Aus dem Tagebuch "Tage zum Anfassen"
10.10.2008
Meine Erkältung ist so gut wie weg, die Kopfschmerzen sind noch zu spüren, sind aber nicht mehr sooo schlimm. Das Wetter scheint sich entschieden zu haben: alles wird gut, zumindest für das Wochenende. Das Laub färbt sich wundervoll rot und gelb, die Sonne gibt ihr Bestes. Ich werde mir die Haare waschen, damit ich nicht ganz wie eine Nebelkrähe aussehe. Bernd sagte nun schon wiederholt, ich müsse doch mal zum Friseur gehen. Ich glaube allmählich, dass er findet, ich sähe unmöglich aus, mal milde ausgedrückt. Noch sträube ich mich, nicht nur weil es teuer ist, sondern, weil ich glaube, dass ich nach dem Friseur noch gemeiner ausschaue. Wahrscheinlich werde ich mir die Haare endlich und anständig kürzen lassen. Zum Färben habe ich erst recht und überhaupt keinen Bock mehr, sollen sie doch ruhig grau aussehen. Ist doch in meinem Alter keine Schande! Bernd hat auch ausreichend graue. Viel schlimmer finde ich, dass ich einfach nicht abnehme, obwohl ich nur noch Miniportionen esse und mir jeden verkackten Keks verkneife. Wie kommt das nur? Schrecklich.
Ansonsten gibt’s nichts, was erwähnenswert wäre.
14.10. 2008
Die Haare sind ab! Sich diesbezüglich zu verändern, ist ja auch immer eine schwierige Geburt. Man fragt sich:
„Wie werde ich danach aussehen? Am Ende muss ich’s bereuen, kann aber nichts mehr ändern als wieder darauf zu hoffen, dass die bescheuerten Haare recht schnell nachwachsen.“
Ja, so denkt man wohl sich selber nervend, labert in seinem Schädel unendlich herum, bis man endlich soweit ist und die Sache angeht. Ich hab’s also gemacht. Ob ich nun schöner als vorher bin, ist zweifelhaft. Jedenfalls ich bin mir nicht so sicher, während Bernd meint, dass ich ihm so viel besser gefiele. Vielleicht wollte er mich aber auch nur trösten. Kann ja sein. Ich sage zu ihm also brav Dankeschön und schau mich aber immer wieder bei jeder Gelegenheit verstohlen im Spiegel an. Kann mich an diesen Anblick noch nicht recht gewöhnen. Dem Spiegel ist’s wieder einmal total egal. Das kennt man ja nun allmählich. Die verkackten Spiegel zeigen halt die Affen, die reinschauen und zwar völlig unbeeindruckt, was auch immer ihnen geboten wird. Außerdem sind meine Haare nun gar nicht mehr gefärbt. Von blond also keine Spur mehr. Der Friseur hat die Reste einfach abgeschnitten. Ist auch gut so, mal philosophisch gedacht. Somit liegt an meinem Haupte die nackte Wahrheit offen. Also die nackte nicht, die graue, haarige. Das trifft es. Ich erkenne nun deutlich, dass der Zahn der Zeit an mir im Untergrund heimlich und unheimlich reichlich nagte, obwohl ich mich immer doch noch so jugendlich fühle. Im Ernst, ich finde mich in meinem Inneren manchmal total jung, wie früher eben. Also fast wie früher, denn schließlich hat man ja Einiges dazu lernen müssen. Bernd meinte allerdings, das Graue störe nicht. Aber meint er das wirklich?
Ich muss ja nicht alle Fragen beantworten, jedenfalls habe ich mal wieder Haare gelassen, allerdings völlig freiwillig, was ich wieder absolut cool finde, denn ganz früher war das alles ganz anders.
15.10. 2008
Heute ist eigentlich gar nichts los. Draußen auch nicht, nicht einmal die Sonne ist zu sehen. Es ist einfach alles grau und Nichts sagend. Ich inklusive.
Ich frage mich also: Was könnte ich jetzt wohl machen, damit dieses Gefühl endlich verschwindet. Eine GESCHICHTE SCHREIBEN; EINE LÄNGERE. Das wäre es. Mein eigenes verflossenes Leben ist allerdings schreib-
mäßig schon reichlich ausgelutscht. Bisher schöpfte ich ja aus diesem Stoff, der so üppig hinter mir lag. Es ist wohl an der Zeit, dass ich mir wirklich etwas ausdenke. Das ist nämlich die wahre Kunst. Ich bewundere Menschen, die einfach aus dem Nichts eine Story herholen, diese super lebendigen Figuren aufbauen, die in eine spannende oder meinetwegen auch rührende Handlung verwickelt werden und es dabei auch noch schaffen, so scheinbar am Rande, unendliche Weisheiten einfließen zu lassen. Die so genannten Protagonisten schwätzen darüber hinaus cool und humorvoll oder ans Herz gehend herum und beeindrucken den Leser, zumindest soweit, dass er gierig weiter liest.
So etwas möchte ich auch können. Aus mir brechen zur Zeit aber immer nur kleine Gedichte oder kurze Geschichtchen hervor, mehr oder weniger gut. Das wurmt mich irgendwie hässlich. Manchmal denke ich, über jeden Furz ist bereits ein Buch geschrieben, nichts ist den Schreiberlingen dieser Welt entgangen. Alles ist beleuchtet, durchleuchtet und bis zum Erbrechen durchgelabert, muss ich nun auch noch zum tausendsten Male zum Thema Pipapo irgendeine Kopfgeburt rauslassen. Diese Gedanken entmutigen ziemlich. Sie bringen mich einfach nicht weiter.
21.10.2008
Die Geschichte ist fertig, leider ist es nur wieder eine kleine geworden:
Haare
Es heißt ja immer das Äußere wäre zwar wichtig aber in Wirklichkeit würden nur die inneren Werte zählen.
Aber ist es nicht so, dass der erste Eindruck nur Äußeres vermitteln kann? Als Vogelscheuche mit den kostbarsten inneren Werten ausgestattet, hätte man fast null Chancen. Das ist meine Meinung.
Natürlich hält sich jeder halbwegs normale Mensch für natürlich schön und ist davon überzeugt, dass andere seine Auffassung teilen. Eigenartiger Weise glaubt auch ein jeder von sich, er würde wesentlich jünger aussehen als er ist. Nun, die Gattung Mensch ist ein eitles Volk.
Daher gibt es auch unzählige Shops, Ateliers, Studios und Stübchen, die sich mit der Förderung unserer Eitelkeiten sehr akribisch befassen. Man kann ja was verdienen damit. Also es werden Unsummen umgeschaufelt, um aus alten Krähen junge Tauben zu entwickeln.
Nehmen wir mal unser Haupt, geziert von einer Haarpracht voller Spannkraft, Fülle und Glanz. Davon träumen wir nämlich.
Bei all den Tinkturen, Pillen und Wundermitteln dürfte es eigentlich kaum einen Kahlkopf auf Erden geben. Aber eher wachsen uns Haare auf den Zähnen oder andere unliebsame Bärte, als dass nur ein einziges krummes Haar auf unserem Kopfe das Licht der Welt erblickt.
Jetzt werden alle Hersteller und Friseure das Gegenteil behaupten,…aber ein klein wenig Recht habe ich doch…gelle?
Liebe Glatzen- und Dünnhaarmenschen, ich gehöre zwar noch nicht ganz zu eurer Gilde aber der Tag X wird kommen, deshalb rufe ich euch schon heute zu:
„Pflegt auch eure Bärte und Haare auf den Brüsten, denn auch die können schwinden. Ihr stündet nur noch mit den inneren Werten da und das kann peinlich werden.“
Bei manchen Menschen besteht der ungebändigte Zwang, sich alles, was irgendwie entfernte Ähnlichkeit mit einem Haar aufweist, sofort abzurasieren, auszureißen, zu epilieren, sich zu enthaaren halt. Das ist doch wohl haarsträubend irgendwie.
Also ein bisschen lasse ich ja auch ausreißen, was und wo halte ich hier an dieser Stelle vorsichtshalber geheim. Bin ja auch nur ein Opfer menschlicher Enthaarungssucht. Allerdings bin ich weit davon entfernt, mich in einen Nacktschneck zu verwandeln, bloß weil es Mode ist.
Eine defiziele Angelegenheit, eine haarige Geschichte, nicht ganz ohne, sagt man so, wenn es nicht ganz glatt geht. Nun, wer mag schon das Aalglatte? Ich nicht! Auch wenn es mitunter angebracht ist, aalglatt aber haarig zu sein. Jetzt scheint es doch etwas schwierig zu werden. Geht das überhaupt?
Mag das jeder nach seinen Möglichkeiten praktizieren, aber eines ist unbestritten, Haare sind wichtig…auch innere.
Und wenn’s darauf ankommt, dann bitte haargenau und haarklein aber ohne Haarspaltereien.
Also die Geschichte beginnt einen Bart zu kriegen…
15.12. 2008
Es ist alles wieder so wie es war. Der Versuch, über die Haare etwas zu erreichen ist fehlgeschlagen. Ich erkannte mich nämlich plötzlich nicht mehr. Eine Fremde glotzte mich aus allen Spiegeln an. Wer will das aushalten?
Jetzt bin ich wieder die Alte und zufrieden. Das war es mir wert. Jawohl! Ich habe die Haar-Arie hinter mir.
Dankeschön, Wiedersehen...bis zum nächsten Mal.
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2008
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