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PROLOG

Claire läuft in ihrer Wohnung auf und ab, wie eine Löwin im goldenen Käfig. Sie wartet auf etwas. Nichts geschieht. Die Unruhe steigt - der Innendruck- wohin mit sich selbst? Gerade ist sie wieder in ihrer kleinen Küche gelandet. Auf der Anrichte aus hellem Holz liegt ein rotes Herbstblatt - schon ganz trocken. Sie hebt es hoch. Es zerbröselt in ihren Händen. Darunter entdeckt sie eine glänzende Bohne.


Heute bin ich die Frau, die in einer braungesprenkelten Bohne lebt.
Ganz klein habe ich mich gemacht. Durch den Spalt in der Seite bin ich hineingeschlüpft: wie kühl und erfrischend mich dass mehlige Fleisch umhüllt. Wie nahrhaft es duftet. Ich verharre. Von außen gelangen keine Geräusche an mein inneres Ohr. Die Bohne liegt unter einem verwelkten Blatt vom letzten Herbst. Zwischen Heckenzweigen hat es sich gut gehalten.

Ich will allein sein - bei mir sein - aber so richtig ruhig sein kann ich auch nicht. Es ist eng und mein Bewegungsdrang groß, als hätte ich Angst, hier für alle Zeiten einzuschlafen. Immer wieder empfängt mich der Schlaf süß und erfrischend, aber nach einer Weile zucke ich zusammen, als habe eine innere Alarmanlage angeschlagen.

Ich will mich aufrichten, doch die Bohnenstube ist zu niedrig, und schon stoße ich mir den Kopf. Nichts zieht mich nach draußen, obwohl am Himmel eine Wintersonne strahlt. Ich atme - lausche - atme - lausche - ich höre einen Ton und folge seinem Klang - ich atme tief, werde ruhiger, etwas entspannt sich - ich lausche, atme. Der Klang windet sich in mein Ohr, wandert weiter durch den ganzen Körper - überall schlängelt er sich hin.
Der Körper, eine Klangschale, vibrierend, mitschwingend - ich lausche, atme, werde ruhig - ein grüner Keim wächst im Inneren der Bohne. Er will zum Licht. Eine Weile noch - hab keine Angst - singt er in meinem Blut, dann wird das helle Leben auch für uns wieder Lichtwunder wirken.


NACH DEM TRAUM


Claire wacht auf!
"Was für ein seltsamer Traum!" denkt sie bei sich. Aber er brachte die ersehnte Entspannung. Sie liegt auf ihrem roten Sofa, eine leichte Decke bedeckt ihren ausgestreckten Körper. Durch die Vorhänge desFensters an der gegenüberliegenden Wand huschen die ersten Morgenstrahlen durch die Vorhänge aus Chinz Sie blinzelt. Es ist noch ganz ruhig. Ab und zu fährt ein Auto an, Frühaufsteher!

Claire spürte noch der Bohnenwohnung nach:

wohlgefühlt und geborgen hat sie sich dort , wie in einem ganz besonderem Schatzkästchen. Welcher Reiz liegt doch in den kleinen banalen Dingen des Lebens, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen. Wären ihre Gedanken nicht in die Bohne geschlüpft, nie hätte sie erfahren, welches kraftvolle Leben darin seinen Zauber wirkt. Noch hört sie die Melodie des wachsenden Keims und sieht, wie er sich streckt, wächst, kräftig wird und schließlich, die harte Bohnenschale durchbricht - dem Licht entgegen.

Claire reckt und dehnt sich, schüttelt Schlaf und Decke ab und beschließt aufzustehen, um die Vorhänge zu öffnen und sich einen starken Kaffee zu kochen.

Während sie sich erinnert, läuft ihr das Wasser im Munde zusammen und sie merkt, dass sie wirklich Hunger und Appetit hat. Schließlich sagt ein altes Sprichwort:
"Essen hält Leib und Seele zusammen."


HALT, HALT, DA WAR DOCH NOCH WAS:


Der Traum war doch noch gar nicht zuende erzählt:

Die Bohnenfrau ist aufgewacht, der Schlaf war erfrischend. Sie streckt ihre Glieder. Kopfschmerzen wüten noch im Kopf, parallel dazu quirlt ein silbriges Fischchen in den Eingeweiden und gibt keine Ruhe."Ich lebe!" ruft es mit heller Stimme. Wie Quecksilber ist es im ganzen Körper unterwegs. Das Fischchen spricht vom Frühling, vom Genesen, von der Kraft, die noch da ist. Fast etwas arg übermütig. Da winden sich zwei gegeneinander drehende Spiralen ineinander, schlagen das Sonnenrad und kaleidoskopieren Licht. Die Bohnenfrau ist überfordert mit dieser Situation.

Sie beschließt, den engen Wohnraum zu verlassen und sich eine nahrhafte Suppe aus braungesprenkelten Bohnen zu kochen und erinnert sich, dass in ihrer Küche frischer Knoblauch liegt und ein Bund duftendes Bohnenkraut an der Decke hängt. Erdknollen - Kartoffeln hat sie im Keller und Zitrone - ein wenig Zitrone muss unbedingt an die Suppe.

Während sie sich erinnert, läuft ihr das Wasser im Munde zusammen und sie merkt, dass sie wirklich Hunger und Appetit hat. Schließlich sagt ein altes Sprichwort: "Essen hält Leib und Seele zusammen."

Sie klettert am Keim empor zum Licht nach draußen.


Die Bohnenfrau hatte es geschafft. Am Keimling war sie weit nach oben geklettert. Für einen geschrumpften Winzling wie sie, war das fürchterlich anstrengend.
Stell dir vor, du müsstest auf die schneebedeckte Spitze eines zweitausend Meter hohen Berges klettern.
Erst einmal setzte sie sich auf den oberen Rand der Bohne, um sich auszuruhen. Ihr Puls raste und sie rang nach Atem.
Es war ungewöhnlich hell, und das Licht blendete, so dass die kleine Frau unwillkürlich die Augen zusammen kniff und blinzelte. Die Vorfrühlingssonne kitzelte sie an der kleinen spitzen Zwergennase. Es roch angenehm grün. Die ersten turmhohen Schneeglocken öffneten ihre weißen Blüten im Gräserwald.

Nach einer Weile beschloss die grazile und biegsame Bohnenfrau mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Jetzt habe ich mich genug ausgeruht." und sprang ohne lange zu überlegen vom Bohnenrand. Zum Glück landete sie weich auf einem glitschigen Herbstblatt, das unangenehm modrig roch.
Die kleine Frau, nennen wir sie Luzia, schloss die Augen, reckte und streckte sich und hatte bald ihre normale Größe wieder erreicht. Bevor sie zur blauen Tür ihres weißen Hauses ging, pflückte sie einen dicken Strauß Schneeglöckchen. Alles hatte plötzlich wieder die richtigen Proportionen: das Gras war kein Wald mehr, die turmhohen Schneeglocken wurden Schneeglöckchen und von der keimenden Bohne war nichts mehr zu sehen. Luzia, so hieß die Frau, lief leichtfüßig auf das Haus zu und öffnete die Tür. Schon strich der rote Hexenkater Fridolin um ihre Füße und miaute laut: er hatte wohl Hunger und fühlte sich vernachlässigt. "Wo warst du nur so lange?" schien er vorwurfsvoll zu sagen.
Luzia bückte sich und streichelte freundlich dass weiche Fell. Fridolin schnurrte laut und folgte ihr anschließend in die Küche zum Kühlschrank.
Die Frau entnahm ihm ein Paket Milch, öffnete es mit der Schere und goss etwas Flüssigkeit in den Katzennapf. Mit hoch aufgerichtetem Schwanz schleckte seine rosa Zunge zufrieden das helle Nass.

Luzia hatte ebenfalls Hunger. Wie lange war sie wohl weg gewesen? Im Haus schien alles unverändert, selbst die aufgeschlagene Tageszeitung lag noch auf dem Esstisch, und ein Kaffeebecher mit eingetrocknetem Rand stand daneben.

Zunächst versorgte sie die Schneeglöckchen - stellt sie in einem breiten Glas voll Wasser auf den Tisch und ging zum Vorratsschrank. Dort duftete es nach getrockneten Kräutern. Sie entnahm dem Schrank ein gut geschätztes Maß an Bohnen: schwarze, braune und rote - und gab sie in eine irdene Schüssel. Dann begoss sie alles mit ausreichend Wasser, denn die Bohnen mussten über Nacht einweichen. Schon meinte Luzia, den Geruch der nahrhaften Suppe zu riechen.
Auf der Küchenablage sah sie eine buntgesprenkelte Bohne.

Impressum

Texte: Cover: www.pixelio.de Markthalle Budapest 7 von M.Spree
Tag der Veröffentlichung: 10.07.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich allen Träumern, die gerne auf den Schwingen der Fantasie ins Märchenland gleiten.

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