sein zu können. Maler und Autoren müssen alleine sein aber nicht einsam. Nein, sie wünschen sich einen Partner, der immer da ist, wenn er mal nicht alleine sein möchte. Und sie lieben aus vollstem Herzen, können das allerdings nicht immer sagen oder zeigen. Der Partner muss es halt merken und merkt es auch, wenn er es will. Man muss wissen, Künstler granteln manchmal auch, aber sie sind Gutmenschen. Sie tun keiner Fliege etwas zu Leide und helfen, wo sie können.

Ein Maler oder ein Dichter, ein Autor schafft in der Regel einsam und er hütet sein kostbares neues Werk, bis er soweit ist, es der Allgemeinheit vorzustellen. Er liebt sein Bild oder seine Geschichte wie ein Neugeborenes und das ist es ja schließlich auch. Meist braucht er Fürsprecher, einen guten Galeristen, einen wortgewandten Laudator, jemanden, der ihn und sein Werk an die Hand nimmt, es verbreitet und wenn es geht auch verkauft.
Sich vermarkten kann ein Künstler meist gar nicht. Er ist eher bescheiden und stapelt tief, ist kaum mit sich zufrieden und mosert über seine Arbeit, dennoch liebt er seine Babies und missbilligt die herbe Kritik anderer, sagt aber nichts, grummelt nur im Inneren, fühlt sich nicht verstanden und lächelt nach außen. Seine Empfindlich-
keiten möchte er gerne vertuschen und tut nur so cool. Künstler ärgern sich selten sichtbar für andere, aber wenn sie sich unbeobachtet fühlen, dann schimpfen sie schon mal laut, und verfluchen sich und die Welt.
Das dauert aber nicht sehr lange und schon wenden sie sich wieder ihrem Bild oder ihrer Schreiberei zu und der ganze Ärger ist fast völlig vergessen. Die Züge glätten sich, die Welt ist weit weg und alles ist in Ordnung.

Moni mag diese Künstlertypen, weil sie kreativ sind und den Mut besitzen, irgendwie auszubrechen aus dem grauen Alltag. In der Regel sind es fantasievolle, sensible und ehrliche Menschen, die ihren Standpunkt ausleben, die versuchen, dem allgemeinen Spießertum zu entgehen. Moni denkt, das kann doch nicht so schlecht sein, wenn einer versucht seinen Illusionen Gestalt zu verleihen, seine Visionen auf die Leinwand zu bannen oder seine Ideen aufzuschreiben.



Schade nur, dass die Künstlertypen nie etwas bestimmen können, obwohl sie eine Menge zu sagen haben.
Moni seufzt und wendet sich dem alltäglichen Stundenplan zu.

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Tag der Veröffentlichung: 09.02.2009

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