Wieder einmal ….
Wieder einmal im Krankenhaus.
Dieses Mal ist es ernsthafter, als es mir lieb ist.
Mein Hausarzt erklärte mir bevor ich hier aufgenommen wurde, bei meinem letzten Besuch in seiner Neuen, aber inzwischen sehr vertrauten Praxis:
„Junge, ich habe Dich ich weiß nicht wie oft darauf hingewiesen, stelle das Rauchen ein und achte auf deine Ernährung. Die Blutfette, du bringst Dich damit um!“
Er sprach immer so mit mir.
„Nun ist es soweit, du musst ins Hospital und ich hoffe, dass meine Befürchtungen sich nicht bestätigen.
Aber vielleicht kriegen sie das ja noch mal hin.“
Völlig konsterniert hab ich mich auf den Heimweg gemacht.
„Vielleicht kriegen sie es noch mal hin!“
Vor mich hinmurmelnd, wiederholte ich den Satz wohl hundertmal.
Die Schmerzen kannte ich nur zu gut, aber nun hatten sie Signalwirkung.
Allein lebend, sprach ich fast immer mit mir. Doch nun begann ich außer mit den Gegenständen in meiner Wohnung, auch noch mit dem vermaledeiten Bein zu sprechen.
„Du machst es mir aber auch schwer. Habe ich mit dir nicht immer und immer wieder trainiert, damit du so stark wie das rechte Bein wirst? Du wurdest sogar stärker. Drei Zentimeter mehr Umfang kann ich mich erinnern. Und nun, machst du mir solche
Schwierigkeiten?“
Natürlich bekam ich keine Antwort.
Das Fußballspielen hat Knie, Sprunggelenk sowie Sehnen und Bänder - und alles was möglich war kaputt gemacht.
War ein schlechter Versuch.
Das Bein ignorierte mich jedenfalls und meine kläglichen Versuche es auf meine Seite zu ziehen.
Diese einseitigen Gespräche, haben folglich auch nicht zu einer Klärung beigetragen.
Stattdessen bescherte es mir ständig schlimme Schmerzen.
Natürlich war mir bewusst, dass verengte Arterien der eigentliche Grund für die Beschwerden waren.
Nach meinen letzten Herzinfarkt, bekam ich nach cirka einem Jahr einen Schlaganfall der mich ins wieder einmal Krankenhaus expedierte.
Dort bekam ich erneut einen Schlaganfall, ausgelöst durch einen Verschluss in der Leistengegend.
Mir wurde, wenn es nicht mit einer Perfusion (Der Reinigung dienende künstliche Durchströmung eines Hohlorgans oder Gefäßes
) mit Heparin (aus der Leber gewonnen, eine Blutgerinnung hemmende Substanz
) zu beheben sei, ein Ballonkatheder und das Setzen eines Stents angedroht.
Wusste ich doch nicht wovon die Herren sprachen, nickte aber brav mit dem Dickkopf.
Es klappte mit dem Heparin
Nun lag ich hier allein in meinem frisch riechenden und gestärkten weißen Linnen und wartete gespannt auf den angekündigten Doktor.
Meine linke Hand lag auf dem Bein und ich versuchte Kontakt aufzunehmen.
„Du weißt was dir passieren kann, so wie du dich verhältst?“
Fragte ich ganz leise.
Plötzlich war mir so, als bekäme ich eine Antwort!
„Was wirfst du mir eigentlich vor? Seit langem weißt du um meine Befindlichkeit. Hast du nicht immer rumgejammert. Von der Schaufensterkrankheit hast du glaube ich in einem fort geschwafelt.
Aber weiter Packungsweise Zigaretten rauchen.
Macwürg, Imbiss und alles was schön fett und „unappetitlich und ungesund“ genug war deinen Ansprüchen zu genügen, wurde von dir - man kann sagen – nur so reingeschaufelt.
Was willst du eigentlich. Hast doch selbst Schuld.
Sitzt vermutlich schon bald im AOK-Chopper.“
„
Du machst es dir zu einfach,“
flüsterte ich, „letztendlich bleibst du doch auf der Strecke. Dich wollen sie doch amputieren. Also solltest du mir noch eine Chance geben, willst DU nicht entsorgt werden.
Ab sofort esse ich nur noch gesund und mit dem Rauchen höre ich natürlich auch auf. Nur glauben musst du mir, das ich dieses mal mein Versprechen halte.“
„
Könnte ich dir doch nur vertrauen. Glaube mir, ich hänge an dir. Aber du hast dich nie um mein Ergehen gekümmert und nun ist Schluss.“
Ich war wieder alleine und bekam keine Antworten mehr.
Der nette Herr in weiß, erklärte mir das mit dem Katheder und dem Stents als die einzige und letzte Möglichkeit vor einer Amputation.
Wortlos nahm ich alles zur Kenntnis und mir wurde bewusst, nun wird es ernst.
Vermutlich werde ich nun mein Bein verlieren.
„Der Ballonkatheter wird von der Leiste aus über einen Führungsdraht und Führungskatheter in die Stenose (Engstelle) platziert
Zusätzlich wird ein Stent (Drahtgeflechte, das das Gefäß von innen schienen und offen halten soll) implantiert (Stentangioplastie).“
Fachlich versiert erklärte mir der Arzt, wie man nun vorgehen wolle.
Wie man mir mein Bein entfernen wolle -, so hörte und verstand ich es jedenfalls.
Wenn auch nur aus weiter Ferne und dabei schwach mit dem Kopf nickend.
Es war ein Albtraum.
Als ich bemerkte, dass mir Tränen über das Gesicht liefen, zog ich mir die Decke über den Kopf und ließ den Arzt mit sich allein.
Wieder zu mir gekommen, spürte ich einen starken Druck auf meiner linken Leiste.
Nicht bewegen dachte ich nur, halte die Hände still.
Nach einigen Minuten bewegte ich meine Zehen des rechten Beines und stellte anschließend jede Aktivität außer atmen ein.
Nein, ich will es nicht wissen.
„Willst du nicht einmal deine linken Zehen bewegen?“
Regungslos lag ich da und lies das Gehörte nachklingen. Wer sprach da mit mir?
Den Kopf langsam und so unauffällig wie es in meiner Lage möglich war anhebend, stellte ich fest – ich bin alleine.
„Wir - sind alleine“,
hörte ich die Stimme wieder,
„habe mich entschlossen dir zu vertrauen.
Es geht ja schließlich auch um mich.
Aber es ist das letzte Mal und du musst dein Wort halten.
Sonst mache ich wieder DICHT.“
Langsam tastete sich meine Hand unter der Decke an das linke Bein heran.
Oh, wie es sich anfühlte…- wunderbar!!
Höre hin wenn dir etwas gesagt wird. Hinhören macht immer Sinn.
Zufrieden schlief ich wieder ein.
Ich rauche nicht mehr und ernähre mich inzwischen gesund - logisch – meine Frau ist eine Ernährungswissenschaftlerin.
Texte: Copyright by Harry Reinert
Tag der Veröffentlichung: 09.06.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Dem rührigen - jacob.nomus
und für das sehr - und immer wieder - interessante Wortspiel.