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Wir fahren jedes Jahr einmal nach Holland, denn uns gefällt dieses Land. Wir wählen meist die freien Tage um Ostern, um uns auf den Weg zu begeben, um das Land der Blumen, der Käsevielfalt und der Windmühlen zu besuchen. Natürlich gibt es noch viel, viel mehr, was uns so sehr anspricht, dass wir immer wiederkommen. Wenn wir über die ehemalige Grenze fahren, dann stellen wir den regionalen Radiosender ein und schmunzeln über die Sprachmelodie und die kehligen Laute der Holländer.
Wir bestaunen schon im Vorbeifahren die fantasiereiche Architektur der Gewerbetreibenden, ihre Firmengebäude sind scheinbar normenfrei und so sehr abenteuerlich anzuschauen. Auf den Wiesen sehen wir Unmengen von Schafen und Kühen weiden, ganze Herden mit total schwarzen Schafen fallen uns auf, und Pferde. Es gibt scheinbar auch viele Gestüte, die sich mit Reitpferden befassen. Das Land ist weit und absolut flach, sehr grün und saftig liegen endlose Wiesen neben der Strasse, oft von den Grachten durchzogen, die vielfach als natürlicher Weidezaun dienen.


Wir sahen auch die berühmten Tulpenfelder. Das ist sehr beeindruckend und wunderschön. Nur dieses Jahr haben wir die Tulpen verpasst, sie waren wohl schon alle abgeerntet. Aber dennoch sind wir wegen der Pflanzen und Blumen hier, denn jedes Jahr am Himmelfahrtstag ist in Leeuwarden ganz großer Pflanzenmarkt. Im letzten Jahr ist uns dieser Markt rein zufällig auf der Durchreise aufgefallen. Wir waren begeistert. Menschen über Menschen, fast alles Holländer traben über diesen riesigen Markt, um sich mit Blumen und vor allen Dingen Pflanzen für den Garten und den Balkon einzudecken.
Nie sahen wir etwas Vergleichbares. Ich stehe und staune. Es gab alles, einfach alles, was ein Pflanzenfreund sich nur vorstellen kann, dies in toller Qualität und mit akzeptablen Preisen. Voriges Jahr fassten wir schon den Plan, beim nächsten Besuch unbedingt zuzuschlagen. Das taten wir und zwar sehr ausgiebig. Wir schleppten weg, was uns möglich war zu transportieren. Zunächst war der Regenschirm sehr hilfreich. Zwischen uns baumelten also zahlreiche Plastiktüten mit den kleineren Pflanzen auf den Regenschirm gefädelt und in den freien Armen trugen wir die großen Biester. Bis zum Parkplatz musste man tippeln und die Pflanzen waren schwer, aber wir haben es geschafft und waren furchtbar stolz auf unsere Schätze.


Das Auto war voll und die Reise ging weiter nach Harlingen. Hier war unser Hotel, direkt am Hafen. Wir aßen den unvermeidbaren Apfelkuchen und blickten fasziniert auf die Schiffe. Sonst wohnten wir immer in Bergen, buchten das Zimmer bei VVV und bekamen auch mal die etwas abenteuerlichere Unterkunft, die letzte Möglichkeit in allerletzter Minute. Das störte uns allerdings überhaupt nicht, denn wir waren immer den ganzen Tag auf Achse, um die Gegend und das Land zu erkunden. Für mich war es immer spannend und erholsam gleichermaßen.
In Bergen ist es nicht all zu touristisch, zumindest in der Vorsaison nicht. Es ist eine nette kleine Stadt mit wundervollen typisch holländischen Häuschen, den rotweißen Fensterläden und den großen, gardinenfreien Fenstern. Sie lassen den freien Blick voller Stolz in die gute Stube zu, in der sich auch am Abend bei voller Beleuchtung die Holländer unbekümmert aufhalten. Oft sehen wir symmetrisch angeordnete Pflanzen und Vasen im Fenster, in der Mitte das scheinbar unvermeidbare Segelboot.

Die Häuschen, die aneinandergereiht, mit spitzen Dachgiebeln die Straßen bilden, sind oft furchtbar schmal und klein. Wir wundern uns, wie man so leben kann. Vielfach sind davor kleine Vorgärtchen, die mit allerlei Dekorativem bestückt sind, einfache uralte, ausgesonderte Haushaltsgefäße mit Blumen und Pflanzen liebevoll und auch geschmackvoll drapiert. Muckelig und schnuckelig! Uns gefällt das, dieses Ambiente scheint viel Herz und Seele zu besitzen. Manchmal sind allerdings auch um die allerkleinsten Vorgärten Zäune. Die Holländer pflegen zuweilen auch ihr Spießbürgertum. Manchmal gibt es natürlich auch vernachlässigte Ecken, dennoch ist der Gesamteindruck: hier ist es sauber und ordentlich. Man liebt sein zu Hause und dekoriert es entsprechend. Es gibt wohl nicht zuletzt auch deshalb unzählige Geschäfte, Lädchen, die die abenteuerlichsten Dekorationsmaterialien anbieten. Man ist in Holland sehr kunstinteressiert, vermutlich fußt dies auf ganz alte Traditionen. Uns gefällt diese Neigung und so durchstreifen wir mit blanken Augen so manches Geschäft und kaufen das eine oder andere Stück. Wir können nicht widerstehen. Es gibt einfach affengeile Sachen und wir haben Zeit herum zu schnökern. Wir lieben diese kleinen Gassen mit den zahlreichen Lädchen.
In Alkmar gibt es davon ganz besonders viele, auch in Harlem. Allerdings schieben sich mitunter viele Touristen durch die Gassen.

Wenn in Alkmar am Samstag traditioneller Käsemarkt ist, dann strömen die Menschen nur so herbei, um die Show zu bestaunen. Das ist aber nur für die Touries veranstaltet und deshalb nicht sehr ursprünglich mehr. Mir waren da wirklich zu viele Leute.

Ich mag das weniger und schlendere lieber durch die stilleren Gässchen, schaue mir die Häuschen an und finde es ganz lauschig überall. Natürlich finden wir immer ein nettes Bistro, um eine Kleinigkeit zu speisen. Wir gehen selbstverständlich auch shoppen. Bernd mag das und verpasst mir mit viel Geduld für mein anfängliches Sträuben immer viele Sachen: Pullover, Hosen, Blusen, einmal sogar einen Hut oder eine Mütze, weil es so stürmt. Ich werde also immer nach Strich und Faden verwöhnt. Mir ist dies ein wenig peinlich, aber schließlich freue ich mich und renne stolz mit den neuen Sachen umher. Für sich selber kauft er selten etwas, eher alleine noch in Frankfurt in Vorbereitung der Reise, nicht ohne mir auch etwas mitzubringen. Mein guter Bernd, immer verwöhnt er mich! Das habe ich früher in meinem anderen Leben nie so erleben dürfen.

2004 waren wir auch in Bergen. Wir hatten eine sehr gute und geräumige Unterkunft, allerdings ist mir ständig das Innenleben des Schrankes zusammengebrochen und zwar mit lautem Getöse. Das war wirklich witzig. Und einmal habe ich mich in der Dusche fast 20 Minuten verzweifelt bemüht aus der Kabine zu gelangen. Irgendwie ging die Tür nicht auf. Wie sich herausstellte war ich nur zu blöde. Man muss auch beachten, dass in Holland oft die Toilettentüren in entgegengesetzte Richtung verriegelt werden. Man gerät ins Schwitzen, wenn man nicht weiß, wie man aus dem Klo wieder rauskommt, in Finnland ist das auch so.
Von Bergen aus wanderten wir mit einem gut gefüllten Picknickkorb und den neuen Hut aufgestülpt in den hellen Wäldern vor dem Meer herum, lagerten auf einer Wiese im Sonnenschein, verspeisten den Käse und tranken einen guten Schluck roten Wein bis die Ameisen kamen. Es war wunderschön. Nein, wirklich! Wir haben das sehr genossen, auch die lange Wanderung am fast menschenleeren Strand in zum Teil furchtbaren Wind. Wir haben auch zugegeben ein wenig gefroren, wärmten uns aber in Bergen and Zee mit einem heißen Pannekoeken am offenen Feuer in einem recht rustikalen Kaffee in Strandnähe, denn wir mussten ja auch noch zurück und das war weit. Mit letzter Kraft erreichten wir dann aber auch unser Quartier und dann kam die Arie mit der Dusche.

Abends war etwas ganz Besonderes angesagt. Bernd hatte in einem kleinen Ort in der Nähe ein tolles Restaurant, das Rariteiten Restaurant „Linke Loetje“ in Schagen ausbaldowert und Plätze reservieren lassen, alles war rappeldicke voll. Aber wir saßen direkt neben der Küche, man konnte fast alles sehen. Nicht alles, nicht unsere Vorspeise, sie stand in der originellen Karte als Kikerbillen von Kermit bezeichnet. Ich Kuh bin nicht einmal stutzig geworden, erst als Bernd mich mit leuchtenden Augen aufforderte, auch mal von dem leckeren Fleisch zu kosten. Ich tat es verhalten, eigentlich wollte ich keine Vorspeise, denn ich kann mengenmäßig nicht so viel essen. Nun, es waren Froschschenkel. Darauf einen Brandy. Na ja, Spaß muss sein. Bernd hatte ihn, ich lächelte etwas schwach. Ab sofort bin ich wachsamer.

Amsterdam erlebten wir kühl und unwirtlich. Bernd wollte sich wegen der Kälte einen Not-Pullover kaufen, aber es war Sonntag und die Geschäfte, die trotzdem geöffnet waren, hatten nichts Brauchbares.
Wir liefen ein wenig umher, schauten uns um und sahen auch die wunderschönen altehrwürdigen Gebäude, davor lebende historisch verkleidete Figuren, die man eigentlich nur gegen Geld fotografieren darf. Ich wusste das nicht, tat es und erntete böse Blicke.

Die Mädchen in den Schaufenstern, in den bewussten Gassen, waren um die Zeit noch nicht alle bereit, aber dies war nun auch nicht sehr schlimm. Es ging auch ohne sie. Jedenfalls sah ich auch dieses, auch wo man sich seinen Joint besorgt, was in Holland wohl kein Problem ist und gern genutzt wird. Man ist halt locker drauf. Ja. Ja!
So schlenderten wir halt mal durch die Gassen und ich gewinne diverse Eindrücke als Ost-Landei. Ich tue ganz cool und denke, mein lieber Schwan, was mag hier erst am Abend abrasen?

Dann fahren wir wieder. Immer wieder staunen wir über die vielen Fahrräder, die man auf den Strassen sieht. Es gibt unglaubliche Fahrradparkplätze und auch die bemerkenswertesten Räder überhaupt, was Alter und Zustand anbelangt. Man kettet sie sorgsam an. Manchmal scheinen sie dort schon immer zu stehen, sie sind Dekoration geworden und das sieht ganz nett aus. Sie stehen vor den kleinen Lädchen und gehören einfach zum Gesamtbild. Das inspiriert mich und ich male ein Bild zu Hause, auch die Bistros bilden ein gutes Motiv.

Es gibt Anregungen für Bilder ohne Ende. Da wären zum Beispiel die Windmühlen.

Immer gern genommen. Natürlich male ich auch diese und versuche mit dem Fotobearbeitungsprogramm allerlei Verfremdungen. Mit den Tulpenfeldern muss natürlich auch was gemacht werden. Feine Sache und es macht Spaß!

Nun, dieses Jahr sind wir also in Harlingen. Wir sehen Segler mit beachtlicher Größe und Ruderboote wie verrückt, denn es ist Regatta nach Terschelling, einer der vorgelagerten Inseln. Ein Riesengewusel, ein Geschreie (die Holländer sind sowieso laut) begleitet das Spektakel. Wir sehen auch Kurioses am Rande: der Schiffskater mit Schwimmweste an Land auf Mäusejagd oder das fliegende Schwein in einer Galerie.
In Harlingen Hafen ist immer was los. Riesenfähren kommen und fahren wieder ab, nicht ohne vorher laut vernehmlich zu tuten. Auch wir beschließen mit der Schnellfähre der Insel Terschelling einen Besuch abzustatten.

Dort waren die erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Ruderer bereits lautstark versammelt und genossen das Wochenende in und vor den zahlreichen Bistros und Lokalitäten. Wir schlendern herum, auch in den Nebengassen und schauen die Häuschen und Vorgärtchen an. Man bietet Turnschuhe für vier Euro an. Das ist unglaublich und sie sehen wirklich gut aus. Überall herrscht Betriebsamkeit. Wir essen ein Toasti, eine heiße Schokolade für mich und ein Bier für Bernd, dann schauen wir noch einmal im mörderischen Wind auf die Nordsee, es ist Ebbe und wir verziehen uns schwer durchgepustet wieder. Es ist wirklich zu windig für uns entwöhnten Landratten. Dann kommt sie, unsere Fähre. Bernd fotografiert noch schnell ihr Landemanöver. Auf dem Rückweg schlafe ich ein, und nicht nur ich, denn Seeluft macht müde, schließlich sind wir ja auch über zwei Stunden rumgepilgert.

In Harlingen speisen wir einmal wie die totalen Gourmets. Na, Bernd ist ja auch einer. Unser Hunger hielt sich zum Glück in Grenzen, so dass wir das Essen amüsiert und durchaus genussvoll durchleben konnten. Jeder Gang wurde fotografisch festgehalten. Es war schon eine gewisse Show, die geheimnisvollen Schaums, Tunken und Pasten in reagenzglasähnlichen Gefäßen serviert zu bekommen. Die kleinen, elegant mit Zange gereichten Müslibrötchen waren äußerst lecker. Wir aßen vorsichtshalber zwei. Wie man das so in der verhohnepipelnden Werbung immer sieht: Riesenteller und Spuren eines furchtbar komplizierten Gerichtes.
Also wir fanden diesen Abend im De Gastronom sehr witzig. Das Fleisch war jedenfalls in Ordnung, der Spargel auch. Das Dessert war nicht unübel, auch der Capuccino hatte Aroma. Kurz: wir waren zufrieden. Der Preis war sündhaft. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er der Sünde angemessen war. Bernd weiß da mehr.
Einmal aßen wir in einem sehr schönen Fischrestaurant und es war ein Gedicht. Ursprünglich wollten wir allerdings Pizza essen. Das war nicht drin, weil Kartenzahlung nicht möglich (Maschin kaputt), an andere Stelle war alles reserviert. Es sollte nicht sein. Die Froschschenkel hatte Bernd beim Chinesen auch wieder sehr lecker geknabbert. Meine komischen Kekse, die ich auswählte (man ist der chinesischen Sprache so wenig mächtig), waren wohl eher getoastetes Löschpapier. Ich hatte eh keinen Hunger, habe aber alle brav wech geknuspert.
Wir konnten dabei beobachten wie eine Reihe von Männer und Frauen bemüht waren, das große Segel ordentlich um den Mast des Seglers zuschnallen. Ordnung muss sein, nach dem Segeltörn gibt es also immer noch anstrengende Arbeit. Irgendwie nach dem Einschreiten des Skippers war auch dies geschafft. Wir hatten also Unterhaltung. Ständig war in diesem Hafen was los. Die Brücken, es gab mehrere, gingen ständig auf und zu, weil die Segler raus oder rein wollten. Wir wunderten uns, dass es keine sichtbaren Havarien gab. Es ist wirklich für uns ein ganz befremdlicher Anblick, wenn plötzlich unmittelbar zwischen den Häusern Riesenmaste von Seglern auftauchen, denn die Grachten führen durch die ganze Stadt. Die kleineren Boote mit dem Glasüberbau fahren hin und wieder herum, die Stadtrundfahrt auf dem Wasser. Natürlich fahren auch offene Boote. Bernd meint die Grachten stinken manchmal, man muss das nicht mitmachen.

Nun, wir konnten so viel am Abend aus unserem Fenster beobachten, auch einen wundervollen und sehr romantischen Sonnenuntergang. Also der musste unbedingt festgehalten werden.


Am gleichen Abend lauschten wir noch ein wenig Lifemusik, war nicht schlecht, nur war es leider zu kalt für Openair. Eine Artistin mühte sich mit ihren Feuerstangen (sicher haben die Dinger auch einen offiziellen Namen).
Dann war auch der letzte Abend einer schönen Reise zu Ende.


Impressum

Texte: Bilder von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2009

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