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Wale



Riesentiere sind das, meistens völlig harmlos. Und das Beste: sie fressen zwar unheimlich viel aber fallen niemandem zur Last. Still leben sie friedlich vor sich hin, kümmern sich nie um die Belange Anderer. Kurz: Wale sind ideale Zeitgenossen. Man kann sagen, sie sind trotz ihrer beachtlichen Größe auf dem Teppich geblieben. Das geht also.
Sicher wäre alles immer so prächtig weiter gelaufen für die Wale, wenn da nicht tausend gierige und heimtückische Zwerge aufgetaucht wären. Nein, man kann nicht sagen, dass sie grundsätzlich dumm sind, diese Zwerge.
Nur mangelt es ihnen an Weitsicht. Sie glauben nämlich, dass sie bloß die Nase heben müssen, dann hätten sie den Blick auf alles.

Doch ihr Horizont ist beschränkt, aber sie merken das nie. Wenn sie es bemerken ist es gewöhnlich zu spät. Das ist wegen der Gier, sie tragen sie als Brett vor den Köpfen. So kommt die Sache mit dem Horizont zu Stande.
Nun, die kleinen Zwerge überlisten und erlegen die Meeresriesen bis kaum noch eines der friedlichen Tiere lebt, was nicht nur Pech für die Wale, sondern ein großes Unglück für die bösen Zwerge ist. Aber sie merken es immer noch nicht. Im Gegenteil, sie fühlen sich mächtig schlau und stark.
Bis eines Tages die Bretter vor ihren Köpfen morsch werden, aber dann sind die Zwerge samt ihren Brettern auch längst tot.


Giraffen und was die Ameisen meinen



Ein langer Hals ziert die Giraffe und befähigt sie weiter zusehen als andere, als die Ameisen zum Beispiel, die zu ihren Füßen herumwimmeln. Sie steht einfach da und blickt hin und wieder in die Ferne, reißt sich Zweiglein vom Baumwipfel und mümmelt so vor sich hin. Sind genügend Früchte und Blätter vorhanden, ist sie zufrieden. Was sie am Horizont entdeckt, lässt sie schlicht kalt. Aber sie schaut in die Weite. Giraffen fällt das niemals schwer.
Doch fressen ist weit aus wichtiger für unsere langhalsige Giraffe, als in die Ferne zu schweifen und sich darüber Sorgen zu machen. Schließlich muss sie ja auch für sich selber sorgen, um nicht zu verhungern. Wenn sie aber einmal etwas Gefährliches entdeckt, dann dreht sie sich schnurstracks um und galoppiert weg. Die kleinen Tiere rennen hinterher. Einfach so.

Die Kleinen bewegen sich sorglos in ihrer Nähe, sie fühlen sich scheinbar sicher und keinesfalls bedroht. Sie wissen oben passt einer auf. Giraffen haben den Überblick und sind harmlos. Man hat nie gehört, dass eine Giraffe je einem Tier etwas zu leide getan hätte. Das weiß jeder.
Bei den Menschen ist irgendwie alles anders geregelt. Natürlich glauben die kleinen Bürger auch, dass ihre großen Übermenschen aufpassen, alles sehen und den Überblick haben und dass man deshalb beruhigt seiner Arbeit nachgehen kann, wie es halt auch die Ameisen tun.

Doch warum passiert es so oft, dass so viel Unheil über die kleinen Menschen hereinbricht. Das hätten die Großen doch erkennen müssen. Sie sind doch schließlich ganz oben, müssten es lange vorher entdecken auf Grund ihres hohen privilegierten Sitzes. Schließlich müssen die kleinen Menschen dafür auch eine Menge bezahlen.
Die Giraffe bekommt nichts, aber wenn ein Unheil droht, ein Feuer zum Beispiel oder ein Raubtier schleicht sich an, dann gibt sie Bescheid und alle können rechtzeitig wegrennen.
Die Menschen sagen immer, sie wären sehr viel klüger als die Tiere, weil sie ein großes Gehirn haben. Das nützt ihnen wohl nicht immer zuverlässig. Die Ameisen meinen, dass der lange Hals der Giraffe besser sei als ein großes Gehirn, weil sie sagt, wenn sie etwas Schlimmes sieht.
Die großen Übermenschen sehen auch das Schlimme, auch rechtzeitig genug, aber sie sagen es deshalb nicht, weil es ihnen egal ist, was den kleinen Menschen geschieht. Sie sichern sich nur selber.
Die Ameisen meinen, die Menschen seien schön dumm, ihren großen Menschen, die ganz oben sitzen, soviel für nichts und wieder nichts zu geben. Aber Menschen wollen einfach nicht hören. Sie denken nur, sie haben ein großes Gehirn und die Ameisen hätten absolut und wirklich gar keine Ahnung.
Manchmal glaube ich, es wäre unheimlich nützlich und hilfreich, wenn man ein großes Gehirn und einen langen Hals hätte, dann wäre man kein kleiner Mensch mehr und eine Ameise erst recht nicht. Aber das können die Meisten, ich schon gar nicht, niemals erwarten zu sein und außerdem wäre man damit abgrundtief hässlich, was auch niemand will. Die Ameisen meinen allerdings, das wäre egal.


Die Kuh



Kühe stehen auf der Weide und fressen, käuen wieder und fressen. Manchmal legen sie sich hin. Am Abend trotten sie in den Stall und morgens werden sie gemolken. Dann stehen sie wieder auf der Weide und fressen. So geht das tagaus, tagein, Jahr um Jahr vergeht. In der Regel bekommen Kühe auch Kälbchen, aber die gehen bald eigene Wege. Einer Kuh wird selten etwas zuviel. Sie erfüllt einfach ihre Aufgaben. Zuweilen wedelt sie ein wenig mit dem Schwanz herum und sagt Muh. Mehr Protest kommt nie.

Eines Tages hörte man auf der Weide mehr Muhen als sonst. Man muhte, es gäbe eine Pleite und die Kühe würden verkauft werden. Kühe wissen nicht, was eine Pleite ist, dennoch…es hörte sich nicht gut an. Und was ist „Verkauftwerden“? Die Kühe standen ratlos herum, schließlich begannen sie wiederzukäuen. Das machten sie ja immer.

Am Abend, eigentlich war es ja ein schöner Tag, hörten sie wie der Leitmensch, die Menschen nannten ihn immer Vorsitzender, sagte: „ Die LPG wird dicht gemacht“. Er öffnete die Koppel und davor stand ein ganz großes Auto. Ein schräger Laufsteg lud zum Einsteigen ein. Der Leitmensch rief noch, ein jeder müsse sich jetzt alleine um seine Existenz kümmern und er trieb die guten Kühe auf den Laster. Die muhten ein bisschen verwirrt, denn sie wussten nicht, was das ist „sich um die Existenz kümmern“.

Eine Kuh wollte nicht auf den Wagen, irgendwie war sie etwas stur und außerdem noch gar nicht fertig mit dem Wiederkäuen. So blieb sie einfach ganz alleine auf der Weide liegen und käute wieder und wieder, bis sie einen Entschluss fasste. Sie stand auf und trabte durch das offene Gatter der Koppel, ganz alleine, immer den bekannten Weg entlang bis in den Stall. Dort war aber niemand. Was kann eine arme, dumme Kuh schon ausrichten. Sie muhte, ging auf und ab, wedelte mit dem Schwanz und muhte wieder, nur lauter. Ich muss meine Existenz sichern, dachte sie und muhte noch lauter.
Schließlich kam doch jemand vorbei, sah die Kuh und sagte: „ Man hat gesagt, wir müssen jetzt unsere Existenz alleine absichern, dafür könnte ich Dich gut gebrauchen, denn Du bist nützlich, Du kannst sicher auch arbeiten. Ich werde Dich einspannen.“ So kam es dann auch. Die Kuh verrichtete Arbeiten, die sie noch nie zuvor zu leisten hatte. Das war vielleicht schwierig.

Aber einmal im Geschirr, immer im Geschirr! Genug zum Fressen gab es und ein Dach über dem Kopf hatte sie auch. Sie tat ihre Pflicht tagaus, tagein. Die Kuh wurde ein wenig dünner, ja aber sie lebte und hatte etwas gelernt.
Das große Auto übrigens, so munkelte man, wäre zum Schlachthof gefahren. Von den anderen Kühen hörte man nie wieder etwas.

Der Bär



Wir sehen ihn gern. Die Kinder lieben ihn als Plüschtier, nehmen ihn ins Bett. Bewundern wir ihn im Zoo, trennt uns zur Vorsicht ein Wassergraben. Die Tierfreunde befürchten sein Aussterben und bedauern, dass Bären in freier Natur kaum noch Chancen haben.
Plötzlich taucht Meister Petz wieder auf und muss mit den Gepflogenheiten der Menschen zu Recht kommen. Das ist schwierig. Überall sind Dörfer oder Weiden. Kein normaler Bär, der sich aus was weiß für Gründen verlaufen hat, kann hier irgendwo in Ruhe nachdenken. Um ihn herum blöken und glotzen neugierige Schafe. Sie wagen sich immer dichter heran und stören. Das nervt jeden, auch den mit der dicksten Bärenhaut. So teilt der Bär erst einmal einige Schellen aus. Damit ist die Herde um einige Tiere ärmer. Das ist schlimm. Meister Petz brummt und zieht es aber vor, lieber zu verschwinden. Bloß wohin?
Die Menschen jammern nun laut um ihre Schafe und sind furchtbar besorgt. Man wird zu Ostern vier Lämmer weniger abstechen können. In den Tagesnachrichten wird gemeldet, dass ein Bär sogar in einem Hühnerstall sein Unwesen getrieben haben soll. Die Hühner gackerten wie verrückt, berichtet der verstörte Bauer.
Die Regierung muss jetzt die Menschen schützen. Vielleicht fällt das Untier nun auch fleißige, ehrliche und wehrlose Menschen an. Man weiß ja nie. Schluss! Der Bär wird zum Abschuss frei gegeben. Ja mei, er hat sich in die Nähe der Menschen gewagt, wenn auch nur aus Versehen. Das muss geahndet werden. Man wird ihn ausstopfen, die Kinder sollen lernen, wie ein Bär aussieht.
Keiner darf sich den Menschen ungestraft nähern. Sie wollen das nämlich nicht. Der Bär wird das begreifen oder eben auch nicht. Alle Tiere haben es gelernt oder auch nicht. Dann war es ihr Pech.



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Tag der Veröffentlichung: 10.01.2009

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