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In der Bäckerei



In Gedanken versunken, steht ein älterer männlicher Kunde vor dem großen Glastresen.
Fröstelnd seine Schultern hochziehend, sieht es so aus, als versuchte er, weiter in seinen verschlissenen grauen Mantel hinein zu kriechen.
Schüttere etwas zu lange Haare, liegen auf dem aufgestellten Kragenrand. Weiß, so wie die Bartstoppeln in seinem verhärmten Gesicht, in dem das Leben tiefe Spuren hinterlassen hat.
Eine dicke schwarze Hornbrille, unpassend zu seinem schmalen Gesicht, vergrößert seine müden braunen Augen auf eine unnatürliche Weise.
Sich seitlich bewegend, nimmt er ausgelegtes in Augenschein. Jedes Mal, wenn er sich nach vorne beugt um näher an die Tresenscheibe zu kommen, schiebt er sein Kinn vor, als müsse er sich gegen etwas wehren.
Sich wieder aufrichtend, tritt er nachdenklich einen Schritt zurück.
Seine große Einkaufstasche vor dem Bauch mit beiden Händen festhaltend, betrachtet er unverwandt die Auslagen.

Die Verkäuferin befragt den Kunden nach seinen Wünschen, der reagiert aber erst beim wiederholen der Frage und sieht erstaunt auf.
„Oh“, Verzeihung,“

entschuldigt er sich, „ich war ganz in Gedanken.“


Das ist mir nicht entgangen“,

antwortet die junge Frau hinter dem Tresen lächelnd, und ihre Frage freundlich wiederholend:
„was kann ich denn für sie tun?“


Tja“,

antwortet der Kunde nachdenklich, „ich bin mir noch nicht ganz sicher.“



Einen Schritt zurücktretend, bückt er sich etwas um einen besseren Blick auf die präsentierte Ware zu bekommen. Ohne aufzusehen fragt er dann:
„Die Brötchen da, im untersten Fach, wenn ich ein solches nehme, packen sie es mir, oder besser, können sie es mir auch einpacken? Als Geschenk?"



Die Verkäuferin zieht die Augenbrauen hoch, sieht ihn irritiert an, und fragt ungläubig als hätte er nach einem Brikett gefragt:
„Sie meinen als Geschenk?“


„Ja, ja genau“,

beeilt sich der Kunde zu antworten, „so richtig als Geschenk, meine ich!“


Sie sieht sich Hilfe suchend um, doch sie ist mit dem Herrn alleine.
Verunsichert und geistig abwesend wirkend, schiebt sie die unterschiedlich großen Brötchentüten in eine neue Reihenfolge, um sie dann wieder in die alte zurück zu bewegen.

Die Beschäftigung einstellend, mit ihren Überlegungen anscheinend am Ende, hebt sie ihren Kopf und fragt ihn ansehend noch einmal:
„Also richtig mit Geschenkpapier und so?“


„Richtig - richtig mit Geschenkpapier und so:“

wiederholt der Kunde aufgeräumt.
„Da muss ich erst einmal nachsehen, ob wir so etwas überhaupt da haben?“


Gequält lächelnd, tritt sie unruhig von einem Bein auf das andere.
„Machen Sie das, junge Frau, ich warte.“


Und nickt der jungen Frau aufmunternd zu.
Die verschwindet erleichtert durch die Tür hinter dem Tresen, aber nicht ohne sich noch einmal umzusehen als müsse sie sich vergewissern, ob sie nicht vielleicht träumt.
Einen Augenblick später ist durch die angelehnte Tür, unverständliches Murmeln und Geflüster zu vernehmen.

Die junge Bedienung kommt mit einer älteren Kollegin zurück und diese fragt jetzt sehr ruhig und nüchtern noch ein drittes Mal:
„Sie möchten ein einzelnes Brötchen, ich wiederhole - ein einzelnes Brötchen kaufen und wir sollen es als Geschenk einpacken? Das ist ihr ernsthafter Wunsch?“


Misstrauisch geht ihr Blick dabei vom Kunden zu ihrer Kollegin und zurück.
Der alte Mann lächelt freundlich und nickt bestätigend mit dem Kopf.
"Das ist mein Wunsch."



Nach der Bejahung durch den älteren Herrn, schüttelt sie den Kopf,
„das haben wir noch nie gehabt! Auch noch nie gemacht und außerdem keine Möglichkeiten! Wir haben weder Papier dafür, noch Bänder oder ähnliches! Es gab bis heute auch keinen Bedarf. Warum sollen wir überhaupt, ein einzelnes Brötchen als Geschenk einpacken?“


Sie fragt es sehr unfreundlich und inzwischen ebenfalls auch auch ein wenig skeptisch:
“Was für ein Unfug?“



Der Kunde sieht die Verkäuferinnen abwechselnd und ruhig an:
„Wissen Sie meine Damen“,


erklärt er ernst und höflich,
"meine Frau und ich leben sehr, sehr sparsam und in einfachen Verhältnissen.
Sie hat aber, heute Geburtstag und da wollte ich ihr eine Freude machen und ein lang entbehrtes, knuspriges Brötchen mitbringen. Eines von jenen dort, “


dabei zeigt auf das untere Regal im Tresen,
eines von denen mit den ganzen Körnern oben drauf. Genau das da!“

sich erneut bückend, deutet er mit dem rechten Zeigefinger auf ganz ein bestimmtes Brötchen, „das da, für sage und schreibe --.75 Cent!“

Dabei hebt sich seine Stimme etwas und er wird etwas lauter.
Den Kopf hebend die Verkäuferin ansehend, ohne sich aufzurichten, sagte er dann wieder im ruhigen Ton:
„Ich hoffe doch, dass der Preis noch stimmt?“


Sich nunmehr vollends aufrichtend und die beiden Damen prüfend ansehend:
„ Nicht das es noch teurer ist!“



„Ach, Sie wollen auf den Preis hinaus?“


Stellt die jüngere der Beiden fest.
„Sie wollen also nur …..“


„Genau, ganz genau! Es geht um den Preis!“


Unterbricht sie der alte Herr.
„Aber anders, als sie denken. Wenn ich diese Preise heute lese, und sie dann in Mark umrechne, sind das Geschenkpapier und meine Haltung mehr als angebracht.
Da Sie aber, wie Sie sagen, kein Geschenkpapier haben, bedanke ich mich für ihre Aufmerksamkeit.
Obwohl, ich denke, Sie sollten sich so langsam umstellen, sich die dafür notwendigen Utensilien besorgen und parat haben.“


Etwas abwesend wirkend, hat er zu ihnen gesprochen. Nickt den betretend dastehenden Damen zu, wendet sich ab und geht.

In der geöffneten Ausgangstür stehen bleibend, dreht er sich langsam noch einmal um:
„Und eigentlich möchte ich nun auch keine mehr. Nie mehr!“


Die Bäckerei verlassend, lässt er zwei sich fassungslos ansehende Verkäuferinnen zurück.
Die werden noch lange davon erzählen, hoffentlich glaubt man ihnen diese Geschichte.


Impressum

Texte: Copyright bei Harry Reinert
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen älteren Menschen - mit stark begrenzten finanziellen Möglichkeiten. Möge es niemals so weit kommen.

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