Jedes Jahr stelle ich mir die Frage, ob die Weihnachtszeit nicht schon wieder eine Woche früher begonnen hat als im Jahr zuvor.
Ab August wimmelt es in den Supermärkten vor Lebkuchen in allen Variationen. Da nützt es nichts, dass man es inzwischen Herbstgebäck nennt und sich nur den Wünschen der Kunden angepasst hat. Wie warb mal eine frühere Supermarktkette? Jetzt schmeckt es am besten! Natürlich schmeckt es im August besser als im Dezember, denn nach vier Monaten schmeckt kaum noch etwas wirklich gut.
Aber muss ich mir deshalb im August Schokoladenfinger holen? Wenn Sommer ist, will ich von Weihnachtsgebäck, und das sind Lebkuchen für mich nun einmal, nichts wissen.
Aber die Mehrheit meiner Mitmenschen scheint anders zu denken. Wieso nur kenne ich niemanden, der im August oder September Weihnachtsnaschereien kauft? Ist das nun Zufall oder einfach Pech? Tja, weiß ich auch nicht, aber ich kenne wirklich niemanden, der die Sachen schon kauft, wenn die Weihnachtszeit noch gar nicht begonnen hat.
Nur wann beginnt eigentlich die Weihnachtszeit? Wenn der erste Advent beginnt oder so vier bis sechs Wochen vorher? Dekoartikel kann man auch schon im August kaufen. Das sieht dann immer ziemlich komisch aus, wenn die Halloweensachen nehmen den Weihnachtsartikeln liegen. Na gut, so lange man nicht direkt nach Ostern schon Sachen für Weihnachten kaufen kann, ist eigentlich alles in Ordnung. Aber das wird irgendwann auch noch kommen. Spätestens in zwanzig Jahren wird man Weihnachtsartikel bereits nach Ostern kaufen können. Wegen des Klimas ist es da ohnehin egal, wann man nun Lebkuchen isst, die Schokolade schmilzt wegen des Klimawandels immer.
Ich komme mir selbst kurz vor Weihnachten noch recht unweihnachtlich vor. Ob das mit dem Wetter zusammenhängt oder ich kein kleines Kind mehr bin? Ich weiß es nicht. Aber Tatsache bleibt, dass mich Weihnachten nicht mehr wirklich interessiert. Im Gegensatz zu Kathrin, die schon Anfälle bekommt, wenn ich nur die Möglichkeit erwähne, dieses Jahr keinen Tannenbaum kaufen zu wollen. Das gefällt ihr überhaupt nicht, dabei wohnt sie hier nicht einmal, bestimmt aber immer mit, was getan werden muss. Also ein Weihnachtsbaum. Wahrscheinlich reagierte meine beste Freundin so darauf, weil ihre Mutter den Tannenbaum bereits vor Jahren abgeschafft hat, genauso wie Weihnachten. Wenn man von seiner Tochter immer Dinge geschenkt bekommt, die man überhaupt nicht haben will, die sich im Umkehrschluss über die Geschenke beschwert, die sie selbst bekommen hat, tja, dann lässt man Weihnachten besser ausfallen oder man schenkt einen Gutschein oder am besten Geld. Letzteres behält Kathrins Mutter gleich für Sonderausgaben für ihre Tochter ein. Jeder Cent, den meine beste Freundin verdient, muss sie zuhause abliefern. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie noch einiges für sich abzweigt, anders kann ich mir nicht erklären, dass sie andauernd irgendwelche Sonderposten kaufen kann, um damit ihren verrückten Bastelideen Leben zu geben. Das ganze Haus ihrer Mutter müsste davon vollgestellt sein. Denn meine beste Freundin mag tolle Ideen haben, nur am Geld verdienen hapert es immer gewaltig. Billig ist sie nicht gerade, aber Handarbeit kostet nun einmal Geld. Heutzutage will das aber kaum noch jemand bezahlen, wo er das bei irgendeinem Internetversandhandel schon für ein paar Euro bekommen kann. Dann ist es zwar billig hergestellt in Fernost, aber gesundheitsunbedenklich ist es meist nicht oder es wurde für einen Hungerlohn gefertigt, weshalb es spottbillig angeboten werden kann. Aber wer interessiert sich schon dafür, wenn nur jeder Euro zählt, den man spart?
Deshalb ist Kathrin immer noch keine Multimillionärin, sondern dümpelt weiter vor sich hin. Daran zu stören scheint sie sich nicht. Ich jedenfalls würde mich gewaltig ärgern und alles Mögliche versuchen, damit ich mehr als drei Sachen monatlich verkaufe. Aber so ist meine beste Freundin. Sie lässt die Zeit für sich arbeiten. Bisher habe ich noch nicht gemerkt, dass es etwas bringt.
Im August ärgerte ich mich noch darüber, dass man bereits Lebkuchen und andere Weihnachtsnaschereien kaufen konnte. Ehe ich mich versehe, ist Allerheiligen vorbei und der erste Advent hat begonnen. Ich fühle mich zwar immer noch nicht weihnachtlich, aber das ist dann mein Problem, denn nun hat Weihnachten tatsächlich begonnen.
Um den zweiten Advent herum, holen wir immer unseren Weihnachtsbaum. Wie in jedem Jahr werden erst einmal gefühlte fünfzig Tannen untersucht, ob denn eine einzige von ihnen geeignet ist, um bei mir im Wohnzimmer stehen zu dürfen. Meist wird es sowieso einer der Bäume, die ganz am Anfang genommen worden sind. So war es bisher immer und wird sich auch nicht ändern.
Auch nicht in diesem Jahr, wo die Preise ganz schön angezogen haben, obwohl es hieß, die Preise würden stabil bleiben. Davon merke ich nichts oder ich habe mich in der Sorte vertan und kaufe statt einer Nordmanntanne eine Nobilistanne. Die kosten tatsächlich ein Heidengeld, aber ob sie besser sind als der liebste Weihnachtsbaum der Deutschen kann ich nicht sagen. Interessant ist, dass die Nordmanntanne eigentlich in russisches Gewächs ist. Dort werden die Samen jedes Jahr geerntet und werden dann unter anderem nach Mitteleuropa verkauft, wo sie gesät und schließlich als Setzlinge auf großen Plantagen in Dänemark oder Deutschland angebaut werden. Dann heißt es einige Jahre warten und schon kann man den Baum absägen und ihn verkaufen. So ist die Nordmanntanne zwar in Deutschland gewachsen, aber ihre Samen kommen von ganz woanders her. Das wird gerne vergessen und oft sind die Arbeitsbedingungen der Menschen, die die Samen ernten, nicht besonders gut. Eigentlich müsste das für Kathrin ein Grund sein, dass wir gerade keine Nordmanntanne kaufen, aber irgendwo müsse man Kompromisse machen, wie sie gerne sagt, wenn sie nicht erklären kann, wieso sie etwas kauft, wo sie mit der Herstellung nicht einverstanden ist. Da benimmt sie sich wie die Politiker, die ihr Fähnlein auch immer nach dem Wind raushängen.
Ist der zweite Advent vorbei, wird es so langsam Zeit, die letzten Besorgungen zu machen. Eigentlich sollte man jetzt am besten überhaupt kein einziges Geschäft mehr aufsuchen, weil man kaum durch die Gänge kommt. Alles ist durch Menschen verstopft, denen eingefallen ist, dass in wenigen Tagen Weihnachten ist und man noch dies und das und dies und jenes kaufen müsse, um die Feiertage zu überstehen.
Supermärkte sind um die Zeit an allen Tagen voll und nicht nur Freitagnachmittag. Da werden Körbe voll Sekt oder Wodka gekauft, dass man sich die Frage stellt, was die Leute mit dieser Menge eigentlich wollen. So viel kann man selbst doch gar nicht in einem Jahr trinken oder wird versucht, die Gäste damit abzufüllen, damit sie nicht so anstrengend sind? Ich wüsste jedenfalls nicht, was ich mit fünfzig Flaschen Wodka anfangen sollte. Eierlikör selbst herstellen? Dazu brauche ich keine fünfzig Flaschen und Rumtöpfe will ich auch nicht herstellen. Natürlich könnte man den auch verschenken, aber wer verschenkt schon Wodka, wenn er nicht gerade aus Russland oder Polen stammt?
Ein guter Vorrat im Haus und man ist für alle Eventualitäten gerüstet? Soll ich mich bei einem längerfristigen Stromausfall mit dem Alkohol desinfizieren, damit das Ungeziefer von mir Abstand hält oder sich an mir berauscht und abstirbt?
Diese Masseneinkäufe von alkoholischen Getränken werden mir auch in Zukunft rätselhaft bleiben.
Genauso wenig kann ich verstehen, wie es einige Leute geben kann, die erst am Tag vor Weihnachten in die Geschäfte stürmen und irgendwelche Geschenke kaufen. Weihnachten ist jedes Jahr am gleichen Tag, das kann sich noch der dümmste problemlos merken. Na gut, Männer scheinen mit Daten allgemein nicht so gut zu sein, denn Hochzeitstage, Geburtstage oder Kennenlerntage vergessen sie auch gern. Nur wann das große Idol des Lieblingsvereins Geburtstag hat, können sie auch im Schlaf sagen. Wie das möglich ist, würde ich gerne einmal wissen, aber anscheinend sind da irgendwelche Gehirnwindungen bei Männern anders gelegt als bei Frauen.
Ich war mal an einem 23. Dezember in einem Kaufhaus, weil ich gelesen hatte, dass es dort etwas im Angebot geben würde, das ich haben wollte. Welcher Tag war, daran hatte ich nicht gedacht und so war ich dort hingegangen und wäre im nächsten Augenblick am liebsten schreiend geflüchtet. Es war schrecklich, so viele Leute. Wer noch nicht unter einer Agoraphobie litt, der würde spätestens dann eine bekommen.
Jeder schien am Tag vor Weihnachten der Meinung zu sein, dass er jetzt noch das passende Geschenk finden würde. Wenn ich das nicht das ganze Jahr über gefunden habe, würde ich das am letzten Tag auch nicht. Deshalb sind am Tag nach den Weihnachtsfeiertagen die Geschäfte alle überfüllt mit Menschen, die das umtauschen wollen, was sie geschenkt bekommen haben. Unterwäsche in Größte 48, obwohl man nur 38 hat. Schmuck, den man niemals trägt, weil er gar nicht zu der Kleidung passt, die man trägt oder die Ringe sind viel zu klein. Es gibt tausende Möglichkeiten, warum ein Geschenk nicht gefallen könnte.
Da bin ich eigentlich relativ pflegeleicht. Ich finde sogar die Geschenke toll mit denen ich überhaupt nichts anfangen kann. Die Sachen von den eigenen Großeltern umtauschen zu wollen, nur weil sie mir wieder einmal etwas geschenkt haben, womit ich überhaupt nichts anfangen kann, ist nicht besonders schlau. Vor allem dann nicht, wenn man bei ihnen sowieso einen Ruf wie eine Mülltonne hat. Nie kann man ihnen was recht machen, nie macht man das, was sie von einem erwarten. Es ist einfach furchtbar! Cousin Schleimscheißer hingegen, der größte Versager unter Gottes schönem Himmel, wird über den grünen Klee gelobt, dass einem schlecht wird. Dem stecken sie das Geld hinten und vorne rein, während ich mit irgendwelchen Sachen abgespeist werde, womit ich nichts anfangen kann. Nichts gegen Bücher, aber Martin Luther wird nie das Thema sein, für das ich mich erwärmen werde. Kirche interessiert mich nicht und ich habe mich bloß konfirmieren lassen, weil es alle von mir erwarteten. Für mich müssen Sachen erklärbar sein, weshalb es dort nicht um übernatürliche Dinge gehen darf. Woher soll ich wissen, ob es einen Gott gibt? Vielleicht, aber mir hat er bisher noch nie aus der Klemme geholfen, wenn ich ihn gebraucht habe. Und dann die Sache mit Jesus. Wie kann der Gottes Sohn gewesen sein? Als Metapher vielleicht, aber mehr auch nicht. Wer nicht existiert kann nicht Vater von jemandem werden. Da nützt auch der Heilige Geist nichts, falls es den tatsächlich geben sollte. Wahrscheinlich kommt der immer dann, wenn man ordentlich am Weihrauch geschnüffelt hat.
Wer's noch nicht gemerkt hat, mit Gott und der Kirche stehe ich auf Kriegsfuß. Hängt zum großen Teil mit meinen Großeltern zusammen, die mir mit ihrer übertriebenen Religiosität als Kind eine Heidenangst gemacht haben. Wenn ich Jesus am Kreuz sehe, denke ich jedes Mal, ich sei ein Vampir, weil ich das nicht zu sehen ertrage.
Deshalb ist Weihnachten für mich auch nichts weiter als ein Konsumfest und nicht die Zeit der Besinnlichkeit und Versöhnung. Es müsste sowieso mehr Fest der Streitereien heißen, denn seitdem ich mit meinem Mitbewohner, Tim und Kathrin Weihnachten feiere, gibt es jedes Mal nach dem Auspacken der Geschenke etwas zu meckern. Es gibt nun einmal talentlose Menschen, denen nichts einfällt, was sie den anderen schenken sollen. Ist dann auch noch gerade eine besonders schwer zufriedenstellende Person dabei, kann das wirklich in großen Auseinandersetzungen enden.
Und so endet jedes Weihnachten in einem Streit. Ich kann Tim noch so viele Tipps geben, er schenkt meiner besten Freundin immer etwas, was sie als Beleidigung empfindet. Was soll man machen?
Da würde ich es wirklich nicht schlecht finden, wenn Kurse angeboten würden, wo man lernen kann, das richtige zu schenken. So was muss man doch lernen können, außer man hat an dem anderen überhaupt kein Interesse. Deshalb bekomme ich von meinen Großeltern auch immer nur etwas, das ich mir einmal ansehe, mich brav dafür bedanke und es dann irgendwo verstaue, wo es mir nicht zufällig in die Hände fallen könnte. Was haben mir die schon einmal Sinnvolles geschenkt? Ich würde mich über einen Packen Papier von denen mehr freuen, als über die Dinge, die ich normalerweise von ihnen bekomme. Besonders diese scheußliche Noisetteschokolade. Die habe ich schon als Kind verabscheut und dennoch kriege ich sie immer wieder. Kathrin ist ein dankbarer Abnehmer, obwohl ich die Vermutung habe, dass sie die Tafeln ihrer Mutter schenkt. Mir völlig egal, denn meine Großeltern haben das auch von irgendjemandem geschenkt bekommen und wollen es nicht, weshalb sie mich damit beglücken.
Was wäre eigentlich, wenn ich vorschlagen würde, dass wir uns nichts schenken werden? Ach, ich kann es mir vorstellen. Meine beste Freundin wird protestieren, mein Mitbewohner hat überhaupt keine Meinung dazu und Tim ist es egal, Hauptsache er bekommt sein Bier.
Selbst wenn wir abmachen würden, wir schenken uns nichts, am Ende hat Kathrin wahrscheinlich für jeden irgendetwas gebastelt und dann kommt Tim in die Verlegenheit auch etwas Schenken zu müssen. Das will ich lieber gar nicht erst wissen. Lieber ein kalkulierbares Fiasko als eines, wo man am Ende nicht weiß, was da herauskommen wird. So was möchte ich nicht riskieren. Deshalb bleiben die Geschenke, auch wenn ich selbst gut darauf verzichten könnte. Hängt aber eher damit zusammen, dass mir inzwischen alle Feste irgendwie egal geworden sind. Ich habe das Gefühl, je älter man wird, desto weniger interessiert man sich dafür. Natürlich kann ich mich auch täuschen und es geht nur mir so, aber irgendwie war Weihnachten früher etwas Besonderes. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich in der Vorweihnachtszeit mich hingesetzt habe, Papier bunt anmalte, es in Streichen schnitt und daraus Kreise machte, die ich in einer langen Kette aufreihte, indem ich einen mit dem anderen verband. Das waren meine Papiergirlanden. Zwar sind sie nie am Baum gelandet, aber dafür hatten sie die Regale dekoriert. Damals wurde auch immer mein Fenster schön weihnachtlich geschmückt und was ist heute? Absolute Leere, weil ich mich immer so unweihnachtlich fühle, selbst wenn Heiligabend ist. Da komme ich ganz nach Elefant Frechsack, der ist auch völlig egal, ob gerade Weihnachten oder Ostern ist, Hauptsache sie bekommt etwas Leckeres zu futtern. Letzteres ist mir egal, denn Ostern und Weihnachten gibt es bei uns Fondue. Ist das Beste, was man machen kann, wenn man Freunde einlädt.
Vier Tage vor Weihnachten, kommt traditionell Kathrin reingeschneit, um den Weihnachtsbaum zu schmücken. Das kann ein Sonntag, ein Mittwoch oder ein Freitag sein, vollkommen egal, sie kommt. Selbst der größte Schneesturm wird sie nicht aufhalten.
Und so steht sie auch heute wieder pünktlich draußen vor der Tür und läutet Sturm, weil sie hineinwill. Warum sie immer klingelt, als seien welche hinter ihr her, habe ich noch nicht in Erfahrung bringen können. Nachts wäre es zu verstehen, denn da schlafen normale Leute bekanntlich und warten nicht darauf von ihrer besten Freundin heimgesucht zu werden. Ich würde nie auf die Idee kommen, bei jemandem nachts zu klingeln, um einen Kuchen backen zu wollen. Aber so ist Kathrin nun einmal. Bei ihr muss man immer auf alles gefasst sein.
Wie immer, nachdem ich Kathrin unten die Tür geöffnet habe, kommt sie hochgelaufen, als sei der Teufel hinter ihr her. Das ist er auch und zwar in Gestalt von Quasselstrippe und ihren Katzen. Seitdem meine beste Freundin gelesen hat, dass die Samtpfoten eine bestimmte Krankheit übertragen können, die den Menschen viel risikofreudiger macht, versucht sie Quasselstrippe aus dem Weg zu gehen. Das hat sie vorher auch schon versucht, aber nicht in dem Maße wie jetzt. Außerdem hat sie auch gar keine Lust mehr, sich zum hundertsten Mal das anhören zu müssen, was die Katzen schon wieder für Probleme machen. Irgendwann wiederholt sich das, davon kann ich ein Lied singen. Mir ist es manchmal nämlich nicht möglich, an der Tür von Quasselstrippe und ihrem Mann vorbeizuflitzen, weil ich schwere Tasche dabei habe vom Einkaufen. Da ist sie besonders neugierig und versucht immer ein Blick in die Taschen zu werfen, was ihr bisher noch nie gelungen ist, denn ich decke die immer schön ab, damit mir niemand was rausklauen kann. Außerdem sollen meine direkten Nachbarn auch nicht sehen, was ich da gekauft habe. Die führen nämlich eine Liste, was wir so alles kaufen. Wozu sie das brauchen, weiß ich nicht, aber die Stasi hat sich auch für alles und nichts interessiert, ob sie das brauchten oder nicht, Hauptsache eine Information.
Von ebenjenen Nachbarn ist Quasselstrippe meist auch instruiert worden. Ich kenne das schon und antworte immer ganz allgemein. Bisher konnte sie mir noch nichts Relevantes entlocken und um ihre Katzen will ich mich auch nicht kümmern. Die Viecher haaren bis zum geht nicht mehr. Ich bin froh, wenn davon keines an meinen Beinen entlangstreift.
"Na, konntest du Quasselstrippe entkommen?", will ich wissen, als Kathrin in meiner Wohnung ist.
"Die hat mich vollkommen ignoriert", stellt sie erstaunt fest. "Die hat mich gesehen und sich umgedreht, als hätte sie Angst, ich würde sie gleich ansprechen. Kannst du dir das vorstellen?"
"Vielleicht hatte sie gerade keinen Auftrag von der Stasi", bemerke ich und lasse das Thema fallen. "Den Baum habe ich schon einmal reingeholt."
"Fein, dann kann er sich schon einmal an die Wärme gewöhnen." Meine beste Freundin geht ins Wohnzimmer und sieht sich die drei Kartons mit der Weihnachtsdekoration an. "Wo ist der Christbaumständer?"
"Der steht doch da", sage ich und bin irritiert.
"Nee, der steht da nicht, sonst würde ich nicht fragen."
Ich sehe mich im ganzen Wohnzimmer um, aber nirgendwo steht der Baumständer. Ich bin sicher, dass ich den zu den Kartons gestellt habe. Wieso sollte ich den gerade im Keller lassen? Nein, der muss hier sein. Vielleicht hat ihn mein Mitbewohner irgendwohin geräumt, wo ich ihn nicht finde. Zuzutrauen ist es ihm.
"Der ist weg", stelle ich fest.
"Hast du doch vergessen ihn hinzustellen und willst es nur nicht zugeben."
"Ich habe ihn hier hingestellt. So vergesslich bin ich nicht, dass ich mir so etwas einbilde. Nur weil ich den Baumständer letztes Jahr auch aus dem Keller geholt habe, bedeutet es nicht, ich hätte es in diesem Jahr
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Helen Hoffmann
Bildmaterialien: Helen Hoffmann
Cover: Helen Hoffmann
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2017
ISBN: 978-3-7438-4695-1
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