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Jessica und die netten Onkels


Jessica, 19 Jahre alt. Besitzerin von 14 unterschiedlichen Lippenstiften und einer ansehnlichen Ansammlung von Ex – Liebhabern, vermutete das nun endgültig schlechte Zeiten angebrochen waren, als sie einer Frau hinterherglotzte die genau die Schuhe trug, die sie sich im Moment nicht leisten konnte. Dieses Erlebnis veranlasste sie zu dem grandiosen und seither viel zitierten Ausspruch: „Verdammte Scheiße, ey!“
Es waren wirklich harte Zeiten. Nicht nur das sie sich keine schönen Schuhe kaufen konnte, nein, es war auch kein spendierfreudiger Kerl in Sicht der ihr welche schenkte. Das war doof. Und sie fragte sich wie es dazu gekommen war.
Also schlenkerte sie mit ihren sagenhaften und wohlbekannten Hüften in den nächsten Coffee – Shop, orderte eine Latte Mac und platzierte sich in eine unbequeme Sitzecke. Dort niedergelassen zückte sie als erstes ihr I – Phone und postete ihren aktuellen Standort Plus Aktivität auf Facebook. Dann möbelte sie mit Hilfe eines schmucken Taschenspiegels ihr Make – up auf, bewunderte ihre weißen Zähne und hauchte sich in Gedanken einen Kuss zu.
Jetzt aber zum Nachdenken, ermahnte sie sich.
Ihr Blick wanderte ins Leere, und schon begann es in ihrem Oberstübchen zu rattern. Zuerst fragte sie sich die alberne Frage, ob sie nicht das Problem dieser Misere ist. Doch das konnte nun wirklich nicht sein! Sie ist immer noch ein Schmuckstück, eine Sahneschnitte, ein Prunkstück und unheimlich scharfes Statussymbol in den haarigen Armen eines kümmerlichen Angebers, der in seiner öden Midlife – Crisis unbedingt Eindruck bei seinen Kumpels schinden muss. So traurig das auch sein mag. Doch sie hat immer hervorragend ihre Rolle gespielt; ihren unausgesprochenen Vertrag eingehalten. Der besagte, dass sie stets zur uneingeschränkten Verfügung stand; dass sie für ihre persönliche Gesundheit und Hygiene sorgte und auf keinen Fall Fragen jedweder Medien zu ihrem gegenwärtigen Verhältnis zu dem einen oder anderen Herren beantwortete. Im Gegenzug verpflichteten sich die Herren zur adäquaten Unterbringung und Verpflegung, stilvolle Bekleidung, Transportmittel und einem angemessenen monatlichen Taschengeld für ihren kleinen Vorzeigeschinken. Wie einige der netten Onkels sie liebevoll nannten.
Doch jetzt schien der Schinken abgekaut. Kein neuer netter Onkel in Sicht – was ziemlich doof ist. Allein schon der vielen angenehmen Annehmlichkeiten wegen. Denn so richtig kann sie sich nicht vorstellen etwas anderes zu tun. Sie ist nun mal was sie ist: Eine heimliche Geliebte, eine Gespielin, ein Prachtstück Fleisch unter Männerhänden. Und sie ist es gerne. Schon früher, so mit 14, 15, hatte es sie gepackt. Immer hing sie mit den älteren Jungs herum. Dann mit richtigen Männern; Männern mit guten Jobs und großen Autos die sie einluden, ihr was spendierten. Ob nun ein schmackhaftes Essen, Drinks in angesagten Bars und Diskotheken, oder kleine Geschenke. Sie genoss es. Und fand mehr und mehr Gefallen daran. Auch mit ihren – am Anfang eher ungeschickten – Gegenleistungen hatte sie sich schnell arrangiert. Mit der Zeit machte es ihr sogar Spaß. Dass Schwänze ablutschen, sich fingern und ficken lassen. Meist war es schnell vorbei, tat nicht besonders weh, und war ein akzeptabler Preis wie sie fand. Nicht das sie sich als ordinäre Hure verstand, Gott bewahre, sie sah sich selber eher als Dienstleisterin, als Fachfrau für anspruchsvolle und liebevolle Freizeitgestaltung für gestresste männliche Vollzeitkräfte.
Später dann, nach Schulabbruch und erster Abtreibung, wechselte sie eher unbewusst ihre Lover. Es ging jetzt in Richtung gestandene Mannsbilder. Erfolgreiche Macher, Manager und Banker, Aufsichts, – und Verwaltungsräte, kleine Parteibonzen, Provinzfürsten mit großen Plänen. Diese Möchtegern –Machtmenschen waren zwar alt, unansehnlich und allesamt Kukident – User, doch sie hatten Zaster. Eine Menge Moneten. Sie kannten und akzeptierten die Mechanismen die zwischen Auftraggeber und Dienstleisterinnen wie Jasmin herrschten. Und sie waren äußerst spendabel. Es gab immer einen kleinen Bonus für geleistete Überstunden und erfüllte Sonderwünsche. Das war eine gute Zeit. Die jetzt wohl vorbei ist.
Fürchtet die Jessica da, gramgebeugt über ihrer kalten Latte.
Es wird wohl doch zusammenhängen mit dieser Wirtschaftskrise von der alle reden; von der alle ihre ehemaligen Sugar - Daddy ´s geredet haben, mit Panik im Blick und Trauer im Herzen ob der nun anbrechenden sparsamen Zeiten.
Sie überlegt weiter, wälzt Alternativen gegeneinander.
Nun, sie könnte arbeiten gehen so wie viele andere Frauen. Doch sie kann ja nix, außer Geliebte zu sein. Und einen Job als Kassiererin an einer Supermarktkasse wäre viel zu anstrengend und viel zu langweilig.
Nein, da muss es doch noch was anderes geben. Fußball fällt ihr ein. Nicht der Sport, Gott bewahre, sondern die Fußballer. Die Profikicker. Das sind doch knackige Kerle mit Kohle in den Shorts. Da wird wohl einer dabei sein der was fürs Herz sucht. Da muss sie sich mal vorstellen, Kontakte knüpfen, sich empfehlen, anbieten. Das wäre doch was. Da muss sie mal genauer nachhaken, gleich morgen früh. Nach einer unbequemen Nacht auf der Klappcouch ihrer Mutter. Denn da wohnt sie zurzeit. Zusammen mit ihren Lippenstiften, ihrer zweifelhaften Vergangenheit und ihren großen Träumen vom zeitweisen Glück zu Zweit.

Impressum

Texte: harryaltona
Bildmaterialien: Uli Carthäuser/www.pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2013

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