Festliche Feiertage, die länger als einen Tag dauern sind überhaupt nicht mein Fall. Gut, Ostern ist nicht ganz so schlimm wie Weihnachten. Früher hätte ich das mit dem TV-Programm begründet, das an Ostern viel besser war als an den Weihnachtsfeiertagen. Heutzutage ist es genauso schlecht wie an Weihnachten. Zu viele Märchen und Schnulzen. Wer sieht sich so was freiwillig an? Deshalb interessiert mich das TV-Programm inzwischen nicht mehr. Wen ich mal Fernsehen gucke, sind das irgendwelche wissenschaftlich aufgezogenen Dokumentationen. Ansonsten kann man das gesamte TV-Programm wirklich vergessen. Obwohl, einige Ausnahmen gibt es, aber die werden dann wegen Zuschauerschwund eingestellt.
An Feiertagen kann man sich auch sinnvoller beschäftigen als nur Fernsehen zu gucken. Mein Mitbewohner würde irgendwelche PC-Spiele bevorzugen. Allerdings spielt er diese nur, wenn irgendwo im Internet die Lösung verfügbar ist - kostenlos. Selbst etwas herauszufinden ist nichts für ihn. Würde ihn zu viel Nerven kosten, sagt er. Tim hat mir hinter vorgehaltener Hand und unter absoluter Verschwiegenheit erzählt, dass mein Mitbewohner bei mehreren kurz hintereinander verlorenen Spielen schon einmal die Beherrschung verliert und seine Tastatur vor lauter Wut zerlegt hat. Deshalb brauche er die Lösungen, damit ihm so was nicht noch einmal passiert. Ewig neue Tastaturen gehen auch ins Geld.
Ich kann mir denken, wie meine Ostertage aussehen werden, weil sie jedes Jahr gleich ablaufen. Am Karfreitag werde ich im Akkord Eier kochen müssen, die meine beste Freundin anschließend färben wird. Das darf niemand außer ihr machen, wobei Kathrin das gar nicht schlecht macht. Die Ostereier haben immer sehr schöne Muster, allerdings weiß ich nicht, wieso es immer Eier für eine ganze Kompanie sein müssen. Drei Wochen nach Ostern essen wir noch an den gekochten Eiern, die uns langsam zum Hals raushängen. Kein Wunder, dass ich sonst im Jahr keine Eier esse. Na ja, ich habe die als Kind schon nicht besonders gemocht und mag auch heute den Geruch von Spiegeleiern nicht.
Tja, wo war ich stehengeblieben? Ach, so, ja. Ostersonntag und am Tag darauf werden wir die gefärbten Eier suchen müssen. Eine kindische Angelegenheit, aber wir wollen Kathrin ihren Spaß lassen. Allerdings wäre ich froh, wenn wir nicht mehr auf Ostereiersuche gehen würden. Bis jetzt ist jedes Mal ein Ei auf mysteriöse Weise verschwunden und tauchte im schlimmsten Fall erst Wochen später auf - ungenießbar. Wir haben es schon mit Fotos versucht, um jedes Versteck zu dokumentieren. Es scheiterte an der Technik.
Mit ist Ostern relativ egal. Ich habe zwei zusätzliche Feiertage an denen ich in aller Ruhe meine Referate vorbereiten kann, wenn Ostern im April liegt. Zwar werde ich immer wieder gestört, aber ich schaffe dennoch mehr als an einem normalen Wochentag.
Sehe ich die ersten Oster-Dekoartikel in den Läden, weiß ich, dass mich spätestens nach Karneval meine beste Freundin heimsuchen wird, um meine Wohnung österlich zu dekorieren. Bisher konnte ich es immer noch verhindern, dass sie es auf die äußeren Bereiche wie den Balkon oder die Wohnungstür ausdehnt. Deshalb fragt Quasselstrippe auch regelmäßig an, ob man in unserer Generation sich für Ostern nicht mehr interessieren würde. Das will sie selbst allerdings nicht wissen, sondern fragt im Auftrag unserer direkten Nachbarn. Die Stasi selbst würde nie fragen, sondern hat ihre verlässlichen Mitarbeiter.
Muss ich alles mit Ostereiern vollhängen, nur um täglich daran erinnert zu werden, dass bald Ostern ist? Das sagt mir jeder Laden, den ich aufsuche, weil sich dort die Regale biegen vor lauter Küken, Plastikeiern oder Schokohasen, die vor ein paar Monaten noch rote Mäntelchen und keine langen Ohren trugen.
Bis zum heutigen Tag hält sich hartnäckig das Gerücht, die Hohlkörper würden nach Weihnachten eingeschmolzen und als Osterhasen wieder auferstehen. Ich habe mal einen Leserbrief gelesen, wo der Schreib dies bestätigt hat. Das sagt noch lange nichts darüber aus, ob wirklich stimmt, was in dem Leserbrief gestanden hat. Könnte genauso gut eine Wette gewesen sein, wo jemand beweisen wollte, dass auch so ein Leserbrief veröffentlicht wird.
Mir ist es egal, ob das Gerücht stimmt oder falsch ist. Tatsache bleibt, dass mir diese Schokolade nie geschmeckt hat. Na ja, wenn die immer wieder recycelt und mit frischer Schokolade aufgewertet wird, ist es kein Wunder, dass die nicht besonders gut schmecken.
Ach ja, ich werde wieder meine Ostersachen bereitstellen müssen, damit Kathrin ohne Verzögerung loslegen kann. Je schneller sie anfängt, desto eher ist sie fertig und meine Nerven können sich wieder erholen.
Am liebsten würde ich den ganzen Kasten mit der Osterdekoration so tief vergraben, dass meine beste Freundin sie nicht finden kann. Allein die Angst, sie kommt mit ihren eigenen Sachen, die bei ihr als Ladenhüter zu Hause rumstehen und als Staubfänger für Streit mit ihrer Mutter sorgen, um mir diese mit einer täglichen Leihgebühr zu borgen, hält mich davon ab, es zu tun.
Vor dem Dekorieren steht wie immer, so auch in diesem Jahr, das Basteln an. Ich mach mich auf alles gefasst, denn jedes Jahr kommt Kathrin mit einer neuen verrückten Idee an. Im vergangenen Jahr mussten wir Pailletten auf Plastikeier kleben. Am Ende lagen nicht nur meine Nerven blank, sondern ich hatte mehr Pailletten an den Fingerspitzen kleben als auf den Plastikeiern. So eine Sisyphus-Aufgabe kann mich wahnsinnig machen. Ich frage mich immer, warum wir so einen Blödsinn machen müssen. Wer hängt sich freiwillig mit Pailletten verzierte Plastikeier in den Baum? Sind die draußen, bleibt der Dreck in jeder kleinsten Ritze, wie gut das auch geklebt sein mag. Drinnen verfängt sich der Staub und sorgt für unschöne Flecken. Nur wenn man sie in Frischhaltefolie einpackt, bleiben sie frisch und farbenfroh. Wer würde das allerdings tun? Kein Wunder, dass Kathrin auf solchen Sachen hängenbleibt. Sie sollte lieber auf mich hören. Ich hielt nur wenig davon, was nicht nur mit dem Staubfängerproblem zusammenhing. Wieso versucht sie nicht aus ihren Bastelgummibändern bunte Ostereier zu knüpfen? Davon hat sie noch jede Menge zu Hause rumliegen, weil ihre kleinen Gummitierchen überdimensional geworden sind und durch ihr Gewicht ein Smartphone in die Tiefe zogen. Vielleicht sollte sie ihre staubansetzenden Restbestände als Schlüsselanhänger verkaufen oder als Taschen- und Rucksackanhängsel. Kommt garantiert an. Den Ratschlag will sie allerdings nicht hören, also nimmt es weiter Platz weg und löst bei ihrer Mutter Zustände aus. Kein Wunder, dass diese seit Ewigkeiten versucht, ihre Tochter loszuwerden.
Was ist schlimmer? Basteln oder Osterdekoration? Ich kann mich nicht entscheiden.
Je näher der Basteltag rückt, desto mehr wünsche ich mir eine Erkältung herbei. Ach nein, besser nicht. Am Ende käme meine beste Freundin auf die Idee, mir Hühnersuppe kochen zu wollen.
Natürlich nicht bei ihr zu Hause, sondern hier bei mir, weil der Transport der Suppe zu aufwendig sei und sie diese bei mir noch einmal warm machen müsste. Das wäre unnötige Energieverschwendung, weshalb sie die Suppe einfach direkt bei mir kochen würde.
Dabei vergisst sie zu erwähnen, dass meine Küche danach aussehen wird, als hätten dort die Vandalen gehaust.
Ich kann gerne darauf verzichten, mit einer dicken Erkältung dieses Schlachtfeld aufzuräumen. Dann lieber gesund und irgendwelchen Blödsinn basteln. Das werde ich überleben - wie auch in den Jahren zuvor.
"Meinem Mitbewohner habe ich vorsichtshalber nichts gesagt, damit er sich nicht drückt, wie im letzten Jahr. Zwar hatte ich Verstärkung durch keinen Großonkel, aber das tröstete nicht darüber hinweg, dass ich im Stich gelassen worden war.
Ein schlechtes Gewissen bekomme ich nicht, ihm nichts gesagt zu haben. Der soll sich nicht immer drücken, wenn Dinge anstehen, die er nicht mag. Seine Wäsche bekommt er trotz Idiotenanleitung auch nicht gewaschen, obwohl ich alles klar verständlich ausgeschrieben habe. Inzwischen sieht es so aus, dass er seine Wäsche in die Trommel werfen muss und ich am Ende die Maschine anstelle. So kann er sie auch nicht kaputt machen. Das Wasser muss er noch an- und ausdrehen, wobei er tatsächlich jedes Mal nachfragt, in welche Richtung er drehen müsse. So langsam müsste er das wissen. Ich weiß es schließlich auch.
Ein wenig nervös werde ich jetzt doch. Kathrin will bald vorbeikommen und mein Mitbewohner ist immer noch nicht aufgetaucht. Als er heute Morgen, für seine Verhältnisse recht früh, aus dem Haus ging, um sich mit Tim zu treffen, habe ich mir dabei nichts gedacht. Jetzt werde ich hingegen misstrauisch. Hat er vielleicht doch Kenntnis erhalten, dass meine beste Freundin heute ihren Basteltag veranstaltet? Hat er vielleicht ein Gespräch belauscht? Nein, unmöglich. Darüber habe ich mich nur unterhalten, wenn ich mir sicher sein konnte, dass er nicht in der Nähe ist.
Als es schließlich klingelt, denke ich tatsächlich erst, mein Mitbewohner könnte es sein, dabei hat der einen Schlüssel. Na ja, den könnte er vergessen haben, aber würde er dann genauso wie Kathrin klingeln? Nein, so kann definitiv nur die Heimsuchung ankündigen, dass man ihr nicht entkommen kann.
"Sind alle da?", werde ich begrüßt, als Kathrin oben ankommt.
"Siehst du noch jemanden?", will ich wissen.
"Schläft der noch? Wie kann man in seinem Alter so eine Schlafmütze sein?"
Das sagt die Richtige. Meine beste Freundin bekommt man vor neun Uhr auch nicht problemlos aus dem Bett. Am besten erwähne ich das nicht, sonst muss ich mir was über verschiedene Schlaftypen anhören. Dass sie zu spät ins Bett geht, wird sie wahrscheinlich nicht hören wollen.
Gut, es würde Zeit kosten, die von der Bastelstunde abgezogen wird, aber nachher kommt Kathrin noch einmal vorbei weil wir nicht genug geschafft haben. Ein Basteltag ist schon schlimm, aber zwei überlebe ich nicht.
"Nee, der ist nur kurz weg", erwidere ich ausweichend.
"Hoffentlich bringt er Tim mit. Nein, lieber nicht. Nachher schmeißt der alles runter. Nicht auszudenken, wenn das passiert."
Das lässt mich stutzig werden. Was hat meine beste Freundin für Bastelmaterialien mitgebracht, wo Tim großen Schaden anrichten könnte? Einen Eimer Farbe oder ein Töpfchen Kleister? damit wäre der ganze Boden ruiniert, wenn das umkippen würde. Nur würde sie so etwas mitbringen? Ja, wenn sie es zum Basteln braucht, würde sie es tun.
"Schade, dass dein Großonkel heute nicht mit dabei ist. Dem hat es im letzten Jahr richtigen Spaß gemacht."
"Hat keine Zeit. Heinrich muss ein paar Autoschieber beobachten."
"Im Ernst? Der geht in seinem Alter noch auf Verbrecherjagd?"
Woher soll ich das wissen? Das schwirrte mir nur gerade durch den Kopf. Mein Großonkel hat mir vor kurzem mal erzählt, dass einer seiner Nachbarn andauernd Autos bei sich rumstehen habe, die plötzlich verschwunden seien und nie wieder auftauchten. Besonders merkwürdig fand er, dass ein Auto mit einem auffälligen Nummernschild nicht da war und in der Zeit ein anderes diese Nummer trug. Nachdem das verschwunden war, tauchte das andere wieder auf.
Ob das wirklich Autoschieber sind, davon habe ich keine Ahnung. Was Besseres ist mir eben nicht als Ausrede eingefallen, aber meine beste Freundin scheint es mir abzunehmen. Das ist die Hauptsache.
"Lass ihn bloß nicht hören, dass er alt sei. Heinrich ist da besonders empfindlich. Er fühlt sich als Jungspund mit ein paar Zipperlein. Solltest du jemals sein Alter erwähnen, wird er nie wieder mit dir sprechen."
"Das Schleimbeutel so eitel sind", murmelt sie vor sich hin.
In der Küche habe ich bereits den ganzen Tisch abgeräumt und mit Zeitungspapier ausgelegt. Sicherheit geht vor, ich weiß schließlich nicht, was geplant ist. Nachher sollen wir irgendwas mit Tapetenkleister machen. Ich möchte nicht den ganzen Tisch abschleifen müssen, um ihn von irgendwelchen Kleisterrückständen zu befreien. Am Ende ist die Oberfläche völlig zerstört, aber Teller und Besteck bleiben am Tisch kleben.
"Das wäre nicht nötig gewesen", kommentiert Kathrin meine Maßnahme. "Wir wollen nichts malen."
Dann hätte ich auch den Boden komplett mit Zeitung ausgelegt. So ein Farbtopf kann schließlich umkippen. Übrigens... Wieso spricht meine beste Freundin eigentlich von wir? Sie gibt uns die ganze Zeit vor, was wir machen sollen und überwacht alles, aber selber bringt sie in all der Zeit nichts zustande. Das erinnert mich an Krankenhäuser, wo Personal reinkommt und fragt: Haben wir gut geschlafen? Wer hat sich das eigentlich ausgedacht?
Kathrin scheint den ganzen Tisch in Beschlag zu nehmen. Aus ihrer Tasche holt sie mehrere Plastikschachteln, die sie noch mit Gummiband gesichert hat, damit sie sich während des Transports nicht öffnen. Was hat sie da nur reingepackt, dass ihre Tasche davon nicht versaut werden soll? Was benutzt sie diese Plastikkästen überhaupt? Kann man das nicht besser transportieren? In Tüten vielleicht? Ach nein, zu viel Plastikmüll. Apropos, sind das nicht diese Plastikkästen, die Ü-Ei-Sammler immer für ihre Hartplastikfiguren nehmen? Meine beste Freundin hat dort irgendetwas anderes reingepackt. Wie ich das erkennen kann sind die einzelnen Waben in den Plastikkästen randvoll mit buntem Zeug gefüllt. Keine Ahnung, was das sein könnte. Pailletten sind es nicht. Sand vielleicht? Aus verschiedenfarbigem Sand Bilder zu zaubern hat Kathrin noch nicht versucht. Was kommt sie damit eigentlich zu mir? Bei so einer Sisyphosarbeit werde ich ihr garantiert nicht helfen. Dafür habe ich weder Geduld noch Talent.
Kathrin soll ihren Sand schön wieder einpacken. Mein Mitbewohner bringt täglich genug davon mit nach Hause. Wenn ich durch den Park gehe, schleppe ich nicht den halben Weg unter meinen Sohlen mit. Wie er das immer schafft, weiß ich nicht. Dafür habe ich seinen Sand immer an meinen Strümpfen kleben. Täglich bin ich am Fegen und zusammenkehren, dennoch scheint sich nichts zu ändern. Mehrfach habe ich ihm bereits gesagt, er solle seine Schuhe auf der Fußmatte abputzen und ausziehen, bevor er die Wohnung betritt. Er bekommt es einfach nicht hin. Wahrscheinlich sind es zu viele verschiedene Aufgaben für sein Hirn, da schaltet es einfach ab und bei einem Neustart sind meine Worte bereits vergessen und gelöscht.
"Das kannst du gleich wieder einpacken", sage ich.
"Wieso?", will meine beste Freundin wissen. "Du weißt gar nicht, was da drin ist."
"Doch", erwidere ich, "Sand."
"Sand? Ich betupfe die Eier doch nicht mit Sand. Wie sieht das aus? Obwohl... So schlecht hört sich das gar nicht an. Das würde eine besondere Oberfläche ergeben. Wenn dann noch der Sand in verschiedenen Farben eingefärbt ist, würde das schöne Muster ergeben. Das muss ich mir unbedingt durch den Kopf gehen lassen."
Oje, ich könnte mich ohrfeigen. Auf was für abstruse Ideen habe ich Kathrin nur wieder gebracht? Hätte ich bloß den Mund gehalten.
Hoffentlich erfährt ihre Mutter nie, wer Kathrin auf die Idee mit dem Sand gebracht hat. Nachher schüttet ihre Mutter den ganzen bunten Sand auf meiner Fußmatte aus, um ihn los zu sein. Zuzutrauen wäre es ihr. In der Familie ist einer schlimmer als der andere.
"Mit Sand machen wir heute nichts. Wie bist du bloß darauf gekommen, ich hätte Sand mitgebracht!", will meine beste Freundin wissen und
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Helen Hoffmann
Bildmaterialien: Helen Hoffmann
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2017
ISBN: 978-3-7438-0718-1
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