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Vorwort

Dies ist mein erstes Schriftstück, zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern. Doch ich schildere keine grausamen Quälereien und Vergewaltigungen. Sexueller Missbrauch von Kleinstkindern kann auch auf ganz andere Art und Weise Stattfinden, die Kinderpornografie gehört zum einen dazu.

 

In diesem Buch geht es um die Herstellung und Verbreitung kinderpornografischen Materials. Kinderpornografie ist zuerst einmal eine Form des sexuellen Missbrauchs, Dieses Buch widme ich all denen, die als Kind missbraucht worden sind. Es gibt verschiedene Arten des Missbrauchs. Man unterscheidet zwischen »Sanftem Missbrauch«, dem »Gewaltsamen« und dem »Seelischen Missbrauch«, der immer mit allen Arten des Missbrauchs verbunden ist. Jeder Missbrauch hinterlässt eine Schädigung der Seele!

 

Diese Kinder entwickeln, wenn sie älter sind, Schuldgefühle, ihnen wird bewusst, was passiert ist. Sie schämen sich. Mit diesen Schuldgefühlen zu Leben ist eine Qual. Die seelischen und körperlichen Schäden hängen zu meist mit der Vergangenheit zusammen. Bis sich ein Kind traut über sein Erlebtes zu sprechen vergehen häufig viele Jahre. Meistens ist der letzte Weg eine stationäre Behandlung in der man sich voller Scham einen

Therapeuten anvertraut. Mit so einer Vergangenheit an die Öffentlichkeit zu gehen, trauen sich nur die wenigsten.

 

Es ist wichtig zu überlegen, was sie dem Opfer antworten, der ihnen anvertraut hat, was mit ihm angestellt wurde. Vor elf Jahren wurden in meiner Schule, die kinderpornografischen Bilder auf gehangen die mein Erzeuger von mir aufgenommen hatte. Keinem von den Mitschülern war klar, was sie mir damit antun könnten. Ich war erschüttert, wütend und traurig zugleicht. Meine Schuldgefühle wurden immer mehr verstärkt. Bis dato hatte ich mir geschworen mit niemanden mehr über mein Erlebtes zu reden.

 

Doch dies klappte nicht. Ich fing an mich selbst zu verletzen, ein Versuch, erlittenen psychischen Schmerz Mittzuteilen. Es war eine Art Selbstbestrafung und ein Versuch Angst abzubauen. Meine Psyche hat es nicht zu gelassen zu schweigen. Nach einem Jahr entschloss sich die Kinderpsychiaterin, mich in die Klinik einzuweisen.

 

Ich habe Methoden gelernt mit meinem erlebten umzugehen, ich habe es nicht vergessen und es verfolgt mich nachts immer noch. In der Klinik habe ich Menschen kennengelernt, denen Ähnliches passiert ist, ich habe gesehen, dass ich nicht alleine bin, was mir Mut machte.

 

Ich wünsche mir, dass ich mit meinem Buch vielen Betroffenen und Familienmitglieder Mut machen kann, mit dem erlebten an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Schweigen zu brechen ist nicht einfach, doch es erlöst ein Teil des Schmerzes, den einem vor Monaten oder Jahren zugefügt wurde.

 

Ich habe es geschafft an die Öffentlichkeit zu gehen, die Presse hat meine Geschichte veröffentlicht doch ohne mein Wissen, heute danke ich der Presse dafür. Ich habe aufgrund der Unterstützung, die ich hatte, meinen Vater und seine Freundin wegen sexuellen Missbrauch angezeigt. Nach dieser Verhandlung viel mir ein Stein vom Herzen. Danach konnte ich mein Leben zum Teil ein Stück genießen, denn ich wusste, dass die Täter bestraft wurden, zwar nicht so wie ich für mein ganzes Leben, aber ich denke, es war ihnen eine Lektion.

 

Deshalb schaut nicht weg und schützt die Opfer, indem ihr für sie da seid und sie stärkt mit jemanden über ihr erlebtes zu sprechen. Solange ihr schweigt, schützt ihr den Täter, der eigentlich ins Gefängnis gehört. Deshalb lege ich auch den Angehörigen, Freunden und Verwandten dieses Buch ans Herz. Hier werdet ihr erfahren was mit einem Kind macht, passiert, wenn weggeschaut und nicht eingegriffen wird.

Einleitung

Einige werden sich Fragen ob Kinderpornografie eine Art von sexuellem Missbrauch ist. Ja! Das ist sie. Der sexuelle Missbrauch ist eine Wiederholung der ausgerichteten Straftat und sind alle sexuellen Handlungen an, mit und vor Kindern. Die meisten Täter handeln mit Kinderpornografie und verdienen ihr Geld auf Kosten der Kinder. Manchmal missbrauchen sie ihr leibliches Kind, um sich sexuell zu erregen. Kinder können sich selbst nicht helfen, daher sind sie auf Hilfe ihrer Umgebung angewiesen. Man darf keine Kinderpornografie besitzen, es dürfen keine Bilder auf der Festplatte oder sonstigen Datenträgern gespeichert sein. Sie zu verbreiten sollte man ebenso unterlassen, denn dies ist alles strafbar.

 

§ 184b StGB (Strafgesetzbuch) Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften

 

(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern (§ 176 Abs. 1) zum Gegenstand haben (kinderpornographische Schriften), 1. verbreitet,

 

2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder

 

3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen,

 

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

 

(3) In den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und die kinderpornographischen Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

 

(4) Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

 

(5) Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

 

Jedes Kind wird durch Kinderpornografie schwer geschädigt, Seele und Körper leiden. Wenn das Bild immer wieder angesehen wird, wird das Kind erneut zum Opfer. Man wird als Sexualobjekt dargestellt. Wenn ein Missbrauch in der Familie stattfindet, schweigen die Kinder häufig, sie glauben nicht das, was Schlechtes mit ihnen passiert. Sie gehen davon aus das wie in meinem Fall mein Vater, sie behütet und ihnen nichts Schlimmes antun würde. Man hat Angst, verachtet zu werden. Unteranderem war es bei mir die Liebe zu meinem Vater, die mich gehindert hat, den Mund aufzumachen und lieber zu schweigen. In zwischen wird in der Öffentlichkeit über das Thema Kinderpornografie diskutiert. Es wird versucht, diesem ein Ende zu setzten. Deshalb soll diese Biografie den Betroffenen Mut machen, über alles zu reden und ihnen Scheu vor einer Verurteilung zu nehmen. Die Wut, die ich nach mehreren Jahren immer wieder in mir verspürte, lag an dem erlebten aus der Kindheit oder Jugend. Ich gab mir ganz alleine mir die Schuld daran, dass mir das alles passiert ist. Wer sonst hätte Schuld gehabt? Genau! Mein Vater, er hätte mich schützen sollen. Doch er zeigte mir, was es heißt zu leben. Ich fing an mich zu schneiden, hungerte und verschloss mich.

 

Erst als ich nach zwei Jahren zusammengebrochen bin und mein Körper schon voller Narben und ich nur noch ein Strich in der Landschaft war bemerkte meine Mutter, dass etwas passieren muss. In der Klinik habe ich dann angefangen mein Erlebtes aufzuschreiben, was mir bis heute sehr hilft. Durch meine stationäre Behandlung wurde mir bewusst, dass mich keine Schuld betrifft. Meine kindliche Naivität wurde von meinem Vater und seiner Freundin förmlich ausgenutzt. Ich wurde seelisch unter Druck gesetzt und manipuliert. Wenn man mit 14 vorher nie etwas von Kinderpornografie gewusst hatte, kann man nicht wissen, dass es ebenso eine Straftat ist wie eine Vergewaltigung. Trotz alledem schäme ich mich immer noch dafür, dass ich meinen Körper verkauft habe, ich hasse ihn so sehr, dass ich ihn nicht mehr im Spiegel ertragen kann. Doch für eines schäme ich mich nicht, dass ich an die Öffentlichkeit gegangen bin und ich mich überwinden konnte, meinen Vater den ich trotz alle dem liebte anzuzeigen und somit riskierte, dass mich die Familie seinerseits nie mehr anblicken wird.

 

In dieser Autobiografie erfahren Sie, wie mir bewusst wurde, dass mich keine Schuld betrifft. Ich erzähle von meinen Erfahrungen der Kinderpornografie, erläutere die Auswirkungen auf mein jetziges Leben und davon wie ich hingefallen aber wieder aufgestanden bin. Mein Vater und seine Freundin erkannten damals nicht, was sie uns Kindern mit all dem zugemutet haben.

Mein Weg mit dem erlebten umzugehen

 Mithilfe des Schreibens erhoffe ich mir die Vergangenheit zugleich die Erkrankungen, überwinden und hinter mir lassen zu können. Ich fange an alles aufschreiben, es wird mich verändern. Nicht wegen des Verfassens der Geschichte, sondern viel mehr betreffend der Ereignisse der letzten Jahre. Was mich betrifft, bin auf dem besten Weg den Missbrauch durch die Kinderpornografie, die mein Vater mit mir anstrebte, hinter mir zu lassen. Sowie das traumatische Erlebnis in der Schule durch Mitschüler und der Weg in die Drogensucht durch meine Tante. Das alles sind keine Vorwürfe an diese Personen, ich für meinen Teil bereue diese zehn Jahre des Lebens nicht im Geringsten. Sie haben mich zu den Menschen geschaffen der ich heute bin. Ich bin weiser, erwachsen, erfahrener und vorsichtiger geworden. Es geht mir besser als je zuvor.

 

Dank der Vergangenheit hatte ich mich verschlossen, zurückgezogen und selbst verletzt, ich war in einer eigenen Welt. In der kein Platz für andere war.Häufig verspürte ich eine innere Leere, hatte Probleme meine Wut und den Ärger zu kontrollieren. Weiterhin hatte ich Schwierigkeiten meine Gefühle zu steuern, hatte alles wieder durchlebt was mir passierte, hatte Verfolgungswahn, dachte häufig das mein Vater mich suchen würde. Ich stand vorm Spiegel, konnte mich durchaus nicht ertragen und hatte eine schlechte Meinung von mir selbst.

 

Empfand Ekel im Umgang mit dem eigenen Körper, zudem plagten mich Gefühle der Unsicherheit und Fremdheit. Ich litt unter Stimmungsschwankungen, von einer normalen bis hin zu einer dysphorischen (= ängstlich, bedrückenden) Stimmung. Verbunden mit heftigem Zorn,ich neigte dazu, Impulse ohne Beachtung von Konsequenzen auslassen. Mein Leben war mir nichts wert, ich konnte es nicht schätzen. Liebe hatte ich nicht erfahren, ich wurde aus- und benutzt, manipuliert und gedemütigt. Ich hatte das verlangen nach Zuwendung und liebe, wenn ich sie bekam, konnte ich sie nicht annehmen, denn ich selbst konnte sie mir nicht geben. In den letzten Jahren hat sich sehr viel in mir gestaut, was ich nun versuche nieder zu schreiben.

 

Ich wollte es anderen immer recht machen, wollte mir und denen gefallen, doch dann habe ich die Kontrolle über mich verloren. Das Erlebte aus der Vergangenheit bleibt in uns, ohne dass wir es bemerken. Es kontrolliert unser Denken und Handeln, ohne das wir es wissen. Durch das Bewusstwerden dessen nicht zu unserem Leben gehörenden Gedanken, kommen wir mehr zu uns, in das heutige Da sein. Es tritt eine Erlösung ein. Als ich anfing zuschreiben, hatte ich viele Erlebnisse innerlich noch mal durchlebt.

 

Doch ich hatte die Hoffnung glücklich zu werden nie aufgegeben und kämpfte. Egal, was für ein Schicksal erlebt wurde, dieses macht einen lebhaft. Man sieht die Welt mit ganz anderen Augen. Es gibt jederzeit einen Weg, mit erlebten Schicksalsschlägen umzugehen. Jeder Einzelne sollte nur seinen passenden Weg finden. Dies ist in vielen Fällen mit viel Zeit, Tränen und Ängsten verbunden. Bis ich eingesehen hatte, dass ich auf Hilfe angewiesen bin, war ich schon abgemagert und meine Arme voller offener Wunden. In meinen Gedanken hatte ich meine traumatische Situation immer wieder durchlebt, auch Flashbacks auch Rückblende genannt traten bei mir immer plötzlich auf und meisten waren es Bilder oder eindrücke des Ereignisses in der Erinnerung.

 

Ich fühlte und handelte dann immer so, als würde ich das Geschehende erneut durchleben und meistens kam dann auch meine Rasierklinge zum Einsatz.Ich hatte häufig Albträume und Ängste, diese Träume wiederholten sich immer wieder, sodass ich nachts schweißgebadet aufgewacht bin. Ehrlich gesagt hatte ich nie das Gefühl, dass das Erlebte vorbei war, sondern fühlte mich so als würde ich es immer noch durchleben. Ich hatte auch immer das Gefühl, das ich selbst Schuld an dem war, was mir widerfahren ist und ich war nicht in der Lage die belastenden Gedanken zu unterdrücken.

 

Doch heute weiß ich, dass ich keine Schuld an dem habe, was mir passiert ist. Ich kann nichts dafür das mein Vater meinen Wunsch Model zu werden ausgenutzt und mich gedrängt hat Akt Fotos zu machen. Ich kann auch nichts dafür, dass meine Mitschüler damals eifersüchtig waren und sich einen Scherz daraus gemacht haben meine Nacktfotos in der Schule aufzuhängen. Ich war verzweifelt und suchte halt, liebe und Zuwendung und zog zu meiner Tante, doch diese zog mich mit in ihre Drogenabhängigkeit. Das alles ist vielleicht nicht so schlimm, wie eine Vergewaltigung doch meine Vergangenheit hat mich geprägt.Ich bin krank geworden und musste mich in stationäre Therapie begeben. Erst dort habe ich gelernt, dass mich keine Schuld trifft. Was auch immer passiert ist, ich war noch ein Kind und meine Naivität wurde von meinem Vater, seiner Freundin, meiner Tante und allen anderen betroffenen charmelos ausgenutzt.

10 Jahre nach der Kinderpornografie-geht es Berg auf

Trotzalldem hatte alles was Effektives. Im Jahr 2008 erblickte mein Sohn Finn das Licht der Welt, er hat mein Leben, zuerst lebenswert gemacht. Es gibt nichts Schöneres, als Mutter zu sein. Ich habe mir geschworen, alles anders zu machen als meine Eltern, Sie waren gleichzeitig Beschützer und Täter – wurde also einerseits geliebt, andererseits gehasst oder gefürchtet.

 

Mein Sohn bekommt viel Liebe, Zuwendung und vertrauen. Im Jahr 2013 war es meine freie Entscheidung, nochmals in die Psychiatrie zu gehen. Dort lernte ich meinen jetzigen Lebensgefährten Oliver kennen. Er nimmt Damian wie seinen eigenen Sohn an. Er kümmert sich total lieb um ihn und um mich. Ich erfahre das erste Mal die Liebe, die ich in meinem Leben vorher nie bekam. Dies ist ein Grund, warum es mir Tag für Tag besser geht. Die Erkrankung Borderline, die im Jahr 2006 bei meinem ersten Aufenthalt in der Psychiatrie, diagnostiziert wurde, werde ich wohl nie ganz besiegen können.

 

Ich fühle mich Im Umgang mit anderen Personen oft unsicher. Es fällt mir schwer einzuschätzen, wie sie auf meine Umgebung wirken und was andere empfinden. Ich habe schon seit Jahren ein geringes Selbstwertgefühl, mein Selbstbild ist brüchig, der Wechsel zwischen Selbstliebe und Selbsthass erfolgt spontan.häufig suchte ich intensive Nähe und außergewöhnlich engen Kontakt. Anfangs neigte ich dazu, meinen Partner zu verehren. Gleichzeitig fällt es mir schwer, Vertrauen aufzubauen.Ich lebe auch jetzt noch, in einer übertriebenen Angst davor, verlassen oder verraten zu werden. Ob die Gefahr des Verlassenwerdens greifbar ist oder nicht, spielt zunächst eine untergeordnete Rolle.

 

Schon Kleinigkeiten kränken oder verletzen zutiefst, wecken Misstrauen.So kann sich die übersteigerte Zuneigung schnell ins Gegenteil verkehren. Der eben noch »vergötterte« Partner wird auf einmal ebenso intensiv abgelehnt und verachtet.Für Oliver ist es nicht leicht, mit diesem seltsamen Mix aus Verehren und Abwertung umzugehen. Immer wieder kommt es deshalb zu heftigen Auseinandersetzungen. Doch trotzalledem sind wir zusammengezogen und leben wie viele andere Familien auch ein glückliches Familienleben.

 

Ein unerwünschtes Kind

Ein großartiges Wunder ist geschehen: Meine Mutter hat einem Kind das Leben geschenkt. Ihrem Kind! Ich wuchs in ihr heran und kam durch Ihre enorme Kraftanstrengung zur Welt. Und jetzt bin ich da, liege nackt in Mamas Armen und will von ihr geliebt werden. Mein Vater wickelt mich voller Liebe und Stolz und zieht mich an. Danach haben meine Eltern viel Zeit Ihr Kind lieb zu begrüßen, es warmzuhalten und zu bestaunen. Meine Eltern nutzen das erste zärtliche Kennenlernen!

 

Danach stillt meine Mutter mich, was problemlos klappt. Der neue Erdenbürger ist da, Verwandte, Bekannte und Freunde kommen am nächsten Tag, direkt ins Krankenhaus um mich zu begrüßen. Doch meine Eltern hätten unbedingt Zeit gebraucht, um sich an mich zu gewöhnen. Es ist eine neue Situation, eine die das Ganze Leben auf den Kopf stellt. Meine Eltern haben sich schnell an diesen neuen Lebensabschnitt gewöhnt, als sie mit mir nach Hause konnten. Die ersten Monate waren für meine Eltern katastrophal.

 

Ich war ein Schreikind. Nichts hat mich beruhigen können. Ich schrie beim Wickeln, im, Kinderwagen, auf dem Arm. Selbst nachts weinte ich oft ein, zwei Stunden am Stück. Nach einigen Monaten waren meine Eltern so erschöpft und nervlich am Ende, dass sie mich beinahe zu meinen Großeltern geben wollten. Meine Mutter hatte ihre Nervosität auf mich übertragen, sodass ich noch mehr schrie. Irgendwann stieg die Wut in meiner Mutter so hoch, dass sie mich fest schüttelte, doch dieses Schütteltrauma habe ich überlebt. Meine Mutter beachtete das schreien, irgendwann nicht mehr - sie ließ mich schreien. Meine Bedürfnisse konnte ich nicht anders äußern, also schrie ich, wenn ich Hunger, Durst oder Bauch weh hatte. Trotz, dass meine Eltern mich vernachlässigt haben, war ich in meiner Entwicklung gut dabei.

 

Ich bekam zeitig meinen ersten Zahn, tat zeitig meine ersten Schritte und brachte, früher als es einigen vielleicht lieb war, mein erstes Wort zustande: ›Nana‹. Dies stand nicht, wie bei vielen Kindern, für Mama oder Papa, sondern für Schnuller. So nannte ich meinen Schnuller. Dieser hang an meinem Pullover, ich steckte ihn mir immer in den Mund. Meine Mutter hat nicht darauf geachtet, dass ich ihn weglege. Er war mein Begleiter in der Kindheit. Er gab mir Sicherheit und Schutz. Ich erinnere mich an, meine Baby Born, mit der ich, zusammen mit meinen Schnuller, bis zum vierten Jahr einen größtenteil meiner Freizeit verbrachte. Ich war zufrieden, solange ich meine Puppe bei mir hatte - zumindest hat man es mir später erzählt. Kurz vor meinem vierten Geburtstag geschah etwas Besonderes. Mein Vater und ich holten aus einem Babymarkt einem neuen blau/braunen Kinderwagen. Einige Monate später erblickte ein unbekanntes Wesen das Licht der Welt, das mir meinen Platz streitig machte.

 

Ein kleiner Junge, dick, blond, blauäugig – wie alle Babys. Nichts Besonderes, aber es wurde so behandelt, als wäre es das Wichtigste auf der Welt. Er wurde das verhätschelte Nesthäkchen meiner Mutter. Die erste Zeit wurde ich in die Erziehung meines Bruders mit einbezogen. Ich durfte ihm sein Fläschen geben und wickeln. Doch hinterher wurde ich vergessen. Mein Bruder durfte bei meinen Eltern mit im Zimmer schlafen, weil das Kind meiner Tante an plötzlichen Kindstod verstarb. Es ist ein unerwarteter, nicht erklärliches Versterben, eines Säuglings oder Kleinkindes, das zumindest in der Schlafenszeit des Säuglings auftritt. Doch im Alter von vier Jahren habe ich nicht verstanden, warum ich alleine in meinem Zimmer schlafen soll und mein Bruder in der Nähe meiner Eltern bleiben durfte. Ich fühlte mich ausgeschlossen und vernachlässigt.

 

Mein Bruder war ein liebes Baby, er war kein Schreikind, er hat geschlafen, den halben Tag wurde wach, wenn er Hunger hatte oder die Aufmerksamkeit meiner Mutter gebraucht hat. Ich kämpfte um meinen Platz, versuchte aber auch, mich auf das Neue einzulassen. Mit vier Jahren ist es sicher noch einfach, offen für die Welt zu sein. Aber es gab wenig, auf das ich mich verlassen konnte. Mal war es gut, dass ich meinem Bruder über das Gesicht strich oder ihm den Beißring reichte, mal war es falsch und ich sollte mich von seinem Bettchen ›verschwinden‹. Von Erzählungen meiner Mutter weiß ich, dass wir eines Tages Mittagsschlaf gemacht hatten. Meine Mutter hatte den Haustürschlüssel immer auf dem Schrank versteckt, was ich wohl mal mit bekam. Ich nahm mir an diesem besagten Tag den Schlüssel. Zog mir über meine rote Strumpfhose meine Gummistiefel, nahm meine Baby Born und mein Fläschchen und ging aus der Wohnung. Ich wusste, wo der Spielplatz war. Es waren keine 10 Minuten, bis man dort war. Ich musste die Straße überqueren. Doch als ich wieder nach Hause wollte, musste ich auf die Toilette, hatte aber kein Toilettenpapier dabei. Ich fing fürchterlich an zu weinen und suchte meine Mami.

 

Aber diese war zu Hause bei meinem Bruder. Dann kam ein Junges 8 jähriges Mädchen vorbei. Welche mich fragte, wo meine Mutter sei. Steffi war ihr Name, sie fragte, wo ich wohne, und brachte mich dann zurück zu meiner Mutter. Meine Mutter war krank vor Sorge, immerhin verschwand ihr 4. jähriges Mädchen urplötzlich - obwohl sie eigentlich neben ihrer Mutter im Bett liegen sollte. Als wir zu Hause klingelten, konnte man meiner Mutter die Erleichterung im Gesicht ansehen. Sie bat das Mädchen was Steffi heiß rein und bedankte sich bei ihr und bat ihr einen heißen Kakao an. Steffi wurde von dort an unser Kindermädchen. Vielleicht war mein Abhauen, ein unbewusster weg, meiner Mutter zu zeigen, dass ich auch ein Teil ihres Lebens bin. Ab diesem Zeitpunkt versteckte meine Mutter, den Schlüssel besser als je zuvor.

 

Ich hatte etwas Hoffnung, wieder von ihr beachtet zu werden. Doch die Hoffnung starb, als meine Mutter mich nur noch vor den Fernseher gesetzt hat und sich mit meinen Bruder beschäftigte. Gleichberechtigung kam nicht infrage. Im Kindergarten war ich ein kleines liebes Mädchen. Von den anderen Kindern wurde ich gemocht und respektiert. Ich durfte beim Spielen bestimmen, wer Mama, Papa und wer Kind sein sollte. Ich selbst nahm zumeist die Rolle des Kindes ein. Schwach zu sein war mir lieber, als die Rolle meiner Eltern einzunehmen. Das Spiel wurde in meine Richtung gelenkt. So wie ich wollte, geschah es auch. Der Kindergarten ist in einem kleinen Ort von Rietberg gelegen, gegen über der Hauptschule.

 

Es gab einen kleinen Garten, in den wir uns austoben konnten. In dem Kindergarten waren viele Angebote für Familien angeboten. Vater-Kind-Tag, Karneval oder Sankt Martin. Meine Kindergartenzeit war eine der schönsten in meinem Leben. Wenn ich wieder zu Hause war, und mit meinem Bruder spielen wollte, wurde ich gleich in mein Zimmer geschickt, dort spielte ich dann mit meiner Puppe. Bis zu meinen 13 Lebensjahr war meine Puppe meine beste Freundin. Mit Kindern spielte ich kaum, meine Eltern wollten das nicht. Mein Bedürfnis war es Kindern meine Wohnung zu zeigen, meinen kleinen süßen Bruder.

 

Ich war stolz auf ihn und freute mich große Schwester zu sein. Fand es sehr traurig das ich am Anfang nie mit ihm spielen durfte, weil meine Mutter Angst hatte, dass ich ihn verletzen konnte. Ihre Sorge um meinen Bruder war größer als die Sorge um ihre Tochter. Das ließ sie mich täglich spüren. Hörte ich nicht, durfte ich meine Hose runter lassen und es gab einen kleinen Klaps auf den Po, Fernseherverbot oder Hausarrest. Mein Vater war kaum zu Hause, er verdiente unser Geld als Maurer. Wenn er nach Hause kam, spielte er nach dem Essen mit meinem Bruder, während meine Mutter mich zu Bett gebracht hatte. Gerne hätte ich wie andere Kinder, von meiner Mutter eine Gutenachtgeschichte erzählt bekommen, oder einen gute Nacht Kuss.

 

Den gab es sehr selten. Wenn ich alleine im Bett lag, sprach ich mit meiner Puppe und gab ihr einen gute Nachtkuss. Während ich im Bett lag, schenkten meine Eltern ihm ihre Aufmerksamkeit. Ich spürte, dass ich nicht willkommen war, ein schreckliches Kind was immer und immer schrie und ihren Eltern den letzten Nerv raubte.

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.03.2014

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