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Die Fliege



Nachdem ich gefrühstückt habe, nehme ich meine Rauchutensilien, meinen Becher Kaffe und setze mich auf die Terrasse.
Ich platziere mich so auf meiner kleinen Gartenbank, dass ich direkt in der Morgensonne sitze.
Zurücklehnend strecke ich meine Glieder und genieße die wohlige Wärme der Sonne.
Schon nach kurzer Zeit spüre ich auf der nackten Haut die Spannung und das Kribbeln, das sich immer dann einstellt wenn man sich schutzlos den Sonnenstrahlen aussetzt.
Mit geschlossenen Augen horche ich in mich hinein und warte vergebens auf das Kitzeln das Schweißtropfen verursachen, wenn sie über erhitzte Haut perlen.
Das sind Momente, die ich bewusst genieße.
Es ist aber auch der Augenblick in dem mir bewusst wird, dass ich alleine bin.
Ich kann mich nicht austauschen. Kann nicht nach dem Befinden des Menschen fragen, mit dem ich diese Augenblicke gerne teilen würde.
Nach einer Weile öffne ich die Augen und bin so geblendet, dass ich nichts erkennen kann.
Mich etwas aufsetzend senke ich den Kopf und versuche durch zusammen gekniffene Augenlider meine Umgebung zu erfassen.
Als ich dem grellen Licht entwöhnt und durch ein leichtes Flimmern meine Umgebung wie ein überbelichtetes Bild wahrnehmen kann, fällt mein Blick auf das kleine Vogelhaus und auf die darunter befindliche Vogeltränke.
Völlig ausgetrocknet befinden sich darin nur noch Spuren des verdunsteten Wassers und ein wenig schmutziger Sand.
Meine kleinen gefiederten Freunde könnten ein wenig frisches Wasser gut gebrauchen. Du bist in der Pflicht, sage ich mir.
Lege aber dessen ungeachtet meine Beine auf den Stuhl gegenüber und zünde mir eine Zigarette an.
Dem weißen Rauch mit den Augen folgend den ich ausgestoßen habe, schweift mein Blick durch meinen ziemlich großen und ungepflegten Garten.
Ich müsste Rasenmähen, Unkraut zupfen, harken und überhaupt, es wartet in meinem Grün sehr viel Arbeit auf mich.
Die zu erledigenden Arbeiten ignorierend, schaue ich auf die Glut meiner Zigarette und beobachte erwartungsvoll, wann die Asche zu Boden fallen wird .
Aber dann werde ich abgelenkt. Meine Aufmerksamkeit gilt dem Tisch direkt vor mir.
Dort beobachte ich zwei Fliegen die bewegungslos auf dem bunten Tischtuch sitzen und mich anstarren. Zumindest empfinde ich es so.

„ Na, meine kleinen Freunde“,
frage ich und bleibe bewegungslos sitzen
„wollt ihr mir etwas Gesellschaft leisten? Eigentlich bin ich nicht euer Freund, aber heute seid ihr mir irgendwie willkommen..“
Eine der Beiden bewegt sich ruckartig etwas von mir weg.
„Du brauchst nicht vor mir zu flüchten. Sieh her“,
dabei schiebe ich vorsichtig mit dem kleinen Finger einige Brotkrümel in die Nähe der Fliege,
„ iss ein wenig, ich lade dich ein.“
Die Fliege bewegt sich aber nicht von der Stelle.
Sieht sie mich nun an frage ich mich, oder bin ich das Opfer meiner Phantasie?
Langsam bewege ich meinen Oberkörper rückwärts, lasse die Fliege dabei aber nicht aus den Augen. Als ich die Rückenlehne erreicht habe, beobachte ich gespannt wie die Fliege sich wohl verhalten wird.
Sie bewegt sich doch tatsächlich näher an die Krumen heran.
„Du kannst mir vertrauen“ flüstere ich, “ich bin froh über ein wenig Gesellschaft.“
An meiner Zigarette ziehend, beobachte ich gespannt die Fliegen.
Plötzlich fliegt die Hintere der Beiden, in einem kleinen Bogen direkt in mein Gesicht.
Sie sitzt auf meiner Wange und ist mir nun ganz nahe. Ich kann sie auf meinem Gesicht fühlen.
Noch immer bewegungslos sitzend sage ich leise:
“Du auch, du kannst auch bei mir bleiben. Ich bin dankbar für eure Gesellschaft. So fühle ich mich nicht mehr allein.“
Eine Weile sitze ich nur so da und lasse sie über mein Gesicht laufen. Obwohl ich den Drang verspüre mich dort zu kratzen wo sie gerade läuft.
Als ich mich dann aber doch bewege um meine Zigarette im Aschenbecher auszudrücken, fliegt sie zurück auf dem Tisch.
Als hätte sie ihre Artgenossin aufgefordert, fliegt sie mit der davon.
„ Schade! Kommt ihr nachher wieder?“
Frage ich und bekomme natürlich keine Antwort.
„Tschüß bis Morgen“,
sage ich noch leise und abschließend in die Richtung in der sie verschwunden sind.
Zugegeben, ich sage es mehr zu mir selbst.
Nun bin ich wieder allein.
Der Volksmund sagt: es stört dich die Fliege an der Wand, wenn man ganz mies drauf ist.
Ist bei einer gewissen Einsamkeit, mein Zwiegespräch der Umkehrschluss??

Impressum

Texte: © Text und Bilder Harry Reinert
Tag der Veröffentlichung: 13.02.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
allen Menschen mit feinem Gespür

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