DAS PROFANE NACHTLEBEN EINES MITGLIEDS
DER UNTERSTEN SCHICHT
Wenn es dunkel wird
ist es Zeit hervorzukommen
aus dem sicheren Versteck.
Dann beginnt die Schicht.
Flaschensammeln und Kippenschnorren,
Kleingeldbetteln und Mülltonnenstöbern.
Ganz schön was los, heute Abend.
Viel Konkurrenz auf den Straßen
rund um den begrünten Platz
mit den vielen Kneipen.
Muss wohl Wochenende sein.
Ich sehe den Lambrusco - Willy
und den Ratten - Erwin mit seiner Ollen
an der Bushaltestelle sitzen
und billigen Wein aus Tüten trinken.
- Nix für mich!
Die erste Pfandflasche
wandert in die löchrige Tasche.
Dort ist noch eine. Her damit!
- Ein anderer Penner
nimmt sie mir weg.
Das Leben kann schon grausam sein,
wenn man einem Bruder
noch nich ma die 8 Cent gönnt.
Unter der Brücke
haben sie sich schon
schlafen gelegt. Alle besoffen.
Müssen jemanden beraubt haben,
oder einer hat tatsächlich geerbt.
Aber das is wohl Quatsch. Unsereins
kennt Niemanden der was zu vererben hat.
Da kommt ein junges hübsches Ding
aus einer Kneipe, sie lacht, sie fühlt
sich großartig, hat sich wahrscheinlich
frisch verliebt.
Ich halte ihr meine schmuddelige Handfläche
hin, sie schaut ein wenig ängstlich, dann drückt
sie mir doch ein 2 - Euro - Stück hinein.
Ich murmle ein Dankeschön, schiebe
die Münze in die einzige heile Tasche
meiner Kluft. Die Kleine war wunderhübsch,
die hätte ich vor zwanzig Jahren gerne
kennengelernt; vor zwanzig Jahren,
als alles seinen bürgerlichen Gang ging
und ich nie damit gerechnet hätte
das ausgerechnet ich... Aber
das is der Schnee von Gestern.
Heute Nacht ist eine andere Zeit:
Zeit für den ersten Schnaps... Zeit
um zu vergessen!
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2011
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