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Vorwort

                             Die Rebhühner

                                     

 Der burleske Tanz um das golden schmorende Rebhuhn ist ein Einfall, der auf einem mittelalterlichen französischen „fabliau“, dem „dit des perdrix“, beruht. Er wuchs zwar unter der modellierenden Hand munter weiter und hat einiges bei seiner zeitlichen Verpflanzung mitgemacht, aber das holzschnittartige Grundmuster blieb erhalten. Der Knittelvers bekräftigt es einerseits – er wirkt selbst derb und grob geschnitzt –, andererseits kommt er dem Spielcharakter entgegen. Gewiss drängt sich innerhalb des kurzen Zeitraums ein bisschen viel zusammen: deshalb sind Zäsuren nötig, gegenläufige Zeitdehnungen, aber der Wirbel wird schließlich von den Personen selbst inszeniert, nicht zuletzt von den Nebenfiguren – von Johanna, der vermeintlich Naiven, und dem ehemaligen Schüler, ihrem Liebhaber. Dass die Komödie, die sie spielen, dilettantisch ist, wird einmal vom Schulmeister zutreffend formuliert. Dilettantische Mittel erfordern indes keine dummen Figuren – sie fühlen sich bloß in die Enge getrieben.

Hyazinth und Rosenblüth, das ideale Liebespaar der Romantik, ist gealtert. Eine fast vierzigjährige Ehe hat ihre Ansprüche gemildert. Das heißt nicht, dass sie nicht oder nicht mehr zueinander passten. Ganz im Gegenteil: geradezu auf ideale Weise! Das rechtfertigt ihre gegenseitige Wahl. Hyazinth gibt den Ton an: Wir sind immerhin noch in einem patriarchalischen Zeitalter! Rosenblüth zieht jedoch die Fäden. Dass Hyazinth heldischen Vorbildern wirklich nacheifert, ist unbewiesen. Er schaut sich durchaus auch ein wenig selbst zu, denn Genuss ist ihm im Selbstgenuss gesteigert.

Faustisches Streben ist in Hyazinth auf wohltuende Weise verwandelt: Er bringt niemanden um, außer etwa Hühner, und kommt mit einer einzigen Seele aus. Lieber wäre ihm, er hätte zwei Mägen. Hyazinth ist eine eminent positive Figur. Er braucht nicht gerettet zu werden, geschweige denn geläutert.

Die hier vorgelegte Posse ist in den 1960er Jahren entstanden. Sie ist das erste Stück von mehreren Einaktern und bietet, sorglos drauflossprudelnd, vital überschäumendes Theater.

Die Struktur des Knittelverses ist nur auf den ersten Blick schwierig: Jeder Vers hat in der Regel 4 Hebungen und dazu kommen unbetonte Silben, manchmal mehr als die deutsche Metrik erlaubt: nicht nur höchstens zwei. Das kann z. B. im Russischen anders sein und führt dort zu größerer rhythmischer Freiheit. Auch der Knittelvers ist, so gesehen, eine zwanglosere Ausdrucksform.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Personen

 

Hyazinth: der Schulmeister

Rosenblüth: seine Frau

Johanna: ihr Hausmädchen

Franz: ein Schüler

Die Nachbarin

Der Pfarrer

 

Zu sehen ist: die gute Stube und ein Teil der Küche. Diese links mit Herd und Töpfen. Im Wohnraum befinden sich zahlreiche beleuchtete Wandporträts: eine Galerie markanter Persönlichkeiten der Geschichte. Vor allem aber: ein großer Tisch, auf dem allerlei Bücher, dickleibige und dünnere, zu einem „Limes“ angeordnet sind: mit Hohlräumen und passenden Lücken für Speisen, Besteck oder Würzgefäße. Hier ist die Hochburg des Essers.

 

 

Prolog

 

Hochverehrtes Publikum:

Wir spielen ein Panoptikum

von Trieben, Lust und Leidenschaften

und Fleisch: Was kann ein Mensch verkraften?!

Dies ist die Frage angesichts

der vollen Küche, dann des Nichts

und Hyazinths, des Hühnerfressers

und rohrstockmächtigen Vermessers.

Hier schwitzt er schon mit rotem Leib,

beschnuppert lustvoll Wurst und Weib.

Sie hat viel Blut und viel Gemüt:

Wir nennen sie kurz „Rosenblüth“.

Dort drüben in der heißen Küche

kommt er ihr beinah auf die Schliche.

Wir sehn ihn jetzt bei seinem Limes,

in seinem Kopfe ahnt er Schlimmes:

Das Tuch ist längst schon umgebunden,

die Würzgeräte sind verschwunden!

Er wird sie wohl im Auffanggraben

wie stets zum Schutz vergraben haben,

um sie vor frechen, rohen Blicken

ins Land des Geistes zu entrücken.

Die Stimmen, die Sie hören drüben,

sind Hühner, Küken, die jetzt üben.

Zwei andre schmoren ungeheuer,

sie sind des Spiels Kolumbus-Eier.

Den sehn Sie ruhm- und rahmenschwer

mit Rasputin und Robespierre,

Jeanne d’Arc und vielen andern Helden,

die uns im Leben etwas gelten.

Die Zeit ist schlecht für große Taten:

Wo kann ein Ruhmstück noch geraten?

Als Feld der Abenteuerlust

bleibt Soße, Speck und Hühnerbrust.

Doch nützen wir im Spiel den Streich:

An Streichen ist die Welt noch reich.

So sehen Sie in großen Nöten

den Esser seine Lust abtöten,

doch redet er aus Lust auch gern.

Das wird man gleich in V e r s e n hörn!

Weil Fressen so prosaisch ist,

bedienten wir uns dieser List

und griffen, selbst aus Urinstinkt,

zum Reim, dass er den Stoff bezwingt:

der Klammer wegen – des Kontrastes!

Denn Bauch und Kopf, der Reim umfasst es.

Mehr ist dem Leben nicht geschehn,

wir ließen manche Rohheit stehn:

Schon rührt sich Hyazinth betroffen,

er ist bereit, der Mund steht offen!

 

                     ERSTE SZENE

 

HYAZINTH: (mit Schluckauf) Wo ist der Pfeffer,

                                                 sapperment,

das Mensch da: gackert wieder, flennt!

ROSENBL.: Johanna wird ihn sicher bringen:

Da ist sie schon –

HYAZINTH:         – vor allen Dingen

scharf mag ich ihn; die Liederlichkeiten

hinsichtlich des Pfeffers kann ich nicht leiden!

Du weißt – er macht mir Lust und zumeist

den Magen munter, beflügelt den Geist,

sodass ich Stunden, ohne Ende,

über Pfeffer nachdenken könnte:

nie kopflos und niemals unklar:

schön scharf – das ist höchst sonderbar;

kann sein, dass der Kopf mit Schärfe erklügelt,

warum der Pfeffer ihn so beflügelt:

Das ist des Denkens Tat! Mehr Salz!

ROSENBL.: Johanna bringt es – und andernfalls ...

HYAZINTH: Der Pfeffer fahre in sie: mehr Salz!

In Teufels Namen: das Salz!!! ... oh, mein Hals!

JOHANNA: (bringt es) Bitte –

HYAZINTH:                         – schweig du!

JOHANNA:                                           –  Nur einen Satz:

Es ist vor Büchern nirgends mehr Platz.

HYAZINTH: „Waterloo!“ Sieh da: Platz genug,

östlich ... mehr westlich, da: wo man ihn schlug!

Hierher! Genug! O ein Kopf voller Stroh!

Ein würdiger Platz, dieses „Waterloo“ ...

Rosenblüth, denke, da fällt mir ein:

Es könnte ein Loch in der Schöpfung sein:

Gäb es kein Salz – das Meer wäre süß!

Wo die Heringe blieben, ich frag mich’s, gewiss!

Weise, dass dort, wo der Fischer sie fischt,

genügend und würziges Salz gestreut ist!

ROSENBL.: Johanna, vergiss nicht, die Treppe zu kehren!

Die Eimer hinaus, gleich jetzt, die zum Leeren!

Die Küche gewischt! Putz die Pfanne, die große,

beeil dich! Vergiss nicht den Ofen! ... die Soße!

HYAZINTH: Die Soße, richtig! Ob sie salzlos lebt,

dass sie wie Honig am Boden klebt?!

Zwei Tritte zum Ansporn ausgeteilt:

Ihr Hintern ist groß und hat Reiz, wenn er eilt!

ROSENBL.: Sie eilt schon, Hyazinth, sie ist tüchtig –

HYAZINTH: Mit Soßen spaßt man nicht: das ist richtig!

Es sei ihr blutiger Ernst! Sapperlot!

 

ROSENBL.: Es kommt schon! Sie eilt ja! Gleich kommt es,

                                                          dein Sößchen ...

HYAZINTH: Bloß zum Probieren, zwei Löffel,

                                                          mein Röschen!

JOHANNA: (Sie bringt einen kleinen Topf.)

Wo eigentlich soll er nun stehn? Großer Gott!

HYAZINTH: Ja, Gott hat bei dir am Geist gespart,

auch am Leib! Du hast keine Lebensart!

              (in den Topf guckend)

Sie duftet verlockend: die Nelken sind erlesen!

Voller Essenzen – nicht so dein Wesen!

Und schmeichelt mir mit köstlichen Gewürzen:

das Leben zu verlängern, die Zeit zu verkürzen!

Sie ist dir nicht heilig genug: wie man sieht!

Vorsicht! Halt fest! ... ja weil die Erde sie anzieht!

        (zwischen Buch und Topf schwankend)

Trag auf! ... Dieses Buch ... man könnte ... man kann es,

entfernt’s! ... Der Topf ist zu heiß ... wer ersann es?!

Richtig, das Buch ... obwohl, so schnell nicht:

Bedenkt man, wie feurig die Hölle draus spricht!

Und doch, warum nicht? Das Lumpenpack,

es säuft zu viel, wo bleibt der Geschmack?!

(zu Johanna) Voran! Die Soße verdunstet, schneller!

Wenn du sie noch länger behältst! Einen Teller!

Gib her! Hiah! Du Ross! Was für Sitten:

Du wirst mir noch meine Soße verschütten!

Die köstliche! Aber ich will, schließt die Türen,

sie heiß und herrlich in den Mund einführen!

Und wer bezweifelt ... doch wenn es der „Faust“ ist,

beileibe: das Buch – der Zwang, dass man es ausliest!

Kann ich es wagen? Es wäre vermessen:

Jahrhunderte haben sich durchgefressen ...

Herrgott, ich sage: eine Frage des Geschmackes:

Die Soße ist gut, sie duftet – da pack es!

        (Johanna nimmt das Buch weg.)

Beileibe, dies Mahl, so saftig – und mein! (probiert)

Die Zwiebeln könnten weicher sein.

Es ist den Menschen recht geschehn,

wenn sie sich wenig auf „die“ oder „den“?

Richtiger ist wohl: „die“ Zwiebel verstehn!

Ich kau und verdau sie, ob eine, ob zehn!

Adam wurde durch Äpfel versucht,

s i e ist die wahre göttliche Frucht!

Erstaunlich ist, dass unser Ahnherr

so schlecht gewählt, denn was gewann er?

Ein Weib! – 

ROSENBL.:  – Du scherzest, Hyazinth!

HYAZINTH: Die Soße ist trefflich, probiere geschwind!

ROSENBL.: Das will ich – und lausche mit Lust deinen

                                                                         Scherzen!

HYAZINTH: Auch ich! Beileib, sie kommen mir von Herzen!

Die Soße ist gut, dies nun einerseits,

Johanna aber hat überhaupt keinen Reiz!

Wobei sie noch keine dreißig ist:

und hat ihre Schönheit schon eingebüßt!

Kein Lenz genutzt! Wieviel nutzten wir deren?

ROSENBL.: Genug, Hyazinth! –

HYAZINTH:                            – Das lässt sich hören!

Und immer noch gut im Schuss, beileibe,

man wünscht, dass sie’s ähnlich heftig treibe!

Doch diesen Geschöpfen fehlt das Verständnis,

sie denken ans Essen – vom Besten keine Kenntnis:

Napoleon, Rasputin, Philipp der Burgunder!

Treffliche Exemplare gibt es darunter!

Und sie? – Ich sage dir: nur schöne Kleider

und jedes Jahr um den Busen weiter!

Prasser, Schlemmer, Großmaul, Egoist,

liederliche Schlampe, die sie ist!

Hängt einem die Füße untern Tisch,

dabei ist sie weder Frau noch Fisch.

Vertrocknet zum Span, sie soll sich schämen,

soll sich an uns ein Beispiel nehmen!

Und wenn Not am Mann ist, im späteren Leben,

muss sie sich den Busen anheben,

sublevare, dass die „Würfel“ nicht fallen,

alea jacta ... so geht es doch allen!

Das ist’s, was den Dingern zuletzt noch bleibt,

dass sich einer – verlockt! – mit ihnen beweibt!

ROSENBL.: Ich bitte dich –

HYAZINTH:                      – schau du nach dem Essen!

beileibe, was gibt es da nicht für Raffinessen!

Wenn man dran denkt! Ich sag dir: die meisten

sollten sich überhaupt keine Frauen leisten!

Summa summarum: du könntest zum Rebhuhn

ein Prischen Paprika hinein in den Topf tun.

Bereite sie mir mit Kümmel und Lauch

und vergiss nicht die Nelken, mach reichlich Gebrauch!

Das Huhn muss gelb und ölig schimmern!

Gleich will ich mich selber darum kümmern.

         (Rosenblüth geht zur Küche.)

Sie wird sich noch wundern, diese Johanna,

potz Iwan, Varus, Attila!

 

                     ZWEITE SZENE

 

Johanna, he, komm näher heran!

Dass ich dich besser befragen kann.

           (Sie kommt näher.)

Frei heraus: Jeanne d’Arc, ganz beliebig,

du machst dir kein Bild: diese Frau war ergiebig!

Nun komm schon, ich will dir einen Hinweis geben:

wie Mädchen deines Alters zu Pferd und zum Ruhm

                                                                     leben!

Schlachten! Johanna –

JOHANNA:                 – die Rebhühner sind gar!

HYAZINTH: Dampfend? – 

JOHANNA:                    – Dampfend! – 

HYAZINTH:                                – Wie sie in Lebensgefahr!

                  (vor dem Bild an der Wand)

Mark, Saft ist da, Gefühl sodann:

die Jungfrau! Sieh dies Profil nur an!

Näher noch! Diese Geschmeidigkeit,

            (Er bedrängt sie.)

prächtig die Haut – doch wie schlachtbereit!

JOHANNA: Ach was, die Hühner sind auch ganz gut!

HYAZINTH: Gewiss Prophetin! Doch wie sie es tut!

Gottbesessen, sie meistert die Gefahr,

Männerkennerin, die sie war:

die auf den Tross des siebten Karles

zuging, „du bist es“ sagte – und er war es!

Man sollte es zeitig in solchen Dingen

zu einer hohen Fertigkeit bringen.

Johanna, verstehst du, nun ein kleiner Versuch:

Ich meine: als Übung! Ich nehme dieses Tuch ...

(Er zieht die Serviette übers Gesicht, als lasse er ein Visier

herunter.)

Geh einmal geradewegs auf mich zu!

JOHANNA: Das fehlte noch – wie ein Stier auf die Kuh!

HYAZINTH: Kenne dich aus! Zum Spiel, nur zum Spiel!

JOHANNA: Ich verstehe von Stieren nicht viel.

HYAZINTH: Draufzu, nun stell dich nicht an –

JOHANNA:                                            – wozu sollt ich?

HYAZINTH: Versuch’s! –

JOHANNA:                  – Wozu? –

HYAZINTH:                                – Der Teufel hol dich!

Beeil dich! Auf mich zu: erkenn mich!

Na, sapperment, erkenn mich endlich!

JOHANNA: Sie sind ...

HYAZINTH:              Hiah? –

JOHANNA:                        – Sie sind, Sie sind ...

HYAZINTH: Nun? – 

JOHANNA:          – Was sag ich? – 

HYAZINTH:                                  – Entscheide geschwind!

Schließ die Augen, und aus den Ritzen

schießt du auf mich mit Geistesblitzen!

Aber doch nicht so, es ist nicht zu fassen,

als hätten dich alle guten Geister verlassen!

Und wer bin ich? Na, wer ist denn da?

JOHANNA: Sie sind ...

HYAZINTH:               – hoho! –

JOHANNA:                            – Sie sind ...

HYAZINTH:                                             – Aha!

Es stellt sich heraus: Nun wer bin ich – wer?

JOHANNA: Herr Hyazinth, der Schulmeister!

HYAZINTH: Was Schul...! Wer denkt denn so etwas!

Genauer! Mit dem richtigen Augenmaß!

„Der Schulmeister!“ Und da zahlt man ihr Lohn!

Erkenn mich, marsch, erkenn mich schon!

JOHANNA: Kurzum, das Huhn, gleich ist es gar:

Dass es verkocht, verschmort, ist die Gefahr!

HYAZINTH: (kopfschüttelnd) Schau: das Bild! Sie

                                                    vollbracht' es! Nun?

JOHANNA: Ich riech nur Rauch, ein angebranntes Huhn,

die brenzelige Essenswolke!

Drum: was Sie sind und aus wessen Gefolge,

ob Alexander oder seine Geliebte,

von mir aus auch Adam oder dieser Karl der Siebte ...

HYAZINTH: Karl der Siebte! Wie kamst du nur darauf?

Die Augen gehn mir über – dir gingen sie auf!

JOHANNA: Wir sollten sofort nach den Hühnern schauen,

Herr Hyazinth –

HYAZINTH:      – wir reden nun von Frauen!

Was Huhn! – Orleans! Und übergenug

Heldenfleisch, wo diese Heldin zuschlug!

Ob da, ob dort, nur Siege und satte:

Weltgeschichte, wo sie das Sagen hatte!

Die Jüngsten, die gerade mannbar waren,

musste der Gegner zum Kampfplatz fahren.

Und es waren die Ältesten ihretwegen entfesselt,

später hat sie sie eingekesselt!

Große Zeiten und große Taten!

Viele berieten, noch mehr wurden verbraten.

(mit Humor) Wenn ich dich betrachte, so fühl ich,

                                                                 Johanna:

mich nicht im geringsten entfesselt noch mannbar!

JOHANNA: (lacht) Das hat mich schon manche Nacht

                                                          bedrückt!

Und nie ist mir mehr als ein Gackern geglückt!

HYAZINTH: Lästerzunge! Ausdruck bösen Erbes,

dein weitres Schicksal, sag ich, ist ein herbes!

              (Johanna ab in die Küche)

Da spotten sie verkommen und lachen!

Man sollte ihnen scharfe Pfeffersuppen machen!

Suppe? Richtig: ich komme auf etwas –

 

                     DRITTE SZENE

 

Wo sind sie: das Buch, etwas Muße, mein Sehglas!

(blätternd) Man nehme, man nehme, beileibe: die Mühe!

Gleich haben wir’s: „ein Liter Brühe!

Die Brühe mit kalt gerührtem Gustin“ ...

so hab ich das Wort, es fehlt der Sinn –

(Er schlägt nach.)

Grieß, Grill, schon hab ich: Grütze,

Gurke, Gustin, den Tag nur nütze,

carpe diem – dies ohne Fehl ...

„ein mondaminähnliches Stärkemehl“.

(weiterlesend)

„Das Hühnerfleisch, die Champignons“, aha!

wo ist es gleich, wir sind schon da:

„wird in die Brühe“ (die Stelle suchend) eingeführt,

„kurz aufgekocht“ ... ich bin gerührt!

„vom Feuer dann, gewürzt und mit ...“

Ich komm auf etwas! (ruft zur Küche) Ah, Rosenblüth!

Unaussprechlich dieser Duft!

ROSENBL.: Nun ja, das Huhn verdampft in die Luft!

HYAZINTH: Verdampft? – Ihr rüstet sie mir trefflich zu!

ROSENBL.: Jaja –

HYAZINTH:      – fürwahr, ich esse gräflich, wenn ich’s tu,

beileibe fürstlich; und es stimmt mich heiter!

(liest weiter) Sieh da: vermengt mit Sahne undsoweiter,

„darauf die gerösteten Raspeln streuen –

den Kenner wird das Ergebnis erfreuen!“

Rosenblüth, die Raspeln: sie sind wichtig!

ROSENBL.: Jaja, aber ja, sie sind es –

HYAZINTH:                                       – richtig!

(zu sich) Rosenblüth, rüste die Raspeln, rüste

die Raspeln ... Gott, welche Gaumenlüste!

            (Er geht in die Küche)

Was riecht hier so, errate ich’s?

ROSENBL.: Du Ausgekochter! –

HYAZINTH:                             – Tomate glich’s!

ROSENBL.: Ein Duft sag ich dir! –

HYAZINTH:                             – Die Luft ist geschwängert,

der Gaumen lechzt: die Lust wird verlängert!

ROSENBL.: Die Schinkenstreifen sind in Butter

                                                          geschwenkt!

Tomate hinein –

HYAZINTH:      – der Mensch mengt, Gott lenkt!

 

ROSENBL.: Und die Kokosraspeln –

HYAZINTH:                                    – und das Gustin!

ROSENBL.: Gustin? –

HYAZINTH:             – Ein Kräftiger, ein Mondamin!

Mit Gustin das Ganze vermengen ...

JOHANNA: Der Topf wird gleich fallen, wenn Sie ihn so

                                                                     bedrängen!

HYAZINTH: (gierig) Dampfkesselchen mein, lass fallen

                                                                     die Maske!

Delectatio, suavitasque!

ROSENBL.: (sie umarmt ihn) mein Champignon:

                                                         o Speckwürfel du!

JOHANNA: O Gott, wenn er fällt! –

!ROSENBL.:                          – Wo drückt dich der Schuh?!

JOHANNA: Er fällt! –

HYAZINTH:             – Hab ich’s nicht längst gesagt:

Sie will, dass man am Hungertuch nagt!

Sie taugt zu gar nichts, pass auf, du Ross!

Schau nach dem Ofen! Mach schon! Los!

JOHANNA: Zum dritten Mal –

HYAZINTH:                           – und immernoch nicht recht!

Da siehst du’s selbst –

ROSENBL.:                 – nun geh! –

JOHANNA:                                   – Ich bin kein Knecht!

                    (Sie geht aber.)

HYAZINTH: Die Schenkelchen zittern, ihr Lebensfunke

erlischt in der würzigen Paprikatunke!

(da Rosenblüth nascht:)

Wirst du nicht zuviel, eh es gar ist!

 

ROSENBL.: Ein Stückchen, ein Nichts, wo es kaum

                                                      ein Haar misst!

HYAZINTH: Ein ganzer Schwanz! Gib her, du ! –

                                    (erwischt das Stück)    – Oh!

Es wird! Gelobt! Nun gaff nicht so!

Es wird! Ein kleines halbes Stündchen,

dem Himmel nah –

ROSENBL.:            – du, Hyazinthchen ...

HYAZINTH: Ein kleines Häutchen kann nichts schaden ...

(Er isst.)

ROSENBL.: ... oder ein paar Leutchen zu uns laden?

HYAZINTH: Mein Täubchen, du hast recht, wie immer.

ROSENBL.: Die Rotschilds? – 

HYAZINTH:         – Die Rippendrops oder, noch schlimmer,

die dicke Gret, die schlingt, ohne zu schnaufen!

ROSENBL.: Du könntest zu ihnen hinüberlaufen!

HYAZINTH: Hoho! Zu den Hühnern? Bist du von Sinnen?

Sie würden uns zu Nichts zerrinnen!

ROSENBL.: Ein bisschen Gesellschaft, ein wenig Kultur!

HYAZINTH: Du naschst! Halt! –

ROSENBL.:                             – Dieses Stückchen nur!

Du machst sie gelüstig, du bittest geduldig!

Wir sind ihnen auch noch ein Wildschwein schuldig:

Wir könnten sie laden, und bei diesem Anlass –

HYAZINTH: Zu den Hühnern? –

ROSENBL.:                – Zu uns! Sie äßen nicht im Unmaß!

HYAZINTH: Zu den Hühnern?! –

ROSENBL.:                     – Zu uns! –

HYAZINTH:                         – Du willst sie dazu drängen,

bei uns die Füße unter den Tisch zu hängen!

In diesem Dorf, es ist vermessen,

wird entschieden zu viel gegessen:

Was sechstausend Seelen – vor allen Dingen

an Hühnern! – täglich hinunterschlingen!

Wie nichts: pro Nase grob vier Pfund,

und manche Hühner sind besonders rund –

dazu der Pfarrer, das muss man betonen,

der Bürgermeister: als Respektspersonen!

Das macht, du siehst sie im Geiste schmausend ...

sechsmal ... und noch mehr ... es geht in die Tausend!

Auch wenn ich das Fleisch in Kilogramm zähle,

dann sind das ... enorme Geflügelfarmställe!

Wir könnten allein, falls wir einen ausheben,

auf Jahre hinaus in Saus und Braus leben!

Vom Rebhuhn erst, nun stell dir den Berg vor

von Flintenschrot für ein einziges Jagdrohr!

Dies immer natürlich vorausgesetzt,

dass sie der erste Schuss gleich verletzt.

Zig-tausend Kügelchen aber wiegen ...

wie hoch muss allein diese Summe liegen!

Ich werde meine Schüler nächstens damit fassen,

sie gründlich beides berechnen lassen.

Kurzum, was ich schon längst bemerke:

Das Volk speist ganze Hühnerberge,

die Fresssucht ist seit vielen Wochen

in diesem Lustort ausgebrochen!

ROSENBL.: Die Rotschilds haben einen neuen Wagen –

HYAZINTH: Ihr Sohn ist mit ihrer Dummheit geschlagen!

Als wir an Länderkunde kamen

und das Schlaraffenland durchnahmen,

da pisste dieser Rabensohn zum Dank

für solche Lehren gleich unter die Bank!

Gott wird mir ein langes Leben verschaffen,

ich werde diese Rotte bis ins dritte Glied strafen!

ROSENBL.: Die Fuggers? Preisen ihren Ofen, einen neuen!

HYAZINTH: Nein, nie! – 

ROSENBL.:                 – Dann die –

HYAZINTH:                             – das würdest du bereuen:

Weil die Einfalt bei Ihnen zu Gast war! Zum Lohn

haben sie nun einen Bastard zum Sohn!

Er denkt mit dem Bauch, wird schwer und rund:

       (liest aus einem alten Schulheft)

„Galli optime certaverunt“:

„Die Hähne haben am besten gezetert.“ –

Dieser Kerl gehört dafür öffentlich gerädert!

Ich sage dir: sie denken schon ans Essen,

kaum dass sie die Windeln und Tücher nässen.

So etwas geschieht heutzutage täglich!

Liebst du dein Kind, z ü c h t i g e es unsäglich!

Oh, Rasputin, mein Geselle des Spießes:

Bei diesen Hühnern schwör ich dir d i e s e s ! –

... Ich bin erhitzt, die Raspeln rösten,

wir wollen uns mit dem hier trösten!

ROSENBL.: So hör auf mich: Es ist noch nicht gar!

HYAZINTH: Wir wollen es prüfen! (nimmt etwas) Das

                                           misst kaum ein Haar!

ROSENBL.: Kein Haar, ha! –

HYAZINTH: (schnuppernd, dann hustend)

                                        – Das ist ja entsetzlich:

Welcher Rauch ist hier möglich, mein Leben ist

                                                        verletzlich!

Der Ofen raucht wie ein Vulkan:

Johanna! Johanna! Sie zündet uns an ...

Steh nicht herum, das kann explodieren!

Ein Rauch! ... die Hühner! ... die Fenster auf, die Türen!

JOHANNA: Ich habe Papier verbrannt. –

HYAZINTH:                                           – Die Gans!

Liebesbriefe! Da hat man’s!

ROSENBL.: Die Klappe auf! Noch mehr! –

HYAZINTH:                                             – Das Huhn!

... die Hühner, richtig, man muss etwas tun!

                 (Er eilt zur Küche.)

ROSENBL.: Weiter, weiter! –

JOHANNA:                         – Es ist nur Papier!

HYAZINTH: Bewahre, rettet sie, das Fleisch steht noch

                                                                           hier,

die Hühner, hiah, die Hitze, ist das heiß!

                (Er trägt sie weg.)

ROSENBL.: (zu Johanna) So nützt es doch nichts! – 

HYAZINTH:                                        – Um jeden Preis:

Hinaus! Wer löscht? ... Was macht ihr denn da?

Was steht ihr herum? –

JOHANNA:                  – Papier! – 

ROSENBL.:                                 – Na, na?!

Briefe, Bilder: Heimlichkeiten?

HYAZINTH: Man kann sich überallhin retten, doch

                                                              beizeiten:

hinter, in und auf den Schrank,

sogar ins Freie, Gott sei Dank!

ROSENBL.: Du lässt sie da! –

HYAZINTH:                          – Es bahnt sich etwas an ...

ROSENBL.: Johanna, den Topf! – Der arme Mann!

Ist außer sich, verbrennt sich gar die Finger!

JOHANNA: Es war nur Papier –

HYAZINTH: (muss den Topf hergeben) – die lieben Dinger!

ROSENBL.: Mit Briefen hat sie Rauch – und uns Angst

                                                                 gemacht!

HYAZINTH: Ich hab es mir von Anfang an gedacht.

Doch wie rechtfertigt sie den Rauch v o r dem Rohr,

am Dienstagmorgen? Hier geht etwas vor!

JOHANNA: Dämpfen wir den Rest bei kleinem Feuer?

ROSENBL.: Wir dämpfen –

HYAZINTH:                      – ja, es dampfte ungeheuer!

Ich wollte euch nur zeigen, wie es geht,

wenn plötzlich Feuer im Zimmer entsteht.

Die meisten wissen nicht wohin,

so war’s bei Leipzig und bei Fehrbellin!

Wo eigentlich ist mein Zeitungsblatt?

Wer’s wieder in Benützung hat?

Liederlichkeiten und Schadenfreude,

seit vierzig Jahren so gut wie heute!

Ohne Bildungshunger und geistige Neugier

verwildert der Mensch zum reißenden Raubtier!

Wo ist sie? –

ROSENBL.: – Unter den Büchern, wie immer!

Wo sonst? –

HYAZINTH: – Die Unordnung wird täglich schlimmer!

Auch in der Welt! – Kam etwa die Post schon?

 

ROSENBL.: Noch nicht –

HYAZINTH:    – du siehst, zu Recht wächst mein Argwohn!

(Er hat endlich die Zeitung.)

Ist heute nicht Schlachttag? Ja es wird doch

                                                                geschlachtet!

ROSENBL.: Dienstag! Und er wird verlässlich beachtet!

HYAZINTH: Falls es noch mit rechten Dingen zugeht!

Wie ist es möglich, dass hier Mittwoch steht?

ROSENBL.: Ein kleiner Fehler, es wird verdruckt sein.

HYAZINTH: (lesend) Was die Menschheit alles

                                                     verschluckt! Nein:

„Der Fischverbrauch im nördlichen Kent

stieg im Mai um über zehn Prozent.“ –

Stell dir den Berg vor, von Fleisch zumeist,

durch den sich täglich nur eine Kleinstadt beißt:

Es würgt einen geradezu in der Kehle!

Die Fressgier wächst! (Pause) Nun hör diese Stelle:

„In New York haben Studenten die Nahrung verweigert,

sich in Hungeranfälle hineingesteigert,

weil Hasenfleisch gestunken haben soll.“

ROSENBL.: Hasenfleisch! –

HYAZINTH:                      – Das ist ja toll!

Stell dir vor, da ist ja heutzutage

ein Huhn im Topf eine Überlebensfrage!

Johanna! Vom Paprika: eine Kuppe vom Daumen!

Der rote Paprika kitzelt den Gaumen!

Ich meine, ich will, um dies selbst auszuhecken,

zur Küche: die dampfenden Glieder abschmecken.

 ROSENBL.: Mit Maß! Du naschst! Ja bald ist nichts

                                                                 mehr da!

HYAZINTH: (zu Johanna) Ahnst du, wie wichtig Paprika

für Herz und Nieren ist? Als Gaumenschmaus!

(besieht die Hühner) So ist es recht! –

JOHANNA:                      – Ich mach mir nichts daraus.

HYAZINTH: Du lehnst ihn ab? –

JOHANNA:                              – Er brennt die Kehle.

HYAZINTH: (nickt) Und tötet die Lust an dieser Stelle,

er lässt dich leiden! Was ist zu tun?

Der Mensch lebt nicht allein vom Huhn.

So wollen wir das Übel an der Wurzel fassen:

Du sollst mit Brot und Bohnensuppe prassen!

JOHANNA: Ich meinte –

HYAZINTH:                  – jeder lebt nach seinem Willen,

du möchtest deinen Hunger auf diese Weise stillen,

das wolltest du doch sagen?! – Ohne Zank:

Du isst, was dich satt macht, und bleibst dabei schlank.

Doch würze mir gut, ich mag es scharf durchsetzt,

dass es das Maul zum Hecheln hetzt,

das Wasser strömt von jeder Seite,

entführt die Zunge auf die Gaumenweide,

wo sie das Feuer lustvoll leckt

und im Verbrennen noch die Spitze streckt.

Voran! Man kann sein Recht verwirken,

wenn man nicht eilt! Das dampft wie bei den Türken

und – schmort! (in die Stube gehend)

                                  Mein Rosenblüthchen, ach,

das Rebhuhn, riechst du’s? –

ROSENBL.:                          – Mir wird ganz schwach –

HYAZINTH: Dies macht dich stark, und dieses Sößchen,

es tröstet uns, mein Blumenkohlröschen!

Bis es so weit ist, bloß nichts übereilen,

will ich dir Zeitliches mitteilen.

Hier steht: „Zehn Kopfjäger Borneos,

halbwüchsig und kaum vier Fuß groß,

haben zwischen Weihnachten und Silvester

bei lebendigem Leibe einen Earl, of Leicester, („Lester“)

aus purer Esslust durchgebraten.“

Unglaublich dieses! Allein der Schaden,

den diese Strolche dabei anrichten!

Man möchte auf jegliche Nahrung verzichten!

Zum gebratenen „Earl of Leicester“ freilich,

das ist ein Verstoß, gehört hier kein Beistrich!

ROSENBL.: Nun hab ich’s: den Pfarrer! –

HYAZINTH:                                     – Den Earl of Leicester!

ROSENBL.: Den Pfarrer, warum nicht den Pfarrer,

                                                                      mein Bester?

HYAZINTH: Hier steht „der Earl of Leicester“, bitte!

ROSENBL.: Wir laden den Pfarrer, so will es die Sitte!

HYAZINTH: Der Earl of Leicester, nun bitte

                                                           überzeuge dich!

ROSENBL.: Denn über den Teller in Demut beuge dich!

Warum nicht den Pfarrer? –

HYAZINTH:                         – Weil hiersteht „of Leicester“!

ROSENBL.: Ja hätte man Kinder gehabt –

HYAZINTH:                                            – zwanzig Nester!

ROSENBL.: Dann hätten wir Gäste genug im Haus,

den Pfarrer, die Rotschilds, die schlüge ich aus!

HYAZINTH: Da liegt der Hase ...

ROSENBL.:                               ... im Pfeffer, Hyazinth!

HYAZINTH: Beileibe, ich bin erschüttert: ein Kind!

Nun gut, wir hätten eins gemacht:

Wie, Rosenblüth, hast du gedacht,

es aufzuziehn, es zu ernähren,

dein Muttertrieb in allen Ehren,

und zu erhalten bei den Hungersnöten,

die solche Dinger schlankweg töten!

Auch selber nähr dich redlich, steht geschrieben,

was wäre ihm denn übriggeblieben?!

Und dann: bei einem bleibt es selten,

das kennt man, wie sie sich selbst schelten:

Denn wer dem Geschmack einmal nachgibt,

sieht bald, wie schnell sich das nächste Balg

                                                        nachschiebt!

Wie soll ich dein Wort auslegen:

den Pfarrer hier und dort den Kindersegen?

Die Logik dieser Rede macht mich ungeduldig!

ROSENBL.: Du bist es deinem Stand und Ruf schuldig,

ihn herzuladen. Spricht man schon davon!

HYAZINTH: Wer spricht? –

ROSENBL.:                      – Die Fuggers, Vater und Sohn!

HYAZINTH: Der Sohn –

ROSENBL.:                – die Rippendrops in jedem Falle

und auch die Rotschilds, kurzum alle!

HYAZINTH: Spricht man?! Man muss sich wohlhabend

                                                                       nennen,

um einen Schwarzrock nähren zu können.

Und was du tust, tu ganz, so heißt es;

ein halbes Huhn nützt nichts, du weißt es!

 

                  

                      VIERTE SZENE

 

(Er schlägt einen Gong an.)

Bei diesem wohlvertrauten Klang

erschaure ich –: der erste Gang?

Was gibt es vorher? –

JOHANNA:               – Gürkchen und Speck.

HYAZINTH: Aha! (zu Rosenblüth) Du naschst! Du nimmst

                                                               hier nichts weg!

ROSENBL.: Soll ich verhungern? –

HYAZINTH:                                  – Vom Huhn ist auch da,

das heißt: iss viel von diesem Bauchspeck da,

er ist gut! Wer arbeitet, soll auch essen

und sich zuweilen mit Schweinespeck messen:

nicht nur, weil er den Magen gut stopft,

den Hunger tilgt ... (da man klopft) ... es hat geklopft!

              (Johanna verschwindet in der Küche.)

ROSENBL.: Es hat –

HYAZINTH:           – beileib, es muss am Speck liegen!

Es klopft, und gierig wie die Fliegen:

schon sind sie da! Entführen diesen Bauch,

die Gürkchen, die Hühner und alles andre auch!

Nun öffne schon, sie schöpfen Verdacht,

dass man sich verbirgt und darum nicht aufmacht!

Verwundert, warum du so gackerst, flennst

und wie ein kopfloses Huhn umherrennst!

So öffne doch! Was fällt dir ein?!

Sofort, du wirst ...!

              (Die Nachbarin kommt.)

                                ... Mit Gott herein!

NACHBARIN: Dass es das gibt, die Schwarze:

                                                           die Kassandra

hatte zwölf Küken –

HYAZINTH:            – die Schwarze? Die verstand’s, ja.

NACHBARIN: Und jetzt, o Gott, entsetzlich, Nachbar!

HYAZINTH: Der Geist bewegt die Welt, sehr wahr!

NACHBARIN: Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht ...

HYAZINTH: Man bringt’s in Erfahrung! –

NACHBARIN:                                        – Es ist zu spät!

HYAZINTH: Ist’s doch nicht die Schwarze? –

NACHBARIN:                                             – Heut früh: 

von der Katze geholt: Ihr Lusticru! (sprich: Lüstikrü)

Ich hab es gesehen –: drei hat er gefressen!  

HYAZINTH: Bei der Teuerung –: Das hat er nicht

                                                                  vergessen!

NACHBARIN: Die Augen hab ich offen: Er hat sie

                                                                   verspeist!

HYAZINTH: Dann sind es noch neun, wie die Logik

                                                                    beweist:

eine Kunst, die schon die Griechen beschäftigte

und die sie bei Schicksalsschlägen wieder kräftigte!

NACHBARIN: Ein Schlag auf den andern, und wie ich es

                                                                      deute ...

die gerupften Rebhühner gestern – und heute ...

HYAZINTH: Aber nehmen Sie auf einen Augenblick Platz,

wir kochen Brotsuppe ...

NACHBARIN:               ... nun ist’s für die Katz! 

HYAZINTH: So ist’s. –

NACHBARIN:           – Ich wollte ursprünglich ein Huhn

– köpfen, uns etwas Gutes antun,

aber jetzt, wo ...

HYAZINTH:      ... es weniger sind, vor allen Dingen:

muss das eine für das andere einspringen!

So ist es gut: Sie lassen’s noch legen,

und der Schaden bringt dreifachen Eiersegen.

Üppiges Leben schadet auch den Nieren,

Sie sollten unsere Suppe probieren!

NACHBARIN: O danke, ich muss mich um die Hühner

                                                                kümmern!

HYAZINTH: Sie meint: der Schaden kann sich leicht

                                                         verschlimmern?

ROSENBL.: Nein, mehr frisst er nie auf einmal –

NACHBARIN: Dieser ... seltsam, dieser Duft überall!

HYAZINTH: Eine heilige Zahl ist diese Neun:

Es könnten viel mehr Planeten sein,

was dahintersteckt –

NACHBARIN:           – Lusticru, ich bin sicher!

HYAZINTH: Die Griechen und andre, so sagen’s die

                                                                  Bücher!

NACHBARIN: Die Augen hab ich offen –

(da er die Serviette abbindet) – doch nicht meinetwegen!

HYAZINTH: O schon, und ich will sie beiseite legen:

Man weiß, was die Höflichkeit gebietet.

Ich hoffe, die Rede hat Sie nicht sehr ermüdet?!

Die Inder etwa begraben ein Rind

erst dann, wenn neun beisammen sind.

Und die Römer hätten den Kalender bereits

in neun Monate geteilt, wär’s andererseits

nur möglich gewesen ... Rosenblüth,

jetzt deckt man den Tisch – und sie isst mit!

Möchtest du nicht die Suppe auftragen,

der Schaden ist da! Was könnte man drauf sagen?

NACHBARIN: Es ist reizend, so gelehrt mit Euch zu

                                                                sprechen,

doch die Arbeit ...! Ich muss das Gespräch abbrechen.

Merkwürdig – dieser Duft – überall ...!

ROSENBL.: Jetzt fällt es mir auch auf ... auf jeden Fall –

HYAZINTH: Ich merke es auch –

ROSENBL.:                              – es muss draußen sein!

NACHBARIN: Wie Huhn! –

HYAZINTH:                    – Ja doch ...

ROSENBL.:                                    – Zum Fenster herein!

Nach Küken riecht’s ...

HYAZINTH:               ... richtig: nach Küken!

ROSENBL.: D e r Teufel! – lass sich noch einmal blicken!

Hat er vielleicht schon ... er hat schon ein viertes!

Ein Unglück, ja eine Tragödie wird es!

HYAZINTH: Wer wollte die Katze? –

ROSENBL.:                                    – Ich nicht! –

HYAZINTH:                                                      – Ja ich?

Johanna! Nun siehst du’s: sie ist liederlich ...

und reichlich frech in letzter Zeit!

Nachbarin, so ein Luder! Es tut uns leid.

Willst du jetzt nicht die Suppe erhitzen,

für den Schaden?! Das lass ich nicht auf uns sitzen!

NACHBARIN: (hastig) Die Rapünzchen sind noch nicht

                                                                     zerzupft,

es geht auf zwölf –: und noch nichts gerupft!

Auf ein andermal –

HYAZINTH:            – Gott gebe ihr Kraft!

Und Vertrauen wie mir in die Wissenschaft.

Sie kommt wieder einmal auf ein Süppchen?

NACHBARIN: Oh ... es muss nicht sein! –

HYAZINTH:                                        ... auf ein Rippchen!

NACHBARIN: So ein großer Haushalt: ganz allein,

das will ja auch geschafft sein!

Die Hühner, auch die Enten machen Arbeit –

HYAZINTH: Nein aber auch, das tut mir leid!

Enten, die kleinen Dinger ... unsäglich!

NACHBARIN: Und vermehren sich wie die Karnickel, fast

                                                                           täglich!

HYAZINTH: Kar ... die! –

NACHBARIN:               – Nein, Kleinigkeiten sind’s nicht!

HYAZINTH: Da wäre ein Süppchen das rechte Gericht?!

NACHBARIN:  Nein, diesmal nicht ... das ist doch nicht

                                                                            nötig!

HYAZINTH: Ich meine, der Schaden –

NACHBARIN:                   – der Schaden ist nicht tödlich.

HYAZINTH: Beileibe, und Sie weiß, wie es gemeint ist.

NACHBARIN: Wir kennen uns doch –

HYAZINTH:                                 – dass man sich feind ist:

wozu?! –

NACHBARIN: – Wer denkt’s? ... die Kleinigkeit!

Vielen Dank und noch schöne Ferienzeit! (ab)

HYAZINTH: (ruft ihr nach) Ja dann, gesegneten Appetit! –

Ja glaubt sie, man nimmt ihre Hühner mit?!

Die Esslust kann einem dabei vergehn!

Fast zwölf, und noch ist nichts geschehn!

Komm ich denn heimlich in ihren Stall?

Was sie sich denkt! – Ein Hungerleben ohne Mahl!

 

                      FÜNFTE SZENE

 

Gesetzt, ich begradigte inzwischen den Speck,

was meinst du: die Seiten entlang etwas weg?

Dies formte gefällig sein würziges Wesen,

ich meine: ich sollte noch ein Stück essen!

ROSENBL.: Gewiss, Hyazinth, du solltest vielleicht –

HYAZINTH: Ich hielte mich zudem, da das Rebhuhn noch

                                                                           weicht,

für alle Fälle etwas schadlos,

so will ich es tun und bin nicht tatenlos.

ROSENBL.: Auch mich hungert,

                        (geht zur Küche)                 

                                                ich treibe das Huhn an,

will sehn, was man ihm sonst Gutes tun kann!

                  (Sie nascht.)

HYAZINTH: Rüstet es zu! Umnudelt und fettreich!

Rasputin! Salze! Am Ende ist’s doch weich!

Legt ihm scharfe Gewürzwickel an –

... hungert? Wen, was? ... Was machst du dran?!

(beunruhigt) Sie wird sich doch nicht ... he, Rosenblüth!

Warte noch, dass es auch richtig geschieht!

                   (Er eilt zur Küche.)

ROSENBL.: Es wird, Hyazinth ... wenn der Dampf sich

                                                                  verliert ...

HYAZINTH: Es wird, was heißt das: es wird, es wird!

ROSENBL.: ... ist alles gar –

HYAZINTH:                        – die Nudeln, sieh da:

             

               Es wird –

ROSENBL.:           – Hyazinth! – 

HYAZINTH:                              – Ei, die da!

Versuch ich eine?! – 

ROSENBL.:            – Halt, nein! Nicht zuviel!

Du bist von Sinnen! – 

HYAZINTH:              – Ich bin am Ziel!

(Er greift sich eine Nudel und rühmt sie überwältigt:)

 

               Hymne auf eine Nudel

 

O Ambrosia, nektarne Nudel – du o mir!

Längst safrangelb und butterreich, welche würzig hier

du bist, schlangengeschmeidiger und wurmgewundener,

Prächtige du – o du sultaninisch runder

samtener Wollustschenkel, salbei- und salz-

durchwirkter Gleiter: hinab mir in den Hals!

Zitternde, du zierlich byzantinisches Ohrgehänge,

ja, ich fühle deine Größe, deine ungeheure Länge:

Denn du hast mich durch den Hals schon offen,

doch öfter heimlich in meinem Innersten getroffen!

 

ROSENBL.: Hyazinth, nicht zuviel! Genug! Es wird!

 

HYAZINTH: (in inniger Zwiesprache)

Wenn du, ach, der Zunge Lust, vom Wasser weggeführt,

seidig Gesalbte, von den Zähnen verschont bist

und, beschwingt von geblähtem Gaumensegel, list-

voll vorbei schon an verfänglichen Mandelklüften,

im Rachen der Charybdis stockst und oben in den Lüften

ihn brausend erahnst: den zugigen

Schneuz, der dich skyllisch anzieht, den weißbugigen:

Dann nichts wie hinab den gurgelnden Urschlund,

allzu dem dunklen Ziel, röhrenrund

geleitet und gelenkt, du: Leibhaftige ...

              (Er erschrickt, da es klopft.)

ROSENBL.: Schnell! Hyazinth! ... die Hühner ... nun mach!

HYAZINTH: Eine Verschwörung! –

ROSENBL.:                                 – Geh schon, sieh nach!

HYAZINTH: Bald zwölf! In der Ordnung, dass man sich

                                                                          sättigt!

Sapperment, ich bin ganz erledigt.

Die Töpfe dampfen, und der Gaumen wird genarrt!

Zur Mittagszeit! Das ist doch keine Art!

Ich magere ab! Beileib, was ist los?

Man nimmt mich aus! Schau nach, Ross!

Was steht du hier und ... feilst ... Maulaffen?

Es fehlt noch, dass sie durchs Fenster gaffen!

                  (Sie schaut nach.)

Zwölf ist, dass zwölf ist, in allen Fällen!

Ja kann man den Dunst nicht abstellen?

JOHANNA: Die Füllung, Herr Hyazinth, das Innere!

HYAZINTH: Dann schließ doch die Tür! – Nicht nur das

                                                                     Dünnere,

richtig –: dass auch das Dicke gart,

wie garte es denn, wenn man an Hitze spart?

ROSENBL.: Ein Schüler, sagt er! Du wirst staunen!

Er habe von dir gelernt –

HYAZINTH:                    – Bubenlaunen!

 

 

ROSENBL.: Sagt er –

HYAZINTH:             – aha, ich fühl ihm auf den Zahn.

Herein mit ihm! Sanft will ich ihm nahn

und ihm einen gewaltigen Schrecken einjagen.

Na warte! Herein! Du kannst es ihm sagen.

                    (Er tritt in den Hintergrund.)

ROSENBL.: (gekünstelt) Werter Herr, nun gehn Sie schon

                                                                             hinein,

Herr Hyazinth wird gleich zur Stelle sein.

Ich bitte nur, dass man die Schuhe abstellt!

Der Schnee ...! Und eine Stube ist kein Schlachtfeld!

HYAZINTH: Ha, Schlachtfeld! –

ROSENBL.:                         – Ich habe in der Küche zu tun!

Wenn Sie Platz zu nehmen geruhn.

 

SCHÜLER: (zieht die Schuhe aus und stellt sie vor den

Ofen)

Hier bin ich also ... he, Schulmeister!

Ist niemand da? ... Als Weitgereister!

HYAZINTH: Der Fugger! Nein, sieh da: den Gecken!

SCHÜLER: Spricht jemand hier? Ich kann niemand

                                                              entdecken!

Nämlich: ich bin hier! ... He Frau! ... Johanna!

HYAZINTH: Das Bild – er erkennt sie: Grundbildung

                                                                     ist da!

SCHÜLER: Der Gamsbock wird sich schon zeigen –

HYAZINTH:                                                   – Bube!

(tritt vor) Da versaut mir einer leibhaftig die Stube!

SCHÜLER: Sieh da: Er ist es, das alte Gesicht!

HYAZINTH: Du warst im Aufsatz der Schlechteste nicht,

in Erdkunde aber ...! War es nicht so?

Wie war denn die Sache mit ... Waterloo?

SCHÜLER: Sieh da! Und noch leibhaftig der Alte,

noch immer gut im Schuss, dass Gott ihn erhalte!

Weit bin ich gereist, bis zum Bosporus,

nämlich ich habe die Welt zu Fuß

und im Geiste durchwandert: in- und auswendig

und einen Hunger jetzt, und hier riecht es anständig!

Beim Großmogul von Bagdad, den ich sah:

nämlich der Johanna wegen bin ich jetzt da!

HYAZINTH: Gereist also bist du! Doch auf den Socken

kommt Er daher! Hinter den Ohren kaum trocken!

SCHÜLER: Aber Sie sind’s! Wahrhaftig derselbe!

Verändert komme ich zurück, von der Elbe,

Weser, ich erkannte die Donau,

den Tiber, die Tugend und zum Lohn eine Frau!

Ich will nicht sagen, ich hätte nicht gelitten!

Ich sah mich um: auf Kamelen, auf dem Schlitten,

man hat mich sogar auf Händen getragen,

man hat mich geehrt ... und so wollte ich fragen ...

HYAZINTH: Fragen? Zum Lehren ist er eingedrungen!

Auch gut: Sie zwitschern selbst, die Jungen!

SCHÜLER: Das ist zuviel gesagt. So war es nicht gemeint:

Den Großen war ich Gast, die Kleinen mir oft feind,

ich bin in Bagdad unter Säulen gewandelt,

ich habe in Armut mit Knöpfen gehandelt:

Ich bin verändert zurückgekehrt!

HYAZINTH: Gehäutet, gestopft, genudelt: drum gelehrt!

 

SCHÜLER: Die Welt, ich sah sie –

HYAZINTH:                                – sie lag dir zu Füßen

wie ein gerupftes Huhn und lässt mich grüßen!

SCHÜLER: Ein kluges Wort: von einem Meister, der

                                                                         Ihr seid!

ROSENBL.: Das Essen ist fertig – wir sind gleich soweit!

HYAZINTH: Jawohl, gleich sind wir fertig, ein Segen!

SCHÜLER: Ihr wisst, man lernt sich in der Welt bewegen,

man kommt herum, weg von zuhaus –

HYAZINTH: – und über seine Haut nicht hinaus!

SCHÜLER: Sie dehnt sich, ohne dass sie gleich springt,

wenigstens, wenn man es zu etwas bringt!

HYAZINTH: Bleibt Er bis über beide Ohren

beim gleichen Schafskopf! Du hast ihn nicht verloren!

SCHÜLER: Ich hab es weiter gebracht, was bekannt ist!

HYAZINTH: Ob es nun hier – in einem anderen Land ist:

Das Wissen der Bücher bleibt überall das gleiche!

Die Leiter: dass ich’s herunterreiche!

(Der Schüler legt eine Leiter an, Hyazinth holt ein Buch.)

 

                          (in der Küche)

ROSENBL.: Zum dritten Mal – meine Ungeduld wächst! –,

dass du den Kopf durch die Türe steckst!

Wahrhaftig, gleich zwölf! Das ist kein Benehmen,

ein Eigelb und Salz, du solltest dich schämen!

Das dampft hier wie in einem Stall, das Gemüse

aus dem Topf jetzt! Vom Pfeffer eine Prise!

Wie kommt denn die Suppe hier auf den Herd?

JOHANNA: Gott geb’s, dass sie ihm kräftig im Bauch

                                                              herumfährt!

Ich hab sie nicht umsonst aufgesetzt!

ROSENBL.: Seit wann solche Suppen? –

JOHANNA:                                     – Seit heute und jetzt!

ROSENBL.: Das denkst du dir aus, du naschst wohl gern!

Johanna, du hast einen sehr schlechten Kern!

Ich denke, wir müssen dich kürzer halten.

JOHANNA: Das ist nicht recht! –

ROSENBL.:                               – Ihr stürzt uns Alten:

weil ihr der Völlerei, nicht dem Vorbild frönt,

euch Essgelüste an-, statt abgewöhnt!

 

                        (in der Stube)

HYAZINTH: Das kann man sich denken: Bagdad hast du

                                                                           gesehn,

du hast dich eingemischt ins Weltgeschehn!

SCHÜLER: Ich kam zu Ihnen mit guten Vorsätzen –

HYAZINTH: aus Bagdad als Säulenheiliger von den

                                                                 Vorplätzen!

SCHÜLER: Lassen wir Bagdad! – 

HYAZINTH:                             – Aber das Schlaraffenland:

Hast du’s gesehen und hast du’s gleich erkannt?

Wo einem die Tauben gebraten ins Maul fliegen,

die Lämmer mit gesottenen Lebern herumliegen,

wo das Verb – und der Schüler ungebeugt bleibt

und es deinesgleichen drangvoll unter die Bank treibt!

Hast du das auch gesehen, die sieben Weltwunder:

die Gärten der ...? – 

SCHÜLER:              – Senfiramis ...

HYAZINTH:                                  – Aha! Waren darunter!

Richtig, Rosenblüth ... etwas Senf noch ... wartet!

Dass uns die Soße nicht entartet!

          (Er zeigt dem Schüler ein Skelett.)

Der Mensch! Betrachte ihn einen Augenblick,

ich komme – ein lehrreiches Feld! – gleich zurück!

                 (geht zur zur Küche)

Donner, riecht das saftig, würzt es mit Gefühl,

vergesst nicht die Füllung, verpasst ihr Petersil!

Die Speckstückchen mehr in die Tiefe des Gefäßes!

Sie sind das Schmieröl des Verdauungsprozesses.

Johanna, setz dem Schüler eine Brotsuppe an

und pfeffere gut, er mausert sich zum Mann!

JOHANNA: Eine Brotsuppe, dem? – 

HYAZINTH:                                – Was? – 

JOHANNA:                                      – Es ist zum Lachen!

HYAZINTH: Ich werde dir, du Miststück, Beine machen!

Röschen, sie hat zuviel Bitterstoff im Blut:

Sie fastet! Du selbst: iss vom Speck, er ist gut!

Und labe dich behutsam an der Nudel Enden,

ich will mich noch dem Gockel dort zuwenden.

(Er beobachtet den Schüler, der einen Schuh anzieht.)

 

                        (in der Küche)

ROSENBL.: Speck? Was tut’s, wenn ich ein Schenkelchen

                                                                             koste!

Mir knurrt der Magen, so könnte ich zum Troste,

es ist ja nicht viel, etwas Haut abschälen,

bei so viel Fleisch wird ein Schenkel nicht zählen!

Ich möchte endlich eines von dir hören:

Was hast du mit dem? –

JOHANNA:                    – Nichts! Das kann ich schwören!

ROSENBL.: Ich meine zwar, ich wüsste es besser,

die Liebesbriefe? Nimm dort das Messer,

schneid die Zwiebeln in Scheibchen und kein Gesicht!

Briefe, na sag schon, wir beißen dich nicht!

 

                         (in der Stube)

HYAZINTH: Nun, mein Sohn, reden wir zur Erbauung

über den Menschen, was weißt du von der Verdauung?

SCHÜLER: Ich will es gerne lernen, andererseits ...

HYAZINTH: beginnt sie im Mund mit der Zerkleinerung

                                                                        bereits,

wenn dort das Wasser zusammenläuft!

Zunächst wird die Speise im Magen gehäuft:

Betrachten wir es hier – und durch dessen Saft

verätzt, zersetzt und durchgeschafft:

ob ein Huhn oder ein Hase mit Salbeiblatt ...

und gerade, wenn man einen Hasen im Leib hat,

fühlt man sich wieder als Mensch und neu! –

Vor allem in den Eiweißkörpern wird dieser Brei

„gelockert“... reich mir den Stock dort!

Nun, mein Sohn: etwa hier – fahren wir fort –

presst sich das Gemisch mit einigem Druck

in den Zwölffingerdarm (er kneift ihn)! –

SCHÜLER:                                          – Jetzt ist es genug!

(einlenkend) Ich kann nicht ganz folgen ...

HYAZINTH:                                 – Das ist kein Benehmen!

Die Dünndarmverdauung –

(hält ihn fest, da er wegwill) du solltest dich schämen! –,

weil hier die Galle die Fette auflöst

und bittergelb aus der Blase hinzustößt:

ist lebenswichtig! –

SCHÜLER:             – Lassen Sie meinen Arm!

HYAZINTH: (zornig) Die letzte Verwandlung vollzieht sich

                                                            im „Grimm-Darm“,

wovon man sich hier den absteigenden Ast,

dort den andern denkt, der nach oben fasst!

SCHÜLER: Mir schwindelt plötzlich ...

HYAZINTH:                                   – Merke, bauchabwärts:

hier: ist des Menschen zweites Herz!

Dabei haben wir vom Wichtigsten: von den Knochen,

den Knöchelchen dazu, noch überhaupt nicht

                                                               gesprochen!

Und ich rate dir: befass dich vor allen Dingen

auch mit der Heilkunde! Ich will dir etwas bringen!

(holt ein Buch) Die Heilkunde ...

 

                         (in der Küche)

ROSENBL.:                             ... Zu fragen wäre in der Tat,

was es mit den Briefen für eine Bewandtnis hat!

JOHANNA: Warum? Ich hab sie bekommen –

ROSENBL.:                                                   – über Nacht,

wie eine Krankheit, von einem Bazillus gebracht!

Nur wenn es dieser ist? Ich wette –

JOHANNA: Ich wüsste nicht, wo ich ihn gesehen hätte!

ROSENBL.: Vielleicht, wer weiß, ein Hühnerdieb!?

JOHANNA: Das ist er nicht! –

ROSENBL.:                          – Du hast ihn lieb?

JOHANNA: Ich ...

ROSENBL.:        – Du kannst die Zwiebelchen überbrühen!

Man sollte dir geradezu die Haut abziehen!

 

                         (in der Stube)

HYAZINTH: Die Berberitze, einst Leibkraut jeder Hexe,

gehört zur Familie der Sauerdorngewächse.

Obwohl sie bekanntlich stark treibend wirkt,

eignet sie sich: hier ist es verbürgt –

„zur Behandlung bestimmter Durchfälle“,

richtig, und besonders ... da ist die Stelle:

„In treibender Hinsicht ist sie außerdem auch

bei Lebererkrankungen als Mittel im Gebrauch.“

Damit das Innere in Ordnung ist,

ist es dienlich, dass du dies immerfort liest!

„Die Früchte dienen zu Speisezwecken als Kompott.“

Eine vielseitige Pflanze! „Und als Essig ...!“

SCHÜLER:                                                – Mein Gott! ...

Wie das duftet! Ihre Frau muss meisterhaft kochen –

HYAZINTH: Der Fruchtessig hat dir in die Nase gestochen:

Man nutzt die Beere bei seiner Säuerung:

Essig treibt den Kreislauf zu ständiger Erneuerung.

Eine große Sache! Das Wissen von den Organen –

oder kennt Er’s schon? – lässt uns den Weltplan

                                                                    erahnen!

                     (Er befestigt eine Bildtafel.)

 

                         (in der Küche)

ROSENBL.: Nun kurzum, du kennst ihn! –

JOHANNA:                                      – Das ist meine Sache!

ROSENBL.: Ich verbitte mir den Ton! Ja was für eine

                                                                            Sprache!

Du beträgst dich neuerdings recht ungezogen!

Wir haben dich seit Jahren zurechtgebogen,

Hyazinth hat Einfluss auf dich ausgeübt,

dich wie ein Kind gezüchtigt und züchtig geliebt,

mit fester Hand, manchmal handfest, geleitet!

Wie nun, dass dich ein solcher Bursche erbeutet?

Ein Kerl von der Straße! Du willst uns wohl verlassen?

JOHANNA: Wir haben uns gern –

ROSENBL.:                                 – ja ist es denn zu fassen:

Du lernst hier was: Bedenke dies zunächst!

Und dann: dass Liebe aus Gemeinsamkeit erwächst:

wie bei Hyazinth und mir. Was legst du auf die Waage?

JOHANNA: Liebe! –

ROSENBL.:           – Nichts sonst? ... Das gibt böse Tage!

Wer ist’s? Er kommt nicht aus unserem Land?!

JOHANNA: Fast nicht ... in Bagdad – er ist hier kaum

                                                                         bekannt!

ROSENBL.: Bagdad? –

JOHANNA:                – Eigentlich von dort ...

ROSENBL.:                                                     – Franzose?

Frankreich, dächt ich, nach dem Schnitt seiner Hose!

JOHANNA: Franzreich nicht! (Sie schreit erschrocken auf.)

ROSENBL.:                                  – Der Franz! Natürlich!

Mein Gott! Welch Krautkopf und wie kreatürlich!

Ich ahne Schlimmes. Aber wie: er ist verkleidet?

Wohl ein Spaß? – 

JOHANNA:         – Er hat mich dazu verleitet,

ich dachte … ... er meinte: weil er Hyazinth kennt –

ROSENBL.: – das tun wir auch, das ist kein Argument!

JOHANNA: Wir dachten ...

 

ROSENBL.:            … ihr dachtet –

JOHANNA:                                 ... wir könnten Hyazinth –

ROSENBL.: übers Ohr hauen! –

JOHANNA:                             – Neinnein, wir sind ...

ROSENBL.: Zum Narren halten! Nun bitte, also was?

Wofür kannst du nichts? Du hieltst’s für einen Spaß?

JOHANNA: Ich dachte, Sie würden mich gehen lassen –

hingegen Hyazinth: er könnte es nicht fassen!

Ich sagte nein, Franz aber: es sei besser

und Hyazinth ... verlöre doch den größten Esser

und ...

ROSENBL.:   – Du schleichst dich wie ein Fuchs davon!

So schnell? Was ist der Grund? Der Nachwuchs schon?

JOHANNA: Der was? –

ROSENBL.:       – Du kannst es mir in Offenheit entdecken!

Nun, unter Frauen –: Ein Kind kann mich nicht schrecken!

 

                         (in der Stube)

SCHÜLER: (während Hyazinth ein Skizze entfaltet)

Ist hier nicht eine Johanna ... die mich stärkt?

HYAZINTH: Dass es so etwas gibt: hast du’s nun

                                                                  bemerkt?!

SCHÜLER: Ich hab’s. –

HYAZINTH:               – Aha! Das prüfen wir genau:

Dorthin! Zur Jungfrau! –

SCHÜLER:                     – Sie kneifen mich! Au!

HYAZINTH: (laut) Drum brauchst du nicht die Forschung

                                                                       zu stören!

Verfluchte Schreierei: ich kann das nicht hören!

 

SCHÜLER: Ungeheuer! –

HYAZINTH:                  – Ein treffliches Wort, mein Sohn!

Und machst du dir überhaupt ein Bild davon,

wie sich Mädchen deines Alters die Welt erschlossen,

packend, auf endgültige Weise und auf Rossen!

Heldenfleisch! – und sie war kein Kostverächter –,

der beste Saft der englischen Geschlechter:

verspritzt bis Reims und weit hinein

ins Becken von Paris: durch sie allein!

Durch ein Wunder nämlich, dem die Welt verfiel:

diesem einzigen, so gebeinten, gut durchwachsenen

                                                                        Profil!

SCHÜLER: Ungeheuer ...

HYAZINTH:                 ... dabei längst nicht alles gesagt!

Was war es denn mehr als eine Wochenendjagd

auf Enten, Fasane, auf Feldhühnchen, ei!

mit Nestaushebung der Jungen nebenbei ...

Ganze Herrscherhäuser: an einem Tag zunichte!

Und einfach so gerupft! Das ist Weltgeschichte!

(zu den Bildern) Des Lebens große und bleibende

                                                                    Gestalten!

SCHÜLER: Zwar ungeheuer ... doch ich will Sie nicht

                                                                     aufhalten.

HYAZINTH: Mit Geschichte musst du dich zuallererst

                                                                 beschäftigen:

Es wird deinen Geist im Übermaß kräftigen.

Wieviel Kinder hat zum Beispiel Napoleon

seinen Mätressen gemacht, oder weiß Er das auch

                                                                         schon?

 

SCHÜLER: Ich hab mich noch nicht damit befasst,

                                                             nicht gründlich –

HYAZINTH: – gerade daran hängt die Weltgeschichte

                                                                     stündlich!

Du siehst ihn dort: Schon feist und breit

wiegt er sich in fleischlicher Sicherheit.

Die Brust ist ihm, dem Großen, geschwellt,

vom frischen Sieg über die Frauenwelt!

Hätte der Kaiser in jenem schrecklichen Winter

für seine Armee gesorgt – statt für illegale Kinder,

mein Sohn, die Welt: was wär sie, was nicht!

SCHÜLER: Offen gesagt –

HYAZINTH:                    – welche Weisheit daraus spricht,

wird erst nach Jahrhunderten schattenhaft deutlich,

und schnell wieder versinkt’s: Alles Wissen ist zeitlich.

Drum merk dir’s, du wirst es noch brauchen können!

Doch will ich dir den Herrlichsten auch nennen:

Iwan den Schrecklichen! So etwas zu hören,

sollte dich in der Tat wie ein Huhn aufstören!

Indes, wenn man dir den Geist hervorlockt,

drängst du zur Küche und schweigst verstockt!

Als wär durch meine Nachforschung nicht längst klar,

dass Napoleon dagegen eine Genoveva war!

Wenn jener die Wolga auf einmal schluckte,

das Delta, dass der Weltgeist zusammenzuckte ...!

SCHÜLER: Es ist wohl wissenswert – ich bin heut weit

                                                                     gereist ...!

HYAZINTH: Und wurdest auf der Schlemmerreise rund

                                                                     und feist!

Erst v o m und dann a l s Speck geführt!

ER hätte dich glatt durchs Maul annektiert!

Nach solchen verborgenen Kräften musst du graben,

die die Welt geformt und verändert haben!

SCHÜLER: Ich halt es nicht mehr aus, ich bin am Ende!

HYAZINTH: Das verstehe ich nicht – hier: zehn weitere

                                                                          Bände!

Das heißt, ich sage dir, ich verstehe recht viel! –

SCHÜLER:  Das hab ich nie bestritten! –

HYAZINTH:                                   – Dann sind wir am Ziel.

Ist Bagdad schon untergegangen? –

SCHÜLER:                                       – Ach was!

Johanna! ... Bagdad war nur ein Spaß.

HYAZINTH: Johanna? Wir sprachen schon davon –

SCHÜLER:                                                      – eben nicht!

(Er reißt die Serviette, die über den Büchern liegt,

ungestüm weg und wischt sich damit übers Gesicht.)

HYAZINTH: Was – ! Halt! Zurück! Du Schafsgesicht!

SCHÜLER: Nach dem Verborgnen: sieh da! –

HYAZINTH:                                                   … Ignorant!

Zurück! –

SCHÜLER:  – Als hätt ich nicht längst erkannt,

dass Sie Speck – und Besteck! – zwischen den Büchern

                                                                          haben!

Das also sind die Kräftigungen, nach denen Sie graben!

Jawohl, ich bin nicht auf den Kopf gefallen!

HYAZINTH: Ignorant! –

SCHÜLER: (lacht provozierend) – So zu lesen, glückt

                                                                     nicht allen:

zwischen den Zeilen! –

HYAZINTH:                – Wenn Er lachen will,

HYAZINTH: halt Er die Hand vor den Mund und sei still!

SCHÜLER: Ich weiß nicht, ich wollte keinen Streit

                                                                      anfangen,

Verzeihung, die Johanna ist mir sehr nahegegangen.

HYAZINTH: So ist nichts verloren! Damit du es weißt:

Speck regiert den Magen, doch ihn regiert der Geist!

Ich habe probiert, in diesen körperlichen Dingen

Versuchung durch strenge Askese zu bezwingen!

Du meinst, weil du Bagdad gesehen hast,

dass du den Sinn solcher Übung sofort erfasst!

SCHÜLER: Ich meine nichts ... ich muss jetzt dann wohl

                                                                         gehen ...

aber ich kann unmöglich, ohne Johanna noch zu sehen!

HYAZINTH: Wir haben sie gemustert, in Einzelheiten

                                                                     besprochen:

charakterlich, im Wuchs, im Körperbau und in den

                                                                     Knochen.

Wir waren zu warmer Anteilnahme bereit,

doch nie zu leibhaftiger Unverfrorenheit

wie dieser: Ich zeige dir, wo man Schuhe hinstellt!

Jeder weiß, dass es Schnee in der Wärme nicht aushält!

Nimmst du sie endlich? Willst du dich wohl bücken!

Ich will dir die Bückzeit mit dem Taktstock überbrücken!

               (Er schlägt zu, als dieser sich bückt.)

Du Ignorant! –

SCHÜLER:     – Er wird bösartig! Einhalten!

HYAZINTH: Hand weg! Wer wird sich am Anfang gleich

                                                            das Bein halten!

SCHÜLER: Ich geh doch schon! ... ich werde alles

                                                                        erklären!

HYAZINTH: Nach diesem Streich! Ich lasse mich gerne

                                                                         belehren –

SCHÜLER: Er schlägt mich, Johanna, mein Gott!

                                                                   Der Wüstling!

HYAZINTH: Vielleicht wird mehr aus dir als ein Lüstling,

als ein Schulmeister – mit Gamsbart! Du Zehnmalkluger!

               (Der Schüler räumt das Feld)

Noch bin ich da! Du Schmutzfink, Aufmucker!

JOHANNA: Nein! Aufhören! Sie schlagen ihn ja tot!

HYAZINTH: Und nun: fertigt mir ein Kompott!

Hast du nichts zu tun! Mit Birnen, sage ich!

JOHANNA: Noch Hühnern geht es besser! Ich ertrag

                                                                          das nicht!

Sie haben keine Achtung: Dass es niemand mehr aushält!

HYAZINTH: Ich prüfe und packe zu, wo es fehlt!

Wo wurden die Weisen je anerkannt?

Man hat sie gesteinigt, die meisten verbrannt!

Rosenblüth, lass mir jetzt nichts verbrennen!

Sapperment, hörst du nichts? ... Die Hennen!

ROSENBL.: Aber ja doch! Himmel, was ist denn?

JOHANNA: Der Pfarrer aber –

HYAZINTH:                           – was: aber und wenn!

Nur durch körperliche Merkzeichen

kann man beim Menschen etwas erreichen!

JOHANNA: Ich weiß: das hat er anders gesagt!

HYAZINTH: Er hätte nichts anderes zu sagen gewagt!

JOHANNA: Oh, er hätte! –

HYAZINTH:                      – Über mich, Hyazinth?

JOHANNA: Dass Sie ein eingefleischter Sadist sind!

 

HYAZINTH: Waaas? –

JOHANNA:               – So wie Sie die Hühner essen,

sich gegen Gott, wenn sie Schüler quälen, vermessen ...

HYAZINTH: Hat er –? Nicht ungestraft wird er’s mich

                                                                        heißen:

Das werde ich ihm und auch dir beweisen!

Schau nach dem Ofen, Gans! Mich friert!

Heize mir ein! –

JOHANNA:      – Aber dass er explodiert!

HYAZINTH: Rosenblüth! –

ROSENBL.:                     – Was ist schon wieder!?

Der Deckel bleibt zu ... der Saft ... sonst entflieht er!

HYAZINTH: Was kaust du da? Du naschst erneut!

Du wirst doch nicht ...

ROSENBL.:                – Bist du gescheit?!

Ich schmecke ab, dein Nörgeln ist schrecklich!

Doch das Gespräch erfreute mich unsäglich,

du hast es leider auf einen Schlag beendet –

HYAZINTH: Er hätte uns noch die Hühner entwendet!

ROSENBL.: Du warst bedeutend –

JOHANNA:                                  – bedeutend laut!

HYAZINTH: Es zählt nur, dass man die Burschen

                                                           durchschaut!

(händereibend) Erst lernen sie nichts, vor allen Dingen

wollen sie einem dann noch was beibringen!

... So? War ich das? ...

ROSENBL.:                  – Du warst es, mein Lieber,

noch bist du den Aufmuckern bedeutend über!

HYAZINTH: Ein Sadist? War ich’s? –

ROSENBL.:                                    – Du warst voller List,

bedeutend, Hyazinth! –

JOHANNA:                  – Ein bedeutender Sadist!

HYAZINTH: Nanu, wer ist ihr wieder auf die Füße

                                                                       getreten?

ROSENBL.: Das Falsche verbrannte! –

HYAZINTH:                           – Dann soll sie mehr beten.

Ab in die Küche, wo du nicht störst!

Und weil du dorthin und nicht zum Pfarrer gehörst!

Läuft sie ihm nach! Sie soll sich schämen!

Röschen, wenn wir eine andre zu uns nähmen?

Dankbarer – und vor allem nicht so schlecht!

JOHANNA: O ja! Das tun Sie nur! Gerade recht!

(schimpft vor sich hin)

Bei diesem Urwelttier und von Ofen zugleich!

HYAZINTH: (der es gehört hat)

Rosenblüth, hörst du: das ist ein Vergleich!

Waaas! Sie wagt es! –

ROSENBL.:                – In die Küche jetzt!

Du gehst gleich morgen! Ich bin entsetzt!

JOHANNA: Und ob! Ich werde das Fenster aufreißen,

den Dampf in die Gassen lassen! Den topfheißen!

Dass sie’s wissen, was ich hier lerne!

Sie sollen’s wissen! Ich gehe gerne!

(Sie geht in die Küche, wo sie nascht.)

 

                     SECHSTE SZENE

 

HYAZINTH: Sie wird sich hüten! Ein vorlautes Ding!

ROSENBL.: Die hat ihre Sorgen, und die sind nicht gering.

HYAZINTH: Urwelttier! Was denkt sie, was sie ist:

Wo ein Sandwurm noch mehr Gehirn umschließt

ROSENBL.: Die Fuggers haben einen neuen ... immerhin!

Da hat sie recht – so erzürnt ich auch bin.

HYAZINTH: Sapperment: ein Familienstück

und geht beileib auf meinen Großvater zurück!

Das weißt du, und er hat jahrzehntelang

mit ihm geheizt! Von Anfang an!

Mein Vater baute einen neuen Abzug ein,

dann wird er für uns gut genug sein!

ROSENBL.: Er raucht, und so, dass es eine Schande ist!

HYAZINTH: Hab ich nicht Jahr für Jahr und mit List

 dir herrliches, duftendes Rauchfleisch erzeugt,

in Keller und Küche aufgebeigt,

vergiss es nicht! – 

ROSENBL.: (unruhig) – Hör den Lärm bloß,

geht das nicht leiser? Was ist mit ihr los!

Was sollen letztlich die Nachbarn denken!

HYAZINTH: Die Nasen in ihre eigenen Töpfe senken,

gefälligst! Aber was mir schon lange auffiel:

Der Duft ist vollkommen, zu Ende nun das Spiel!

Er liegt ordentlich im Zimmer jetzt,

Zeit, dass man sich ernsthaft zu Tisch setzt! 

ROSENBL.: Ja gewiss, es geht dem Höhepunkt zu –

HYAZINTH: … so hol ich die Hühner, die Tunke du.

ROSENBL.: Warte noch, bis der Dunst etwas abflaut –

auch der Speck ist ... noch nicht genug abgebaut,

du magst ihn –

HYAZINTH:      – halt, wir wollen überlegen:

den Pfarrer zu laden, ja ein Geistlicher bringt den Segen!

Ich habe, die Hühner werden uns nicht entrinnen,

dies ausgedacht –

ROSENBL.:          – bist du von Sinnen!

HYAZINTH: Wenn es für zwei reicht, reicht es auch

                                                                  für drei,

ein Pfarrer ist genügsam, nicht eigentlich dabei

und beispielhaft in der Art verhaltenen Gelüsts:

Wenn er die Schenkel als Letztes erst isst!

Du lädst ihn ein. –

ROSENBL.:          – Weißt du, was du sagst?

Wahrhaftig: für drei! –

HYAZINTH:                – So gehst du hin und fragst.

ROSENBL.: Bist du von Sinnen! –

HYAZINTH:                                – Rietest du,

mein Täubchen, mir nicht selbst dazu?

Und hattest recht! Du dachtest nämlich nach:

Dem Stande sind wir’s schuldig! Welche Schmach,

mein Herz, wir täten’s nicht! Das bittre Leben

mit bösem Ruf ...! –

ROSENBL.:            – Was wird das geben!

HYAZINTH: Mit vollem Bauch ist schlecht predigen!

Man kann, wenn er schlingt, sich seiner schnell auch

                                                                entledigen.

Sagtest du nicht, man rede schon unfroh?

ROSENBL.: Das ist ja entsetzlich! –

HYAZINTH:                                   – Ich meine es auch so.

ROSENBL.: Lass sie doch denken! Dass es dich schert!

Mein Gott, sie macht wieder alles verkehrt!

(eilt zur Küche) Johanna, was tust du, verbrennt etwas?!

JOHANNA: Ich würze nur –

ROSENBL.:                       – mit Maß, mit Maß!

Lass sehen: ein wunderbares Stück,

so recht zum Anbeißen ...

JOHANNA:                     – Tun Sie’s zurück!

ROSENBL.: Mach nicht deine Fischaugen, wenn ich

                                                              abschmecke!

Dreh dich um! – Ob ich’s zurücklege?

Hier fehlt ein Schenkel, auch die Seite,

Johanna, du bist ertappt! (essend) Ihr beide!

Das schmeckt noch besser als bisher,

wo krieg ich jetzt noch einen Schenkel her?

Die Hitze hat ihn ... zu Brustfleisch umgestaltet!

HYAZINTH: Und dass ihr mir ja die Hühner warmhaltet!

Was treibst du?! – 

ROSENBL.:          – Johanna gibt den Pfeffer dazu!

HYAZINTH: Wenn ich nicht danach schaue – im Nu

fliegen sie mir noch davon! – Sind sie gar?

ROSENBL.: Ich sorge schon dafür! Sei kein Narr,

geh, hol den Pfarrer! –

HYAZINTH:                – Das will ich,

doch meinen Hühnerhunger zuvor still ich:

Holt mir den längsten Hals herbei,

dass ich etwas koste, Pfeffer darauf streu ...

ROSENBL.: Hyazinth ... er wird sich bitten lassen,

du musst ihn biblisch und überzeugend fassen!

HYAZINTH: Dafür habe ich dich ausersehen,

eile du, er wird dich besser verstehen.

Sei demütig, wenn du dich neigst: ein Zwerg,

aber riesig und treffsicher mit dem Mundwerk!

 ROSENBL.: Man muss ihn klug – wie könnte ich’s? –

                                                                 zwicken,

ihn überzeugen zu den Hühnerstücken!

Wie dürfte er zeigen, dass er Hühner schlingt?

HYAZINTH: Was wiederum sehr überzeugend klingt.

Zu den Hühnern! – Ei, der Duft überall!

Wo sind meine Stiefel, das ist mein Fall!

Und ich sehe bereits, wie sehr es ihn zwickt,

wie sich das Lämmchen in meine Hand hineinschmiegt …

Die Hühner dürfen nicht zu lange schmoren,

es schadet den Organen, und zuviel geht verloren!

ROSENBL.: Hol den Pfarrer, ich decke uns in der Küche,

wie Weihrauch steigen die Küchengerüche!

HYAZINTH:  (geht in die Stube)

Den Pfarrer ... ich? Nein wie komme ich dazu?

Sie hat etwas vor ...

ROSENBL.:            ... (eilt her) Hier ist schon ein Schuh!

Dein zweiter ... es wird sich alles finden!

HYAZINTH: Er klemmt! Und er lässt sich nur mit Mühe

                                                                        binden!

Deshalb ... siehst du ... was hab ich gegen den Priester?

ROSENBL.: Er ist Diener Gottes – du bist der Magister!

HYAZINTH: Was nützt das mir ... zwar lässt sich’s hören,

so geht es nicht! – (Er kämpft mit dem Stiefel.)

ROSENBL.:          – Ihr müsstet euch verschwören!

HYAZINTH: Waaas? Was sagst du da? ... mit dem

                                                                    Schwarzrock?

ROSENBL.: Du wärest der Schäfer, er wäre der Schafbock.

HYAZINTH: Das wär er, er ist es! Das war sehr klug:

Was weiter? –

ROSENBL.:   – Ein Pfarrer ist dazu gut genug.

 

HYAZINTH: Jaja, wozu denn? –

ROSENBL.:                             – Dein Ansehn zu heben!

Dass sie dir Gesalzenes und Gepfeffertes geben:

aus freien Stücken! Weil es der Seele nützt:

weshalb e r bei ihnen zu Tisch sitzt!

Tut er denn etwas, dass er so beliebt ist?

Er macht ihnen Angst, worin er amtlich geübt ist.

Wenn er sich vom Dorf aushalten lässt,

warum nicht auch wir? Darum hältst du ihn fest!

HYAZINTH: Infam! Und wahrhaftig Gedankengänge,

an denen ich von Herzen hänge!

Weiß Gott, dass ich die Hände in Unschuld wasche:

Da wirtschaftet das ganze Dorf in eine Tasche!

Nicht schlecht, besonders wenn es der eigenen gilt,

und vor allem, wenn sie sich füllt!

Wir werden ihnen Pfeffer in die Augen streuen!

ROSENBL.: Nur Angst ...! –

HYAZINTH:        – Das ist’s, die müssen wir einbläuen

und ihnen den Ablass richtig schmackhaft machen!

Mein Hut, mein Stock! Sie haben nichts zu lachen

und werden wohl ab jetzt etwas schmächtiger geraten,

was tut’s? Es kann dem Denken nichts schaden!

Der Plan ist gut, ja, er ist schlau –

es fehlt nicht der geistige Überbau:

Wir haben zuerst ein Bedürfnis: das Fressen

und dann die Idee, dank der sie’s vergessen!

Und wenn sie weitermachen? Was nun?

Halt, so geht es nicht ... es liegt an den Schuhn!

Aber es geht wirklich nicht, Rosenblüth!

Es zwickt mich! Geh du, es ist nur ein Schritt!

ROSENBL.: Nun gut, der Herr spricht: „Mein ist

                                                              die Rache!“

Wir hören darauf – so ist’s seine Sache.

Aber du lässt dich von diesem Burschen reinlegen,

Sadist beschimpfen und empfängst noch seinen Segen!

HYAZINTH: So wiederum betrachtet ... meinen Kittel

                                                                     endlich!

ROSENBL.: Dein Zögern ist mir längst unverständlich!

Du kannst – willst du? – beim Bäcker ohnehin

auf einen Sprung vorbei: Wir haben kein Gustin!

So ein kleines, weißgefülltes Döschen –

HYAZINTH: Ich eile, ich eile, mein Blumenkohlröschen!

                          (Er geht.)

 

                      SIEBTE SZENE

 

JOHANNA: Himmel, ist er endlich fort!?

ROSENBL.: Er ist es! Er ist’s! Ach, welches Stichwort!

Stech ich noch ein Stück? Das Laster,

beileib, ich werde täglich vernaschter!

Ich kann’s nicht lassen, ich kann’s nicht!

Sie sind ein einziges Strafgericht!

Und was man anfängt, das muss man treiben.

Johanna, es ist gut, wenn sie im Topf bleiben!

Aber nasch nicht! –

JOHANNA:            – Ich pass schon auf !

ROSENBL.: Ich weiß, es nimmt einen bösen Verlauf!

Aber was man tut, soll man ganz ausführen:

Ich muss noch ein Stückchen, ich muss es probieren!

Wenn ich nicht einen Flügel versuche,

werde ich wütend, tobe und fluche:

Dies ist nach den Geboten böse und vermessen:

Ich habe keine Wahl, ich muss ihn essen!

We Glieder gekocht und gedämpft sind

und nie mehr so gut wie jetzt! Geschwind!

Ich beichte dem Pfarrer, dem heiligen Mann,

da kommt’s auf einen Flügel auch nicht mehr an!

Johanna, den Topf auf! Ich will ihn abschneiden,

naschst du?! – 

JOHANNA:    – Ich wollte das Herz zubereiten ...

ROSENBL.: Und ich will noch einmal das Ganze

                                                           abschmecken.

Das schwindet ja an allen Ecken!

Wie kommt es? Ich sehe so etwas sofort:

Der Hals war viel länger vorher, er schmort,

er fällt zusammen, bei Gott, er zergeht,

ich ess ihn lieber, sonst ist es zu spät!

Das Abschmecken macht mir einen ganz kranken Magen,

ich werde dir nächstens dieses Amt übertragen.

Was mach ich? Schon wieder! ... Ich werde lesen,

das lenkt mich ab. Ich darf nicht mehr essen!

(Sie setzt sich auf den Platz von Hyazinth.)

So also hat es ein Herr, ach wie schön:

Sie haben die Bücher und wir – das Nachsehn,

wenn sie klug reden, vor Geist sprühen –

von „Faust“ erfüllt (blätternd) ah und Hühnerbrühen!

(Sie liest:) „Die Brühe mit kalt gerührtem Gustin

binden ... und locker durcheinanderziehn ...

Das Huhnfleisch und die Champignons zerlegen,

die Ananas dazu ...“ Aha, sie strecken!

„In die Brühe geben, aufs Feuer stellen ...“

Ich bin dir auf der Spur! Zurück zu den Quellen!

„Darauf die gerösteten Raspeln streuen,

den Kenner wird das Ergebnis erfreuen!“

Aha, Hyazinth! .... Ich muss sie jetzt essen,

ich muss, ich kann nicht weiterlesen!

Wenigstens den Speck, ich begradige ihn nur!

Das Buch hat gewirkt, mein Geist ist in Aufruhr!

(Hyazinth imitierend) Ein schöner Speck, ein erbauender

                                                                        Speck!

Johanna! Sie rührt sich wieder nicht vom Fleck!

Du hast in deiner Haltung etwas gefährlich Keckes!

Liederlichkeiten hinsichtlich des Speckes

kann ich nun einmal überhaupt nicht leiden,

was sind das für Gänse, beileib was für Zeiten!

JOHANNA: Was ist los? –

ROSENBL.:                     – Ich äußere meinen Unmut!

Ich meine, dass mir der Speck jetzt guttut.

Etwas Pfeffer dazu, er beflügelt meinen Geist ...

O Gott, der Flügel! Trag auf, dass er mich speist!

Das Huhn, Johanna! –

JOHANNA: (Sie bringt den Topf.) – Was wird der Herr

                                                                       sagen?!

ROSENBL.: Wir spielen nur ein wenig, besänftigen den

                                                                       Magen,

bring sie her, was wird schon dabeisein,

hol eine Gabel und stimme gleich mit ein!

Wenn du dich, wie es scheint, bald vermehrst,

ist es sehr wichtig, dass du die Teller gut leerst.

JOHANNA: Mir ist es gleich, ich gehe heut noch!

Essen Sie die Hühner und seien Sie selbst Koch!

In meinen Mund – ich habe mich gebunden –

ist zum letzten Mal ein Huhn verschwunden!

ROSENBL.: Und weil dem so ist, verspür ich große Lust,

dass du sofort mit mir essen musst!

Nimm die Gabel, denn ununterbrochen

träum ich, ich hätt’s schon angestochen!

JOHANNA: Ich will mich bessern: Ich habe einen Freund!

               (Sie geht zur Küche.)

ROSENBL.: Man weiß bei ihr nie, was sie eigentlich meint.

Was hat man denn von diesen kleinen Dingern:

Sie zergehn mir zusehends unter den Fingern!

Vorher war noch mehr da ... ich werd ihm was erzählen!

Was bleibt er weg! Er soll sich eines stehlen!

(kauend) Und wenn ich das Fleisch in Stücke schneide,

gewinnt das Ganze im Topf an Breite ...

Der Duft! Ich will mir den Flügel leisten,

die Schenkel auch, sie reizen mich am meisten!

Aber was sag ich, wie ersetze ich sie?

Richtig: der gierig gesinnte Lusticru!

In der Tat! Und er hat sie ungelogen

mit triefendem Maul aus den Töpfen gezogen!

Zuerst der Nachbarin feiste Küken,

jetzt vergreift er sich auch noch an den besseren Stücken!

Es schmeckt wie Öl ... mein Zungenschlag

war lange nicht so kräftig! ... Wie käm es an den Tag?

Johanna! –

JOHANNA: – Ich verstehe nichts, es dampft so!

ROSENBL.: Wer schlug wen bei Waterloo?

JOHANNA: Einer den andern, ich bin nicht so gelehrt!

ROSENBL.: Der Stärkere den Schwachen – oder

                                                                     umgekehrt?

JOHANNA: Ein Huhn wird gerupft – der es rupft: isst es!

Das hat sich so bewährt. Ich meine, Ihr wisst es!

ROSENBL.: Da siehst du’s, dagegen lässt sich nichts

                                                                         machen,

es siegten zuletzt doch die fleischlich Schwachen.

JOHANNA: Ich frag mich nur, was Sie nachher erzählen!

ROSENBL.: Ich sage die Wahrheit, oder soll ich mich

                                                                      verstellen?

Sollte ich sagen, sie seien aufgeflogen?

O ein Huhn fliegt nicht weit: und es wäre nicht gelogen!

Weil sie abgebrüht Schlaraffenland spielten:

mit Gabeln im Kreuz durch die Fenster zielten?

JOHANNA: O ja, das wird er Ihnen glauben!

ROSENBL.: Kassandra wollte die Küken wieder rauben!?

JOHANNA: Sie wollen ihm die Wahrheit sagen?

Er bringt Sie um, er wird Sie erschlagen

in schrecklichstem Zorn! –

ROSENBL.:            – Wen? Mich? –

JOHANNA:                                  – Wen sonst? –

ROSENBL.:                                           – Johanna –: dich!

                             (Es klopft.)

Sie sind’s! Sie brechen wie die Wölfe ein!

Wohin mit dem Topf? ... Mit Gott herein!

           (Sie bedeckt den Topf.)

 

                

 

 

                      ACHTE SZENE

 

PFARRER: Seid fröhlich in Hoffnung und geduldig in

                                                                   Trübsal!

Ich sah es lange nicht – vor diesem Mahl,

mein Schäfchen! – 

ROSENBL.:          – Die Hausarbeit ist kein Spiel!

Es geht nicht alles, wie man will!

PFARRER: Ich will es meinen: Ich war soeben

auf dem Weg, die Beichtunterweisung zu geben:

Da sah ich plötzlich Hyazinth mir winken,

er lud mich zum Essen und auch zum Trinken.

Ich wollte es ihm nicht einfach abschlagen,

haben wir uns doch immer so herzlich vertragen!

Und ich dachte mir: bei der Gelegenheit

siehst du auch dein Schäfchen, es ist ja nicht weit!

Ich sah es lange nicht und um welchen Preis!

ROSENBL.: Die Hausarbeit ...

PFARRER:                             – Ich weiß, ich weiß ...

Ich möchte nicht den guten Anstand verletzen,

doch es tut wohl, sich ein wenig zu setzen.

Ihr habet da einen wunderbaren Duft im Haus:

Es fiel mir wahrhaftig schon vorher auf!

Es kommt von hier, und ich bin frohen Mutes:

Von Rosenblüth hört man und isst man nur Gutes!

ROSENBL.: Neinnein, nur Schriften ... diese Tücher ...

PFARRER: Dochdoch, von hier, fast bin ich sicher!

Ein Huhn? –

ROSENBL.:  – Neinnein, nichts in der Tat:

was Flügel, Hals und Schenkel hat!

Dagegen drüben, unsere Nachbarin ...!

PFARRER: So ist’s, ich müsste einmal wieder hin.

Lange hab ich sie vermisst beim Beten!

ROSENBL.: Ja wenn sie nicht so viele Enten hätten!

PFARRER: So? –

ROSENBL.:      – Ich will mich jetzt nützlich machen ...

   (Sie nimmt den Topf unter der Serviette mit.)

PFARRER: Recht so! Sie kocht ein paar tröstliche Sachen!

Ich warte geduldig auf das duftende Essen

und werde noch etwas in den Klassikern lesen.

Ihr habet da ganz treffliche Bücher:

(liest:) "Das Hühnerfleisch die Champignons“ ... Da bin ich

                                                                               sicher!

Man kann auch Fleisch mit Rosmarin betupfen!

ROSENBL.: Ich setz das Essen auf und will die Hühner

                                                                               rupfen.

PFARRER: Was? Sie sind noch nicht ...! Da mach ich lieber

noch einen Gang zur Nachbarin hinüber,

ihr Jüngster ...

ROSENBL.:    – Das kommt nicht in Frage!

Sie bringen mich in eine schreckliche Lage:

Erfreun wir uns des köstlichen Besitzes!

PFARRER: Dagegen lässt sich nichts sagen! ...

                                                          Potzblitz, es

ist etwas im Anzug! Wenn ich nicht aufpass,

ess ich kein Stück, und sie gibt mir noch den Laufpaß!

Wie war das eben: „die Ananas“ ...

ROSENBL.: (zu Johanna) Beschaff mir Hühner, tu was!

JOHANNA: Wo soll ich Hühner ... jetzt, um diese Zeit!

 

ROSENBL.: Es wird dir was einfallen, sie fliegen

                                                               nicht weit!

Geh schon, es laufen genug herum!

Soviel du willst! Nun sei nicht dumm

und mach! – 

JOHANNA:  – Ich habe nichts damit zu tun!

Ich habe einen Mann ...

ROSENBL.:                  – Ich sage dir: ein Huhn!

Geh schon! Ja willst du mich nicht verstehn?!

JOHANNA: Ich gehe weg! – 

ROSENBL.:                        – Das werden wir noch sehn.

JOHANNA: Und ob! Ich verlasse dieses Haus! (Sie geht.)

ROSENBL.: (zum Pfarrer) Gewiss, Sie kommen mir jetzt

                                                                    nicht aus!

PFARRER: „Darauf die gerösteten Raspeln ...“

                                                              Ach verzieren!

Ein schönes Rezept, wahrlich zum Studieren!

Nun Rosenblüth, was geschieht so in der Welt?

ROSENBL.: Ich muss fragen, was draußen so anfällt:

Ich komme kaum aus dem Haus ... die Arbeit!

PFARRER: In der Tat, ich sehe manches große Leid,

und ich muss sagen: sie nehmen das irdische Leben

viel zu ernst –

ROSENBL.:    – das ist es eben!

Und man liest Schlimmes in den Zeitungsspalten:

In New York haben Studenten sich der Nahrung

                                                              enthalten,

weil Hasenfleisch gestunken habe –

PFARRER: – Werte zu schätzen ist eine Gottesgabe!

ROSENBL.: Man isst überhaupt zu viel heutzutage,

Hyazinth führte heute schon heftige Klage –

PFARRER: Das irdische Leben wird viel zu ernst

                                                              genommen,

ich sagte es schon, und es fasten nur die Frommen!

Ganz Ihrer Meinung! Man kann sie daran messen! –

Sie schlingen und wissen nicht, was sie essen.

ROSENBL.: Auch Hyazinth meint es, und er meint

                                                                  erst recht,

dass unser Dorf zu viel futtert und zecht.

Denn jeder isst, sagt er, grob vier Pfund,

der Pfarrer extra, er sei besonders rund,

und als Respektsperson kann er mehr vertragen.

PFARRER: Potzblitz, das will ich durchaus nicht sagen:

vom Guten das Beste, doch alles in Maßen,

in der Woche von wenigen Hühnchen und Hasen!

Unsereins lebt noch in der Furcht des Herrn,

mit einem vollen Bauch predigt man nicht gern!

ROSENBL.: ... das geht in die Tausend und noch

                                                        etwas mehr!

Auch ein stattlicher Bauch trägt daran schwer.

Das sind ... enorme Geflügelfarmställe,

wenn ich nur die Hühner, die Hasen nicht zähle.

Und was es allein an Schrot bedarf,

jagt man die draußen und schießt scharf!

Hyazinth war erbost! –

PFARRER:                   – Er hat mich geladen ...

ROSENBL.: Jaja –

PFARRER:          – ist was? –

ROSENBL.:                          – Ich kann nichts verraten.

PFARRER: Sollt ich nicht lieber mich ein andermal laben

bei der vielen Arbeit, die Sie zusätzlich haben ...?

ROSENBL.: Wo denken Sie hin? Hyazinth wird auftischen,

und ein Gespräch in Maßen wird Sie beide erfrischen.

Ihm tut eine geistliche Besänftigung gut!

Ich weiß nicht, heut hat er den Teufel im Blut!

Besänftigen Sie ihn, er redet wie im Fieber,

das bisschen Arbeit mehr, ich tu sie umso lieber!

PFARRER: O Gott, ist er denn gar so ein Bösewicht!

ROSENBL.: Er wird Sie nicht gleich fressen –

PFARRER:                                               – das wohl nicht!

ROSENBL.: Obgleich manchmal: ist er wie ein wildes Tier,

schnuppert ... und leckt sich den Mund voller Gier,

manchmal meine ich dann wirklich, er frisst mich!

PFARRER: Das wird er nicht! Es ist unchristlich!

Dass er sich auch gar so entwickelt hat ...!

Ich will ihm entgegengehn, wenn er gleich naht,

das will ich! Im Gehn fällt mir manch Gutes ein,

wie ich ihn erweiche, den gottlosen Stein!

ROSENBL.: Ich versuch’s schon Jahre, ganz ohne Resultat.

Da hören Sie ihn selbst! Was er jetzt wieder hat!

Um Gottes willen, er ist nicht bei sich!

Hören Sie das an! –

PFARRER:              – Das hört man freilich!

HYAZINTH: Mit Gott herein! Der Gast ist eingetroffen,

auch das Gustin: das Döschen ist schon offen,

Rosenblüth, da ist es, verwende es reichlich:

ein Mondamin! Und macht den Menschen nicht weichlich.

Was hilft es ihm, wenn er die Welt gewönne

und nähme doch Schaden ... nun, ich kenne

aus den Büchern so manch schönen Satz!

Was rede ich lange, nehmen Sie doch Platz!

Ich will Euch gleich recht tröstlich erquicken

mit Suppe und mit trefflichen Hühnerstücken.

Hat doch auch Johannes beherzt,

der Evangelist, mit dem Rebhuhn gescherzt.

Unter uns: Wir werden ein Essen begehen,

ein Essen sag ich ...! Ja ist noch nichts geschehen?

Beileibe, Er kann sich’s noch nicht vorstellen,

aber wenn es losgeht, wird sich der Himmel erhellen,

schlechterdings, das ist das Große daran!

Die Tücher herbei ... gleich fangen wir an!

PFARRER: Soso ... ich dächte ... ich mache noch solang

zur Nachbarin, es ist nur Gewohnheit, einen Gang –

HYAZINTH: Und nun beileibe wird abgeschmeckt!

Sind sie fertig – warum ist nicht gedeckt?!

ROSENBL.: Hyazinth, es ist etwas Entsetzliches geschehn:

Lusticru hat sie entführt, ich muss es jetzt gestehn!

Kaum warst du aus der Tür, die du offenließt,

schlich er herein! So hast du sie eingebüßt.

Unser guter Lusticru! Mit Haut und Haar!

Sie sind fort! –

HYAZINTH:    – Was?! –

ROSENBL.:                  – Es ist wahr!

HYAZINTH: Was redest du, beim heiligen Nepomuk!

Was faselst du! Jetzt ist es genug!

Ich bring dich um mit Haut und Haar, Weib!

Du Gans, ich rupf dich bei lebendigem Leib!

Wo ist das Huhn, ich zerreiß dich, du Ross!

Du Lügnerin! –

ROSENBL.:    – O er geht auf mich los!

Zurück! Ein Scherz! Du verstehst keinen Streich mehr,

mein Hyazinth, ich zeig sie dir gleich her!

Mich töten ...! Ich habe sie nur bedeckt ...

sie bleiben heiß ... nun hast du dich erregt!

Ich wollte doch nur sehn, ob du dich freust!

Mich töten, Hyazinth, wenn du das nicht bereust!

Sie sind jetzt gerade im besten Saft,

der sich sogar zu den Hälsen herausschafft!

Nun sag, ließ ich dir je etwas abgehen?

HYAZINTH: Ah, mein Täubchen! Aber lass sehen,

wo sind sie denn? –

ROSENBL.:            – Du Hühnerschlinger,

in diesem Topf! Und um nichts geringer!

Sagt dir der Duft nicht gerade genug?

HYAZINTH: Jaja, es ist wahrlich ein trefflicher Anflug,

doch meinen Augen tut ihr Anblick auch wohl –

ROSENBL.: Sie tränen nur und sind dir von Dampf voll!

Die besten Dünste entweichen in die Gassen,

wo sie die Nachbarn nur falsch auffassen!

HYAZINTH: Beileibe, der Duft macht mich ganz

                                                                  benommen –

ROSENBL.: Ist nicht ein Gast zu dir hergekommen?

Kümmere dich, sorg dich, zeig dich gastlich,

Schamröte über dein Verhalten erfasst mich!

Und geh und schleif mir noch das Messer,

es will nicht schneiden, aber es schneidet gleich besser!

Wir brauchen ein gutes, wenn wir genießen wollen.

So mitten durch den Bauch, Hyazinth, durch den vollen!

Durch Speck und Gehacktes! Nun geh schon, eile,

dass ich das Huhn mit dem Messer zerteile!

HYAZINTH: So mitten durch den Bauch, mein Herz,

du hast recht! –

ROSENBL.:      – Ist es jetzt bloß ein Scherz?

HYAZINTH: Kein Scherz – grad mitten durch den Bauch!

Ich eile! ... und durch alles Innere auch.

(zum Pfarrer) Wenn man auf ihn listig einsticht,

enthüllt sich erst das göttliche Gericht!

PFARRER: Herr Hyazinth, lassen Sie das Messer!

Es ist gefährlich! –

HYAZINTH:          – Umso besser:

Gleich mitten durch den Bauch, wenn es schneidet!

Dass es die Füllung vom Leibfleisch scheidet!

                          (Er geht.)

ROSENBL.: O Gott, Hyazinth! Er ist ein wahrer Teufel,

Sie hören es ja selbst, da besteht kein Zweifel!

Helfen Sie mir, wie soll das sonst ausgehn,

er wütet und lässt kein Stein vom Haus stehn!

Erst neulich hat er in höchster Erregung

mit Totschlag gedroht und Feuerlegung!

PFARRER: Ich will doch lieber mit ihm später reden,

wenn er bei sich ist –

ROSENBL.:              – Sie müssen für ihn beten,

das müssen Sie! Er ist seelisch so verwahrlost,

wenn er sich erhitzt und bis ins Innere erbost!

Die Pforte zum Himmel ist doch so schmal:

er ist so ein Dickkopf! –

PFARRER:                    – Seid geduldig in Trübsal ...

der Mensch ist sündig! –

ROSENBL.:                    – Das ist nicht seine Schuld!

PFARRER: Viel Mut, mein Kind, und vor allem Geduld.

ROSENBL.: Laufen Sie ihm nicht gerade in die Hände!

PFARRER: (gehend) Schon gut –

ROSENBL.:            – es nimmt noch ein furchtbares Ende!

 

                      NEUNTE SZENE

 

So, der ist weg! Mein Gott, Johanna!

Wenn man sie braucht, ist sie einfach nicht da –

         (Sie späht durchs Fenster.)

Hyazinth wird ihn hoffentlich nicht fassen,

ich muss ihm einen ordentlichen Vorsprung lassen,

gerade bis die Hoffnung auf ein Huhn erlischt!

Da ist er! ... Da! ... Er ist ihm entwischt!

So ist es gut ... aber ein Vorsprung wird nichts sein:

Tobt Hyazinth, holt er den Schwarzrock gewiss ein!

Na warte! (Sie ruft:) Hyazinth, die Hühner sind fort!

Natürlich, er hört wieder einmal kein Wort.

Hyazinth! Beeil dich ein wenig! Herbei!

Bist du taub? Das ist ein Hilfeschrei!

Hyaaazinth! Spute dich um Gottes willen!

Hast du keine Ohren, wie laut soll ich noch brüllen?!

(zur Tür hinaus) Hörst du nicht? Hyazinth! Hyazinth!

Der Strolch ist weg samt Huhn! Geschwind!

Denkst du, ich halte ihn alleine?

Zum Teufel auch, hast du keine Beine!

Hab ich dich deshalb seit Jahren gefüttert,

dass du nicht da bist, wenn man für dich zittert!

Bist du noch nicht da?! –

HYAZINTH:                    – Rosenblüth ... gleich!

Nun warte ... ein Scherzchen? ... ein kleiner Streich?!

ROSENBL.: Herrje! Zum Teufel, beeile dich endlich!

Deine Trägheit ist mir unverständlich!

HYAZINTH: Beim Nepomuk, was hast du! Jetzt platzt mir

                                                                       der Kragen!

ROSENBL.: Los! Schnell hinterher! –

HYAZINTH:                                     – Mit leerem Magen?!

ROSENBL.: Er hat sie entführt! –

HYAZINTH:                                – Wer? Lusticru?

ROSENBL.: Der Schwarzrock: die Hühner! –

HYAZINTH:                                                – Was? ... Die?!

ROSENBL.: Du trödelst ruhig in deinem Keller,

wenn er die Hühner entführt! Mach schneller!

Ja hat man so etwas je gesehn:

Wenn er mich totschlägt: es würde dir entgehn!

(durchs Fenster deutend) Dort! Da, bei der Molkerei!

Willst du nicht begreifen: an dir vorbei!

HYAZINTH: Was! ... Nicht so! ... dass Gott erbarm! ...

nicht ohne mich ... und nicht so warm!

Oooh........................................................... ! (ab)

ROSENBL.: Hilf dir doch, was klagst du so!

Mein Hyazinth, er läuft um ein Huhn,

der Schwarzrock ums Leben, gerecht ist es nun.

Jeder hat etwas! Das heißt indessen:

Der eine hat nichts, der andre hat’s hier vergessen.

(zu Johanna, die sichtlich schwanger eintritt)

Höchste Zeit, Johanna! Wieviel hast du?

Sieh dieses Schauspiel, aber sieh gefasst zu!

Ist es nicht großartig, wie er läuft?

Mein Hyazinth! Und wie er das begreift!

Es sind aber doch auch Gottesgaben!

Soll er nicht laufen: er muss sie haben!

JOHANNA: Er machte ein Gesicht, ich hab ihn kaum

                                                                   erkannt!

Er hat mich im Hof fast überrannt!

Was ist passiert? –

ROSENBL.:           – So wird er ihn nicht fangen!

Aber es wird ihn nach neuen Hühnern verlangen:

Siehst du, Johanna: Man muss vorausdenken!

Merk’s dir, du wirst s e l b s t bald ein Haus lenken.

Wie soll er ihn erreichen, wenn er sich nicht anstrengt

und nur im Geiste an seinen Hühnern hängt!

Der Schwarzrock zeigt’s ihm querfeldein!

auch ohne Huhn, mit Fersengeld allein!

Was läuft er so? Weil er im Unrecht ist?

JOHANNA: (schauspielernd) Ich weiß nicht, ich glaube,

                                                         dass mir schlecht ist!

ROSENBL.: Fang du auch noch an! Ach, du liebe Zeit!

JOHANNA: Ein Schwindel! –

ROSENBL.:                     – Johanna, du bist nicht gescheit!

JOHANNA: Das alles hat mich fürchterlich erschreckt!

Als ob mir ein Messer im Unterleib steckt,

ein Schneiden und Ziehn ...! –

ROSENBL.:                            – Johanna, untersteh dich!

Das kannst du uns nicht antun ... nicht so schmählich!

Ich bin entsetzt! Wir sind es nicht gewohnt!

Haben w i r dich nicht auch mit solchen Dingen

                                                                     verschont?

Ich bitt dich, du kannst nicht die Bosheit verspüren,

im Haus hier, um zwölf ... dich so aufzuführen!

Du kannst dich äußern auf jegliche Weise,

aber nicht so, Johanna, nicht in unserem Kreise!

Wenn Hyazinth kommt – es ist nicht auszudenken!

Er wird dich erschlagen, dir alle Glieder verrenken!

Nein, das ist schrecklich! ... eines Huhnes wegen!

Du weißt nicht, was du tust! Tu was dagegen!

JOHANNA: Ich war schon auf dem Hof, fast griff ich zwei

                                                                            Hühner,

da packte mich der Schwindel! Die Hand wurde kühner:

Oh, es waren zwei schöne, vom Fett schwer,

der Schwindel nahm zu, und da konnte ich nicht mehr!

Schickten Sie mich sonst, Sie wissen wohl: ich stahl’s!

ROSENBL.: Am Dienstagmorgen: Da hat man sie

                                                                     am Hals!

Ich sag’s: was ist das für ein Haus, ein verrücktes!

An deiner Körperlust: daran liegt es!

Ich will noch einmal meine Ruhe haben,

das will ich erleben! Oh, ich könnte dich vergraben!

Du glaubst, wir werden euch mit Hühnerschlegeln

                                                                        mästen!

JOHANNA: Lasst mich gehen ... der Schwindel ... es ist

                                                                    am besten!

ROSENBL.: Wer könnte sich das leisten, schließlich

isst man auch selbst zuweilen gern genüsslich.

Vorwärts jetzt! Es ist schon bald zu spät!

JOHANNA: O dass es nicht ohne den Schwindel geht!

ROSENBL.: So ist die Natur, das lässt sich nicht

                                                                  vermeiden,

da haben noch ganz andere darunter zu leiden!

Aber beherrsch dich, wir zahlen den doppelten Lohn!

Und geh, du sollst es, mach dich heute noch davon!

JOHANNA: Wie könnt ich, ich fühle den Leib ...

                                                                anschwellen –

ROSENBL.: Du bist eine Frau: du kannst dich verstellen!

Verstell dich, beileib: du lässt dir was anmerken!

Das wird seine Wut noch tausendfach verstärken!

Weißt du denn, wozu er imstand ist,

wenn er dich sieht und sein Huhn durchgebrannt ist?

Er wird eins haben wollen, da hat er dich:

die Briefe verbrannte und zum Pfarrer schlich!

Hab ich nicht alles richtig angezettelt

und auch dein Schicksal günstig eingefädelt?

Du wirst was erleben, wenn er den Sündenbock sucht!

Ohne Huhn und mit einer Leibesfrucht:

Das machst du allein mit ihm ab, gefälligst!

Da kommt er! Dass du ihn mir damit nicht behelligst!

HYAZINTH: Er ist mir entwischt! Herbei und stützt mich!

Ich bin außer Atem, mein Körper erhitzt sich!

Tücher! Essig! Umgebt ihn mit Kälte,

kräftigt mein Herz, dass ich von Herzen schelte!

ROSENBL.: Du wirst noch schelten! Ist es nicht genug,

dass er mir den besten Topf forttrug?

Ja, schelten, schreien, drohen!

Hättest du aufgepasst, wär er nicht entflohen!

HYAZINTH: Entflohn? Wart’s ab! –

ROSENBL.:                             – Statt dass du ihn packst!

Ja schnauf wie ein Bär! –

HYAZINTH:                    – Holt mir das Beil, die Axt!

Oh ... mein ... Herz... beileibe, ich erschlage ihn!

ROSENBL.: Und inzwischen setzt du dich etwas hin.

 

HYAZINTH: Meine Hühner! –

ROSENBL.:                         – Ja und meine etwa nicht?

HYAZINTH: Ich tu ihm etwas! Ich geh vor Gericht!

ROSENBL.: Ja reite dich hinein! Ist es so noch nicht

                                                                        genug?

Bringt’s die Hühner zurück? –

HYAZINTH:                           – Beim Nepomuk!

Die schönen ... mit Schenkelchen! O man wird’s

                                                                   ergründen,

wie sie tückisch aus meinem Topf verschwinden!

Das war seit langem bübisch ausgeheckt,

wie man sie mir diebisch aus dem Haus trägt!

Ah, die Briefe! Johanna, ich pack dich!

ROSENBL.: Ersetzt sie dir das Huhn? Jetzt wage dich!

HYAZINTH: Wo hast du die Flügel! –

JOHANNA:                                      – Ich habe keine –

HYAZINTH: Und die Schenkel? (sie schüttelnd) Die Hälse:

                                                          O er isst sie alleine!

JOHANNA: Wo soll ich Schenkel haben –

HYAZINTH:                                     ... den ganzen Haufen!

ROSENBL.: Nun lass es gut sein, soll sie davonlaufen?!

HYAZINTH: Den vollen Topf! Meine Hühner! Die fertigen!

Mit Speckwürfeln! Man muss sich’s vergegenwärtigen:

gestopft, mit Soße getränkt, durchgewürzt,

runden Leibs, Kopf und Fuß abgekürzt!

Hühner und meine: rüstige und abgehangene,

durchwachsene, gereifte, von Hand gefangene ...!

ROSENBL.: Was hast du ein Rebhuhn haben müssen!

Ausgerechnet! Das möcht ich von dir wissen!

Ist der Speck nicht gut genug? Und dann:

Hat er’s nicht tagelang getan!?

Hätten wir Suppe gegessen, hätten wir’s bloß!

HYAZINTH: Ich bitte dich: Suppe! –

ROSENBL.:                                   – Nun sind wir sie los!

JOHANNA: Oh, der Schwindel ... ich kreise mit den

                                                                       Wänden ...!

HYAZINTH: Was hat sie? Sie tut, als will sie gleich

                                                                        verenden!

ROSENBL.: (ihr zuflüsternd)

Nicht jetzt, wo mir beinah das Kunststück glückt,

dass er dich zu allen Teufeln schickt!

JOHANNA: Zum Franz nur, er wartet draußen auf der

                                                                        Treppe!

HYAZINTH: Der Schmutzfink? Wogegen ich Einspruch

                                                                        erhebe!

Was?! Er stellt sich freiwillig und auf meine Stiege,

der Schurke, dass ich ihn zu fassen kriege!?

Wir haben sie! Rosenblüth, natürlich: der Fugger!

Der Weltgelehrte, Lüstling, Topfgucker!

Ihr meint, ich hätte das Spiel nicht durchschaut:

Der eine lenkt ab, wenn sie der andere verstaut!

Sieh diese Verschwörer: Verschwörer unsres

                                                              Jahrhunderts!

Ich sage dir: kopflos, schülerhaft! Wen wundert’s?

Mir die Hühner aus dem Topf! Stell dir’s vor!

Den Aufwand um ein Huhn! Warum man sich verschwor!

Wegen eines Huhns, wegen meines ... mein Huhn!

Man stiehlt mir’s nicht! Und ich habe sie nun!

Kann ich mir jeden Tag ein Huhn leisten,

eines von den fettumlagerten und feisten?

Ich kann es nicht, ich bin nicht dazu imstand!

Ich lasse mir keins nehmen, von euch nicht und von

                                                                    niemand!

JOHANNA: Wir machten eine Dummheit, wir dachten

                                                                 nichts dabei,

doch jetzt erfüllt sie mich mit großem Abscheu.

Es tut mir leid. –

HYAZINTH:       – Und ob, da hörst du:

Sie sagt es offen ... sie gibt es auch noch zu!

ROSENBL.: Geh jetzt! Steh auf! –

HYAZINTH:                               – Halt, dageblieben!

Sie kann den Anschlag nicht ungestraft verüben!

ROSENBL.: Da siehst du, sie will uns jetzt verlassen!

Beeil dich, soll er dich noch anfassen?!

(Sie bringt ihr ein Bündel.)

Papiere, Geld ... vom Speck ein Stück!

Zugemacht, sonst passiert noch ein Unglück!

JOHANNA: (nachsehend) Das Doppelte vom Geld! –

ROSENBL.:                              – Verdopple deine Schritte!

Ist das jetzt wichtig? –

JOHANNA:                – Sie sagten’s: also bitte!

ROSENBL.: (legt etwas dazu) Los los! Dass ich dich in

                                                         Bewegung sehe!

Ein Unglück gibt’s! –

HYAZINTH:            – Was erlaubt sie sich, die Krähe!

(Johanna geht. Er holt seinen Stock und will ihr nach.)

Sie geht? Wieso? Ja wie! Weil es ihr passt?

ROSENBL.: Genug, wie du sie fortgetrieben hast!

HYAZINTH: Man hätte sie entlassen: Sie ist kein Licht!

Die Hühner, Röschen, die verschmerze ich nicht!

Mein Mund ist ein mächtiges Deltabecken,

die Wolga ist ein Rinnsal dagegen!

Verdien ich das? Meine Schenkelchen verprasst!

ROSENBL.: Niemand sagt, dass du irgendwas verdient

                                                                            hast!

Stell dich nicht an, auch ich leide drunter,

bin ich deshalb jetzt weniger munter?

Deinetwegen! Wir lieben uns! Das genügt.

HYAZINTH: Ich verstehe kein Wort – keines, das so lügt!

ROSENBL.: Ja, Hühner, gefiederte Kleinigkeiten:

die, Hyazinth, gibt es zu allen Zeiten –

HYAZINTH: Röschen, man muss sie nur rechtzeitig fassen,

wo, sagst du, würden sie sich packen lassen?

ROSENBL.: (nimmt ihm den Stock weg)

Setz dich, wir wollen Pläne schmieden:

wie Hühner über ihren Eiern brüten!

Erzähle inzwischen: Was ist in der Welt los,

Lies noch etwas von den Kopfjägern Borneos!

HYAZINTH: Was ist das für ein Chaos: Wo ist mein „Faust“

und der Speck? Hab ich gesagt, dass du ihn kaust? –

Generationen haben sich ihn einverleibt,

durchgekaut und verdaut, die Erinnerung bleibt,

ließen ihn infernalisch braten, schmoren,

sie haben ihn zum Vorbild – auch beim Zechen erkoren!

Und wo wird in Büchern feuriger und schneller,

ja herrlicher gebechert als in Auerbachs Keller?

Wo ist mein „Faust“, mein Speck! ... Angefasst!

ROSENBL.: Ich hab ihn gegessen, weil du es gesagt hast!

HYAZINTH: Das hätt ich gesagt? –

ROSENBL.:                                  – Hyazinth, du hast es!

„Das Wahre dieses Specks: esst und erfasst es!“

Du sagtest’s …

HYAZINTH:     … Ich hätte gewettet ...

ROSENBL.:                                         … Nun?

HYAZINTH: Ich meine, du brauchst es deshalb nicht zu

                                                                              tun!

ROSENBL.: „Der Speck ist gut, drum iss“, hast du gesagt!

Ich habe es getan und nicht weitergefragt.

HYAZINTH: So? Das sagte ich? Und warum ist er

                                                                      ganz weg?

ROSENBL.: Du bist schon ganz rot vor lauter Speck!

Nimm Platz – und lies von der Schlechtigkeit der Welt

und wie einer auf den andern hereinfällt!

HYAZINTH: Beileibe, hör dir’s an, hier steht: –

Dass so jemand möglich ist und straflos ausgeht! –

Hier steht: „Zehn Kopfjäger Borneos,

halbwüchsig und kaum vier Fuß groß,

haben zwischen Weihnachten und Silvester

bei lebendigem Leibe einen Earl, of Leicester,

aus purer Esslust durchgebraten!“

 

(Er starrt in die Luft. Die Kuckucksuhr schlägt zwölf.)

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: Hartmut Löffel. ISBN 978-3-9800141-5-1
Bildmaterialien: Coverbild
Tag der Veröffentlichung: 02.07.2015

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