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Teppichfransen haben nur einen Sinn. Sie sollten dem Aug zur Lieb wohlgefällig den Teppichrand abschließen. Und zwar jede hübsche Franse einzeln.
An meinem Teppich gestaltet sich zu meinem Leidwesen alles ganz anders. Jeden Tag steht mir deswegen mindestens eine steile Zornesfalte auf der Stirn.
Die Fransen verschlingen sich nämlich auf reichlich geheimnisvolle Weise wie von selbst ineinander oder liegen krumm, völlig unorthodox in alle Richtungen und das mag ich gar nicht.
Ich möchte sie disziplinieren. Also falle ich ächzend auf die Knie und sortiere, bürste und kämme, lege wieder akribisch jede einzeln zurecht, so wie es sich für eine ordentliche Franse nach meiner bürokratischen Stinkspießervorstellung auch gefälligst gehört.
Am nächsten Tag geht das Theater von vorne los. Allmählich frage ich mich immer besorgter werdend:
“Was geht hier eigentlich vor sich? Wieso falle ich vor den bescheuerten und verstockten, renitenten Fransen andauernd auf die Knie? Ich knie nämlich ansonsten vor niemandem und vor keinem je nieder. Schon aus Prinzip nicht. Und warum passiert es immer wieder, dass meine mühsam wiederhergestellte Ordnung wie mit Zauberhand zerstört ist?“
Kürzlich liege ich wieder so gänzlich ohne Schlaf in meinem Bett herum und da hörte ich es. In unserem Arbeitszimmer, dem Heim des widerspenstigen Fransenteppichs, schien etwas zu schnurren. Erst dachte ich, dass ich die externe Festplatte wieder einmal vergaß auszuschalten. Doch ich verwarf das, denn diesmal war das Geräusch anders geartet. Es war so ein flutschendes Schnurren. Mir standen die Haare zu Berge.

Ich warf einen Blick auf meinen Mann aber der schlief völlig ruhig und entspannt. Ich beschloss, ihn nicht groß zu stören und fasste den mutigen Plan, selber nachzuschauen. Obwohl eigentlich immer, wenn es im Haus unnatürliche oder undefinierbare Geräusche gibt, der Mann, weil er ja stärker ist, nach dem Rechten schauen muss.
Diesmal fühlte ich, dass ich es tun müsse, allerdings nicht ohne mich vorher bewaffnet zu haben. Aber was wäre auf die Schnelle geeignet? Im Nachbarraum stand unser Weinregal. Ich entschied spontan, einmal eine Flasche ausnahmsweise als Verteidigungsinstrument zu missbrauchen.

Leise öffnete ich die Tür des Arbeitszimmers, die Flasche schon bereit zum Zuschlagen erhoben, da sah ich sie: kleine grüne, robbenähnliche Wesen schwebten über meine Fransen, die sich hochstellten und sich dabei verwirbelten, den Wesen am Bauch kitzelten. Diese lächelten selig, surrten schnurrend hin und her und gaben flutschende, schmatzende Töne von sich. Sie ließen sich durch mich überhaupt nicht stören.
“Geh ruhig wieder in Deine Schlafmulde“, sagte eines, ein wenig echauffiert, und sah mich mit großen Augen an. „Wir sind außerirdisch und wollen nur ein wenig Spaß aber wenn Du mit uns über Religion diskutieren willst oder gar musst, und Du dabei Deinen Spaß hast, dann nur zu, notfalls machen wir mal eine Ausnahme. Beim Schnurren und Flutschen ist uns das Thema aber eigentlich nicht sehr angenehm.“
Ich sagte, dass es ein großes Forum im weiten Cyberspace, im unendlichen Internet gäbe, dass sich BookRix nennt und ich würde gerne eine Geschichte über Außerirdische und ihre Ansichten zu Religion schreiben, um an einem Spiel teilzunehmen. Es ginge also nicht unbedingt nur um einen Spaß. Die Flasche hatte ich inzwischen gesenkt, denn eine Gefahr bestand ja offensichtlich nicht.
„Hör mal“, sagte eine kleine grüne außerirdische Robbe, „würdest Du beim Flutschen über Religion sprechen wollen oder gar Haltungen gerade dazu äußern können?“

Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich eigentlich nie so ein Flutschen praktizierte, geschweige denn wusste, wie mir dabei zu Mute sein könnte. Doch ich war soweit im Bilde, dass ich mir wirklich kaum vorstellen konnte, dass ein Gespräch über Religion schöner wäre als über wirbelnden Teppichfransen schwebend zu flutschen. Nein, wirklich nicht!

So schloss ich die Tür unseres Arbeitszimmers, legte mich in meine Schlafmulde und bald träumte ich andere Träume. Am nächsten Morgen schaute ich kurz nach. Die Teppichfransen waren total verwirbelt, standen in alle Richtungen und ich nahm noch ein ganz kleines Zittern wahr. Ich lächelte so für mich hin und in mich hinein. Nein, die Fransen würde ich nicht mehr kämmen. Warum auch. Und mir kam es so vor, dass unsere Religion, wenn wir denn eine haben, viele haben ja eine, ich allerdings nicht, den kleinen Außerirdischen schnurzpiepeegal sei.


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Tag der Veröffentlichung: 13.01.2009

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