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Bergwelten



Kann man über etwas schreiben, von dem man eigentlich nicht das Geringste weiß? Offensichtlich! Ob es nun jemandem passt oder nicht, ich wage es einfach auch einmal. Ich als Nordmensch, als Bürger des Plattlandes, als Fast-Küsten-Mensch möchte mich über meine Bergwelten äußern.
Wie sieht also ein Flachlandtiroler die Berge?

Ich will es kurz machen, im Urlaub fällt er vor Verzückung am laufenden Band in Ohnmacht und wenn er wieder Zuhause ist und von der Landstraße aus kilometerweit ins offene Land blicken kann, rechterhand und linkerhand gleichermaßen, dann nickt er befriedigt und sagt: „So isses besser.“
Man fährt und fährt, die Landschaft, die Felder sehen immer gleich aus, denkt man. Alles ist so vertraut, Überraschungen sind nicht zu erwarten. Das beruhigt, man fühlt sich völlig sicher. Hin und wieder kommt ein Waldstück, manchmal ein trostloses Kaff und dann wieder Felder. Das kennt man. Im November oder im schneelosen Winter sieht bei grauem Himmel alles nach Nichts aus, keine Abwechslung, nichts Liebliches oder gar Schroffes, an Romantik erinnert hier rein gar nichts. Manchmal stehen ein paar Rehe auf den kahlen Feldern herum, vermutlich langweilen sie sich. Am Horizont ist meistens auch nichts, höchstens eine Kirchturmspitze. Entspannt schließe ich meine Augen, denn nun verpasse ich keine einzige Aussicht mehr. Das hektische und staunende Glotzen ist hier völlig unnötig, denn es bringt rein gar nichts. Irgendwie verklärt fahren wir hinter einem Traktor durch die alten Baumalleen, überholen ist hier nicht drin. Mich regt hier nichts auf. Bernd kommt mir allerdings etwas zapplig vor aber er ist nur halb so stur wie ich.
Wieso ist es hier in dieser merkwürdigen Gegend nun besser als in den wundervollen Bergwelten?

Ich will es kurz machen, weil ich hier groß geworden bin. Nur das ist der Grund, jeder liebt seinen Kral.
Trotzdem habe ich die Bergwelt für mich entdeckt und wandere entsprechend meinen Möglichkeiten auf den Höhen und genieße die traumhaften Fernsichten, bewundere die tief unten liegenden Täler und komme mir über den Wolken in meinen Wanderstiefeln wie ein König vor. Darüber hinaus entwickle ich einen nie gekannten Stolz, wenn ich über einen kleinen Felsen geklettert bin oder einen Wasserfall überwunden habe. Nach einigen Stunden fühle ich mich wie ein Spitzensportler und habe mein, für eine Frau reichlich schreckliches Alter, total vergessen. Allein das war das Ganze wert.

Ich fühle mich jung und dynamisch so mit meinem Rucksack. Man muss unbedingt einen Rucksack haben, erst dann sieht man zünftig aus. Ich würde in meinem Flachland nie mit einem Rucksack durch die Gegend marschieren, eher mit dem Fahrrad unterwegs sein, was in den Bergen für mich nicht in Frage kommt. Auch wenn die ganz Verrückten die steilsten Berge hoch trampeln. Für mich wäre das Folter. Ich hasse Folter. Bin ich zu Fuß unterwegs, möchte ich Genuss und alle Sinne der Landschaft widmen, außer wenn ein Sinn nach einem Schluck Wasser lechzt, dann hole ich die Flasche aus dem Rucksack und genehmige mir einen. Deshalb nämlich auch der Rucksack.
Außerdem muss ich unbedingt alles fotografieren. Das mag ein bisschen nerven aber mich nicht und somit ist das in Ordnung. Meine Bilder dienen der Malerei und der Erinnerung, wenn ich die Reise beschreibe. Das mache ich immer, auch wenn es niemanden groß interessiert. Bernd und ich wir lieben unsere Aufzeichnungen, unsere Aufnahmen und wenn wir eines Tages am Krückstock gehen müssen oder hinter dem Ofen nicht mehr vorkommen, dann schauen wir unsere Reisebeschreibungen und Bilder an und sagen:
„Siehste, so waren wir eben, kernige Bergwanderer!“
Und draußen rauscht das Meer, denn hier beabsichtigen wir unseren Lebensabend zu verbringen, was aber eine ganz andere Geschichte ist.

Wie ich die Bergwelt in meinen Bildern verarbeitete:






Impressum

Texte: Bilder von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 26.01.2009

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