Subete no Hankou (Alles wird anders)
Eine heile Welt. Das war sie für mich, Masahiro Yuudai, immer gewesen, bis zu diesem Tag, der mein ganzes Leben veränderte. Ich war gerade mal 9 Jahre alt, doch ich kann mich noch immer sehr gut an alles erinnern.. In unserer Familie kam es öfter vor, dass nicht alles sehr gut lief, doch eigentlich hatte es mir nie viel ausgemacht, da ich ja meinen großen Bruder hatte. Doch genau an diesem Tag fiel mir auf, dass Minoru, der sonst immer mein Ein und Alles gewesen war, plötzlich von einem Tag auf den Anderen, sehr abweisend und distanziert zu mir wurde. Es brach mir das Herz, dass er auf einmal nicht mehr mit mir sprechen und spielen wollte, denn ich verstand es einfach nicht.. Ich versuchte oft mit ihm darüber zu sprechen, doch er wies mich jedes Mal ab und sagte mir ich solle ihn in Ruhe lassen, was ich dann auch schweren Herzens tat, doch von diesem Tag an, war alles anders und ich wusste noch nicht, dass mein Bruder nie wieder mit mir sprechen würde.. Eines Nachts wurde ich dann plötzlich durch ein wahnsinnigen Lärm draußen geweckt, tapste den Flur entlang und linste durch den Türspalt, der zum Wohnzimmer führte. Meine Mutter stand neben meinem Bruder, sie sah entsetzt aus, doch mein Bruder hatte einen erleichterten, festen Gesichtsausdruck und ich fragte mich, was wohl passiert sein mochte. Als ich noch etwas näher trat, um besser sehen zu können, sah ich plötzlich meinen Vater, der in Handschellen von der Polizei abgeführt wurde und ich konnte meinen Augen nicht trauen. Was war los? Was hatte mein Vater verbrochen? Musste er nun für immer weg? Die Fragen rauschten mir durch den Kopf und ich hätte mich am Liebsten an meinen Bruder geklammert und gefragt was los war, doch aufgrund seines Verhaltens, traute ich mich das nicht mehr und blieb schön wo ich war.
Als die Polizei weg und die Tür wieder zu war, brach meine Mutter zusammen und fing an zu weinen, mein Bruder strich ihr sanft über den Kopf und versuchte sie zu beruhigen. Ich beschloss, doch nachzufragen was passiert war und schlich leise ins Zimmer, doch das war wohl ein Fehler gewesen, denn als mein Bruder mich bemerkte, fuhr er mich nur an ich solle verschwinden und wandte sich dann wieder meiner Mutter zu. Unglücklich darüber, dass mein Bruder immer noch so unfreundlich zu mir war und ich nun immer noch nicht wusste, was passiert war, schlich ich wieder in mein Zimmer und legte mich ins Bett. Ich starrte die ganze Nacht nur an die dunkle Decke und dachte nach, an Schlafen war nicht mehr zu denken.. Als ich irgendwann früh morgens schließlich doch vor Erschöpfung einschlief, hatte ich immer noch keine Idee, was passiert sein könnte und ich fragte mich wie es jetzt wohl weiterging.. Ein paar Stunden später wurde ich schon wieder durch einen ohrenbetäubenden Lärm geweckt, rappelte mich totmüde auf und sah aus dem Fenster wo, zu meiner Verwunderung, ein riesiger Umzugswagen stand. Im Wohnzimmer hörte ich meinen Bruder und meine Mutter laut diskutieren und ich zog mir schnell ein Hemd und eine Hose über, um nachzusehen was los war. Als ich das überfüllte Wohnzimmer betrat, das voller Arbeiter und anderer fremder Menschen war, schaute ich mich suchend um und bemerkte schließlich meine Mutter die etwas abseits stand und ging auf sie zu. „Hey Mama, was ist denn los?“ fragte ich sie verwirrt und beobachtete die Männer die alles aus der Wohnung raustrugen. Meine Mutter sah zu mir herunter und warf mir einen genervten, fast schon angeekelten Blick zu, der mir Angst machte und ich dachte es sei wohl besser nicht weiter nachzufragen. Als die Wohnung schon fast komplett leer war, kam mein Bruder plötzlich auf uns zu, packte mich am Arm und schleifte mich einfach mit sich aus der Tür in sein Auto. „Onii-Chan, was ist los? Wohin fahren wir?“ fragte ich ängstlich und schaute ihn verzweifelt fragend an. „Halt den Mund, du wirst hier nicht gefragt ist das klar?“ schnauzte er grob und fuhr viel zu schnell immer weiter aus der Stadt heraus.
Kodomo no Homu (Das Heim)
Als wir schließlich bei einem großen, unheimlich wirkenden Haus mitten in der Pampa hielten, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich hoffte inständig, dass das nicht wirklich unser Ziel war. Doch natürlich hoffte ich umsonst, denn kaum waren wir stehen geblieben, riss mein Bruder mich aus dem Auto , auf den Eingang zu, der genauso furchteinflössend wirkte wie das gesamte Gebäude und schleppte mich dann hinein. Drinnen sah es auch nicht gemütlicher aus, im Gegenteil, es wirkte durch die riesigen Steinsäulen und den alten, kaum verputzten Wänden kalt und abweisend. Plötzlich fiel mir ein Schriftzug auf einem großen Schild auf und meine Augen weiteten sich vor Schreck, als mir klar wurde, wo mein Bruder mich hingeschleppt hatte. Auf dem verwitterten Schild stand in noch kaum lesbarer Schrift‚ ‘Nakaoto Kinderheim Tokyo’. Verwirrt und verängstigt drängte ich mich in eine Ecke und wollte am Liebsten unsichtbar werden und mich davon schleichen. Was mir in dem Moment als keine schlechte Idee erschien und so zwängte ich mich hinter eine Säule, während Minoru noch an der Anmeldung stand und rannte dann kurz vor der Tür los, so schnell ich konnte. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass ich damit nicht durchkommen würde, doch ich war verzweifelt und so versuchte ich es eben. Doch noch bevor ich das Haupttor erreichen konnte, stand mein Bruder schon hinter mir, packte mich am Kragen und riss mich herum.
„Was glaubst du was du hier machst? Du dummes Kind, wehe du versuchst das noch mal..“ knurrte er bedrohlich und schleifte mich zurück in die Eingangshalle wo wartend eine Frau stand um uns zu empfangen. „Die Anmeldung wäre dann geschafft, wenn sie mir bitte folgen würden“ sagte sie in freundlichem Ton und lächelte meinen Bruder an, doch mich musterte sie mit einem kaltherzigen Blick und ich ahnte schon, dass mir hier keine rosige Zukunft bevorstand..
Als wir eine Weile einen riesigen dunklen Flur entlang gewandert waren, kamen wir vor einer alten Holztür zum Stehen und die Frau schloss auf. Als ich das Zimmer erblickte, war ich geschockt, ich war ja von zu Hause schon nicht gerade Luxus gewohnt aber das hier sah eher aus wie eine Zelle, als wie ein Zimmer.. „Hier ist dann das Zimmer..“ erklärte die Frau überflüssigerweise und mein Bruder schubste mich regelrecht hinein, da ich mich freiwillig bestimmt nicht hineinbewegt hätte.. „Sie können Masahiro ja dann hier lassen, wir kümmern uns um ihn“ meinte sie noch mit einem freundlichen Lächeln an Minoru gewidmet, warf mir noch einen abwertenden Blick zu und verschwand dann mit meinem Bruder aus der Tür.
Ich wollte hinterher, doch als ich die Tür aufmachen wollte, war sie verschlossen. Ich hämmerte dagegen, doch das brachte natürlich nichts und ich sank auf den schmutzigen Boden. Warum? Warum lässt er mich hier alleine? Schiebt mich einfach ab? Ich habe ihm doch nie etwas getan und meiner Mutter auch nicht.. Wieso hassen mich denn alle so sehr? Mit diesen Gedanken, saß ich nun etwa bis abends in meinem Zimmer herum, bis mir der Hintern vom Sitzen wehtat und ich aufstand, um mich umzusehen. Das Zimmer war, obwohl es sehr leer war, extrem klein, in der Ecke stand ein Bett und ein altes verrostetes Waschbecken, aus dem warscheinlich nichtmal Wasser kommen würde.. Resignierend ließ ich mich aufs Bett fallen, dass wirkte als ob es gleich unter mir einkrachen würde und wirbelte erstmal kiloweise Staub auf. Ich seufzte genervt und wollte einfach nur nach Hause.. Doch plötzlich merkte ich, dass sich ein Schlüssel in meiner Tür bewegte und ich sprang freudig auf, in der Hoffnung, dass sich mein Bruder es sich vielleicht doch anders überlegt hatte. Doch in der Tür stand nur die Frau, die nun alles freundliche in ihrem Blick verloren hatte und mich mit blankem Hass anstarrte. „Komm schon, es gibt Abendessen“ keifte sie und wandte sich zum Gehen. Da sie offenbar erwartete, dass ich ihr folgen würde, stand ich auf und flitzte ihr hinterher, da ich inzwischen auch schon ziemlich Hunger hatte. Sie lief so schnell, dass ich rennen musste um mit ihr Schritt zu halten und dann hielt sie plötzlich so abrupt an, dass ich volle Kanne gegen sie rannte. „Pass gefälligst auf, du ungezogenes Balg, sonst kommst du in die Strafzelle und die ist nicht so gemütlich wie die übrigen Zimmer, das kannst du mir glauben!“ zischte sie böse und schubste mich dann in eine noch riesigere Halle, als es die Eingangshalle gewesen war. Nachdem ich die riesigen Säulen, die auch hier überall standen skeptisch gemustert hatte, fiel mein Blick auf das was vor mir lag und ich schaute erstaunt in die Gesichter von etlichen anderen, verängstigt wirkenden Kindern, die eher an den Tischen, die dort aufgestellt waren, kauerten, als dass sie saßen und zögerlich irgendwas aßen, das nicht wirklich wie Essen aussah.
Plötzlich stand die Frau wieder neben mir, krallte sich in meinen Arm, so dass ich aufschrie vor Schmerz wofür ich von ihr einen Schlag bekam und zerrte mich zu einem der Tische, wo sie mir befahl mich hinzusetzen, was ich auch tat und verschwand dann wieder. Vorsichtig hob ich den Blick und schaute in die Gesichter von zwei anderen Jungen, die anscheinend schon etwas älter waren und mich böse angrinsten, was mir irgendwie unheimlich war, also senkte ich den Blick schnell wieder auf das Essen, das aber auch nicht weniger unheimlich aussah. Irgendein grauer Matsch, von dem man nicht genau sagen konnte was es war, denn der Geruch war ebenso nicht identifizierbar.. Als ich gerade einen Löffel zum Mund führen wollte, da ich wirklich mordsmäßig Hunger hatte, stieß der eine Junge den Anderen mit dem Ellbogen in die Seite und kurz darauf, nahm mir der Eine den Löffel weg. „Hey was..?!“ begann ich und sah die Beiden misstrauisch an. „Du bist neu hier oder? Dann kennst du ja die Regeln noch nicht..“ murmelte er und seufzte theatralisch, bei dem Gedanken sie wieder einmal erklären zu müssen. „Also wir sind hier die Chefs, wir sagen wos lang geht is das klar? Und wer das nicht schnell genug kapiert, bekommt das sehr schnell zu spüren haben wir uns verstanden?“ fragte er ironisch und grinste mich wieder so abartig an. Ich schaute genervt zur Seite und sah gar nicht ein, wieso ich mich den Befehlen, zweier Jungen, die gerade mal ein- zwei Jahre älter waren als ich, fügen sollte. „Gib mir meinen Löffel wieder..“ sagte ich beleidigt und schaute Ihnen fest in die Augen. „Haha, das hättest du wohl gerne was? Das kannst du vergessen, so nicht!“ rief der Eine gehässig, griff sich seine Schüssel mit dem Zeug und leerte sie über meinen Kopf aus, so dass die ganze Soße über meine Haare lief und meinen Hals entlang bis zu meinem Hemd. Ich sprang auf und starrte ihn entgeistert an. „Ihr spinnt ja wohl.. Was sollte das?“ fragte ich rhetorisch und begann mir das Zeug aus den Haaren zu kratzen.
„Naja, also wer nicht hören will muss fühlen..“ erklärte der Andere sachlich und lachte sich dann schlapp. Dann erhoben sich Beide plötzlich, musterten mich noch eine Weile amüsiert und schmissen dann den Löffel den sie mir zuvor weggenommen hatten mit voller Wucht in die Schale vor mir, sodass mir die Soße nun auch noch im Gesicht hing und ich wurde so wütend, dass ich mich plötzlich nicht mehr beherrschen konnte und mich auf den Einen stürzte. Ich schlug ihm ins Gesicht und klatschte noch etwas von dem Zeug hinterher, was mir Genugtuung verschaffte, doch als ich gerade so schön dabei war, packte mich plötzlich Jemand von hinten am Kragen, hob mich hoch und schmiss mich fast schon von dem Jungen runter in eine Ecke. Ich war so überrascht, dass ich nichtmal reagieren konnte und knallte mit dem Kopf gegen die harte Steinmauer, wodurch mir kurz schwarz vor Augen wurde. „Was fällt dir eigentlich ein, an deinem ersten Tag schon soviel Ärger zu machen? Du bist wirklich total unerzogen und unverschämt, ich denke die Strafzelle wird dir helfen, darüber nachzudenken was du gerade getan hast und die Tracht Prügel gleich wirst du auch nicht so schnell vergessen!!“ schrie die Frau von vorhin hysterisch und guckte, als wolle sie mich gleich auffressen.
Ich konnte nichts darauf sagen, weil ich es noch gar nicht richtig mitbekommen hatte, so benebelt wie ich noch war. Ich realisierte nur, dass mich schon wieder Jemand am Kragen packte und aus dem Saal schleifte wie ein totes Tier, dass man entsorgen muss und fand mich, als ich die Augen wieder öffnete, in einem komplett dunklen Raum wieder, wo ich erstmal versuchte mich zu orientieren, indem ich mit den Händen umhertastete. Plötzlich ging ein grelles Licht an, dass wie ein Blitz wirkte und ich hielt mir schützend die Arme vors Gesicht. Doch bevor ich mich an die neue Situation gewöhnen konnte, wurde ich von Jemandem hoch gehoben und auf einen harten Holztisch geknallt, dessen Platte mir so heftig in den Magen rammte, dass ich mich fast übergeben hätte und ich klammerte mich keuchend an den Seiten fest. Und gerade als ich mich etwas erholt hatte, hörte ich plötzlich ein Knallen und gleich darauf durchzuckte mich ein höllischer Schmerz, der mich aufschrien ließ, erst mehr vor Überraschung, doch dann wurde ich wieder und wieder geschlagen, es brachte mich fast um den Verstand und ich hoffte nur, dass ich das überleben würde..
Nach ein paar Minuten von dieser Höllenqual, war ich der Ohnmacht schon nah und wurde, gerade noch so bei Bewusstsein, in eine abgedunkelte Zelle auf eine Pritsche geworfen, was ich aber schon nichtmal mehr wirklich mitbekam, da ich nun doch noch ohnmächtig wurde und froh war endlich von den Schmerzen erlöst zu sein..
Yoshi Engumi (Die Adoption)
Als ich schließlich am nächsten Morgen erst wieder erwachte, was ich jedoch nicht wusste, da die Zelle ja abgedunkelt war, versuchte ich umständlich aufzustehen, doch fiel gleich wieder hin. Da ich auf meinen Hintern fiel, durchzuckte mich wieder ein stechender Schmerz, der mich an gestern erinnerte und ich stöhnte gequält. Na toll, der Typ überschüttete mich mit Brei und ich bekam die Strafe? Ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte und fragte mich wie lange ich jetzt wohl in diesem Loch würde hocken müssen.
Erschwerend kam noch hinzu, dass ich ziemlichen Hunger hatte, da ich ja seit gestern nicht zum Essen gekommen war.. Erneut versuchte ich aufzustehen, was ich diesmal sogar schaffte, doch fiel fast gleich wieder hin, da sich mein Gleichgewichtssinn offenbar verabschiedet hatte. Taumelnd stolperte ich rückwärts und stieß gegen etwas Kaltes, Hartes. Ich ertastete, dass es wohl ein alter Heizkörper war, der aber warscheinlich genauso wenig funktionierte wie ich.. Ich tapste durch den Raum an der Wand entlang, bis ich sogar die Tür fand und rüttelte heftig daran, was natürlich nicht das Geringste nützte, da sie fest verschlossen war. Resignierend seufzte ich und begann nachdenklich im Kreis zu laufen, da ich mich irgendwie beschäftigen wollte und mich auch nicht traute zu sitzen. Nachdem ich eine ganze Weile im Kreis gegangen war, wurde mir plötzlich wieder schwindelig und ich ließ mich doch auf der Pritsche nieder, legte mich aber auf den Bauch, den Kopf auf meinen Armen und versuchte an etwas Schönes zu denken. Genau kann ich nicht mehr sagen, wie lange ich da wohl gelegen hatte, ich hatte nur mitbekommen, dass so gegen Abend mal kurz die Tür aufging und eine Schale mit dem kalten Brei und eine Schale seltsam riechendes Wasser von gestern hinein geschoben wurde. Doch ich hatte so einen Hunger und Durst, dass ich den Geruch nicht wahrnahm und es schnell hinunterschlang, bis zumindest endlich das Hungergefühl verschwunden war.. Danach wurde mir zwar total schlecht und ich wollte gar nicht wissen, was ich da gegessen hatte, aber ich musste mich damit abfinden und so legte ich mich wieder auf die Pritsche und versuchte einzuschlafen, was mir schlussendlich auch gelang. So ging das in etwa zwei Wochen lang und als ich schließlich aus der ‚Haft’ erlöst wurde, mussten meine Augen erstmal wieder lernen mit hellem Licht umzugehen.
Ich hatte schon befürchtet ich könnte blind werden, wenn ich so lange ohne Licht lebe, doch zum Glück war das nicht der Fall und kaum dass ich aus der Zelle raus war, kam diese bösartige Frau auf mich zu, packte mich wieder mal am Kragen und schleppte mich dann in ein altes, hässliches Bad, wo sie mich mit schnellen Handgriffen von meinen, inzwischen ziemlich dreckigen, Klamotten befreite und mich in die Badewanne schubste, so dass ich wieder mit dem Kopf gegen die Wand knallte. „Wasch dich, du stinkst wie ein Schwein!“ bellte sie, als wäre das meine eigene Schuld und starrte mich böse an. Ich hatte ja keine andere Wahl und so stellte ich die Dusche an und bemerkte zu meinem Bedauern, dass es nur einen Kaltwassergriff gab, den ich dann auch nach einigem Zögern aufdrehte und das eiskalte Wasser mir auf den Kopf prasselte. Ich bekam eine Gänsehaut und begann zu zittern, als die Frau wieder auf mich zutrat, sich die Hände mit Seife einrieb und meine Haare einschäumte, jedoch so grob, dass ich hoffte danach überhaupt noch Haare zu haben..
Als sie mich komplett eingeseift hatte, befahl sie mir mich wieder zu waschen und kaum war ich fertig zerrte sie mich schon aus der Dusche, warf mir ein winziges Handtuch an den Kopf und ein paar frische Klamotten, die sogar gar nicht mal so schlecht aussahen und ich zog mich schnell an, da ich immer noch fror. Als ich fertig war, kämmte sie mir noch die Haare, was auch ziemlich schmerzhaft war und schleifte mich dann hinter sich her über den langen dunklen Flur in Richtung Eingangshalle, was in mir seltsamerweise immer noch Hoffnung auf eventuelle Erlösung auslöste und ich beschleunigte meinen Schritt. Doch kurz vor der Ausgangstür bog sie nach links ab und Enttäuschung machte sich in mir breit. Wir erreichten einen Raum, der als Einziger in diesem Haus relativ ordentlich aussah und auch die Tür war noch ziemlich neu. Als wir eintraten, erblickte ich in dem hellen Raum noch etwa zwanzig andere Kinder in Reih und Glied stehen und die Frau schubste mich dazu. „Stell dich da hin, halt den Mund und benimm dich, sonst kriegst du gewaltig Ärger ist das klar?!“ keifte sie noch bevor sie verschwand und ich tat wie mir befohlen, stellte mich neben einen kleineren Jungen und starrte auf den Boden. Ich fragte mich was jetzt wohl kam und hatte irgendwie ein ungutes Gefühl bei der Sache..
Nach einigen Minuten, ging plötzlich die Tür auf, ich hob den Kopf und sah in das Gesicht eines sehr reich aussehenden Mannes, der zwei Diener und die Frau im Schlepptau hatte. „Das sind die die heute zur Wahl stehen, inklusive der Neuen“ erklärte die Frau sachlich, trat auf uns zu und nannte nacheinander unsere Namen. Der Mann schaute steif und ohne die geringste Bewegung im Gesicht in die Runde. „Hm.. was meinst du Kaoru?“ fragte er leise seinen Diener, der zu meiner Verwunderung auf mich zeigte und ich senkte schnell wieder den Kopf. Der Mann trat auf mich zu, hockte sich hin und hob mein Kinn an um mir in die Augen zu sehen, was mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ, da seine Hände ebenso kalt waren wie sein Blick. „Hm.. nein, der gefällt mir nicht, seine Augen sind zu dunkel und er ist viel zu dünn..“ erklärte er als würden sie über Möbelstücke reden und erhob sich wieder. Er schritt weiter bis ganz ans Ende der Reihe und schaute sich auch dort noch ein paar Kinder an. Plötzlich stupste mich der kleine Junge neben mir an und sah mir ängstlich in die Augen. „Sei froh, wenn du von dem nicht adoptiert wirst, er ist ein ganz böser Mensch..“ flüsterte er so leise, dass ich es gerade so verstand und ich schaute ihn fragend an. „Er kommt jeden Monat hierher um einen von uns zu adoptieren, doch kein Kind das zu ihm kommt, wurde jemals wieder gesehen und es heißt dass er sie erst zu ganz schlimmen Sachen zwingt und sie dann.. umbringt..“ wisperte der Junge und wurde kreidebleich, während er das erzählte.
Ich bekam Angst, als der Junge mir das erzählte und war insgeheim froh, dass ich ihm nicht gefiel..
In Gedanken versunken, was das wohl für schlimme Sachen waren, die die Kinder machen mussten, bemerkte ich nicht, dass der Mann nun wieder vor uns stand. Erst als ich den Kopf wieder etwas hob und seine Schuhe sah, bemerkte ich es und wäre vor Schreck fast zurück gesprungen, konnte mich aber gerade noch beherrschen. Oh Gott hoffentlich nahm er nicht doch noch mich.. Bitte nicht.. Ich betete innerlich, dass er mich nicht doch noch auswählen würde, doch meine Sorge war unbegründet, denn als er den Arm ausstreckte, packte er nicht mich sondern den Jungen neben mir. Er stieß einen leisen Angstschrei aus und wimmerte kläglich. In dem Moment tat er mir so leid, dass ich ihm am Liebsten irgendwie geholfen hätte, doch das ging ja schlecht, was konnte ich schon ausrichten.. Und so schleppten sie den Jungen raus, der sich heftig wehrte doch von einem der Diener mit einem heftigen Schlag zum Schweigen gebracht wurde und ließen uns Andere verängstigt zurück. Wir mussten noch etwa eine Viertelstunde warten, bis wir von der Frau abgeholt wurden und jeder wieder auf unsere Zimmer gebracht wurden. Ich setzte mich geschockt auf mein Bett und schlang die Arme um meinen Körper, ich wollte einfach nur hier weg, ich vermisste meine Mutter und meinen Bruder, auch wenn das sicher nicht auf Gegenseitigkeit beruhte und versuchte nicht an den armen Jungen zu denken, der sicher nichts Schönes vor sich hatte..
Kibou no Saigo no Sen de (Endlich ein Lichtblick)
Ich verbrachte letztendlich fast meine ganze Jugend in dem Heim und gewöhnte mich an die täglichen Demütigungen und Schmerzen, wenn ich mal wieder geschlagen wurde, weil ich mich verteidigt hatte oder auch einfach nur weil die Frau, die übrigens Frau Nasama hieß, mal wieder schlechte Laune hatte, was eigentlich jeden Tag der Fall war.. Bis zu meinem 16. Geburtstag lebte ich in dem Heim, doch eines Tages schien es als hätte ich das erste Mal in meinem Leben Glück, denn es war wieder mal Adoptionstag und ich ging hinter Frau Nasama her in den altbekannten Raum, der über die Jahre für mich an Bedeutung verloren hatte, da bisher niemand auch nur annähernd Interesse an mir gezeigt hatte und ich auch nicht mehr viel erwartete.. Doch diesmal kam weder einer von diesen reichen Pinkeln rein, noch einer von denen, die das Kind, dass sie zu sich nahmen, einige Wochen später wieder im Wald aussetzten oder so.. Diesmal war es ein sehr junger, gut aussehnder Mann der einen Blick hatte, der mir fremd war. Voller Güte und Freundlichkeit, so etwas hatte ich noch nie gesehen und ich musste ihn anstarren, auch wenn das bestimmt unhöflich wirkte. Er schaute mich lange an, was mich seltsamerweise freute, und wanderte dann mit seinem Blick einmal die Reihe rauf und dann wieder zu mir. Ich versank ohne es zu wollen in seinen wundervoll hellbraunen Augen und wünschte mir in dem Moment nichts sehnlicher als dass er mich nehmen würde.. Doch meine Hoffnungen platzten plötzlich wie eine Seifenblase, als er sich wieder zum Gehen wandte ohne Jemanden von uns ausgewählt zu haben.. Er warf mir noch einen warmen Blick zu und verschwand dann wieder durch die Tür, die von Frau Nasama zugeknallt wurde und man hörte sie noch vor der Tür leise diskutieren. Ich verstand zwar nichts, aber ich war sowieso viel zu enttäuscht, um jetzt daran zu denken.. Warum hatte er mich nicht genommen? Er wirkte so warmherzig und hatte mich ja auch immer wieder angesehen.. es kam mir auch komisch vor, dass er Niemanden ausgewählt hatte, obwohl ich darüber auch eigentlich froh war, denn ich hätte Denjenigen sicher beneidet..
Es dauerte einige Tage, bis ich den Mann aus meinen täglichen Gedanken verbannt hatte und mich wieder in mein Schicksal fügte. Es war jeden Tag dasselbe Spiel und ich hatte inzwischen gelernt mich hier durchzusetzen vor allem vor den Beiden Nervensägen, die mich jeden Tag aufs Neue peinigten.. Als ich mal wieder für irgendeine Tat, die ich nicht begangen hatte, für eine Woche in der Zelle hocken durfte, flog plötzlich mitten am Tag die Tür auf und ich wurde unsanft aus meinem Schlaf gerissen. Müde rieb ich mir die Augen und blinzelte verschlafen ins Licht, wo ich zwei Gestalten erkannte, eine war Frau Nasama, doch die Andere konnte ich nicht identifizieren. Ich wurde von frau Nasama auf die Füße gezogen, ohne dass ich richtig wach war und strauchelte, als sie mich hinter sich her in die Eingangshalle schleifte. “Hier ist er wie gewünscht..” erklärte sie in ruhigem Ton, den ich wirklich nur von ihr kannte, wenn sie mit Gästen oder anderen Fremden sprach. Ich begriff zunächst nicht so ganz was hier passierte, doch als ich mich umschaute, um zu gucken wer die zweite Person gewesen war, traute ich meinen Augen kaum. Es war der junge Mann von letzter Woche, von dem ich so gern adoptiert worden wäre.. Ich konnte es nicht glauben, sollte ich wirklich plötzlich soviel Glück auf einmal haben? Er lächelte mich freundlich an, verbeugte sich zum Abschied vor Frau Nasama, nahm dann meine Hand, die wunderbar warm war, und brachte mich zu seinem Auto, wo er mich auf den Beifahrersitz setzte und mich anschnallte.
Ich brachte kein Wort heraus, da ich nicht genau wusste, ob es angebracht war mit ihm zu reden oder nicht.. Und so saß ich still neben ihm, die ganze Fahrt über die etwa eine halbe Stunde dauerte, bis wir wieder in der Zivilisation angekommen waren.
Ich freute mich unwarscheinlich endlich aus dem unheimlichen alten Haus raus zu sein, doch als ich nach so vielen Jahren, die vertrauten Häuser und Straßen erblickte, stieg auf einmal meine ganze Vergangenheit wieder vor mir auf und ich dachte an meinen Bruder und meine Mutter. Was war wohl aus ihnen geworden..?
In meine Gedanken vertieft, bemerkte ich gar nicht als wir hielten und schaute erst auf, als der Mann die Tür öffnete und mich bat auszusteigen. Ich wurde leicht rot, weil ich gar nichtbekommen hatte, dass wir schon da waren und er mir extra hatte die Tür öffnen müssen.. “A..arigatou..” war das einzige was ich verlegen zustande brachte, stieg schnell aus und schaute mich dann um. Dieses Viertel kannte ich überhaupt nicht, hier war alles viel sauberer und wärmer als es bei uns gewesen war und als ich das große hellgelbe Haus sah, vor dem wir standen ertappte ich mich dabei, wie ich mir schon vorstellte dort mal zu wohnen und musste lächeln..
Der Mann betrachtete mich eine Weile und nahm dann wieder überraschend meine Hand, was mich wieder angenehm berührte. “Gefällt dir das Haus?” fragte er freundlich und ging mit mir darauf zu. “H..hai, es ist wunderschön..” erklärte ich ehrlich und traute mich das erste Mal ihm in die Augen zu sehen. Sie waren wunderbar braun, ein tiefes braun, wie ein Meer aus Schokolade, in dem ich hätte versinken können.. Er schloss die Tür auf und bedeutete mir einzutreten, bevor er hinterherkam und die Tür hinter sich schloss. “Sag mal Kleiner, wir haben uns noch gar nicht richtig vorgestellt, ich bin Akio Yoshio und du bist Masahiro Yuudai richtig?” “H..hai bin ich..” murmelte ich und wurde schon wieder rot, als er mich mit diesem besonderen Blick musterte. “Ich kann mir vorstellen, dass du bisher bestimmt nicht viel Schönes erlebt hast, doch ich verspreche dir, dass du es gut bei mir haben wirst..” sagte er ehrlich und wuschelte mir lächelnd durch die Haare.
Ich war in diesem Moment so glücklich wie noch nie in meinem Leben und seine Worte waren das Schönste, was ich je gehört hatte.. “Möchtest du vielleicht was trinken oder essen? Du siehst so verhungert aus..” meinte er und musterte mich besorgt, bevor er, ohne auf meine Antwort zu warten, in die Küche verschwand um etwas zu kochen. Ich stand im Flur und wusste nicht so recht, was ich tun sollte, eigentlich war es mir schon fast peinlich, dass er so nett zu mir war, denn mein ganzes Leben lang hatten mir alle das Gefühl gegeben, dass ich es nicht wert war freundlich behandelt zu werden.. Ich schaute Akio eine Weile aus der Ferne beim Kochen zu, wovon er wirklich Ahnung zu haben schien, obwohl er allein lebte, doch dann konnte ich meine Neugier nicht mehr unterdrücken und ging auf die vielen Türen neben mir zu. Erstaunlich in was für einem großen Haus er lebte.. Die erste Tür war nur angelehnt und so steckte ich vorsichtig meinen Kopf hindurch um das Zimmer in Augenschein zu nehmen. Es war ein großes Schlafzimmer, dass in einem schönen, dunklen Blauton gestrichen war, in der Mitte stand ein riesiges Doppelbett und in der Ecke ein Schreibtisch und ein Fernseher. An der Wand war ein Regal angebracht, dass vollgestopft war mit Büchern und ich fragte mich, ob er alle gelesen hatte.. Ich bewunderte das erste Zimmer noch eine Weile und wollte dann weitergehen, um den Rest anzusehen, als ich plötzlich, beim Verlassen des Zimmers, in einen Mann reinrannte und ungeschickt wie ich war erst auf den Boden und dann gegen die Wand knallte. Ich hielt mir den Kopf und stammelte “G..gomennasai” bevor ich den Kopf hob und einen großen Mann mit blondem Haar und saphirblauenblauen Augen erkannte und ich konnte nicht anders als ihn anzustarren. “Hey, Konnichiwa, du musst unser neuer Mitbewohner sein! Du bist ja noch echt jung.. ich dachte Akio hätte einen besseren Geschmack.. Haha, nein tut mir leid, das war nicht so gemeint, war nur Spaß, ich bin Toby Cohen, aber du kannst mich auch Tomo nennen, so nennen mich meine japanischen Freunde” plapperte er drauflos und half mir grinsend auf die Füße. “Ä..ähm, ich bin Masahiro Yuudai..” nuschelte ich schüchtern und kratzte mich am Hinterkopf, der immer noch wehtat. “Hajimemashite Hiro-Kun, ich darf dich doch so nennen oder? Du wolltest dir bestimmt das Haus ansehen oder? Komm ich zeig dir alles!” rief er gut gelaunt und schleppte mich auch schon vom einen Zimmer zum Nächsten, wobei er zu Jedem ein Kommentar ablieferte und dann mit mir zusammen in die Küche ging, wo Akio gerade das Essen fertig hatte. “Oh da bist du ja, hat Tomo dich zugelabert? Das darfst du nicht so ernst nehmen, das macht er mit Jedem..” meinte Akio grinsend und zwinkerte mir zu. “Stimmt ja gar nicht..” murmelte Tomo beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust.
Doch als Akio das Essen auf den Tisch stellte, war alles vergessen und Tomo stürzte sich begeistert darauf. “Nimm dir soviel du möchtest, es ist genug da” erklärte Akio mir und hielt mir einen Teller mit frischen Takoyaki vor die Nase, bei deren Geruch mir das Wasser im Mund zusammenlief. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich einen Mordshunger hatte und nahm mir hungrig ein Paar die ich auch sogleich verschlang. “Junge Junge, der Kleine ist ja echt ausgehungert..” meinte Tomo und runzelte die Stirn. “Das habe ich mir gedacht..” murmelte Akio leise und begann dann ebenfalls zu essen. “Hey, du wunderst dich bestimmt was ein Ausländer hier macht oder?” fragte Tomo grinsend und schaute mich fragend an, bevor er auch schon loslegte. “Aaalso, ich bin aus Amerika, um genau zu sein aus New York, wo ich auch Akio hier kennen gelernt hab, das war während meinem Studium und da es hier auch Möglichkeiten gibt Gitarre zu studieren, dachte ich, dass ich ja hier weitermachen könnte und nebenbei meinen alten Freund hier zu besuchen stimmt’s Akio?” rief er grinsend und haute Akio so heftig auf die Schulter, dass er husten musste. “Hey, sachte..” murmelte er und warf ihm eine zerknüllte Serviette an den Kopf. “D.. du studierst Gitarre?” fragte ich fasziniert, schaute ihn mit großen Augen an und hätte schwören können dass sie glitzerten. “Ähm ja, warum?” fragte Tomo amüsiert über mein Gesicht und schob sich ein Stück Tofu in den Mund. “Nur so.. das ist toll” murmelte ich bewundernd und aß den Rest auf meinem Teller auf. “Findest du?” fragte Akio interessiert und schaute mich neugierig an. “Hm.. vielleicht könnte ich dir ja ein bisschen was beibringen? Also zumindest die Grundakkorde und so, wenn du willst..” schlug Tomo vor und beobachtete mich gespannt, während er auf meine Reaktion wartete. “Oh wirklich? Wow, das wäre ja klasse, echt nett vielen Dank!” rief ich freudig und hätte vor Freude tanzen können, da es schon immer mein Traum gewesen war, Gitarre zu spielen. “Klar gerne doch” meinte Tomo belustigt und stand auf um das Geschirr abzuräumen und zu spülen. “Kann.. kann ich helfen?” fragte ich schüchtern und stellte mich neben Tomo.
“Nein nein, lass mal ich mach das schon.. du solltest dich ausruhen” erklärte er und grinste. “Na gut, wenn du meinst..” meinte ich verlegen und fühlte mich irgendwie komisch bei dem Gedanken, dass alle plötzlich nur mein Bestes wollten und ich nichts tun sollte.. “Ähm.. wie.. wie alt seid ihr eigentlich..?” fragte ich, als mir einfiel, dass ich das ja noch gar nicht wusste, doch fragte mich gleich danach, ob das jetzt nicht doch unverschämt gewesen war.. “20” meinte Akio grinsend, schnappte sich eine Zeitschrift, die auf dem Tisch lag, und begann sie durchzublättern. “22” sagte Tomo gleich darauf und grinste ebenfalls. “Wie alt bist du eigentlich?” fragte er dann und schaute mich neugierig an. “16..” murmelte ich und fühlte mich irgendwie so klein, zwischen den Beiden. “Ha, wusst ich doch, dass du noch so jung bist, dass sieht man dir an obwohl ich dich eigentlich auf 14 geschätzt hätte” lachte Tomo, doch als Akio ihm einen warnenden Blick zuwarf, verschwand das Grinsen und er wandte sich gleich wieder dem Geschirr zu.
“Möchtest du vielleicht duschen? In diesem gruseligen Heim, hattest du doch bestimmt nicht oft die Gelegenheit dazu oder?” fragte Akio, um vom Thema abzulenken und schaute mich an. Allein bei dem Wort ‘Dusche’ bekam ich eine Gänsehaut und wurde blass. “Was hast du denn? Bist du wasserscheu?” fragte Tomo amüsiert, doch verkniff sich bei einem weiteren Blick von Akio das Grinsen. “Naja, n..nicht direkt..” versuchte ich zu erklären, doch beschloss dann mich zusammenzureißen und setzte ein Lächeln auf. “Doch, duschen klingt gut..” brachte ich hervor und ließ mir dann von Akio das Bad zeigen. Das Bad war genauso groß, wie ich es in so einem riesigen Haus erwartet hatte und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine saubere Toilette, ein blank poliertes Waschbecken, beheizter Boden, eine Sauna in der Ecke und dann diese Badewanne, wie ich sie nur aus früheren Zeiten aus dem Schwimmbad kannte und die mich an einen Whirlpool erinnerte. Als ich heran trat, fiel mir auf, dass es gar keine Griffe zum Wasseraufdrehen gab, sondern nur Knöpfe und ich fragte mich wie das wohl alles funktionierte.
Probeweise drückte ich auf einen Knopf auf dem ein Wassertropfen abgebildet war und plötzlich ging das Licht aus und ein bunter Wasserstrahl, kam aus dem Hahn, der die Farbe wechselte und ich staunte Bauklötze. Begeistert drückte ich noch mehr Knöpfe und kurz darauf ertönte auch noch Musik und Schaum kam zum Wasser dazu. Ich zog mir schnell meine Klamotten aus und hüpfte in das warme Wasser, was seit langem das Angenehmste war, was ich in Zusammenhang mit Wasser erlebt hatte. Ich seufzte zufrieden und schloss die Augen. Eine Weile saß ich nur so da und lauschte dem Plätschern des Wassers, bis ich plötzlich bemerkte wie es immer höher stieg und auch nicht aufhörte, als es mir schon bis zum Hals ging und schloss daraus, dass es wohl nicht von alleine aufhören würde zu laufen. Ich beugte mich vor und drückte auf die Knöpfe um es zu stoppen, doch offenbar war es der Falsche gewesen, denn nun lief das Wasser nur noch schneller, die Musik wurde lauter und die Dusche ging auch noch an.
Panisch drückte ich auf allen Knöpfen herum, doch es brachte nichts, das Wasser hörte nicht auf zu laufen und plötzlich lief es über den Rand hinaus auf den Boden und ich sprang auf. “Heey, Hiro-Kun alles klar da drin?” hörte ich Akio von draußen fragen und wurde noch panischer. Oh Nein, wenn er bemerkte, wie ich hier alles überschwemmte, würde es bestimmt Ärger geben, außerdem wollte ich ihn nicht am ersten Tag schon wütend machen und so rief ich nur “Jaja, alles klar!” und stocherte weiter wie wild auf den Knöpfen herum, doch ich schaffte es einfach nicht und das Wasser breitete sich über den ganzen Boden aus.
“Scheiße!” rief ich etwas zu laut, so dass Akio es gehört haben musste und kam besorgt ins Bad um zu sehen was ich da trieb und staunte nicht schlecht, über das was ich da angerichtet hatte. “Was hast du denn gemacht?” fragte er und lachte zu meinem Erstaunen, obwohl ich eigentlich erwartet hatte, dass er mich ausschimpfen würde. Er watete durch den Wasserteppich auf die Wanne zu, drückte auf einen Knopf an der Seite, den ich nicht gesehen hatte und sofort hörte alles auf und das Licht ging wieder an. “Achte beim nächsten Mal darauf, dass du die Knöpfe nicht mehrmals drückst ok?” meinte er grinsend und wuschelte mir durchs Haar. “J..ja..” antwortete ich verlegen und plötzlich fiel mir auf, dass ich ja nackt war und wurde sofort knallrot. Doch Akio schien das wenig zu stören und er reichte mir wie selbstverständlich ein Handtuch, bevor er ein paar Handtücher aus dem Regal kramte und sie auf den nassen Boden legte, während ich still zusah. “Ich werd dir mal frische Kleidung besorgen..” murmelte er mit einem skeptischen Blick auf meine alten Klamotten und verschwand kurz darauf. Wenig später kam er mit einem Pulli, einer Hose, frischer Unterwäsche für morgen und einem schwarzen Schlafanzug mit weißem Punktemuster wieder, drückte mir die Sachen in die Hand und grinste. “Gomen, das ist das Einzige was ich noch von früher übrig habe, wir gehen dir morgen neue Sachen kaufen ja?” erklärte er und schritt dann aus dem Bad. Ich war immer noch überrascht, wie er eben reagiert hatte, als ich das Bad unter Wasser gesetzt hatte und zog mir dann gedankenverloren die frischen Sachen an, die sich im Gegensatz zu den Lumpen aus dem Heim, wie Seide anfühlten..
Als ich aus dem Bad kam, zeigte Akio mir gleich das Zimmer, dass in Zukunft meines sein würde und mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Ich hatte es vorhin schon einmal kurz bei der Besichtigung mit Tomo gesehen und es hatte mir am Besten von Allen gefallen, doch dass es meins sein würde hätte ich mir nicht zu träumen gewagt.. „Gefällt es dir?“ fragte Akio vorsichtig, da er meinen fassungslosen Gesichtsausdruck offenbar falsch deutete. „J..ja, es ist.. wundervoll!“ erklärte ich schnell und sah mich dann weiter um. Vor dem großen Panoramafenster stand ein gemütlich aussehendes, frisch bezogenes Bett, darüber ein Bücherregal, gegenüber eines großen Fernsehers mit einer Konsole und ein breiter Kleiderschrank, der allerdings noch leer war. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, da ich einfach nur überwältigt war.. So etwas hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn es besessen so wie jetzt. Ich drehte mich zu Akio um und lächelte ihn dankbar an. „Vielen Dank... für alles!“ sagte ich und hoffte, dass er sah wie viel es mir bedeutete. „Keine Ursache Kleiner, weißt du ich wollte schon immer einen kleinen Bruder und Tomo war auch einverstanden, deshalb bist du eigentlich hier“ erklärte er lächelnd und strich mir übers Haar. „Gute Nacht, Hiro-Kun“ murmelte er sanft und verließ dann das Zimmer, wobei er die Tür hinter sich schloss. „Nacht..“ murmelte ich glücklich, obwohl er es warscheinlich nicht mehr gehört hatte. Ich ließ meinen Blick erneut über die ganzen tollen Dinge streifen und konnte nicht anders, als einen Luftsprung zu machen. Dann ließ ich mich aufs Bett fallen, kuschelte mich in die weiche Decke und dachte noch mal über den heutigen Tag nach. Heute morgen war ich noch in diesem scheußlichen Heim gewesen und jetzt war ich schon der glücklichste Mensch überhaupt..
Aratana Hajimari (Ein neuer Anfang)
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, rieb ich mir erst mal verwundert über die Augen und war erstaunt, dass es wirklich kein Traum gewesen war.. Ich musste grinsen und wollte unbedingt Akio und Tomo sehen nur um sicherzugehen. Also zog ich mir schnell die Sachen über die Akio mir gestern gegeben hatte und flitzte aus dem Zimmer in die Küche, wo Tomo saß, Zeitung las und Misosuppe schürfte. “Guten Morgen” sagte ich und verbeugte mich höflich. Tomo, der mich gar nicht bemerkt hatte, erschrak und ließ den Löffel fallen. “Hey, Hiro-Kun musst du mich so erschrecken?” fragte er gespielt ernst und bedeutete mir dann grinsend mich zu setzen. “Hast du gut geschlafen?” fragte er murmelnd, wieder in seine Zeitung vertieft und wischte den Löffel an einer Serviette ab, bevor er weiteraß. “Ja, sehr gut, das Bett ist wirklich gemütlich” schwärmte ich und sah mich dann erstaunt um. “Wo ist denn Akio-Sama?” fragte ich, da mir auffiel, dass er nicht hier war und musterte Tomo neugierig. “Ger is oinkaufen” nuschelte er mit vollem Mund und lachte bei einem Artikel so plötzlich los, dass ihm die Suppe fast aus der Nase kam. “Tschuldige” meinte er grinsend und hielt mir die Zeitung vor die Nase, mit dem Finger auf einem Artikel mit der Überschrift ‘Dieb klaut in einem Billigmarkt einen Artikel für 30 Yen und wird auch noch erwischt’ Ich musste kichern, als ich das sah, doch wurde dann von meinem rebellierenden Magen unterbrochen und merkte, dass ich großen Hunger hatte. “Suppe steht aufm Herd..” erklärte mir Tomo, als er das hörte und wies mit der Hand in die Richtung. “Ok danke..” sagte ich, nahm mir eilig eine Schüssel und schaufelte die heiße Misosuppe hinein, die ich kurz darauf hungrig verschlang. “Hey, Akio wird warscheinlich noch eine Weile brauchen, was hälst du davon, wenn wir nach dem Essen, mal die Gitarre rausholen würden und..” “Jaaa, das wäre toll!” rief ich begeistert ohne ihn ausreden zu lassen und sprang auf. “Verzeihung..” entschuldigte ich mich gleich darauf, setzte mich wieder und wurde rot. “Ist ja nicht schlimm, freut mich, wenn du mit soviel Begeisterung dabei bist” sagte Tomo grinsend, aß noch auf und stellte seinen Teller dann in die Spüle. Ich tat es ihm nach und folgte ihm aus der Küche hinaus ins Wohnzimmer, wo in der Ecke zwei, noch ziemlich neu aussehende, Fender E-Gitarren mit Verstärker standen, eine schwarz, die Andere rot und ich bewunderte sie still, da es mir schlicht die Sprache verschlagen hatte. Tomo griff sich die Rote, setzte sich auf die Couch und begann sie zu stimmen. Ich setzte mich vorsichtig daneben und sah ihm interessiert zu, am Liebsten hätte ich sofort selber losgespielt, doch ich wusste ja weder wie, noch traute ich mich richtig diese Gitarre anzufassen und sie womöglich zu zerkratzen oder so..
Schließlich legte er dann, wie ich fand sagenhaft, los mit einem Lied, dass ich zwar nicht kannte, aber dennoch sehr beeindruckt war und nur dachte: ” DAS will ich auch können..!” Als er geendet hatte starrte ich ihn nur begeistert an, wodurch er lachen musste. “Haha, guckst du immer so, wenn du etwas magst?” fragte er belustigt und als ich nur nickte musste er wieder lachen und wuschelte mir durch die Haare. “Du bist echt witzig Kleiner..! Nun gut, ich werde dir zuerstmal die Grundakkorde beibringen ok? Wenn du die gut beherrschst, kannst du eigentlich schon praktisch alles spielen..” erklärte er mir und drückte mir die Gitarre in die Hand, die mich durch ihr Gewicht erstmal nach unten zog. Fasziniert strich ich sanft über die Saiten und schaute dann Tomo erwartungsvoll an, aufdass er mir die ersten Griffe zeigen würde, da ich es kaum mehr erwarten konnte.
“Ok, also zuerstmal C-Dur, G-Dur und F-Dur sind die wichtigsten Akkorde, mit denen kannst du schon sehr viel anfangen.. Also C-Dur ist der hier..” erklärte er und setzte meine Finger dann auf die entsprechenden Saiten. “Und jetzt spiel mal..” meinte er und ich gehorchte. “Das hört sich schön an” murmelte ich und war schon ein bisschen stolz. Tomo grinste und zeigte mir daraufhin noch den G- und F-Dur Akkord, die ich mir auch gut einprägte. Er ließ sie mich eine Weile immer wieder spielen in verschiedenen Reihenfolgen und zeigte mir schon ein paar kleinere Lieder zum Üben, bevor wir dann nach fast zwei Stunden aufhörten. “So, das reicht dann erstmal für heute.. du warst sehr gut” erklärte er lächelnd und strich mir über den Kopf. “D..Danke!” sagte ich geschmeichelt und lächelte ebenfalls. Das waren tolle zwei Stunden gewesen und ich glaube das war der Tag an dem ich mich in die Gitarre verliebt habe und das ist bis heute so..
Tomo stellte die Gitarre wieder zurück an ihren Platz und verkündete dann gähnend, dass er ein kleines Nickerchen halten würde.
"Ok" meinte ich nur und pflanzte mich dann auf die Couch, um auf dem überdimensional großen Fernseher zu glotzen.
Ich zappte eine Weile durch die Kanäle, doch meine Gedanken wanderten immer wieder zu Akio..
Wo blieb er bloß? Ich hörte auf zu zappen und seufzte, während auf dem Bildschirm eine Gameshow lief, die ich nur mit geringem Interesse verfolgte.
Nach etwa einer weiteren halben Stunde, in der ich ungeduldig rumgezappelt und gewartet hatte, hörte ich plötzlich das Geräusch eines Schlüssels und sprang wie von der Tarantel gestochen auf.
Da war er ja endlich! Freudig hüpfte ich zur Tür und riss sie etwas zu heftig auf, sodass Akio, der den Schlüssel schon im Schloss gehabt hatte, nach vorne gerissen wurde und mir regelrecht vor die Füße fiel.
"Oh.. ähm ich, oh nein, gomennasai!!" rief ich hektisch und hätte mich ohrfeigen können.
Beschämt half ich ihm auf und entschuldigte mich nochmals.
Als Akio wieder stand und den Schock verdaut hatte, fing er plötzlich an zu lachen, eine Reaktion, die ich überhaupt nicht erwartet hatte.
"Hiro-Kun, das ist doch nicht schlimm, find ich echt süß, dass du dich so auf mich freust" meinte er grinsend und wuschelte mir durchs Haar. Ich bekam aus unerfindlichen Gründen plötzlich eine Gänsehaut und hätte fast angefangen zu schnurren, doch stattdessen schenkte ich ihm nur ein Lächeln und versuchte die Röte aus meinem Gesicht zu vertreiben.
Ich fühlte mich so unglaublich wohl in seiner Nähe, dass es schon fast unnormal war..
"Guck mal Kleiner ich hab hier was für dich" meinte er und zog mich ins Wohnzimmer, wo er ein paar Tüten abstellte.
"Ich denke das steht dir, aber wenn es dir nicht gefällt sags einfach ok?" sagte er freundlich und entleerte den kompletten Inhalt der Tüten auf das Sofa.
Ich bekam so große glänzende Augen, dass sie mir beinahe aus dem Kopf fielen und ich blinzelte sicherheitshalber, um sicherzugehen, dass ich mich nicht verguckt hatte.
Es waren lauter Visual Kei Klamotten, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen hatte, doch ich verliebte mich sofort in sie.
Am Liebsten hätte ich alles auf einmal an- und nie wieder ausgezogen und Akio lachte bei meinem Anblick.
"Also gefallen sie dir?" fragte er rhetorisch und ich konnte nur leicht nicken, immer noch auf die Sachen fixiert.
"Das ist schön, probier sie doch mal an, du siehst bestimmt toll darin aus!" ermutigte er mich und schüttete noch eine dritte Tüte mit Sachen für ihn aus.
"Ich hab mir auch was gekauft, wir können die ja Beide mal anprobieren" schlug er grinsend vor und knöpfte sein Hemd auf.
Doch als er plötzlich das Hemd auszog und ich einen Blick auf seinen Oberkörper werfen konnte, stockte mir der Atem.
Seltsamerweise war ich total gefangen von diesem Anblick und schaffte es peinlicherweise nicht mehr mich abzuwenden.
Akio bemerkte meinen Blick und schaute mich verwundert an.
"Hm? Ist was Hiro-Kun?" fragte er und zog die Augenbrauen hoch.
"Ähm, nein nichts.." brachte ich gerade noch hervor, bevor ich mich schließlich losreißen konnte und nach kurzer Ansage, schleunigst aufs Klo flüchtete.
Ich setzte mich auf den Deckel legte meinen Kopf in die Hände und atmete mehrmals tief durch.
Ok, mal überlegen.. warum hatte ich mich gerade so affig benommen? Akio dachte jetzt sicher sonst was von mir..
Und was war das für ein merkwürdiges Gefühl gewesen? Ein Gefühl, dass ich nicht kannte.. ehrlich gesagt war mir das unheimlich und ich beschloss es einfach zu verdrängen.
Nachdem ich so eine Weile vor mich hin gebrütet hatte, stand ich schließlich auf und ging dann wieder zurück ins Wohnzimmer, wo Akio inzwischen angezogen und in voller Pracht vor mir stand.
Ich bewunderte ihn einfach nur stumm und hatte nie gewusst, dass Jemand so gut aussehen konnte.. das gehörte ja schon fast verboten..
"Wie findest dus Hiro-Kun?" fragte er neugierig und war offenbar ganz gespannt auf meine Meinung.
"Wahnsinn.." rutschte es mir raus und ich wurde schon wieder rot.
"Also ähm.. ich meine nicht schlecht" versuchte ich zu retten, doch Akio lachte nur und kam auf mich zu, um mir wieder durch die Haare zu streicheln.
"Danke mein Kleiner, freut mich dass es dir gefällt.. möchtest du denn jetzt mal dein Zeug anprobieren, ich geh auch solange raus ja? Bis Gleich" rief er vergnügt und begab sich in die Küche um den Abwasch zu machen.
Ich stand noch eine Weile angwurzelt da und träumte vor mich hin, bevor ich mich daran machte, mir von den Sachen die Tollsten auszusuchen und zusammenzustellen, so wie es mir gefiel und am Ende war ich auch relativ zufrieden mit mir, betrachtete mich im Spiegel und erkannte mich selbst nicht wieder..
Ich hüpfte zu Akio in die Küche und lehnte mich, instinktiv posend, grinsend an den Türrahmen.
Akio drehte sich um, als er mich bemerkte und schaute mich bewundernd an.
"Wow Hiro-Kun du.. siehst unglaublich aus!" rief er begeistert, drehte mich um und betrachtete mich von allen Seiten bis ins Detail.
"Ich fasse es nicht, das ist wirklich.. Wo ist Tomo? Pennt der schon wieder? Er muss das unbedingt sehen!" meinte Akio plötzlich ganz aufegregt und stürmte, bevor ich antworten konnte, in Tomos Zimmer um ihn zu wecken.
"TOMO! Steh auf du Schlafmütze! Das musst du sehen!" rief er so laut, dass ich es bis in die Küche noch hörte und fühlte mich wie irgendeine heißbegehrte Ware beim Schlussverkauf.
Nach einiger Diskussion, schob Akio schließlich den verpennten Tomo vor sich her aus dem Zimmer und stellte ihn direkt vor mich.
"Jetzt schau dir das mal an!" sagte er stolz und präsentierte mich wie sein neues Auto oder so.
"Wow" murmelte Tomo, sehr beeindruckt für seinen Zustand wie mir schien. Ich grinste ihn an und Tomo grinste zurück.
"Das sieht toll aus Hiro-Kun" gähnte er und haute mir freundschaftlich auf die Schulter.
"Ich bin dann mal wieder im Bett.." verkündete er und verschwand, bevor Akio protestieren konnte, wieder in seinem Zimmer.
"Na, der war ja richtig begeistert.." meckerte Akio und schüttelte den Kopf. "Naja.. hast du vielleicht Lust spazieren zu gehen? Dann kannst du dich mal draußen so zeigen" schlug er grinsend vor und schaute mich fragend an.
"Klar, warum nicht?" meinte ich ebenfalls grinsend, schnappte mir kindlich Akios Arm und stapfte dann mit ihm aus der Tür.
Als wir die große Straße vor Akios Haus entlang gingen, fielen mir die Blicke der vorbeigehenden Leute auf und wenn ich das richtig deutete, waren es keine Negativen, was mich irgendwie freute.
Wir schlenderten eine Weile die Alleen entlang, mit den vom Herbst rot gefärbten Bäumen und ich staunte über die Schönheit der Natur, für die ich eigentlich nie viel übrig gehabt hatte.
"Hey, willst du ein Eis?" fragte Akio plötzlich in die Stille, da wir gerade an einem kleinen Wagen vorbeigingen, der Eis verkaufte. "Hai, gerne" meinte ich lächelnd und nahm mit großen Augen das herrlich aussehende Ding entgegen. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich in meinem Leben bis jetzt nur einmal Eis gegessen und das war an einem Geburtstag gewesen, daher war es etwas Besonderes für mich, das jetzt so selbstverständlich zu bekommen.
Ich bedankte mich nochmals, woraufhin Akio wieder lachen musste und ging dann weiter neben ihm her, wobei ich die süße Köstlichkeit in meinen Händen regelrecht verschlang.
Nach ein paar Minuten deutete Akio auf eine große, hölzerne Bank in der Nähe, setzte sich und zog mich auf seinen Schoß.
Schon wieder kroch mir die Röte ins Gesicht und ich schaute schnell zur Seite, während ich konzentriert an meinem Eis leckte.
Als ich mich wieder etwas eingekriegt hatte, warf ich ihm einen kurzen Blick zu und bemerkte sein schönes dunkles Haar, das in der Sonne schimmerte.
Es sah wirklich schön aus und ich hätte es gerne berührt, doch ich traute mich nicht.
"Hey, was ist? Hab ich Eis im Gesicht?" fragte er erschrocken, als er meinen Blick bemerkte und wischte sich eilig über den Mund.
"Haha, nein" lachte ich. "Ich hab nur.. ähm" ich wusste nicht genau wie ich erklären sollte, wo ich hingeguckt hatte und stopfte mir schnell etwas Eis in den Mund, was dazu führte, dass ich jetzt total eingesaut war. "Nicht so eilig, jetzt bist du ganz klebrig!" meinte er und musste lachen. Es sah wohl wirklich doof aus. Verlegen wischte ich mir über den Mund und störte mich nicht weiter daran, dass ich das Zeug jetzt an meinem Ärmel hatte.
"Du hast da noch was vergessen" erklärte er mir lächelnd und strich mir dann vorsichtig mit dem Finger über die Lippen, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. "Ä.. ähm danke.." nuschelte ich und machte einer überreifen Tomate wieder alle Ehre.
Er strich mir sanft übers Haar und sah mich lange an, bevor er sich wieder seinem Eis zuwandte.
Ich hatte meins inzwischen schon aufgefuttert und kletterte von Akios Schoß, damit mein Blutkreislauf wieder seinen natürlichen Lauf nehmen konnte..
Kurz darauf stand er auch auf, nachdem er aufgegessen hatte, nahm meine Hand und ging dann mit mir in Richtung Stadt, wo er mir sämtliche Einkaufsstraßen zeigte und ich aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Und das war der Moment in dem ich das erste Mal einen Süßwarenladen entdeckte und ich war hin und weg.
Als ich diese vielen bunten, lecker aussehenden Sachen erblickte, konnte ich mich nicht mehr davon losreißen und blieb abrupt stehen, womit ich Akio versehentlich nach hinten riss.
"Woh, Hiro-Kun, was ist de.." wollte er fragen, doch als er meinen Gesichtsausdruck sah, der warscheinlich Bände sprach, lächelte er nur und zog mich dann mit sich ins bunte Lolliwunderland.
Okashi no Rakuen (Das Süßigkeitenparadies)
Als ich den Laden betrat, konnte ich erstmal nichts außer große Augen machen.
Soviele bunte leckere Sachen auf einmal, hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn gewusst, dass es sie in dieser Menge überhaupt gab..
Ich ging langsam weiter und schaute die vollgestopften Regale rauf und runter, aus dem Staunen nicht herauskommend.
Plötzlich fiel mein Blick auf ein Ding, dass etwas weiter hinten stand, aber trotzdem sofort meine Aufmerksamkeit erregte.
Es war ein riesiger bunter Lollipop, der mich fast schon magisch anzog und lief eilig darauf zu um das Ding zu begutachten.
Ich drehte es in der Hand, betrachtete es eingehend und fragte mich wozu es wohl gut sei.
Akio bemerkte, dass ich damit offenbar nicht viel anfangen konnte und stellte sich lächelnd neben mich.
"Akio-Sama, was ist das?" fragte ich fasziniert und wandte meinen Blick nicht von dem Lolli ab.
"Haha, das ist ein Lollipop! Erstaunlich, dass du sowas noch nie gesehen hast" lachte er und bedeutete der Verkäuferin, die schon etwas skeptisch guckte, mit einem Blick, dass er gleich zahlen würde und wickelte die Einschweißfolie von dem übergroßen bunten Ding.
"Probier doch mal" schlug er mir lächelnd vor und hielt ihn mir vor die Nase.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und schob ihn mir sogleich in den Mund.
Es war das Leckerste, was ich jemals gegessen hatte und in diesem Moment vergaß ich kurz alles um mich herum..
"Hiro-Chan? Bist du noch bei mir?" fragte Akio amüsiert und berührte meine Wange, was mich sofort wieder lebendig machte.
"Ähm..äh ja, gomen.." murmelte ich peinlich berührt und grinste ihn verschmitzt an.
"Möchtest du noch etwas Anderes?" fragte er mich, als er einen Riesenvorrat an Lollis gekauft hatte, wovon ich noch versucht hatte ihn abzubringen, doch er bestand darauf.
"N..nein danke, du hast mir wirklich schon genug geschenkt.." murmelte ich dankbar und wunderte mich, dass er das offenbar nicht so sah.
Selig an meinem Lolli knabbernd, verließen wir den Laden und schlenderten noch eine Weile weiter, doch für die anderen Läden, hatte ich an diesem Tag keinen Blick mehr..
Als wir wieder zu Hause ankamen, reichte mir Akio die Tüte mit den Lollis, die ich, mich nochmals tausendmal bedankend, annahm und in mein Zimmer brachte.
Nachdem ich sie alle fein säuberlich an der Wand aufgereiht hatte, was wirklich schick aussah, begab ich mich ins Wohnzimmer, wo Akio auf dem Sofa saß und fern sah.
Ich setzte mich, mit respektvollem Abstand, neben ihn und versuchte mich auf das Fernsehgeschehen zu konzentrieren.
Plötzlich spürte ich Akios warmen Blick auf mir und ich bekam eine Gänsehaut. Er griff nach meiner Hand und zog mich sanft zu sich, sodass mein Kopf auf seiner Schulter lag, mein Herz klopfte wie wild und ich hoffte nur er würde es nicht bemerken..
Er strich mir durchs Haar, so wie er es immer tat und unwillkürlich entwich mir ein Schnurren.
Eine Weile saßen wir so da und von mir aus, hätte es auch ewig sein können, doch dann unterbrach er kurz das Streicheln.
"Sag mal Hiro-Chan, was ich dich noch fragen wollte.. Was ist denn eigentlich mit der Schule?"
Sofort öffnete ich meine Augen und der schöne Moment war dahin.
Die Schule hatte ich nie leiden können.
"Naja.. also in der Schule war ich nur bis zur vierten Klasse, danach war ich ja im Heim, wo wir nur ganz selten ein bisschen was gelernt haben.. und sonst.." erklärte ich leise und erinnerte mich plötzlich wieder an die Grundschule, die ich wie die Pest gehasst hatte.
"Achso.." meinte Akio nur und schaute mich nachdenklich an. "Was würdest du davon halten, wenn wir dich an einer Schule anmelden würden? Also, nur wenn du willst und nur mal auf Probe, vielleicht gefällt es dir ja?" schlug er vor und schaute mich fragend an.
Ich hatte da meine Zweifel, dass es mir gefallen würde, doch es schien ihm viel zu bedeuten und so entschied ich mich ihm zuliebe dafür.
"Ok, das ähm.. klingt gut" versuchte ich möglichst überzeugend zu sagen und lächelte.
"Das find ich toll Hiro-Chan, ich verspreche dir auch wenn es dir nicht gefällt, finden wir was Anderes ok?" meinte er überzeugt und zog mich dann noch etwas näher zu sich.
Er spielte mit meinem Haar und legte dann vorsichtig seinen Kopf auf Meinen.
Seine Wärme und sein Geruch durchströmten mich und alles fühlte sich so vertraut an, als würde ich ihn schon mein ganzes Leben lang kennen..
Als ich etwas später am Abend aufwachte, bemerkte ich dass ch auf dem Sofa eingeschlafen war.
Akio hatte mir ein Kissen und eine Decke gebracht und ich musste lächeln.
Nach der Uhr zufolge war es sieben Uhr abends und das Zimmer roch angenehm nach Abendessen, woraufhin mein Magen laut knurrte, als hätte er es soeben bemerkt.
Ich wollte gerade aufstehen, als plötzlich Tomo um die Ecke geschossen kam, mich ordentlich erschreckte und dann über der Schulter in die Küche schleppte.
Obwohl ich mich heftig wehrte, hatte ich keine Chance gegen den siegessicher grinsenden Blonden, der mich noch eine Weile zappeln ließ, bevor er mich auf Akios warnenden Blick hin, schließlich runter ließ und dann so tat, als wäre nichts gewesen.
Ich wusste nicht ob ich eingeschnappt sein oder grinsen sollte, also ließ ich es ganz bleiben und schaute nur verwirrt.
"Tomo, lass meinen Hiro-Chan in Ruhe klar?" meinte er mit nicht ganz ernst gemeinter Strenge und zwinkerte mir zu.
"Jaja" grinste Tomo. "Dein Schatzi wird schon nicht gleich sterben, wenn ich ihn ein bisschen ärgere"
Kaum hatte er das ausgesprochen, schoss mir die Schamesröte ins Gesicht und ich bekam einen heftigen Hustenanfall.
Die Beiden schauten mich verwundert an und ich versuchte mich wieder einzukriegen.
Nachdem es mir schließlich gelungen war, murmelte ich nur eine kurze Entschuldigung und senkte dann schnell den Kopf.
Warum war ich nur so ein Idiot? Ich konnte es mir nicht erklären..
Nach dem Abendessen, hatte ich das schon wieder alles vergessen und war nur glücklich.
"Das war wirklich lecker Onii-Chan" erklärte ich ehrlich, doch schlug mir schnell die Hand vor den Mund, als ich registrierte, wie ich ihn genannt hatte.
"Oh nein.. ich, also.. gomennasai!" brachte ich nur hervor und wäre am Liebsten im Boden versunken.
"Haha, wie süß" rief Tomo begeistert und warf Akio einen bedeutungsvollen Blick zu, den ich nicht verstand.
"Hiro-Chan, das macht doch nichts.. Tomo hat, Recht, es ist wirklich süß! Du darfst mich gerne so nennen, wenn du möchtest" sagte Akio und strich mir flüchtig über die Wange wobei ich hätte schwören können, dass er auch meine Lippen berührt hatte, doch was war wahrscheinlich nur wieder meine Fantasie gewesen..
Er begleitete mich noch in mein Zimmer, zog die Vorhänge zu und stellte mir noch ein paar Dinge, wie die Heizung ein, was ich alleine nie auf die Reihe gekriegt hätte, da hier alles mit irgendwelchen Fernbedienungen oder Knöpfen funktionierte.
Als ich im Bett lag, setzte er sich noch kurz zu mir, legte seine warme Hand an meine Wange und sah mir lange in die Augen, bevor er sich vorbeugte, mir einen leichten Kuss auf die Stirn gab und mir eine Gute Nacht wünschte, bevor er verschwand. Ich war wie gelähmt und starrte fassungslos an die Decke. Die Stelle an meiner Stirn, die seine Lippen berührt hatten kribbelte und es war ein angenhemes Gefühl.
Nachdenklich drehte ich mich auf die Seite und schlief mit dem, mir unerklärlichen Gedanken ein, dass er das nochmal machen sollte..
Tag der Veröffentlichung: 26.09.2010
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