Lebensweisheiten
Gerade 19 Jahre alt, musste ich erfahren, ich werde Papa.
Meine Freundin offenbarte mir das „Schlimme“.
Eigentlich hab ich es nicht als so schlimm empfunden, ging es uns doch nicht alleine so.
War gerade „in“
ein Kind zu bekommen, und wir waren nun dabei. Klasse.
Mein Mädchen sah es etwas anders, ebenso die Familie und ganz speziell - der Papa.
Dieser fing mich einige Tage nach der erhaltenen Information ab und fragte mich sehr nachdrücklich, ob ich nicht Lust hätte, mich mit ihm ein wenig zu unterhalten.
Mit sehr gemischten Gefühlen willigte ich ein, aber es ging schließlich auch um seine Tochter.
Eine mir, und zu meiner Überraschung auch dem Papa bekannten Gaststätte ganz in der Nähe, wurde zum Ziel erklärt.
Termin stand fest: sofort!
Wir setzten uns also in den hinteren Clubraum und es begann ein munterer Austausch.
Zu Beginn lud er mich auf ein Bier ein.
Ein Bier, so etwas trank ich nicht.
Unter diesen Umständen jedoch, verzichtete ich auf Einwände jeder Art.
Guten Eindruck machen? Angst vor „Sanktionen“ oder irgendwelche Repressalien die geliebte Tochter betreffend oder einfach nur „bloß nicht als nicht unangepasst auffallen?
Eine Antwort darauf fällt mir heute noch schwer.
Entscheidend für meine Schwierigkeit das Bier betreffend, war eine (von mir übernommen) Lebensweisheit meines Vaters:
„Wer Bier trinkt – und Karten spielt -
ist asozial – und betrügt.“
Interessante Sichtweise.
Für mich allerdings damals - ein Gesetz.
An diesem Abend wurde es von mir gebrochen.
Nun gut. Die Fragen, welche ich zu beantworten oder selbst hatte, erklären sich durch das Thema unseres geselligen Beisammenseins.
Der Alkohol war wohl an der entstandenen, seltsamen Geselligkeit schuld.
Die Heirat war somit beschlossene Sache und "dieArme" wurde vermutlich erst tags darauf informiert, über die für sie nicht ganz unwichtige Entscheidung.
„Wer entscheidende, lebensverändernde Dinge gemacht hat, muss dafür gerade stehen und im Zweifel mit seinem weiteren Leben einstehen.“
Eine mich damals ereilende Lebensweisheit, mit einem mir abgenommenen Versprechen besiegelt.
Werde immer für meine Frau und unser Kind sorgen, dass sie keine Not leiden müssen.
Versprechen von mir zu bekommen war so gut wie unmöglich, weil ich die Gegebenen, stets mit allen Konsequenzen einhielt.
Mein Vater erklärte mir schon als kleinen Mann:
Versprechen müssen eingehalten werden. Nicht eingehaltene Versprechen, ließen Rückschlüsse auf den Menschen zu.
Wer sein Versprechen nicht einhielt und zwar in jeder erdenklichen Form, der sei ein wertloser und überflüssiger Mensch!
Man bricht niemals ein gegebenes Versprechen.“
Ward mir zu einer Art Lebensphilosophie.
*
Verheiratet, Bundeswehr, Berufsleben, immer wieder wurden grundsätzliche Dinge von meinen „Lebensweisheiten“ oder vielleicht besser, entstandenen Ansichten prägend beeinflusst.
Mein Papa, der erklärte mir einmal langatmig:
„Die Familie ist das wichtigste Gut und das gilt es zu verteidigen gegen Unbill jedweder Art.“
Würde die Familiebande reißen, die Gründe können sehr verschieden dafür sein, würdest du das Fundament, den festen Halt, sofort verlieren.
Deine Geschwister sind die einzigen verlässlichen Menschen auf dem Niveau deiner Großfamilie und deiner Eltern.
Stehe immer zu deinen Geschwistern.
Erzählt man dir schlechtes über sie, verteidige sie mit allen Mitteln und befrage sie - im Zweifel – hinterher.
Gelernt fürs Leben.
Nachteilig daran war, das meine Ehefrau und die jeweiligen Lebenspartnerinnen, oder sollte ich besser sagen meine jeweiligen Lebensabschnittgefährtinnen, kamen zukünftig stets nach meinen Geschwistern.
Das war bestimmt (oder ich) für sie nicht einfach gewesen.
Meine Eltern und die Großfamilie, nahmen (erleichternd) nicht mehr so richtig an meinem Leben teil.
Mit Zwanzig und ... ? ...,
schlug ich ein Angebot des HSV aus, weil mir die Familie (die Mannschaft in der ich spielte) als das Wichtigste erschien.
Ebenso grenzte die nicht stattgefundene Experimentiersfreude mich ein, die Unzufriedenheit den Beruf betreffend.
Hatte ich doch mein Versprechen, auf meine Familie bezogen, noch lange nicht erfüllt.
- Da war sie wieder. Die Lebensweisheit, die mich daran hinderte, mein eigenes Leben zu führen!
Dennoch ging es im Fußball und Berufsleben, aus meiner heutigen Sicht ein wenig unkonventionell, stetig voran.
Einfacher wäre möglich gewesen.
Der Erfolg, mit Fußball Geld verdient, im Beruf Erfolgsleiter empor gestiegen, war mitunter ein Vabanquespiel und ging nicht immer glücklich aus.
Auf Grund dieser angeführten Lebensweisheiten (meiner?) meines Papas, war mir der Blick für die Rationalität in vielen Lebenssituationen verstellt.
Sagte mein Papa zu mir:
„Zu dem was du tust, musst du immer stehen können. Denke immer daran, mein Junge!“
So erwähnte meine Mutter fast gelangweilt, meine Freunde betreffend, welche ich ungeniert mit nach Hause brachte, auch wenn sie ihr nicht gefielen:
„Zeige mir seinen Stiefelputz und ich sage dir, mit wem du gehst.“
Kurioser Weise hatte sie mit dem „Stiefelputz“ immer Recht.
Oder:
„Trage nie eine Hose, die größer als dein Popo ist!“
Was, frage ich mich, will sie mir damit sagen?
Ich war doch für die damalige Zeit modisch stark ausgerichtet und meine „Hosen“ passten immer.
Um die Fingerzeige zu verstehen, muss man auch die Rückschlüsse des Erlebten verstehen.
Aber hatte ich es erlebt?
Ihr könnt Euch sicherlich denken, dass ich diese Reihe noch eine Weile fortsetzen könnte.
Doch was ist, oder war, mit meinen Lebensweisheiten?
Mein Leben lag vor mir. Wie sollte ich über solche verfügen?
Der Spielraum dafür, wurde mir durch die gut gemeinten Ratschläge doch genommen.
Lebensweisheiten.
Weisheiten, welche ich durch „leben“ , oder durch das Leben erlernen sollte. Sie sollten mich „Weise“ machen - auf die Jahre gesehen.
Das „Wissen“ um bestimmte Dinge war doch die Frage nach falsch oder richtig.
Hatte ich etwas falsch gemacht, eigentlich nur dann, „wusste ich“ was ich zukünftig zu tun oder zu lassen hatte. Soll ich also die in mir manifestierten Lebensweisheiten außer Acht lassen und mich ganz auf MEINE Erfahrungen und Erlerntes verlassen?
Nun, mit einem „biblischen“ Alter von 62 Jahren, könnte ich viel über Lebensweisheiten philosophieren.
Musste dafür aber alt werden und so vieles erleben.
Nun könnte ich meine Kindern sagen ………
Aber ich werde mich hüten
.
Ach so, das noch:
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht!“
Als Kinder haben wir uns absolut, an die von unseren Eltern aufgestellten Spielregeln gehalten.
Es wurde nicht gelogen. Standen wir zu unseren „Schandtaten“, gab es ein Lob für die erwartete Ehrlichkeit.
Das verstellte aber auch ein wenig den Blick für unaufgefordert gesagte Wahrheiten.
Das setzte sich bis ins Erwachsenalter fort.
Unsinniger Weise.
Dem Geschriebenen aber, gibt es eine unverwechselbare Qualität!
Denke einmal darüber nach.
Texte: Copyright by Harry Reinert
Tag der Veröffentlichung: 12.05.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Meinen geliebten Eltern