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Bild in Acryl, 60X80, gemalt im Januar 2009

Moni dachte über ihr Leben nach. Das macht jeder irgendwann, falls er die Zeit dafür hat. Die letzten Jahre erschienen ihr besonders erwähnenswert, denn sie hatten es gewissermaßen in sich.
Fünf Jahre eines Lebens erscheinen wenig, vernachlässigbar eigentlich, gemessen an gelebten fünfzig. Dennoch können sie auch prägend sein, vieles bewirken, für künftige Entscheidungen unglaubliche Bedeutung, einen Umbruch an Grundsätzlichkeiten ermöglichen, einen Erkenntnisschub auslösen, der so Erstaunliches hervorbringt, wie in fünfzig Jahren gelebtes Leben voller Bewegung nicht im Entferntesten spürbar war.
Moni seufzte tief und unterließ es lieber, jetzt über das ganze Leben nachzugrübeln. Die Sache würde ausufern und ihr wohlmöglich die Laune verderben. Das musste sie sich weiß Gott nicht antun.
Die Frage nach dem: warum erst jetzt? Warum die letzten Jahre so wichtig waren und bis heute sind, erscheint müßig. Der Facettenreichtum an Umständen, so genannten Erklärungen, Randerscheinungen, Zufällen erübrigt jede Betrachtung.
Apropos Zufall: Moni behauptete immer, dass das ganze Leben eigentlich fast nur aus Zufällen bestünde. Menschen laufen sich über den Weg, lernen sich kennen und beschließen, Wege gemeinsam zu beschreiten. Damit beginnt eigentlich alles, was auch immer, das Gute oder das Desaster. Von Letzterem weiß man allerdings dummer-
weise meist erst viel später. Das Kennen lernen war dann wohl kein glücklicher Zufall aber ein Zufall schon.

Da gibt es Religionen, die von Vorherbestimmung sprechen und vermeinen, alles wäre vorherbestimmt und zwar bis ins Detail, was schlicht bedeutet, dass man nichts tun kann, um sein Unglück abzuwenden oder gar das eigene Leben, den Weg und die Richtung selbst zu bestimmen. Moni weigert sich vehement, diesen Unsinn zu glauben. Sie möchte ihres Glückes Schmied sein und wenn es mit dem Schmieden nicht ganz so klappt, dann würde sie auch die Konsequenzen tragen und das missratene Stück halt wieder hinbiegen oder sich eben trennen, notfalls auch mit Schmerzen.

Ja, so war es in ihrem Leben. Sie hatte sich für DEN und für DAS entschieden und beides entpuppte sich als ein großes Unglück. Alles war einem unseligen Zufall zu verdanken oder besser gesagt dem Umstand, dass sie eine wohler-
zogene und brave Tochter war. Aus dem gewünschten Zahnmedizinstudium wurde nichts, zumindest in der Hauptstadt nicht und woanders war alles bereits ebenfalls besetzt. Der Papa sagte, studiere du Betriebswirtschaft, dann bist du überall einsetzbar und kannst dein Geld verdienen und genauso kam es. Rein zufällig suchte man noch im Süden in einer kleinen Stadt an einer kleinen Universität händeringend weibliche Studenten, wegen der Quote, und die liebe Moni landete nie geplant, nie wirklich gewollt, genau in diesem Ort, wo das Schicksal seinen Lauf nahm.

Sie hatte keinen Freund und ein hübscher Schwere-
nöter lief ihr zufällig über den Weg, schon war’s passiert. Der unglückliche Zufall hatte zugeschlagen. Sieben dunkle Jahre mussten durchlebt werden und als es ganz dicke kam, nahm Moni das krumme Stück Stahl und trennte sich. Von wegen Vorherbestimmung!

„Bin ich doch glücklich, dass ich meine Aufarbeitung bewältigte und gewonnen habe, ich kann wirklich stolz sein, denn ich habe es geschafft. Allein!!“, dachte Moni und lächelte. Kaum jemand kann ermessen, welcher Weg zurückzulegen war, denn sie kam von weit unten, es gab schier unendliche Zeiten kein Licht.
Auch die fast 20 Jahre der zweiten Ehe waren wenig erbaulich. Moni würde sie am liebsten einfach streichen. Aber das geht natürlich nicht. Die Mauern stürzten ein und Moni begann ganz neu, immer wieder. Das ist nichts Besonderes, alle Menschen müssen das dann und wann. Und wenn man halt nicht an die Vorherbestimmung glaubt, sich um derlei „Weisheiten“ gar nicht kümmert und einfach nach eigenen Plänen handelt, dann geht es auch weiter. Es ist natürlich leicht zu sagen, auch dieses wäre ein Teil der Vorherbestimmung. Moni denkt: „Lass sie quaken, ich mache mein Ding.“
Jeder glaubt an seinen Weihnachtsmann.

Es ist sehr seltsam, sie begann zu zeichnen, einfach so urplötzlich, ohne Vorbildung, Anleitung, aus absolut eigenem, innerem Antrieb und mit einer geradezu verbissenen Eifrigkeit, was bis heute etwas rätselhaft erscheint.
Die „Werke“ waren schauderhaft, schlecht, lächerlich auch untalentiert und wirklich nicht der Rede wert, aber sie halfen der guten Moni den eigenen Zopf zu finden und zu fassen, um aus dem Sumpf zu gelangen. Doch es waren viele Versuche von Nöten, denn der Morast war nicht sehr nachgiebig, so schnell ließ der nicht los. Es war unbedingt mehr entgegenzusetzen erforderlich. Diese schöpferische Kraft aus dem Ich ins Leben zu rufen, den Spieß umzu-
drehen, das Schreckliche und Düstere als Kraftstoff einzusetzen für Produkte des Geistes, die erfreuen, erfüllen, erleichtern auch bestätigen, andere Menschen aufmerk-
sam werden lassen, scheint wohl der Schlüssel zu sein für einen entscheidenden Umbruch, den letztmöglichen eventuell sogar.
So liegen die Quellen frei, Moni hat sie entdeckt. Zufällig? Nein, Moni glaubt, es ist eher der nackte, banale Selbsterhaltungstrieb, der sich mir in der Form an jenem Punkt angekommen, offenbarte. Es sind oft die Instinkte, die manchmal den richtigen Weg weisen, obwohl sie nicht immer vorhanden sind und ebenso wenig verlässlich erscheinen.

Moni dachte: „Ich hatte Glück, meine Mühe den harten Weg der Selbsterkenntnis zu beschreiten, lässt wieder Ziele sichtbar werden und ermöglicht Helligkeit wahrzunehmen. Der Sumpf musste loslassen.
Kein Geld der Welt hätte es geschafft, mein Dilemma zu beseitigen. Ich habe es alleine bewältigt mit den Mitteln, die sich in unglaublicher Weise in mir befinden müssen. Ich zweifle nicht daran, dass es so ist.
Diese Erkenntnis hat Gültigkeit. Meine Mittel mögen aus anderem Holz sein als die der anderen Menschen, gibt es doch so vielfältige Möglichkeiten wie Individuen, den Desastern des Lebens zu entkommen. Meine sind halt schöpferischer Natur und darüber bin ich sehr zufrieden.
Es brauchte 55 Jahre Leben davon 5 Jahre Wanderung auf den verschlungenen, schwierigen Pfaden der Selbst-
erkenntnis um mich zu finden, wie ich bin und auch gleichzeitig sein möchte.“

Moni ist nun tatsächlich endlich glücklich verheiratet. Das war vorher nie der Fall. Aber sie weiß ganz genau, dass sie selber Schuld daran hatte, schließlich hatte sie ja niemand gezwungen. Und dass auf einmal ein glücklicher Zufall in ihr Leben trat, wer hätte das gedacht. Na gut, die Moni hatte dabei ein wenig nachgeholfen, hat nämlich nicht die Hände ergeben über dem Bauch gefaltet, sondern gesucht und gesucht, sich bemüht, bis halt der bewusste Zufall eintrat. der tatsächlich reale glückliche Zufall.

„Auch wir lieben den glücklichen Zufall, aber womöglich ist es ja auch gar keiner.
Unser Leben steckt immer noch voller Geheimnisse, es gibt vielleicht Augen, die uns beobachten…..wir mystifizieren ein wenig die Geschehnisse, die Richtungen zu bestimmen scheinen, sagen die Einen.“
„Eine Möglichkeit, die nicht beunruhigt, ist die Möglichkeit, einem glücklichen Zufall zu begegnen, allerdings ist dies eine unglaubliche Rarität, sagen die Anderen.“
„Aber wir erleben sie“, sagt Moni und lächelt so vor sich hin.

Impressum

Texte: Bild von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 31.01.2009

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