Politik
Mit lauten leeren Worten auffällig zu sein, war stets sein Bestreben.
Regional schon eine Größe, omnipräsent, sprach er viel und sagte nichts.
Der Weg in die große Politik war somit vorgezeichnet.
Am Morgen vor seinem ersten Auftritt in der Bürgerinitiative „rettet den Bürger“, stand er neben dem Bett und blickte auf seine noch ein wenig verschlafene Frau. Sie blinzelte ihm schlaftrunken zu.
„Du hast doch sicherlich aus meiner geliebten Sitzwanne, die von dir gereinigten Malerutensilien entfernt meine Liebe? Oder?“ Fröhlich lachend sah er sie an.
„Jaha … gestern Abend noch, “ brummelte sie und drehte sich wohlig räkelnd auf die andere Seite.
Ein Lied pfeifend, schrecklich falsch übrigens, begab er sich in das angrenzende Bad.
Die Tür hinter sich schließend begann er nicht weniger falsch, nur deutlich lauter, zu singen.
Das Wasser minimierte gnädig rauschend, diesen, ach so vorzüglichen Gesang.
Eine halbe Stunde später.
Seine inzwischen wieder eingeschlafene Frau, wurde von ihm mit der Frage nach seinem Rasierwasser geweckt. Sich stöhnend aufrichtend, ihn aber nicht ansehend, verriet sie ihm es entsorgt zu haben.
„Ich habe dir ein Erstmaliges, ein besser riechendes auf deinen Nachttisch gestellt.“ Um nach einer kleinen Pause süffisant anzumerken:
„Du hattest aber soviel aufregend Langweiliges von dir als DER NEWCOMER, dem Platzhirschen von Bienenbüttel zu erzählen, dass es in deinem Kopf keinen Platz mehr für mein Gesagtes gab.“
„Oh mein Schatz, “ sie strahlend ansehend, „dein unvergleichlicher Mann wird ab heute zielorientiert, Meilensteine der Geschichte schreiben.“ Um sich abwendend, überheblich grinsend, ins Bad zu begeben.
„Du meinst Bienenhausener Steine“, rief sie ihm sichtlich genervt noch hinterher und zog sich die Decke über den Kopf.
„Bienenbüttel, mein Liebling Bienenbüttel“, klang es arrogant aus dem Badezimmer. Und etwas später kam sie in den fragwürdigen Genuss, als die Erste einen Teil seiner, wie er fand, umwerfende Antrittsrede dumpf durch die angelehnte Tür hören zu dürfen.
„Meine lieben Mitstreiter und politischen Freunde, für eine radikal Bedeutungsvolle und uns alle angehende Stofflichkeit, stehe ich hier. Bestens vorbereitet und befähigt für den ersten Schritt zu subversiven Maßnahmen, von ungeahntem revoltierendem Ausmaß. Eine aussterbende Spezies, ich spreche explizit von dem Mittelstand, gilt es nicht nur am Leben zu erhalten - Nein - Ich rufe es laut und deutlich aus:
Ein „NEIN“ - in ausdrücklicher und bestimmender Hörbarkeit.
Die Lebensbedingungen müssen einschneidend durch mich, durch uns, verbessert werden. Nur so kann sich der Mittelstand klar und deutlich, neu orientieren und entwickeln. Und das bedeutet nicht nur ein Aufblühen - das ist die Genesis.
Unsere Empirie (Wahrnehmung, Kenntnis) ist nicht die, der derzeitigen Hegemonialmacht ( u. a. Vorherrschaft einer Institution) , wir werden sie das Fürchten lehren. Allein durch unsere konsequente Austerität (Sparmassnahmen) an der richtigen Stelle, werden wir zur führenden Partei des Landes nach oben gespült …äh … gewählt.
Des Weiteren, von fundamentaler Bedeutung ist, die Nachläufer müssen sich für einen Verbleib in unserer Partei begeistern. Einen vermehrten Beitritt zu automatisieren um sie so zum Erhalt des Mittelstandes, durch uns, die Partei, zu motivieren.
Um sie intentional (zweckbestimmt) in das Zentrum unserer staatsklugen Konzeptionen zu stellen. Schließen wir determiniert (endgültig), die sich seit Jahren immer weiter öffnende Schere, zwischen Arm und Reich. Ich appelliere an ……. usw, usw.
So ging es in eitler Selbstdarstellung noch eine ganze Weile. Seine Frau, welche sich an der Schwelle des Eingeschlafenseins befand, wurde wach, als ein sehr menschliches Geräusch seine Worte nicht nur unterstrich, wie sie fand, sondern auch sehr, sehr präzise das Inhaltliche wiedergab.
Warme Luft eben.
Sein Referat daraufhin abrupt abbrechend, erschien er wieder in der Tür.
Sie drehte ihm ihr Gesicht zu ohne ein Wort zu sagen und sah ihn über die Schulter nur bedeutungsvoll an.
Was ihm natürlich nicht verborgen blieb.
„Was ist“, fragte er sie irritiert, „was amüsiert dich?“
Eine kurze Zeit verstreichend lassend, sagte sie spöttisch:
„Das Cargo deiner Rede hast du eben treffend rezensiert.
Und zwar ohne Worte.
Es sind Leibeswinde, übel riechende übrigens, die ich hier sehr deutlich hören und riechen kann.
Das ist so instruktiv, wie deine essenziell in einem klugscheißenden, zynisch von einem Unverstand getragenen Gerede oder besser Geschwätz, gehalten,
also inhaltlich absolut identisch, wie deine Leibeswinde.
Aber - mein Schatz“, ergänzt seine Frau anzüglich, „ du bist der geborene und sicherlich bald auch ein sehr, sehr erfolgreicher Politiker.
Ich bin einfach stolz auf dich.“
Sein verständnisloser Gesichtsausdruck wich dem, eines freudigem Strahlen.
Ihr einen Handkuss zuwerfend, knöpfte er sich die Hose zu und ging singend zurück ins Bad.
© harry reinert
20 Juni 2012
Texte: harry reinert
Bildmaterialien: Cover und Bild
Tag der Veröffentlichung: 29.07.2015
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