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LEGT MICH EINFACH DA HIN!


Irgendeiner von den Stammgästen
feierte seinen Geburtstag
und spendierte eine Runde
nach der anderen.
Wir tranken auf sein Wohl!
Wir tranken auf unser Wohl!
Und dann tranken wir
auf das Wohl der ganzen Welt!
Wir sangen und tanzten
wie es sich nun mal gehört
für Leute, die sonst nichts haben;
wir soffen Schnaps und Bier
bis der tapfere Spender sich
unter Gejohle und kotzend
wie ein alter Wasserspeier
auf den Heimweg machte.

Seltsamerweise fühlte ich mich
noch fit und kräftig genug
für einen kleinen Fußmarsch
durch die Nacht, hin
zu meiner gemieteten Bude.

Aber draußen
in der warmen Juniluft, in der
die Glühwürmchen ins Schwitzen kamen,
haute es mich dann doch einfach um.
Kraftlos wie ein totes Tier
sank ich danieder
auf das noch immer warme Pflaster
eines schmierigen Bürgersteigs.

Aber gleich neben mir
erspähte ich einen Vorgarten,
voll von einladend grünem weichem Gras
das nur auf mich zu warten schien.
Wenn ich es bis dahin schaffe, dachte ich,
dann wird alles gut, dann bist du gerettet.
Denn dieses Rumliegen auf dem harten Pflaster
war geradezu eine Einladung
für jeden jugendlichen Schläger
mir den Rest zu geben, um anschließend
seinen doofen Kumpeln zu imponieren.
Das musste nun wirklich nich sein.

Also versuchte ich da rüber zu kriechen,
in die sichere Deckung einer schmalen Hecke.
Aber es tat sich nix.
Ich versuchte mich zu Rollen, zu winden
wie ein Aal. Doch dieser Aal war total gelähmt.
Festgenagelt auf Pflastersteinen.
Ausgeliefert und angeschissen
wie dieser Kerl damals an seinem Kreuz.

Das einzige
was mir noch gelang,
war das Atmen.
Also atmete ich, und blieb einfach liegen.
Vielleicht eine viertel Stunde verging
als ich diese Stimmen hörte,
noch entfernt und undeutlich.
Jetzt bist du geliefert, dachte ich,
jetzt werden sie dich finden,
mein atmen wurde heftiger
und ich startete einen neuen Anlauf
Richtung Vorgarten. Es klappte
noch immer nich. Ich hätte doch lieber
die Finger vom Schnaps lassen sollen.
Denn der Schnaps bringt einen irgendwann um,
dass weiß doch jeder.

Die Stimmen kamen näher, wie ich
ernsthaft besorgt feststellte.
Es waren weibliche Stimmen,
und tatsächlich waren es zwei Mädels
die fast über mich stolperten.
- Oh, sagte die eine.
- Ach je, die andere.

Sie waren jung, vielleicht Studentinnen
auf nächtlicher Pirsch, angeheitert und aufgeladen
vom Prosecco und schlechten Liebesfilmen.
Eigentlich harmlos, aber auch bei diesen beiden
musste man auf der Hut sein.

- Brauchen Sie Hilfe? Fragte die eine.
- Können wir was tun? Fragte die zweite.

- Seht Ihr den Rasen da drüben?
Fragte ich zurück, und sie nickten heftig
Bestätigung.
- Legt mich bitte einfach da hin!


Was sie dann auch versuchten:
Sie zogen, sie zerrten
und schoben an mir rum
bis sie es tatsächlich geschafft hatten.
Deutlich spürte ich dieses satte Grün
unter mir, und über mir spendete
ein Stück Hecke schale Geborgenheit.

- Danke, sagte ich.
Dann gingen sie weg.
- Gute Nacht! hörte ich die eine sagen,
während die andere verhalten lachte.
Dann war Stille.

Sie hatten mich nich beschimpft,
oder geschlagen und an den Kopf getreten,
mich nich angezündet. Sie hatten mir
noch nicht mal die Brieftasche geklaut.

Das war wirklich nett von ihnen, dachte ich,
und dankte still für diesen Hauch Barmherzigkeit.

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Tag der Veröffentlichung: 01.03.2011

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