Die ersten Schritte
Ihre dünnen blonden Haare fliegen hin und her wenn sie von quietschenden Lauten begleitet, ihr Köpfchen schüttelt.
Nur mit einem zu kurzen Unterhemd bekleidet, schlägt sie geräuschvoll mit den Händen auf die Sitzfläche des vor ihr stehenden Polstermöbels. Die Mama betrachtet sie glücklich lächelnd mit Blick auf den kleinen nackten Po, der unter dem Hemd hervor blitzt.
Vergnügt quiekend versucht die Kleine sich abstützend auf der Stelle zu hüpfen. Ihr Lachen mit Blickkontakt zur Mama, ist nicht nur für die Kleine eine große Freude. Mit ihren Schlägen, sich immer etwas ungeschickt ihrer Mama zudrehend, lässt sie es heftig aus der Sitzfläche des Sessels aufstauben. Die eigene Aktivität, insbesondere das klopfende Geräusch welches sie mit den Händen erzeugt, macht sie richtig übermütig.
An den Sessel gelehnt sich tapsig umdrehend, schaut sie auf einen, einige Schritte entfernten Sessel. Große braune Augen fixieren das Ziel. Die kleinen Ärmchen erhoben und nach vorne gestreckt tappt sie völlig überraschend, plötzlich in Richtung des Sitzmöbels. Die unsicheren und ziemlich ungeschickten ersten Gehversuche, führt sie mit der Unterstützung ihres kleinen Körpers aus. Das Gehen auf den nackten Füßen mit dem Aufsetzen der ganzen Sohle, erzeugt ein lustiges Patsch, patsch, patsch auf dem Linoleum.
Puh … sie hat ihr Ziel erreicht und schaut die Mama triumphierend an. Als wolle sie sagen: Schau her, ich habe es geschafft!
Natürlich muss das sofort wiederholt werden. Kopf und Oberkörper voran schneller werdend, fängt sie sich kurz vor dem Fallen des angepeilten Ziels ab, um nicht auf dem Fußboden zu landen. Was gerade eben so gelingt. Auch bei weiteren Versuchen, gelingt es ihr. Brabbelnd kleine Speichelbläschen machend ruft sie immer wieder: „Mama, Mama.“ Während diese stolz, ihre Kleine nicht aus den Augen lässt. In beiden Richtungen wird es beständig wiederholt. Ihre anfängliche Ängstlichkeit weicht einem natürlichen Übermut. Hat sie doch ihre ersten Gehversuche gekonnt gemeistert. Aber - es kommt was kommen muss. Das Tempo wurde von dem frechen Fratz, kontinuierlich erhöht. Immer sicherer werdend, sucht sie jetzt neue Ziele und - Auf dem Weg zum Sofa läuft sie auf die Kante des Tisches zu, der sich in Kopfhöhe befindet. Mit einem Ramms trifft sie die Tischkante und sitzt auf dem nackten Po ihren Schmerz hinausschreiend. Mit raschen Schritten ist die Mama bei ihr, nimmt sie auf den Arm, bemüht die Kleine zu trösten. Doch die versucht sich der tröstenden Umarmung zu entziehen. Zappelnd und schreiend befreit sie sich schließlich. Wieder vor den Sessel stehend, legt die Kleine schluchzend ihr Köpfchen auf die Sitzfläche. Nach einer Weile, setzt die Mama die inzwischen nicht mehr weinende kleine Krabbe, auf den Sessel.
Große Kinderaugen von Tränennassen Wimpern eingerahmt, dominieren jetzt in dem Gesichtchen. Die große sich langsam bildende Beule auf der Stirn, will nicht so recht dazu passen. Von dieser Veränderung nichts bemerkend, will sie sofort dem Drang der neuen Erfahrung gehorchend, die Gehversuche fortsetzen. Bäuchlings vom Sessel rutschend, sieht sie sich suchend um. Die Tränen sind noch nicht richtig trocken, aber das Strahlen ist in ihr Gesicht zurückgekehrt. Wackelig wie zuvor, tappt sie auf ihren nackten Füssen immer neue Ziele anstrebend, durch die Stube. Und das geht so eine ganze Weile, bis sie schließlich müde ist. Den Daumen in den Mund schiebend und nuckelnd, bleibt sie auf dem Teppich unter dem Tisch sitzen. Immer wieder fallen ihr die Äuglein zu und langsam kippt sie zur Seite. Behutsam hebt ihre Mama sie hoch und hält sie schaukelnd im Arm.
Nachdem sie für die Nacht gewindelt und versorgt in ihrem Bettchen liegt, betrachtet Mama stolz ihren kleinen Engel.
Über dem süßen, von blonden Haaren eingerahmten Gesicht, hat die Beule inzwischen eine leicht blaue Färbung angenommen. Es dauert nicht lange und sie ist fest eingeschlafen. Die geschlossenen Augen zucken leicht im Schlaf. Vermutlich träumt sie von ihren abenteuerlichen Gehversuchen. Welche ab heute zu ihrem Leben gehören.
Sich abwendend zur Tür gehend, sieht die Mama im Türrahmen stehend zurück. Flüsternd bemerkt sie: „Da guck! Ihre Beine unter der Decke - sind das nicht Laufbewegungen? Oder ist es nur ein Strampeln?“
Lächelnd löscht sie das Licht und schließt hinter sich die Tür.
© kalle sechs
Texte: by harry reinert
Bildmaterialien: by harry reinert
Tag der Veröffentlichung: 28.02.2015
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