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Eintagsfliegen



Wer beschäftigt sich schon mit so kleinen Tieren. Kein Kind wünschte sich je eine Eintagsfliege zum Weihnachtsfest. Warum auch?
Die Menschen nehmen eine Fliegenklatsche und schon ist sie Fliegenmatsch. Sie wäre ja sowieso gestorben, denn sie ist ja eine Eintagsfliege. Morgens wäre das für sie ein Unglück und abends eine Erlösung.
Für die kleine Eintagsfliege ist ein einziger Tag wie ein ganzes Leben. Aber was macht sie mit ihrem Leben und welche Sorgen könnten sie an einem lausigen Tag schon erreichen?
Von Innen versucht sie eine glatte Fensterscheibe zu bewältigen, in der Hoffnung nach draußen zu gelangen, wo es so hell und seltsam bunt zugeht. Sie weiß nicht, was dies für sie bedeuten könnte.
Ist sie aber draußen, dann krabbelt sie wie besessen die Scheiben hoch und runter, um nach Innen zu gelangen und dort Schutz und Geborgenheit zu finden.
Wenn sie nicht die Klatsche trifft, stirbt sie von allein. Drin oder draußen: einerlei, denn sie hat nicht versucht zu fliegen.

Mücken



Jeder kennt sie und keiner mag sie, denn sie stechen zuweilen. Man schlägt sie kurzerhand tot, falls das gelingt. Meistens gibt es aber sehr viele mehr Mücken, man kann sie nicht alle totschlagen. Die trägen Typen erwischt es natürlich. Sie waren einfach zu gierig und wurden deshalb sehr unvorsichtig.
Die Menschen sterben nicht von einem Mückenstich aber sie gebärden sich wie wild, schlagen um sich und werden schon total wütend, wenn sie eine Mücke summen hören. Nach dem Stich müssen sie sich ein wenig kratzen und alles ist vergessen. Doch so geht es natürlich nicht. Man beschafft sich diverse Anti-Mücken-Sprays und dann wird das Problem endgültig gelöst.
Vögel und Frösche müssen ihren Speiseplan dann auch reduzieren. Bloß gut, dass es mehr Mücken als Sprays gibt. Wer weiß wie lange noch?
Menschen sprühen unheimlich gerne, und wenn das nicht mehr geht, dann erfinden sie eine neue Rakete, eine Mückenrakete. Nein, meistens ist sie ein wenig größer und damit ist die Mücke gewiss ausgerottet.
Wahrscheinlich erscheinen dann vermehrt Stechfliegen und es wird eine Fliegenrakete entwickelt, danach kommt die Spatzenkanone…oder gab es die schon vorher?
Eigentlich gibt es schon gegen alles Kanonen und Raketen.
Und das muss wohl sein, denn manchmal werden urplötzlich aus Mücken Elefanten. Wo soll das noch hinführen? Man weiß ja, wie schnell selbst aus Menschen Monster, Zombis oder Untermenschen werden können.


Motten und Falter



Zahlreiche schmucke Falter und kleine Motten flattern in lauer Sommernacht sorglos umher, um dem unendlichen Spiel der Liebe nach zu gehen oder sich schlicht mit Nahrung zu versorgen. Das scheint nicht problematisch, wenn es nicht die Verführungen gäbe, die dem kleinen Falter und seiner Motte ständig dazwischen kommen und ihre Lebensplanung völlig und manchmal auch furchtbar dramatisch durcheinander bringen.
So trug es sich zu, dass der hübsche Faltermann mit seiner kleinen Motte, nach einem leidlich guten abendlichen Mahle, noch einen netten Verdauungsspazierflug unternahm. Die Luft war wie Samt und Seide, warm und lieblich, kein Lüftchen störte die Beiden. Falter und Motten fliegen im Dunkeln gerne noch eine Runde, ehe sie sich auf ihrem gemütlichen Schlafblatt zur Ruhe niederlassen. Sie sind auch ein wenig neugierig und wenn sie etwas Helles entdecken, dann wagen sie sich näher. Das heißt, sie werden durch das Licht magisch angezogen. Sie müssen einfach hin. Wie im Wahn schwirren sie an, um dem geheimnisvollen Licht näher zu sein, obwohl ein alter Falter davor dringend warnte und meinte, dass es schrecklich heiß werden könnte und es manchmal auch kein Zurück mehr gäbe.
„Was wissen schon alte Falter“, dachten der kleine Faltermann und sein liebes Mottenmädchen ein bisschen überheblich. Sie hatten nicht gesehen, dass der alte Falter einen ganz schwarzen Flügel hatte und ein Bein fehlte ihm auch. Er konnte auch nicht mehr besonders gut flattern, saß nur noch rum, wartete auf sein Ende und warnte zuweilen die jungen Flattermänner. Nein, dämlich war der Alte nicht, aber man nahm ihn partout nicht ernst. Zu dumm! Faltermann und Mottenmädchen hätten auf ihn hören sollen.
Sie liebten sich, turtelten herum, wollten Spaß haben und bemerkten ein wundervolles und sehr helles Licht. Noch ein Schluck Nektar und dann nichts wie ran. Beide waren wie von Sinnen, umkreisten das Licht, wollten ihm immer näher sein und schließlich es nur ein einziges Mal berühren. Nur ein allereinziges Mal. „Einmal ist Keinmal“, dachten sie.“ Man muss sich ausloten, etwas wagen, Erfahrungen sammeln, an Grenzen gehen“, sagten sie und kamen sich furchtbar schlau vor. Sie flatterten immer dichter, wollten Mut zeigen, sich beweisen. Plötzlich entstand eine winzige Flamme und die Luft war ein wenig angefüllt vom Geruch geschmorter Falterflügel. Nichts ging mehr.
Das wundersame Licht leuchtet aber immer noch und lockt die kleinen, armen, dummen Falter in seine gefährliche und atemberaubende, heiße Nähe. Ob je ein kleiner Faltermann mit seinen Mottenmädchen auf einen alten angeschmorten Falter gehört hat oder hören würde, ist nicht bekannt.


Die Ameise



Eine kleine Ameise trabt mit gewohnter Last den ausgetretenen Pfad, der leicht nach oben zu führen scheint, einem bekannten, angesagten Ziel entgegen. Vor ihr trippeln welche und nach ihr mit Sicherheit auch unzählige. Das war immer so. Vermutlich ist das auch in Ordnung. Man erwartet es so von einer Ameise.

Die kleine Ameise schaut auf ihre Füße und findet sie groß. Für einen Sprung, auch mit Last, wären sie vielleicht gut, zumindest für eine halbwegs sichere Landung, wo auch immer, wenn es nur von diesem furchtbaren, ausgetretenen, vorgeschriebenen Pfad weit genug weg sein würde.
So denkt sie und denkt, wandert aber noch tausend Mal diesen Pfad.
Die Last schreit:“ Spring endlich! Für mich, für dich, ich bin dann dein!“ Die kleine Ameise schaut auf ihre Füße, findet sie immer noch groß genug und springt…weit…landet.

Sie trägt die Last. Es ist nun ihre und sie wandert einsam auf einem steinigen, gefährlichen unausgetretenen Pfade, schaut auf ihre Füße, achtet auf den Weg.
Die Last ist fett geworden, nicht abzuwerfen, sie scheint sich tief ins Fleisch zu bohren.
Allmählich treibt die Ameise mit ihrer Last an eine reichlich tiefe Grube und fällt hinein.
Das war zu erwarten.

Die Last zerschellt, die kleine Ameise fällt hart auf den Rücken, sieht ihre Füße nicht mehr…

aber sie sieht das erste Mal den blauen Himmel


Der Käfer



Für einen kleinen Käfer ist der schmale Radweg ein Highway, ihn zu überqueren ist lebensgefährlich, aber er weiß es ja nicht. So krabbelt er munter drauf los. Er hat ein Ziel und den eisernen Willen, es zu erreichen. Käfer sind halsstarrig und sie vertrauen ihrem kleinen Panzer. Außerdem haben sie viele flinke Beine. Was kann schon passieren? Ein Käfer denkt nicht lange nach. Er krabbelt vorwärts. Käfer hören auch wenig. Sie sind damit beschäftigt, zu krabbeln. Das ist es, was sie können.
Plötzlich bemerkt er ein Vibrieren. Er glaubt, es wäre ein Erdbeben und in der Tat, um ihn herum springen kleine Steine und es ist, als würden sie tanzen. Sie reißen den kleinen Käfer mit. Oh, ja, er möchte auch einmal tanzen, nicht nur krabbeln. So richtet er sich auf, blickt nach oben, schaut immer noch höher und plumps, liegt er auf seinem dicken Rückenpanzer. In dieser Lage fühlt sich ein Käfer niemals wohl. Nicht nur, dass er sich nicht aus der misslichen Lage aus eigener Kraft befreien kann, nein um ihn herum hocken Riesen, die ihn mit langen Furcht erregenden Stöckchen zu bewegen versuchen. Der kleine Käfer möchte schreien, aber Käfer schreien nicht, sie können nur mit den Beinchen zappeln. Schließlich nimmt einer der Riesen ihn in seine Riesenhand und hält ihn vor sein Riesenauge. Der Käfer stellt sich tot. Hat er jetzt in das Auge des Käfergottes geblickt? „Ein schönes Exemplar“, sagt dann ein noch größerer Gott anerkennend und nimmt dem kleineren Käfergott das Tierchen aus den Fingern. Der Käfer ist stolz darauf, ein schönes Exemplar zu sein. Und zappelt mutig ein wenig mit seinen Beinchen.
„Wir werden ihn in einem Glaskasten mit den anderen ausstellen, “ sagt der große Gott. Dann steckt er das schöne Exemplar in ein Kistchen, welches in seinem Rucksack verschwindet. Dem Käferlein ist im Dunkeln gar nicht mehr so wohl und er bekommt auch allmählich keine Luft mehr. Er denkt noch: „ Ich bin ein schönes Exemplar“, dann schwinden ihm die Sinne. Einmal tanzen, einmal den Göttern ins Antlitz zu blicken, kann fatale Folgen haben. Aber er ist wenigstens ein schönes Exemplar in der Glasvitrine.


Der Regenwurm



Mit einem Regenwurm spielt man nicht. Man lässt ihn in Ruhe, denn er ist nützlich, heißt es. Er wühlt in der Erde herum und die Erde findet das in Ordnung, denn alles was der Regenwurm nimmt, gibt er auch zurück. Er bringt Lockerheit. Das ist gefragt. Regenwürmer haben keine andere Aufgabe als zu wühlen damit es ringsherum für alle anderen hübsch locker und angenehm ist. Dafür lässt man ihn in Ruhe.
Plötzlich bemerkt der dumme Wurm ein Geprassel, er hört es tropfen und glucksen, ihm bleibt fast die Erde im Halse stecken, so wundersam und geheimnisvoll hört sich das alles an. Oben ist was los, was könnte es sein? Atemlos bohrt er sich höher und höher. Das ist nicht ganz einfach, denn die Erde ist nun sehr nass und schwer, auch furchtbar klumpig, gar nicht mehr locker. Es gäbe jetzt sehr viel zu tun für einen Regenwurm und man würde ihn in Ruhe lassen. Alles wäre wie immer und völlig in Ordnung. Aber unser Regenwurm will nun unbedingt nach oben und nach draußen. Er weiß ja nicht, was dieses Draußen ist. Plötzlich hat er es geschafft. Oben und draußen zu sein, ist das ganz Große. Der Regen hat aufgehört, jeder Regen hört einmal auf. Die Sonne scheint. „Wie wundervoll“, denkt noch der Regenwurm, dann ist er vertrocknet. Die anderen Regenwürmer nahm der Angler mit.


Frösche



Manche lieben sie, manche nicht. Ich eher weniger. Das tut jetzt auch nichts zur Sache. Es ist die Sichtweise.
Wir wissen, dass ein Frosch sich hin und wieder verwandelt. Plötzlich ist er ein König. Wer hätte das gedacht. Doch leider passiert dies so selten, dass man es getrost vernachlässigen und sie mit der Hoffnung lieber nicht mit ins Bett nehmen sollte. Manchmal sitzen sie auf einer Leiter und die Menschen glauben, das hätte etwas mit dem Wetter zu tun. Sitzt er ganz oben, dann sind sie außer sich vor Freude und warten auf die liebe Sonne. Dieser Frosch hat es gut. Er glaubt an seine Prophezeiung. Wenn die Menschen es auch glauben, ist das nicht immer so gut.
Frösche sitzen allerdings selten auf einer Leiter. Meistens hüpfen sie herum oder quaken am Rande mehr oder weniger laut. Falls sie einmal über die Straße müssen, weil sie in ein neues Leben aufbrechen wollen, haben sie gewöhnlich ganz schlechte Karten. Man überfährt sie meistens. Dann sind sie Froschbrei.
Gelingt die abenteuerliche Wanderung, dann vergessen sie schnell alle Gefahren, auch dass sie fast Froschbrei geworden wären. Sie quaken dann gewöhnlich völlig unbekümmert weiter und alles beginnt wieder von vorne.
Froschkönige gibt es kaum und der Job als Wetterfrosch ist längst vergeben. Da hilft also wirklich nur lautes Quaken am Rande. Was könnte man sonst als Frosch noch tun? Vielleicht wenn es zu heiß wird, ins Wasser springen. Das machen sie oft auch. Dann sind sie erst einmal weg. Frösche können nämlich von Natur aus schwimmen.
Das ist besser als Nichts.


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.01.2009

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