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Was bisher geschah

Die Wissenschaftsjournalistin Karla Urban findet Professor Hermann Dietz schwerverletzt in seinem Büro vor. Kurz vor seinem Tod kann er ihr noch sagen, wo sich ein Dokument befindet, das belegen soll, Martin Luther sei geisteskrank gewesen.

An dem angegebenen Ort stößt Karla auf einen anderen Einbrecher und kann in letzter Sekunde fliehen. Das Dokument bleibt weiter verschwunden.

Karla Urban und ihre Freundin Isis Just machen sich auf die Suche nach dem Dokument und versuchen dabei herauszufinden, warum noch jemand anderes unbedingt das Gutachten haben will, das an Luthers Geistesfähigkeit zweifelt.

Inzwischen sind zwei Personen hinter Karla her, die beide vermuten, die Wissenschaftsjournalistin habe das Dokument in ihrem Besitz. Als sie erpresst und überfallen wird, ist Isis Just klar, dass die zwei Unbekannten vor nichts zurückschrecken werden, um an das Dokument zu kommen. Sie versucht ihre Freundin aus der Schusslinie zu bringen, doch als beide nach Hamburg zurückkehren, wartet bereits die Polizei, um Karla zu verhaften.

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Seit sechs Uhr lag Isis wach und hatte nicht mehr einschlafen können. Die ganze Nacht hatte sie kaum ein Auge zugetan, weil sie nicht wusste, was mit Karla war.

Wo war ihre Freundin untergekommen? Hatte man sie bereits geschnappt?

Nachdem man sie gestern Nachmittag wieder freigelassen hatte, war sie nach ein paar Umwegen, um mögliche Verfolger abzuhängen, die sie beschatteten, in das nächstbeste Elektronikgeschäft gegangen und hatte zwei Handys gekauft. Ein Verkäufer hatte ihr die allerbesten Modelle aufschwatzen wollen, aber sie hatte die einfachsten Modelle genommen, die es gab. Schließlich war sie in den nächsten Discounter gegangen, hatte eine SIM-Karte gekauft und war zu einem Super-Markt gegangen, wo sie noch eine kaufte. Nach ihren Daten wurde sie nicht gefragt. Das würde sich ab Juli ändern, aber jetzt hatte Isis völlig anonym zwei Handys und zwei SIM-Karten gekauft. Damit hatte sie die erste Hürde genommen, um sich mit Karla verständigen zu können. Die zweite Hürde war, dass sie selbst das Handy und weitere Instruktionen nicht auf den Friedhof bringen konnte, weil man sicherlich die Videoüberwachung der Bahnhöfe und Bahnen auswerten und sie dort erkennen würde. Man suchte vielleicht Karla, aber, wenn man sie fand, wäre das auch nützlich.

Glücklicherweise hatte sie noch genügend Barmittel bei sich gehabt, um die Handys und SIM-Karten bezahlen zu können, ohne zuvor an einem Bankautomaten Geld abheben zu müssen. Jede Spur, die zu ihr führte, brachte Karla in Gefahr.

Nachdem sie ihre Einkäufe erledigt hatte, war die Ägyptologin zu ihrer Großmutter gefahren und hatte diese gebeten, ein Handy mit fünfzig Euro Bargeld hinter die Grabsteine des Justine/Just-Grabs zu legen.

Kurz hatte sie ihrer Großmutter geschildert, weshalb sie diese darum bat. Margit Just hatte eingewilligt, diese Aufgabe zu übernehmen. Zwar billigte sie nicht, dass sich die Freundin ihrer Enkelin auf der Flucht befand, aber sie unterstützte die Sache, weil Isis ihrer Freundin Karla vertraute und nicht glaubte, dass diese einen Mord begangen hatte.

Sie hatte ihre Enkelin auch auf die Idee mit der Wohnung gebracht, wo Karla die nächste Zeit verbringen sollte. Ihr Vater hatte in der HafenCity am Überseequartier eine Wohnung gekauft, wo Geschäftspartner der Firma übernachten konnten. Die Wohnung sollte Karla als Unterschlupf dienen.

Nach einem Anruf mit ihrem Vater hatte Isis die Wohnung bekommen. Zwar war sie nicht mit dem genauen Grund herausgerückt, warum sie die Wohnung brauchte, um nicht zu viele Personen in ihre Pläne einzuweihen, aber Michael Just hatte sich gar nicht dafür interessiert, sondern ihr zugesagt, dass sie morgen die Schlüssel in der Firma abholen könne.

Beruhigt war Isis nach Hause gefahren. Unterwegs hatte sie ihr Smartphone wieder eingeschaltet und mehrere Nachrichten von Mona auf ihrer Mailbox vorgefunden. Diese war durch die Polizei informiert worden, dass Karla als flüchtig galt. Sie hatten ihr eingeschärft, sich sofort zu melden, wenn Isis wieder Zuhause ankäme. Außerdem wurde sie belehrt, dass man sich strafbar mache, wenn man eine des Mordes verdächtige Person verstecke.

Zuhause angekommen, hatte die Ägyptologin ihre Freundin erst einmal beruhigen und sie in Kenntnis setzen müssen, was eigentlich geschehen war. Danach hatte sie von ihrem Plan erzählt.

Mona hatte dem zugestimmt, aber nur, weil ihr auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen war. Die Wohnung hielt sie für eine Schwachstelle. Früher oder später würde die Polizei darauf kommen.

Danach hatte Isis ein paar Sachen für Karla zusammengepackt, die sie ihr in die Wohnung stellen wollte. Unterwäsche, Oberteile, Hosen und Schuhe. Was man eben so brauchte, wenn man sich versteckt hielt. Außerdem musste sie noch zur Bank, um aus ihrem Schließfach fünftausend Euro zu holen. Zwar glaubte die Ägyptologin nicht, dass ihre Freundin das gesamte Geld brauchen würde, aber man wusste nie, was noch alles so kommen würde, weshalb man lieber zu viel als zu wenig Geld als Bargeld mit sich herumschleppen sollte. Glücklicherweise verwahrte sie immer eine fünfstellige Summe in ihrem Schließfach, dass sie einfach diese hohe Summe nehmen konnte, ohne dass es jemand bemerkte. Diese Maßnahme hatte ihr vor Jahren bereits einmal sehr geholfen.

Jetzt war es sieben und Isis wusste, dass der Schlaf nicht noch einmal kommen würde, also stand sie auf und machte sich fertig. Danach setzte sie sich an ihren Schreibtisch und studierte ihre Notizen, die sie sich zu den Briefen gemacht hatte. Sie las sich alles durch, hatte es im nächsten Augenblick wieder vergessen, sodass sie die Blätter wieder zurück auf ihren Schreibtisch legte.

Sollte sie ihren Computer anmachen und die neuesten Bilder von Tausendschön übertragen, die sie gemacht hatte? Sie war noch am überlegen, als sie Mona hörte, die nach unten ging. Hatte die nicht heute frei? Offensichtlich konnte sie auch nicht schlafen. Vielleicht sollte sie ihr Gesellschaft leisten. Sie musste auch noch los, um ihr Seminar zu halten. Dazu hatte sie momentan keine Nerven für, aber es ging nicht anders. Wegen Karlas Verhaftung konnte sie kaum absagen, weil sie nicht persönlich betroffen war.

Die Ägyptologin war kaum die Treppe hinuntergegangen, als es klingelte. Mona kam aus der Küche hinaus und sah ihre Freundin an. Stumm schien sie zu fragen, wer das um die Uhrzeit sein könnte.

"Vielleicht der Paketbote", erwiderte Isis ratlos und wusste es nicht.

Ein ungutes Gefühl beschlich sie, als es noch einmal klingelte. Drängender, lauter, schriller. Langsam ging sie durch die Eingangshalle zum Flur. Sie sah noch auf der Videoüberwachung, dass der Kommissar, der sie gestern festgenommen hatte, mit anderen Personen vor ihrer Tür stand, bevor das Bild erlosch.

Die Polizei stand vor ihrer Haustür. Was sollten die von ihr? Karla war nicht hier. Mussten sie sich erst selbst davon überzeugen, bevor sie ihr glaubten?

"Wieso machst du nicht auf?", wollte Mona wissen, als es erneut klingelte.

"Die Polizei", erwiderte Isis und wusste immer noch nicht, was die wollten. Konnten sie nicht einfach wieder weggehen?

"Wollen die eine Hausdurchsuchung machen?"

"Was?", sagte die Ägyptologin und hielt es für einen schlechten Scherz. Die wollten nicht wirklich das Haus durchsuchen, oder? "Warum denn?"

"Karla wohnt hier, also werden sie alles durchsuchen wollen." Die Physikerin geriet in helle Aufregung. "Wir müssen die Sachen verstecken, die beweisen, dass Karla mehr wusste, als sie zugegeben hat. Das muss alles weg. Die Polizei darf nichts finden."

Isis erwachte aus ihrer Starre. Mona hatte recht. Wenn die Polizei die Sachen fand, stand es schlecht für Karla. Das musste alles versteckt werden.

"In den Keller damit. Pack alles zusammen und bring es in den Keller. Hinter dem Regal mit den Waschmitteln befindet sich ein Hohlraum. Der ist mit einem Blech abgedichtet. Leg dort alles rein und stell die Flaschen wieder davor."

"Die werden die Waschmittel aus dem Regal räumen und dann sehen sie, dass sich dort ein Hohlraum befindet", wandte Mona ein.

"Nein, werden sie nicht. Auf dem Blech ist ein Symbol angebracht, dass sich dahinter der Gasanschluss befinden würde. Das werden sie sich nicht ansehen wollen, glaub mir."

"Hoffentlich hast du recht."

Es klingelte noch einmal.

"Mach denen endlich auf, sonst treten sie dir die Tür ein."

"Die ist gesichert, genauso wie das Schloss. Was glaubst du, warum sie noch keinen Schlüsseldienst geholt haben? Der wird mindestens eine Stunde brauchen, um die Tür zu öffnen. Ich sage nicht zum Spaß, dass ihr euch niemals ausschließen dürft. Die kommen nur problemlos ins Haus, wenn ich sie hineinbitte, was ich nicht tun werde."

"Genau, halt sie so lange auf wie möglich, dass ich die Sachen zusammenpacken und verstecken kann. Ich werde mindestens zehn Minuten brauchen, vielleicht noch etwas länger. Denk dir was aus."

"Ich tue ich mein Möglichstes. Jetzt lauf los. Je eher du beginnst, desto schneller bis du fertig. Danach wirst du zur Arbeit fahren. Wahrscheinlich wird man dich durchsuchen, wenn du gehen willst, also pass auf, was du in deine Tasche packst."

"Vielleicht packe ich ein paar extraschwere Bücher ein, dann haben sie was zu tun."

"Hau ab!"

Mona flitzte zur Treppe und lief nach oben. Jetzt musste sie schnell machen, denn sie wusste nicht, wie lange Isis die Polizei würde aufhalten können.

Isis atmete noch einmal tief durch, dann steckte sie den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür.

Überrascht sah sie die Leute an, die vor ihrer Tür waren. Das es sich um so viele Polizisten handelte, hatte sie nicht gedacht. Was wollten die alle hier? Hatte man gleich noch die Steuerfahndung verständigt? Mit der Firma hatte sie nichts zu tun, was die Polizei sicherlich recherchiert hatte. Was wollten die alle hier?

Jetzt wurde ihr doch ein mulmig. Ob das Versteck im Keller wirklich sicher war? Sie konnte nur darauf vertrauen, dass die Polizisten im Keller nicht allzu gründlich suchen würden.

"Guten Morgen, Herr Kommissar, so früh auf?", begrüßte sie Hammerschmidt mit einem Lächeln, obwohl sie ihm am liebsten den Hals umgedreht hätte.

Der Kommissar erwiderte ihr falsches Lächeln und hielt ihr einen Zettel hin.

"Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss für dieses Anwesen."

Die Ägyptologin trat einen Schritt auf ihn zu. Dabei schloss sie die Tür hinter sich.

"Sie meinen, sie wollen mein Haus durchsuchen, verstehe ich das richtig?" Hammerschmidt nickte. "Weswegen, wenn ich fragen darf? Doch nicht, weil sich gestern mein Reisekoffer selbständig gemacht hat?"

"Karla Urban wohnt hier."

"Sie bewohnt ein Zimmer, das ist richtig, genauso wie Mona Delius ein Zimmer in diesem Haus bewohnt. Das bedeutet aber nicht, dass sie das ganze Haus durchsuchen dürfen."

"Doch, genau das heißt es. Ihre Freundin konnte sich in jedem Raum dieses Hauses aufhalten, deshalb dürfen wir auch das komplette Haus durchsuchen."

"Wieso fangen sie nicht in Heidelberg an?"

"Lassen Sie das meine Sorge sein. Diese Adresse wird als Karla Urbans Hauptwohnsitz angegeben. Also, wenn Sie so freundlich sein würden und uns die Tür öffnen."

"Ich werde gar nichts tun, bevor ich mich mit meinem Anwalt besprochen habe. Es kann nicht sein, dass Sie mein Haus durchsuchen wollen, nur weil Karla Urban hier gemeldet ist. Sie bewohnt ein Zimmer, mehr nicht."

"Lassen Sie das, Frau Just. Ihr Anwalt wird Ihnen auch nichts anderes sagen."

"Das überlassen Sie lieber mir", sagte die Ägyptologin und holte ihr Smartphone aus der Tasche. "Ich werde hierbleiben, damit Sie mir nicht unterstellen können, dass ich noch schnell irgendwelches belastendes Material verschwinden lassen habe."

Hammerschmidt verzog das Gesicht, sagte aber nichts. Diese Runde ging an Isis Just.

Isis suchte die Nummer ihres Anwalts in ihrem Adressbuch und rief an. Sie hoffte, dass in der Kanzlei bereits jemand erreichbar war zu dieser frühen Stunde.

"Guten Morgen", sagte sie erleichtert, nachdem sich jemand gemeldet hatte. "Isis Just hier, ich müsste Dr. Paterna sprechen." Sie hörte sich eine Erwiderung an, die ihr nicht ganz gefiel. "Vor meiner Tür steht Hamburgs halbe Polizei und will mein Haus durchsuchen. Ich muss Dr. Paterna sprechen, es ist wirklich dringend. Gut, ich warte."

Die Ägyptologin warf einen unauffälligen Blick zu Hammerschmidt, der immer ungeduldiger zu werden schien. Sie konnte es nachvollziehen, denn auch ihre Geduld war bald am Ende. Endlich hatte sie ihren Anwalt am Telefon.

"Guten Morgen, Dr. Paterna, entschuldigen Sie die frühe Störung, aber bei mir steht die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. Meine Freundin wird verdächtigt, jemanden ermordet zu haben und jetzt will die Polizei mein Haus durchsuchen, weil meine Freundin hier zur Miete in einem Zimmer wohnt. Kurzum: Ich will wissen, ob die einfach das gesamte Haus durchsuchen dürfen, auch wenn meine Freundin nur ein Zimmer bewohnte." Sie hörte sich an, was ihr Anwalt sagte. "Ja, sie kann sich im ganzen Haus frei bewegen und das ist ihre Hauptmeldeadresse, obwohl sie eine Wohnung in Heidelberg hat, wo sie auch arbeitet." Wieder hörte sie sich ein paar Erwiderungen ihres Anwalts an. Ihr Gesicht verdüsterte sich immer mehr. Was sie hörte, gefiel ihr ganz und gar nicht. "Ich muss es tatsächlich dulden, dass diese Horde in mein Haus eindringt und alles durchwühlt? Da lässt sich nichts machen? Nein, also gut, dann muss es so sein. Vielen Dank, Dr. Paterna, auch wenn es keine guten Nachrichten waren. Ja, Sie können nichts dafür. Danke."

Als Isis ihr Smartphone wegstecken wollte, piepste es. Sie hatte eine SMS erhalten.

"Sie können rein, aber wenn irgendetwas zu Bruch gehen sollte oder anderweitig beschädigt wird, werde ich eine Entschädigung verlangen, die ich auch bekommen werde", sagte sie und warf einen Blick auf die Nachricht, die sie eben aufgerufen hatte.

Ohne dass sie es wollte, verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln. Zwar merkte sie es noch rechtzeitig, aber es war zu spät. Hammerschmidt hatte ihre Reaktion gesehen.

"Ich darf doch", sagte er und nahm ihr das Smartphone aus der Hand. "Vielleicht kann ich mich mit Ihnen freuen."

Isis verzog ihren Mund zu einem spöttischen Lächeln.

"Ich habe den Croissaint-Film gefunden", las er und wirkte enttäuscht.

"Das ist ein Stummfilm aus dem Jahr 1920, der in Russland, dem Osmanischen Reich und in Frankreich gedreht wurde. Meine Freundin kann sich den Titel nicht merken, weshalb sie ihn Croissaint nennt."

"Schön", sagte Hammerschmidt und gab ihr das Smartphone zurück.

Ein Glück, dass Mona klug genug gewesen war, ihr eine verschlüsselte Botschaft zu schicken, dass sie die Sachen an dem vorgegebenen Ort versteckt hatte. Der blöde Kommissar aus Hannover hatte sich täuschen lassen. Das gefiel ihr am Besten, dass er den Satz nicht verstand. Glücklicherweise hatte sie gewusst, welchen Film ihre Freundin meinte. Vor einigen Tagen hatte sie ihr stolz berichtet, dass sie eine Version des Films auf YouTube gefunden hatte. Die Qualität war zwar nicht besonders, aber man müsse zufrieden sein mit dem, was man fand.

"Dann kommen Sie rein. Ich zeige Ihnen Karla Urbans Zimmer."

Die Ägyptologin schloss die Tür auf und ließ die Polizei ein. Ihr heiliger Boden wurde entweiht, ihr Heim, ihre Zuflucht, aber sie konnte es nicht ändern. Sie hatte versucht, ihr Zuhause zu schützen und war an den deutschen Gesetzen gescheitert. Wenn man die einmal brauchte, ließen sie einen im Stich und wenn man sie gar nicht brauchen konnte, wurden man von ihnen erschlagen und begraben.

Machtlos musste sie mit ansehen, wie die Beamten ausschwärmten und mit der Durchsuchung begannen. Sie schloss die Augen und atmete tief durch, bevor sie weiterging und Hammerschmidt die Treppe hinauf in den ersten Stock führte.

"Hier ist das Zimmer von Karla Urban. Fangen Sie an und toben Sie sich aus. Ich weiß nicht, was Sie finden wollen, aber irgendetwas werden Sie bestimmt finden. Wie heißt es so schön: Wenn man etwas finden will, findet man auch etwas."

Mit diesem Worten ließ sie Hammerschmidt allein und ging in ihr Zimmer, wo sich noch niemand der Beamten eingefunden hatte. Wütend starrte sie aus dem Fenster und entdeckte Mona, die über den Kies ging und unbehelligt das Grundstück verließ.

Sie nahm noch einmal ihr Smartphone zur Hand und rief in Berlin an der Uni an, dass sie nicht kommen könne. Den wahren Grund nannte sie nicht, sagte stattdessen, dass ein Unglücksfall in der Familie geschehen sei, weshalb sie nicht kommen könne. Man nahm ihr die Worte ab. Sie bat um Entschuldigung, dass ihre Absage so kurzfristig komme.

Schließlich war es auch bei ihr so weit und man durchsuchte ihr Zimmer. Am liebsten wäre sie dazwischen gegangen, als sie sah, wie man die Schubladen aus ihrem Schreibtisch herausriss und darin herumwühlte oder in ihren Ablagen alles durcheinanderbrachte. Wie sollte sie jemals wieder Ordnung in das alles bringen?

"Nicht der Koffer", sagte sie, als der Beamte sich an ihrem schwarzen Reisekoffer zu schaffen machte. "Da befindet sich meine Wäsche drin, die ich für Berlin brauche."

"Ich muss alles durchsuchen. Tut mir leid", erwiderte er.

Die Ägyptologin presste die Lippen aufeinander, dass sie nicht mehr als schmale Linien waren. In den Koffer hatte sie gestern Abend ein paar Kleidungsstücke und Wäsche von Karla gepackt, damit diese sich nicht etwas kaufen musste, sondern etwas zum anziehen und wechseln hatte. Wenn der Polizist nun gründlich in seiner Arbeit vorging, würde ihm auffallen, dass nicht ihr die Kleidung gehörte, sondern einer anderen Person.

Angespannt beobachtete sie den Beamten, wie er alles auspackte, durchsah und wieder zurücklegte. Das würde sie nachher alles noch einmal neu zusammenlegen und packen müssen.

Sie entspannte sich, als er den Koffer wieder schloss und zurückstellte. Er hatte nichts bemerkt.

Isis verließ ihr Zimmer und ging nach unten. Wie ihr Zimmer weiter in Unordnung gebracht wurde, wollte sie sich nicht weiter antun.

Unterhalb der Treppe blieb sie stehen und sah sich das Treiben der Beamten an. Gefiel denen, was sie da machten? Fanden sie es interessant, in fremden Sachen wühlen zu können?

Als ihr Hammerschmidt über den Weg lief, konnte sie ihre Wut nicht mehr zurückhalten.

"Was gedenken Sie eigentlich finden zu wollen?"

"Das weiß ich noch nicht. Ich erwarte nicht, die Tatwaffe zu finden. Ihre Freundin dürfte intelligent genug sein, dass sie diese weggeworfen ist."

"Vielleicht sagen Sie mir, was die Tatwaffe sein könnte, vielleicht weiß ich, was Frau Urban auf einmal nicht mehr in ihrem Besitz hat."

"Aus ermittlungstaktischen Gründen...", begann der Kommissar und wurde von Isis unterbrochen.

"Vergessen Sie's! Sagen Sie mir lieber, wann Sie endlich fertig sind?"

"Haben Sie noch etwas vor?"

"Nicht mehr. Mein Seminar habe ich abgesagt, weil ich das Haus nicht allein lassen kann, während Sie und Ihre Leute hier alles auf den Kopf stellen. Suchen Sie in Heidelberg, aber hier werden Sie nichts finden."

"Sie wiederholen sich", erwiderte Hammerschmidt.

Die Ägyptologin hätte den Kommissar in diesem Augenblick am liebsten in die Ecke geschleudert, aber stattdessen schloss und öffnete sie ihre Hände, um sich zu beruhigen. So schnell ließ sie sich von diesem Blödmann nicht provozieren.

Sie wollte in die Küche gehen, als ein Polizist die Treppe hinunterkam. Anfangs dachte sie, man wäre oben mit der Durchsuchung fertig, aber als sie den Schuhkarton sah, erstarrte sie. Das waren die Schuhe, die sie Karla an dem Mordtag bei Karstadt gekauft hatte. Da steckte noch der Kassenbon drin. Verdammt!

Die Ägyptologin musste sich am Türrahmen anlehnen, um nicht zu stürzen. So vieles hatten sie bedacht, Mona hatte vorhin alle belastenden Papiere und Fotografien versteckt, aber an diesen blöden Kassenzettel hatte niemand von ihnen gedacht. Diese verdammten Schuhe! Warum hatte sie nur zwei Paar davon gekauft? Hätte nicht eines gereicht? Als sie bei Kaufhof das erste Paar gefunden hatte, hätte sie die Suche beenden sollen, stattdessen war sie noch zu Karstadt gegangen. Überflüssig und vor allem leichtsinnig wie sie jetzt wusste. Warum nur hatte sie den Kassenzettel in den Schuhkarton gelegt?

Noch hatte man ihn nicht gefunden, aber sie war sicher, dass es geschehen würde. Oben auf lag er.

Hammerschmidt sah sich den Schuhkarton an, nahm den Deckel ab und fand den Kassenbon. Verdammt! Jetzt war alles aus? Oder nicht? Gab es noch eine Möglichkeit, wie sie diesen Fehler glatt bügeln konnte?

Isis ging in die Küche, damit es nicht aussah, als habe sie den Kommissar beobachtet.

"Frau Just, kommen Sie mal", rief er ihr hinterher.

Die Ägyptologin ballte die Hände zu Fäusten und schloss die Augen. Sollte sie hier einfach stehen bleiben und so tun, als wäre sie taub? Nein, das führte zu nichts und machte sie nur verdächtig. Sie musste so tun, als sei nichts geschehen. Verstellen konnte sie sich gut, aber ob sie auch einen Polizisten hinters Licht führen konnte?

Bevor Hammerschmidt ein zweites Mal nach ihr rief, kam sie aus der Küche.

"Ja, was ist?", fragte sie.

"Diese Kiste haben wir im Schrank von Frau Urban gefunden."

"Ja, und?", sagte sie desinteressiert. "Die Schuhe habe ich ihr gekauft, weil sie Ersatz haben wollte, wenn ihr eigentliches Paar kaputtgehen sollte. War das falsch?"

Die Lüge war direkt aus ihrem Mund gekommen, ohne dass sie nur eine Sekunde überlegt hatte. Isis hatte sich selbst gewundert, was sie sagte, aber für sie hatte es überzeugend geklungen. Vor allem hatte sie dem Kommissar den Wind aus den Segeln genommen, bevor er sie in die Ecke drängen konnte.

"Sie sind also extra nach Berlin gefahren, um dort nach den Schuhen zu suchen?", überging Hammerschmidt ihre Frage.

"Ich arbeite dort, was Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte. Und ich habe mich nicht extra auf die Suche nach diesen Schuhen begeben. Das war Zufall. Ich hatte noch Zeit bis mein Zug abfuhr und habe mich umgesehen. Dabei bin ich auf die Schuhe gestoßen. Da mir bekannt war, dass Frau Urban Ersatz suchte, habe ich diese gleich mitgenommen."

"Am Tag des Mordes?"

Er hatte den Kassenzettel entdeckt und gelesen. Dumm war er schon einmal nicht, aber sie war es auch nicht.

"Keine Ahnung, ob das der Tag gewesen ist. Ich habe die Schuhe gesehen und habe sie gekauft. Wenn ich gewusst hätte, dass Frau Urban in einen Mordfall verwickelt ist, hätte ich die Schuhe nicht gekauft, weil sie jetzt anscheinend gegen sie verwendet werden."

"Das ist schon ein großer Zufall, finden Sie nicht?", versuchte Hammerschmidt sie in die Enge zu treiben, aber Isis erwiderte stoisch seinen Blick. So schnell ließ sie sich nicht ins Bockshorn jagen.

"Der Zufall treibt manchmal seltsame Blüten", erwiderte sie nur.

An einem Zucken seines linken Mundwinkels sah die Ägyptologin, dass sie dieses Spiel gewonnen hatte. Mit dieser Antwort hatte sie ihn ausgespielt. Sie musste Karla von den Schuhen berichten, damit diese entsprechend darauf antworten konnte, falls sie doch von der Polizei geschnappt werden sollte. Je weniger sie sich später in Widersprüche verstrickte, desto besser.

Hammerschmidt drückte den Kasten wieder dem Beamten in die Hand, der diesen ihm gebracht hatte.

"Einpacken und mitnehmen", wies er ihn an.

Isis ging zurück in die Küche und starrte auf ihr Smartphone. Das Handy, mit dem sie mit Karla in Kontakt treten wollte, hatte sie in ihrer Hosentasche. Die SIM-Karte hatte sie noch nicht reingesteckt, das würde sie erst tun, wenn sie weit genug von ihrem Zuhause entfernt war und sich keine Kameras in ihrer Nähe befanden. Solche Orte gab es heutzutage kaum noch, aber unmöglich war es dennoch nicht. Dann würde sie Karla auf deren Handy eine SMS mitschreiben, wo sie sich treffen würde.

Als sie sich heute Nacht von einer Seite zur anderen gewälzt hatte und nicht schlafen konnte, hatte sie sich überlegt, wo sie sich am besten treffen könnten. Es musste ein Ort sein, wo man sich an Karla nicht erinnern könnte, wo sie in der Menge nicht auffiel. Dazu musste es ein Ort sein, wo es keine Kameras gab oder wenn doch, musste man diese umgehen können.

Die Innenstadt fiel damit aus. Museen ebenfalls und an Supermärkte war gar nicht erst zu denken. Blieb der Botanische Garten und der Stadtpark. Letzterer lag am nächsten zum Ohlsdorfer Friedhof, aber wenn Isis an die Fahrt dachte, die Karla würde zurücklegen müssen, schloss sie diese Möglichkeit wieder aus. Außerdem war die Verkehrsanbindung von dort weg nicht besonders. Vom Borgweg fuhren zwar die U-Bahn und eine Metrobuslinie, aber dennoch war die Fahrt zur Wohnung, wo Karla sich verstecken sollte, zu lang und zu kompliziert. Schlump müsste sie umsteigen in die U2 und anschließend am Jungfernstieg in die U4, um zum Überseequartier zu gelangen. Das war nichts. Aus dem gleichen Grund fiel auch der Botanische Garten aus. Der lag noch ablegender als der Stadtpark. Von Klein Flottbek führte nur die S-Bahn in die Innenstadt. Mit einer Metrobuslinie konnte man zwar versuchen, seine Spuren zu verwischen, aber man musste dort seinen Fahrschein beim Fahrer vorzeigen, wenn man einsteigen wollte. Das musste man beim ehemaligen Bus 108, der heute die Metrobuslinie 6 war, nicht tun, aber deshalb kam der Stadtpark dennoch nicht wieder in die engere Auswahl. Tja, was blieb noch übrig? Der Ohlsdorfer Friedhof selbst? Was war, wenn irgendjemand von Hammerschmidts Kollegen oder der Kommissar selbst ihre kryptische Botschaft entschlüsselt hatten. Sie bräuchten sich nur über ihre Familie informieren und würden früher oder später auf Pascal und die Elefantenkuh Bertha stoßen. Der größte Parkfriedhof der Welt wäre auch keine Lösung. Was blieb? Eigentlich nichts.

Doch, es gab noch eine Möglichkeit, sie musste sich nur dazu überwinden, diesen Ort aufzusuchen. Es lag allein an ihr, ob sie sich dort treffen würden oder nicht.

Darauf würde niemand kommen, aber der Ort war perfekt. Kaum Kameras und die Stellen, wo sich welche befanden, konnte man gut umgehen. Vor allem kannte sie dort jeden Winkel, weil es jahrelang beinahe ihr zweites Zuhause gewesen war. Es war der ideale Ort, um sich mit Karla zu treffen.

Wie lange die Hausdurchsuchung gedauert hatte, konnte die Ägyptologin nicht sagen. Irgendwann war es vorbei gewesen und Hammerschmidt mit seinen Kollegen war abgezogen. Allerdings hatte sie zuvor noch einen Kampf mit ihm ausfechten müssen, weil er ihren Laptop und Computer hatte mitnehmen wollen. Das hatte sie sich dieses Mal nicht gefallen lassen und darauf bestanden, dass beide Geräte im Haus blieben. Es seien ihre Arbeitsgeräte, die sie brauche, um Papiere für ihre Seminare vorzubereiten und zu schreiben. Karla hätte zu diesen Geräten keinen Zugang und kenne die Passwörter auch nicht. Das stimmte tatsächlich. Außer ihr wusste niemand, wie das Passwort lautete. Nicht einmal Oliver hatte sie es verraten. Mona würde gewiss in ihr Betriebssystem kommen, auch wenn sie kein Passwort hatte, denn sie hatte mal gelesen, dass man die Passworteingabe ganz leicht umgehen und dennoch herumschnüffeln könne.

Hammerschmidt hatte auf ihre Worte nichts gegeben, als sie allerdings wieder mit ihrem Anwalt gedroht hatte, war er eingeknickt und hatte Laptop und PC da gelassen. Mona hatte ihren eigenen Laptop mit zur Arbeit genommen, weshalb dieser gar nicht erst unter den Dingen war, die man beschlagnahmt hatte.

Die Festplatte des Überwachungssystems hatte man ausgebaut und ihr versprochen, eine Kopie zu machen und das Original ihr in den nächsten Tagen zurückzugeben. Welchen Sinn es haben sollte, die Überwachung der letzten drei Wochen sich anzusehen, verstand die Ägyptologin zwar nicht, aber ihr sollte es recht sein. Man würde darauf nichts finden.

Als die Polizei endlich weg war, hatte sie sofort Mona angerufen, die zu ihrer Überraschung den Anruf sofort entgegennahm.

"Und?", wollte diese wissen.

"Sie sind weg."

"Haben Sie die Sachen gefunden?"

"Ich glaube nicht, habe aber noch nicht nachgesehen. Dafür haben sie den Karton mit dem zweiten Paar Schuhe gefunden, den ich Karla gekauft hatte."

"Na und? Dann hatte sie eben ein Ersatzpaar. Haben andere bestimmt auch."

"Der Kassenbon lag noch drin."

"Was?"

Mona war fassungslos. Sie wusste, dass Isis die Kassenzettel immer sammelte, selbst wenn der Einkauf mehr als ein halbes Jahr zurücklag. Aber das sie bei so einer wichtigen Sache den Fehler beging, den Kaufbeleg dazu zu legen, war einfach nicht zu glauben. Was war in sie gefahren? Karla interessierte sich nicht dafür. Die würde sogar die Kaufbelege für Artikel wegwerfen, die eine Garantie besaßen.

"Spinnst du?", entfuhr es ihr. "Damit können sie Karla etwas nachweisen, wo es nichts zum beweisen gibt. Hast du einmal darüber nachgedacht, was du tust, bevor du den Zettel zu den Schuhen gelegt hast?"

"Ich weiß selbst, dass es ein Fehler war. Soll ich versuchen, die Zeit zurückzudrehen? Du hast selbst nicht an die Schuhe gedacht, sonst hättest du sie auch im Keller versteckt."

Ja, an das zweite Paar Schuhe hatte Mona tatsächlich nicht gedacht. An alles hatten sie beide gedacht, aber daran nicht. Sie hatten beide versagt.

"Und was jetzt?"

"Ich habe dem Kommissar gesagt, dass ich die Schuhe gesehen und mich daran erinnert hätte, dass Karla mal gesagt hatte, sie hätte gerne noch ein zweites Paar. Das Gegenteil kann er nicht beweisen, aber ich muss Karla davon erzählen, damit sie entsprechend reagiert."

"Glaubst du, dass die Polizei sie kriegen wird?"

"Sie haben sich auf Karla eingeschossen. Wenn nicht irgendein anderer Beweis auftaucht, dass noch jemand am Tatort gewesen sein könnte, sehe ich schwarz."

"Wie sind die überhaupt auf Karla gekommen?"

"Vielleicht hat sie jemand auf dem Grundstück des Professors gesehen oder diejenigen, die sie bedroht haben und das Dokument wollen, haben sie angeschwärzt. Ich weiß es nicht."

"Können wir nichts tun?"

"Das Dokument finden und irgendwie beweisen, dass Karla es nicht gewesen ist. Wie wir das machen sollen, weiß ich allerdings nicht."

"Was von beidem meinst du?", wollte Mona wissen.

"Beides. Ich habe wirklich keine Ahnung."

"Du weißt nicht weiter? Du hast immer eine Lösung parat."

"Dieses Mal nicht. Ich habe wahrscheinlich das Gesicht von dem Typen, der Karla am Telefon bedroht hat, aber was soll ich damit anfangen? Es im Internet veröffentlichen und fragen, wer den schon einmal gesehen hat oder mir einen Namen nennen kann? Hunderte oder sogar tausende Namen werden uns angeboten werden, aber der richtige wird bestimmt nicht darunter sein."

"Irgendetwas muss es doch geben."

"Möglich, aber momentan kann ich dir keine Lösung anbieten. Denk dir was aus. Vielleicht weißt du etwas."

"Gut, und das nächste Mal entsorgst du deine Kassenzettel, wenn wir sie nicht für die Haushaltskasse brauchen."

"Ich muss noch ein paar Besorgungen machen. Wir sehen uns heute Abend", sagte Isis und legte auf.

Sie ging in den Keller und blieb vor dem Regal stehen, wo sich in der Wand das Loch verbarg, in das Mona die Fotos und Notizen gelegt hatte. Unentschlossen stand sie davor und wusste nicht, was sie tun sollte. Eine Stimme in ihrem Hinterkopf warnte sie, alles freizuräumen und die Unterlagen herauszuholen. Die Polizei könnte jeden Augenblick zurückkehren und würde dann auf dieses Loch stoßen.

Was machte sie dann? Den Koffer wieder ordentlich packen und dabei nach irgendeinem versteckten Sender Ausschau halten, den ein übereifriger Polizist dort versteckt haben könnte, weil er ihrer Ausrede nicht geglaubt hatte, sie sei gestern nicht zum Auspacken gekommen. Danach könnte sie sich noch einmal den Unterlagen widmen. Wenn in der Zwischenzeit die Polizei nicht noch einmal auftauchte, würde sie später auch nicht mehr vorbeikommen. Vielleicht beobachtete man ihr Haus, aber im abschütteln von Verfolgern war sie geübt. Sie wusste auch schon, wo sie diese loswerden würde.

 

 

2

 Ohlsdorfer Friedhof

So eine Nacht wollte Karla nicht noch einmal verbringen. Sie hatte die Botschaft verstanden, die Isis ihr zugerufen hatte. Pascal und Bertha lagen im Familiengrab der Justines und Justs. Wer davon nicht wusste, verstand nicht, was damit gemeint war. Sie hatte auch erst gerätselt, was ihre Freundin damit gemeint hatte. Schließlich war es ihr eingefallen und sie hatte sich auf den Weg zum Ohlsdorfer Friedhof gemacht. Auch weil die Wissenschaftsjournalistin nicht wusste, wo sie die Nacht verbringen sollte, hatte sie sich für den größten Parkfriedhof der Welt entschieden. Dort gab es weder Kameras noch musste sie fürchten auf Menschen zu treffen, die sich später an sie erinnern könnten.

Allerdings hatte sie es sich leichter vorgestellt, die Nacht dort zu verbringen. Erst hatte sie sich einen Ort zum Schlafen suchen müssen, der abseits von allen Straßen lag. Ab und an war ihr jemand begegnet, der wie sie einen Schlafplatz suchte. Irgendwann hatte sie ein Fleckchen gefunden, wo sie ungestört war. Nur mit den ungewöhnlichen Geräuschen hatte sie nicht gerechnet. Immer wieder schreckte sie aus dem Schlaf auf. Einmal hatte sie einen Alptraum, träumte, Hammerschmidt hätte sie aufgespürt und kam auf sie zu. Gerade als er die Handschellen um ihre Gelenke schloss, war sie aufgewacht. Danach war sie nur noch kurz eingeschlafen und hatte die meiste Zeit wach gelegen.

Als der Tag angebrochen war, hatte sich Karla wie gerädert gefühlt. Sie wusste nicht, wann sie zum Grab gehen sollte, weshalb sie erst einmal in ihrem Versteck blieb.

Ihr Handy hatte sie ausgeschaltet und die SIM-Karte herausgenommen. Zwar wusste sie nicht, was es bringen sollte, die SIM-Karte zu entfernen, aber wenn das in Krimis beschrieben wurde, was Mona mehrfach erzählt hatte, musste etwas Wahres dran sein.

Weil ihr Smartphone außer Betrieb war, wusste die Wissenschaftsjournalistin nicht, wie spät es war. Isis hatte eine Armbanduhr, die hatte kein Problem mit der Uhrzeit, während sie sich an der Sonne orientieren musste und dennoch nur raten konnte, wie spät es war. Das Problem mit der genauen Uhrzeit war ein weiterer Grund, weshalb sie in ihrem Versteck ausharrte. Sie wollte nicht von irgendjemandem gesehen werden, wenn der Park noch geschlossen war. Aufmerksamkeit war das letzte, was sie in ihrer gegenwärtigen Situation wollte.

Bevor sie gestern zum Friedhof gefahren war, hatte Karla noch in einem Supermarkt etwas zu Essen und zu Trinken gekauft. Gestern Abend hatte sie davon nichts mehr angerührt. Dafür stürzte sie sich nun mit Heißhunger auf ihr Käse-Schinken-Sandwich. Der Hunger trieb es rein, denn schmecken tat es nach nichts, beinahe wie Pappe. Schließlich spülte sie mit einem großen Schluck Cola nach, nur um festzustellen, dass ihr die Blase drückte. Wo sollte sie jetzt eine Toilette finden? Sich einfach in die Büsche schlagen? Wenn sie jemand sah? Na gut, ihr blieb keine andere Wahl, wenn sie sich nicht einnässen wollte.

Irgendwann hatte es Karla nicht mehr ausgehalten und sie war Richtung Straße gegangen. Wo genau sie sich befand, wusste sie nicht, weil sie gestern Abend völlig ziellos auf der Suche nach einem versteckten Schlafplatz durch den Friedhof gestreift war. Sie ging die Straße entlang bis sie auf eine größere traf. Dort sah sie einen Bus fahren, was für Karla hieß, der Friedhof war geöffnet. Damit konnte sie nun unbehelligt über die Wege gehen, ohne dass sie allzu auffiel.

Aber wo befand sie sich nun? Am besten immer dem Bus nach. In dem Haltestellenhäuschen müsste sich ein Lageplan des Ohlsdorfer Friedhofs befinden. So konnte sie auch den Weg zu Isis' Familiengrab planen. Zwar wusste sie nicht, wann sie dort etwas vorfinden würde, aber sie konnte sich in der Nähe verstecken und warten.

Die Wissenschaftsjournalistin musste ein gutes Stück zu Fuß gehen bis sie das Grab erreichte. Bevor sie in den Gang hineinging, sah sie sich nach allen Seiten um, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Es befand sich auch niemand in ihrer Nähe.

War irgendwo was zu sehen, dass auf irgendeine Botschaft hindeutete? Auf einem Grabstein stand ein rotes Glas mit einem goldenen Kreuz drauf. Da hatte jemand ein Grablicht hingestellt.

Neugierig geworden, trat sie näher an das Grablicht heran und sah, dass es auf dem Grabstein von Bertha und Pascal stand. - Die Elefantin und ihr Lieblingspfleger. Sie beide lagen hier praktisch Seite an Seite. Bertha war Anfang der 50er Jahre heimlich beerdigt worden, nachdem Isis' Großvater sie in den USA wiedergefunden hatte. Jetzt dienten die beiden als stiller Briefkasten oder wie das auch immer hieß.

Karla nahm das Grablicht und drehte den Deckel ab. Im Inneren befand sich keine Kerze, sondern ein Handy, das sie vor mehr als zehn Jahren besessen hatte. Wurde so etwas noch immer verkauft? Offensichtlich, denn es schien neu zu sein. Daneben befand sich ein Schlüssel, ein fünfzig Euroschein und ein Zettel. Auf dem Papier war ein vierstelliger Code notiert, wahrscheinlich fürs Handy.

Karla gab die Zahlen ein und hatte Zugriff aufs Handy. Ihr fiel die SMS auf, die vor weniger als einer halben Stunde abgeschickt worden war. So archaisch das Handy sein mochte, es verfügte über eine genaue Uhrzeit. Es war kurz nach zehn, was hieß kurz, es war eher halb elf.

Was stand in der SMS? Karla zweifelte nicht daran, dass sie von ISis stammte, auch wenn als Absender Mala stand. Was sie dann Mogli? Ein Elefant war sie noch nie gewesen, vor allem nicht der Erzfeind eines anderen. Sie nahm es ihrer Freundin nicht übel, denn diese dürfte die Decknamen gewählt haben, damit niemand auf den anderen schließen konnte, falls eines der Telefone in falsche Hände geraten sollte. Isis dachte immer ein wenig weiter.

Tausendschön ist zurück. Sie es dir an. Audienz ab 13 Uhr.

Verwirrt starrte die Wissenschaftsjournalistin auf die SMS. Wieder eine verschlüsselte Botschaft. Gut, was war damit gemeint? Tausendschön sollte zurück aus Belgien sein. Wo hatte sie vorher gelebt? Im Tierpark, wo auch Bertha lange Jahre verbracht hatte. Also sollte sie dort hinkommen. Mit welchem Geld? Klar, dafür war der fünfzig Euro-Schein. Mit dem sollte sie den Eintritt bezahlen. Zuvor brauchte sie aber noch irgendetwas, um sich zu tarnen. Am besten ein Cap, das konnte sie sich tief ins Gesicht ziehen, wenn es sein musste und vor allem würde es ihr Gesicht vor den all überall gegenwärtigen Überwachungskameras verbergen.

Man musste nur wissen, wie man es machte. Wo bekant sie ein Cap her? Im nächsten Kaufhaus oder Bekleidungsgeschäft, aber wer weiß wie teuer das in einem Einzelgeschäft war. Nachher gab sie ihr ganzes Geld dafür aus und konnte sich anschließend nicht mehr den Eintritt für den Tierpark leisten.

Da gab es doch irgendwo dieses Sportgeschäft. Die könnten doch haben, was sie suchte. Wo war das nur?

Karla wollte schon zu ihrem Smartphone greifen, als ihr einfiel, dass sie es deaktiviert hatte. Das würde ihr keine Hilfe sein. Ein Internetcafe? Gab es eines in der Nähe? Sie wusste es nicht. Sie wusste gar nichts, wie sie merkte. Immer hatte sie sich auf ihr Smartphone verlassen können, dort eingegeben, was sie suchte. Das war nun nicht mehr möglich. Sie war völlig auf sich allein gestellt. Na gut, ging sie eben zu Karstadt oder C & A. Da wusste sie wenigstens, dass die an der Wandsbeker Chaussee zu finden waren.

Bis 13 Uhr sollte sie es locker schaffen. Es...

Karla hielt inne, als sie hörte, wie ein Ast zerbrach und dann noch ein weiterer.

Da war jemand! Hastig drückte sie den Deckel auf das Glas und stellte es auf irgendeinen Grabstein, bevor sie hinter den drei aufragenden, Felsbrocken nachempfundenen, Grabsteinen verschwand, die ihr gute Deckung gaben.

Sie kauerte sich auf den Boden und schaltete das Handy aus. Vielleicht bekam sie noch eine SMS oder einen Anruf, während sie sich versteckte. Mit dem Klingelton würde sie denjenigen auf sich aufmerksam machen, der sich in der Nähe aufhielt. Ob er tatsächlich hinter ihr her war oder zu einem anderen Grab wollte, konnte sie nicht sagen, aber sie wollte nicht das Risiko eingehen, auf sich aufmerksam zu machen.

Von hier konnte sie schlecht verschwinden. Dichte Büsche grenzten das Familiengrab von den anderen ab. Da konnte sie nicht einfach durchrennen und verschwinden, sondern musste wieder den Weg nehmen, den sie gekommen war.

Die Schritte kamen näher. Sie hörte genau, wie jemand mit einem Fuß leise über den Boden schleifte, als würde er den Fuß nicht richtig anheben. Nun blieb er stehen. Wahrscheinlich ließ er den Blick über das Grab schweifen und sah sich um. Hoffentlich kam der Unbekannte nicht auf die Idee, hinter die Grabsteine zu sehen, dann wäre sie aufgeflogen.

Geh, geh, geh!, ging es ihr wie ein Mantra immer wieder durch den Kopf, als könne sie so bewirken, dass der Unbekannte verschwand.

Jetzt wurde das Grablicht hochgenommen und sofort wieder zurückgestellt. In Karlas Ohren begann es zu rauschen. Sie konnte kaum noch hören, was auf der Vorderseite des Grabes passierte. War der Unbekannte noch da oder war er schon wieder gegangen? Sie hörte es nicht.

Sie war in die Knie gegangen und hatte sich zusammengekauert, als sie sich versteckt hatte. Jetzt schliefen ihr die Beine und Füße ein. Wenn sie gleich nicht einfach zur Seite kippen wollte, musste sie bald aufstehen. Ihr taten die Knie weh, dass sie hätte schreien mögen. Aber sie biss sie in die Hand, um keinen Laut von sich zu geben. Jedes Geräusch, jeder Atemzug konnte sie verraten.

Auf einmal klingelte ein Handy. Sie kannte den Ton und erschreckte sich fürchterlich zu Tode. Die Star Wars-Titelmelodie hatte sie auch einmal als Klingelton gehabt. Das war Jahre her, sorgte bei ihr jetzt allerdings für eine fürchterliche Schrecksekunde.

Ihr ganzer Körper zitterte und ihr Herz klopfte wie wild. Es war nicht ihr Handy gewesen, das geklingelt hatte. Dessen Ton hatte sie ausgestellt. Der Unbekannte hatte Star Wars als Klingelton, doch für sie war es, als sei es ihr eigener gewesen.

Nur langsam beruhigte sie sich wieder. Die Wissenschaftsjournalistin musste sich gegen die Grabsteine lehnen, um wegen ihrer zitternden Beine nicht umzufallen.

"Ja?", hörte sie die Stimme eines Mannes. "Nein, hier ist sie nicht. Ja, ich stehe am Grab, aber außer einer leeren Grabkerze ist hier nichts. Ich glaube nicht, dass sie hier ist. Ich kann mir die Umgebung noch einmal ansehen, aber sie dürfte nicht kommen. Vielleicht macht sich die Ägyptologin erst auf den Weg, wenn sie glaubt, in den Menschenmassen nicht aufzufallen. Wo bist du jetzt? An der Uni. So viele Möglichkeiten dort abzuhauen, sollte es nicht geben", sagte der Mann und entfernte sich vom Grab.

Hast du eine Ahnung, ging es Karla durch den Kopf. Es gab zwar Gebäude, wo es tatsächlich zwar mehrere Ausgänge, aber beispielsweise nur ein Treppenhaus gab. Andere Gebäude hingegen besaßen mehrere Treppenhäuser und boten damit ideale Fluchtmöglichkeiten. Isis würde schon wissen, was sie tat. Ihre Freundin wurde tatsächlich beschattet und wahrscheinlich vermutete sie es. Vielleicht glaubte sie eher, die Polizei wäre es, die sich an ihre Fersen geheftet hatte. Deshalb versuchte sie Haken zu schlagen und wenn Isis in einem gut war, dann darin, andere auf eine falsche Fährte zu locken. Sie würde in der Menge verschwinden, dass ihre Verfolger das nachsehen hatten.

Die Uni, wo auch immer sie sein mochte, war gar nicht schlecht gewählt, um an ihr späteres Ziel zu gelangen. Es gab gute und vor allem regelmäßige Busverbindungen. Um zum Treffpunkt zu gelangen, würde sie keine größeren Schwierigkeiten haben. Ihre Freundin hatte sich das richtige Gelände ausgesucht, um ihre Verfolger loszuwerden.

War der unbekannte Mann noch da? Er hatte jung geklungen, vielleicht so um die dreißig, aber alt war er nicht. Mit der vertrockneten Mumie musste sie nicht rechnen, wenn sie gehen sollte.

Karla horchte, konnte aber außer ein paar Vögeln nichts hören. Keine Stimme und keine Schritte. Die Luft schien rein zu sein. Also nichts wie weg, bevor der Kerl noch zurückkam und hinter den Grabsteinen nachsehen würde, weil ihm eingefallen war, dass er dahinter nicht geguckt hatte.

Langsam hoch sie den Kopf über den Rand des Grabsteins, um zu sehen, ob die Luft rein war. Wenn sich der Unbekannte irgendwo versteckt hielt, würde sie eine gute Zielscheibe abgeben. Doch sie sah niemanden. Er schien tatsächlich gegangen zu sein, als er nichts gefunden hatte. Aber er könnte immer noch zurückkommen. Deshalb machte die Wissenschaftsjournalistin, dass sie hier wegkam. Je eher sie den Friedhof verlassen hatte, desto besser.

Genervt ging Anton noch einmal zurück zu dem Grab. Marie hatte ihn gefragt, ob er denn überall nachgesehen hatte? Das hatte er natürlich nicht. Hinter die Grabsteine hatte er nicht geschaut, aber wer sollte sich da schon verstecken?

Marie hatte er natürlich etwas anderes erzählt. Sie musste nicht wissen, dass er nur die Hälfte gemacht hatte. Aber dahinter würde sowieso nichts sein. Wer kam auf die Idee, sich hinter einem Grabstein zu verstecken? Dort warf man doch als erstes einen Blick, ob sich da niemand versteckte. Alle machten das außer ihm. Was hatte er auch schon Ahnung davon? Er hätte viel lieber die Ägyptologin verfolgt, aber Marie war der Meinung gewesen, dass sie mehr Erfahrung darin hatte, eine Person unerkannt zu beschatten.

Er ging durch den schmalen Gang, der so aussah, als wäre soeben die Hecke an dieser Stelle entfernt worden. Verwunschen lag das Familiengrab da. Die Vorfahren der Ägyptologin mussten früher einmal Justine geheißen haben und sich später in Just umbenannt haben. Der Grund entzog sich ihm. Und dann war da noch eine Person, die keinen Nachnamen und kein Geburtsdatum hatte. Diese Familie war mysteriös.

Anton ging um die Grabsteine herum und erstarrte, als er auf der Rückseite die Schuhabdrücke im Boden sah. Es war tatsächlich jemand da gewesen und hatte sich dort versteckt. Verdammte Scheiße! Während er vorne gestanden und das gläserne Grablicht betrachtete, hatte Karla Urban hier hinten gekauert und gehofft, nicht entdeckt zu werden. Er war so ein Idiot! Wie nah war er ihr gewesen und hatte doch nichts bemerkt.

Nein, von seinem Versagen durfte er Marie keinesfalls etwas erzählen. Sie würde es noch R-zwei-Rosenfeld erzählen und dieser würde sie allein weitermachen lassen oder ihn einfach durch jemand anderen austauschen. Dazu durfte er es nicht kommen lassen. Deshalb würde er Marie, dass niemand da gewesen war. Schnell die Spuren verwischen, bevor Marie ihn überprüfte. Zwar traute er es ihr nicht zu, aber konnte es sich durchaus vorstellen.

Bevor er mit dem Fuß über die Schuhabdrücke strich, ging er in die Knie und sah die die Spuren genauer an. Die sahen noch relativ frisch aus, als wäre erst vor kurzem jemand da gewesen und hätte sich dort versteckt. Also war Karla Urban tatsächlich da gewesen, als er auf der Vorderseite gestanden hatte.

Scheiße!

Er hatte versagt. So nah am Ziel war er gewesen und dann vergewisserte er sich nicht, ob sich jemand auf der Rückseite des Grabmals versteckte. Was war er blöd!

Zu spät, um daran noch etwas zu ändern. Aber wenn sie eben noch da gewesen war, musste sie noch hier irgendwo sein.

Anton ließ die Schuhabdrücke so wie sie waren, lief um die Grabsteine herum und hastete den Weg entlang. Sie war ihm nicht entgegengekommen und Äste hatte er auch nicht knacken hören. Sie musste in die entgegen gesetzte Richtung gelaufen sein.

Er lief den Weg entlang, sah sich dabei hektisch zu allen Seiten um, schließlich konnte es sein, dass sie sich immer noch irgendwo versteckt hielt. Etwas Verdächtiges konnte er nicht entdecken. Dafür sah er einen Bus an sich vorbeifahren, als er an der Straße ankam. Hatte sie dort dringesessen. War einer der Fahrgäste Karla Urban gewesen.

Es war so schnell gegangen, dass er auf kein Detail geachtet hatte.

Sie war ihm entkommen. Jetzt konnte er nur noch auf Marie hoffen, dass sie die Ägyptologin nicht aus den Augen verlor.

Anton ging die Straße entlang zur nächsten Bushaltestelle. Er würde sich keine Sekunde länger als nötig auf dem Friedhof aufhalten. Zwar hatte er keine Angst, aber er hatte immer ein mulmiges Gefühl, wenn er sich auf Friedhöfen aufhielt. Wahrscheinlich hatte er mal einen falschen Horrorfilm gesehen und seitdem litt er an einem Trauma. Wenn er das jemandem erzählte, würde diese Person ihn auslachen. So was behielt man am besten für sich.

Ihm ging das gläserne Grablicht nicht aus dem Kopf. Da drin hatten sich keine Wachsreste befunden, auch befand sich kein kleines rotes Grablicht drin, womit man solche Gläser nachfüllen konnte. Überhaupt sah das Glas viel zu sauber aus, als hätte das erst heute jemand dort hingestellt. Noch während Anton darüber nachdachte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. In dem Glas hatte sich überhaupt kein Grablicht befunden, sondern da drin waren irgendwelche Sachen gewesen, womit die Wissenschaftsjournalistin untertauchen konnte. Was für ein ausgeklügeltes System.

Anton bewunderte die Ägyptologin, die in kürzester Zeit etwas auf die Beine gestellt hatte, um ihrer Freundin zu helfen. Gleichzeitig verfluchte er sich für seine Blödheit, nicht hinter die Steine geschaut zu haben. Jeder normale Mensch tat es, nur er nicht.

Sein Smartphone piepste und signalisierte ihm, dass er eine Textnachricht bekommen hatte. Er blieb stehen und öffnete sie. Ernüchterung machte sich auf seinem Gesicht breit und er steckte sein Handy wieder weg. Heute klappte überhaupt nichts.

Ich habe sie verloren, hallte Maries Nachricht durch seinen Kopf.

Hätten sie doch besser die Aufgaben getauscht, wie er es wollte. Nun standen sie beide mit leeren Händen da. Was sollten sie nur seinem Chef sagen? Dieser würde toben.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.05.2018
ISBN: 978-3-7438-6837-3

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