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Erschöpft



Nachdem das Krankenhauspersonal das Zimmer verlassen hat, verabschiedet sich seine kleine Frau ebenfalls von ihm.
Ihr Versuch, gute Laune vorzutäuschen, misslingt kläglich.


Nun ist er allein.
Das große Zimmer mit den drei Betten liegt im Halbdunkel.
Regungslos, auf der Bettkante sitzend, starrt er aus dem Fenster. Es schneit und die wenigen sichtbaren Fahrzeuge bewegen sich lautlos.
Ein großes Räumfahrzeug, welches seine Arbeit routiniert verrichtet, wird von ihm schon nicht mehr wahrgenommen.

Angst macht sich in ihm breit.
Seine Krankheit ist so weit fortgeschritten, sodass er kaum noch atmen kann.
Vor zwei Tagen noch war das Atmen lediglich schwierig, inzwischen bekommt er nur noch unter großen Anstrengungen ausreichend Sauerstoff in die Lungen.
Rasselnd und pfeifend geht sein Atem, während er seinen Gedanken nachhängend unverändert aus dem Fenster schaut.
Dann lässt er sich zurück auf das Bett fallen.

Nach einer kurzen Zeit schon, kommt er nach Luft jappsend wieder hoch. Keuchend, hustend und die Luft gierig einsaugend, stellt er sich hin.
Immer unruhiger und hektischer werden seine Bewegungen.
Wenn sich die Krankheit weiterhin so rasend schnell entwickelt, kann er in spätestens drei, vier Tagen nicht mehr einatmen.

Plötzlich sitzt er ganz ruhig auf seinem Bett und sieht durch das Fenster in den inzwischen dunklen Himmel. Das geht eine Weile so, bis er seine Hände faltet und laut zu beten beginnt:

„Lieber Gott, bitte hilf mir.
Nach all meinen Krankheiten, den Schicksalsschlägen, vor allen nach den Verletzungen an der Seele, habe ich endlich die richtige Frau, einen Platz im Leben und in unserer Gemeinde gefunden. Warum nimmst du mir wieder alles?
Diabetes, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bypasses, und andere gute Gelegenheiten hast du ausgelassen. Warum machst du das??
Hat es sich gelohnt mich zu reparieren?
Für eine so kurze Zeit?“



Dann bricht es aus ihm heraus. Sein Körper schüttelt sich unter Weinkrämpfen.
Das tränenverschmierte Gesicht an die Zimmerdecke gerichtet, weint und hustet er.
Dazwischen krächzt er immer und immer wieder:
„Warum lieber Gott, Warum?“



Immer leiser werdend, flüstert er nur noch heiser:
„Warum lieber Gott, warum, warum?“



Nur noch Unverständliches vor sich hin flüsternd, schnäuzte er sich mehrfach die Nase. Die Zeit trocknet seine Tränen.
Nur durch seinen pfeifenden und rasselnden Atem wird die eingetretene Stille unterbrochen.

Zusammen gesunken die Hände gefaltet, den Kopf gesenkt, scheint es so, als summe er eine Melodie.
War es das nun? Das Glück mit dem Glück?
Würden die Ärzte rechtzeitig die Lösung seines Problems finden?
Dann fallen ihm die Augen zu.
Erschöpft und röchelnd schläft er einfach ein.


Am Morgen zwei Tage nach dieser Nacht, liegt er mit offenen Augen in seinem Bett und starrt an die Zimmerdecke, den täglich wiederkehrenden Geräuschen des Krankenhausbetriebes der Intensivstation lauschend.

Eine Hand legt sich auf seine Schulter und eine sanfte Stimme holt ihn in die Gegenwart:
„Herr R. sind Sie schon wach?“


Sich der Stimme zuwendend, sieht er in die Augen einer jungen Frau.

„Mein Name ist Katja. Ich bin die Stationsärztin und darf Ihnen sagen, dass Ihr Zustand sich ein wenig gebessert hat. Verlorene Körperflüssigkeit, Antibiotika und keine nennenswerte Nahrungseinnahme allerdings zwingt uns, Sie weiterhin hier zu behalten. Eine sehr schwere Lungenentzündung, Ihre Bronchien sind so gut wie geschlossen und Wasser in der Lunge, erschweren unsere Maßnahmen zu Ihrer Gesundung erheblich.
Aus einem uns unbekannten Grund, haben Sie vor zwei Tagen die Phase, in der wir Sie fast aufgegeben hatten, überstanden.
Wir rätseln noch darüber, wie Sie es überstehen konnten. In der Nacht vor zwei Tagen hat unsere Nachtschwester Sie vor dem Bett liegend gefunden und uns sofort informiert. Wir hatten keine großen Hoffnungen mehr.
Doch ein Medikament, ein Antibiotikum, von dem wir nicht glaubten oder besser nicht wussten, das es ihnen helfen würde, haben wir Ihnen in der Not ein weiteres Mal verabreicht und Sie Gott sei Dank in den jetzigen Zustand versetzen können.
Mit Gottes Hilfe und unseren bescheidenen Mitteln, wollen wir Sie wieder auf die Beine bringen.
Aber wir benötigen Ihre tatkräftige Hilfe, Herr R., - wir brauchen Ihre Hilfe.
Sie müssen wollen!!




Er versucht darauf zu antworten, aber es gelingt ihm nicht so richtig. Es kommt ihm so vor, als brabbele er nur wirres Zeug.
Das freundliche Lächeln der Ärztin gibt ihm aber das Gefühl, sie versteht ihn.
Natürlich würde er helfen. Nur zu genau weiss er, was sie damit meint.
Natürlich helfe ich!
Zufrieden lächelnd, schläft er unkontrolliert wieder ein.


Am nächsten Morgen, kann er sitzend im Bett den Ausführungen der Visite nicht so recht folgen, aber für sich konstatieren:
Gott hat mich erhört.

Er hat mir ein Zeichen gegeben, mit der nicht mehr erwarteten Wende zum Guten. Zur Gesundung.
Gott sei Dank.
Ich bin so glücklich!!
Sich wieder hinlegend – schläft er seiner Genesung entgegen.

Danke !

Impressum

Texte: Copyright bei Harry Reinert
Tag der Veröffentlichung: 18.02.2009

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