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Die Spinne



Eine Spinne kann warten. Aber nicht nur. Sie muss auch fleißig sein, denn schließlich wartet sie, wenn sie wartet, nicht bloß so zum Spaß. Vorher muss nämlich ein Netz gesponnen werden, ein richtig gutes. Eines, das hält. Und es muss gut placiert werden, außerdem so fein beschaffen, dass man es kaum sieht. Die Spinne webt ein Kunstwerk, welches allerdings aus ihrer Sicht nur einen Zweck erfüllt, es muss ihre Existenz sichern. Die Falle sollte unbedingt tödlich sein, sonst würde die Spinne verhungern. Wer sieht hier Böses? Ihr Handwerk in kluger Kunstfertigkeit sichert ihr Leben. Die dummen Fliegen fliegen ihr ins Netz und damit wäre die Welt in Ordnung. Es gibt viele Fliegen.
Bis die Spinne, die bisher recht gute Beute machen konnte, auf die Idee kam, noch mehr Beute einfangen zu wollen. Sie krabbelte, schon ein wenig schwerfällig geworden, aus ihrem Spinnengewebe und begab sich auf den Boden, auf fremden Boden, in der Hoffnung dort richtig fette Beute zu erjagen. Bald merkte sie, dass sie sich geirrt hatte. .

Nichts klappte. Das Netz konnte nicht fertig gestellt werden. Sehr verärgert musste sie alles abbrechen und nach Hause zurückkehren, aber dort war ihr Gewebe auch nicht mehr das Alte. Es war völlig zerrissen. Einige Fliegen waren total ausgetrocknet, es war einfach nichts mehr an ihnen, was die Spinne hätten fressen können. Andere Fliegen haben sich befreit und sind aber leider einer andere Spinne auf den Leim geflogen. Die Dummen! Unsere Spinne hat ein neues Gewebe angefertigt, ein noch größeres, ein raffinierteres. Das ging aber nur, weil eine andere noch fettere Spinne ihr ein wenig half, obwohl die Fliegen protestierten. Aber wen interessiert schon das Veto der Fliegen?


Magni infernale



Welt verschwimmt
oder explodiert
fehlt klare Sicht
angeschmiert

Farbig die Tiefe
Grell das Beben
Mittendrin alle
das ist Leben

Wo ist Sicher
Wer hat Stille
Bestimme selbst
Nimm die Brille

vago vitastazione
grande esplosione
chaos totale
magni infernale







Gedanken kontra Realismus



Wo ist Wahrheit?

Keiner weiß, was wirklich geschieht.

Auch wenn es Augen sehen
Auch wenn es Hände fühlen
Auch wenn es Ohren hören
selbst wenn es Zungen schmecken

Wahrheit kann anders sein.

Gedanken verändern Tatsachen.
Tatsachen verändern Gedanken.

Sprache willfähriges Werkzeug.

Taten realisieren Gedanken

Mit oder ohne Kontra




Erschöpft



Schonungslos aus dem Vollen schöpfen
Gnadenlos die Sehnsucht köpfen
Pausenlos Gedanken knechten
Hoffnungslos mit Windmühlen fechten
Schlaflos im Dunkel versinken
Glanzlos im Nichts ertrinken

Schöpfen aus leeren Töpfen
Erschöpft…



Bemooste Steine



Bemooste Steine liegen herum und haben schon lange vergessen, wozu Steine gut sein könnten. Auch wo sie einst herkamen ist ihnen längst entfallen. Vermutlich weiß dieses überhaupt niemand. Es interessiert auch kaum jemanden.

Sie waren auf einmal aufgetaucht und lagen blitzblank am Strand. Manchmal nahm sie einer als Andenken mit, mitunter wurden sie auch für wundervolle Gebäude verwendet, denn die Steine am Meer waren einst sehr begehrt. Man wusste, dass sie ein Leben lang halten. Sie halten einfach alles aus, auch ohne zu murren. Man kann mit ihnen etwas darstellen. Sie besitzen Charakter und Würde. Sie sind eine Zierde und darüber hinaus sehr nützlich. Ja, man bekam sie zuweilen sogar umsonst.
Aber das ist vorbei. Die Steine hörten, dass es nun moderne Verfahren gäbe und völlig anderes Baumaterial, junges, flexibles, welches ununterbrochen hergestellt würde und leicht zu transportieren sei.
Nein, die alten bemoosten Steine, die innerlich immer noch so beschaffen waren wie früher und genauso verlässlich wären, will nun keiner mehr. Sie sind bemoost.
Manchmal setzt sich eine Möwe auf sie um auszuruhen. Sie erleichtert sich und fliegt davon. Wer will sich schon länger als nötig bei einem bemoosten Stein aufhalten. Niemand.
Doch die Steine fühlen den Wind, hören die Wellen und auch zuweilen das dumme Geschwätz der Vorbeiwandernden.
Bemoosten Steinen kann niemand etwas antun, ihre Kraft ausnutzen oder sie einfach zerteilen. Sie dürfen mit aller Gelassenheit einfach herumliegen und ihren Gedanken freien Lauf gewähren.


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Impressum

Texte: Bilder von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 03.01.2009

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