„Du erlebst es doch jeden Tag neu, dass ich so gut wie keine Zeit mehr für mich habe. Ich bin doch froh, wenn ich mich auf der Couch mal lang machen kann.“ „Dann nutze jetzt die Gelegenheit!“ Ihre Stimme hatte an Schärfe zugenommen, „und lege dich noch ein wenig hin, während ich den Tisch abräume und in die Küche gehe“, eine Pause machend und bissig fortfahrend, „um mich dort ein wenig zu beschäftigen!“
„Bist du jetzt etwa beleidigt?“ Fragte er erstaunt. „Ich habe doch nur gesagt was jeder weiß. Ihr, ihr, Hausfrauen“, nun kam er richtig in Fahrt, „könnt es euch doch ein langes Leben bequem machen. Auf dem Rücken eurer Ehemänner. Und übrigens, warum?“ Zornesröte im Gesicht hob er den Zeigefinger in die Höhe, „und warum lebt ihr länger als wir Männer im Durchschnitt? Doch nur, weil wir unsere Kraft und Energie im harten Wettbewerb des Beruflebens lassen. Für unsere Frauen selbstlos sorgen und uns nichts zuviel ist. Bis zu unserem Pensionistendasein reiben wir uns auf und es sind reine Glücksfälle, wenn ein angestrebtes, einigermaßen normales Leben im Ruhestand möglich ist.
Aber kaum sind wir Rentner und unser Leben gleicht dem Euren, sind wir faul und lassen Fünfe gerade sein. Lassen uns gehen, sind an allem desinteressiert. Mit mir kannst du so nicht umspringen. Von was würden wir denn heute unser Auskommen bestreiten müssen, gäbe es meine sauer verdiente Rente nicht?“
Nach Atem ringend, saß er bolzengerade auf seinem Stuhl und sah seine Frau triumphierend an.
Die betrachtete ihn eine ganze Weile mit versteinerter Miene.
Dann, ohne einen Ton zu sagen, erhob sie sich, stellte mit ausdruckslosem Gesicht das Geschirr zusammen und trug es wortlos in Ihre Küche.
„Trocknest du ab?“ Fragte sie spöttisch aus der Küche, wohlwissend dass sie einen Korb bekommen würde.
Und die Antwort kam prompt: „Ich hätte meiner Frau selbstverständlich bei der Abwäsche geholfen, aber nach den unhaltbaren Beschuldigungen meinen Fleiß betreffend, ist es besser glaube ich, wenn ich um den Block gehe.“
Er hatte sich ausgetobt und einen Grund für sich gefunden. endlich zu seinen Kumpels in die Stammkneipe zu verschwinden. Entschlossen in den Flur stapfend, dauerte es nur einige Augenblicke und er hatte sich angezogen. Die Tür hinter sich ins Schloss knallend, polterte er die drei Stufen herunter.
Durch das Küchenfenster sah sie ihm nach, wie er durch den Vorgarten Richtung Strasse verschwand.
„Was hast du dich verändert?“ Sagte sie leise aus dem Fenster schauend, „gehe du man zu deinen Leidensgenossen! Ich möchte wissen, ob die sich auch so aufführen?
Ein langer Seufzer, ein paar Tränen weggewischt, und die Hausfrau nahm ihre Arbeit wieder auf.
Es war jeden Sonntag das gleiche Theater, aber so schlimm wie heute war es noch nie.
Schläfrig fernsehend in ihrem Sessel sitzend, die Füße hochgelegt, stellte sie den Ton leiser als sie Geräusche an der Haustür hört.
Dem Gestocher nach zu urteilen, kriegt ihr Mann den Schlüssel nicht in das Schloss. Bestimmt hat er wieder getrunken.
„Klappt ja doch“, murmelt sie und macht den Ton wieder lauter, als die Tür geöffnet wird.
Stöhnend und vor sich hin schimpfend entledigt er sich seiner Schuhe und der Jacke.
„Hallo mein Schatz!“ Ruft er gutgelaunt mit schwerer Zunge aus dem Flur, „dein lieber Mann ist wieder da!“
„Und stockbetrunken“, flüstert sie leise um laut hinzu zufügen: „Na, wie war’s?“
„Och, wie immer. Haben über Fußball, Autos und so weiter gequatscht.“
„Und über Frauen nicht?“ Fragt sie spitz.
„Nein, das machen wir doch nie.“ Antwortet er glucksend lachend, als er schon in der Tür steht und sich bemüht seinen Blick in ihre Richtung zu lenken.
Stark schwankend, sich am Türpfosten festhaltend, ergänzt er nuschelnd: „Kennst uns doch.“
„Eben“, wiederholt sie ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen, „macht ihr doch nie.“
„Nun fange nicht wieder an mit mir zu streiten“, kommt es schwer verständlich über seine Lippen und beim sprechen entstehen kleine Speichelbläschen. „Ich habe einen Bärenhunger, mein Engel. Machst du mir was zum Essen?“ Und plumpst dabei so laut auf das Sofa, das sie erschrocken den Kopf wendet.
„So pass doch auf!“ Schimpft sie erschrocken aus ihrem Sessel, „du machst noch unser Sofa kaputt!“
„Und ich bin dir egal, oder was?“ Fragt er sie übellaunisch ansehend. „Wenn mir was passiert, dann hast du endlich deine Ruhe. Oder wie soll ich das verstehen?“
Gereizt eine sitzende Position einnehmend, sucht er mit schwankendem Kopf ihren Blick. „Ich kann ja wieder in die Kneipe gehen. Willst du das?“
„Wer streitet wohl mit wem?“ Fragt sie erbost und weicht seinen Blicken aus, „ich streite jedenfalls nicht mit dir!“ Sich erhebend sagt sie müde, „ich mache dir was zu essen“, und entflieht in die Küche.
Leise, so das sie es nicht hören kann, sagt er in bösem Ton: “Das will ich dir auch geraten haben.“
Als sie mit geschmierten Broten und heißem Tee aus der Küche kommt, liegt er schnarchend und vollgesabbert auf seinem Lieblingsplatz.
„Mein Göttergatte“, Teller und Tasse in der Hand haltend, sieht sie kopfschüttelnd auf ihn herunter, „wäre besser gewesen, wenn du gleich ins Bad und anschließend ins Bett gegangen wärest. Mir soll es egal sein“, mit einem lauten Knall, stellt sie was sie in der Hand hält auf den Tisch.
Vor sich hin schimpfend schaltet sie ziellos durch die Programme, um bei einer alten Filmschnulze der anfänglich ihre Aufmerksamkeit gehörte, übermüdet einzuschlafen.
„Hertha!!“
Verschlafen schreckt sie in ihrem Sessel hoch - „Hertha“, verdammt noch mal!“ Schnauzt ihr Gatte sie missgelaunt an, „was ist mit meinem Essen passiert? Der Käse ist krumm und die Wurst sieht aus, als sei sie von gestern. So einen Fraß setzt man einem Schwein vor. Aber nicht mir!“
Auf dem Sofa sitzend, starrte er sie mit kleinen roten Augen an. „Ich habe Hunger. Ist dir das egal?“ Die Zornesröte in seinem Gesicht ähnelte der vom Nachmittag.
„Kalle, mein lieber Mann“, süffisant in Ton und Mimik, zieht sie ihre Worte in die Länge, „wenn du betrunken auf dein Sofa fällst und schläfst, obwohl ich mich für dich in die Küche stelle und etwas zum Essen mache, soll es nach Stunden wohl so aussehen.“ Demonstrativ blickt sie dabei auf die Wanduhr.
Er folgte ihrem Blick und sagte leise: „Was? Schon drei Uhr morgens?“
„Allerdings, mein lieber Herr“, ihre Beine vom Hocker nehmend, sagt sie entschlossen: „und ich werde nun ins Bett gehen. Wenn du etwas anderes essen willst? Mach dir was!“
Und geht ohne ihn eines Blickes zu würdigen ins Bad.
Zurückkehrend, wirft sie noch einen prüfenden Blick in ihre vorbildlich aufgeräumte Küche und verschwindet an ihrem auf den Fernseher stierenden Mann vorbei in das Schlafzimmer.
Ohne einen Gute Nachtwunsch zu äußern.
Am frühen Morgen wird sie von Stimmen aus der Stube geweckt. Mit einem Blick stellt sie fest, das Bett neben ihr unberührt ist.
Ihren Morgenmantel überziehend, schlurft sie zur Tür und öffnet sie behutsam.
Sie reibt sich die Augen bei dem Anblick der sich ihr bietet.
Ihr Gatte liegt bekleidet schlafend auf der Couch und die Stimmen, kommen aus dem laufenden Fernseher.
Ein unangenehmer Geruch von schalem Bier, kaltem Rauch und vom braten irgendwelcher Lebensmittel steht förmlich in dem überhitztem Raum
Auf dem Tisch stehen Teller mit dem Brot vom Vorabend und andere mit kaum identifizierbaren Inhalten und Resten.
Zwischen mehreren leeren und einer halbvolle Bierflasche, liegt ein umgekipptes Glas deren Inhalt inzwischen von dem Tischtuch aufgesogen und so zu diesem ekligem Geruch beiträgt.
Eingetrocknete Eireste und angebissenes Brot, befinden sich ebenso wie die Reste von verschrumpelten Grillwürsten auf weiteren Tellern. Die restlichen Teller sind lediglich beschmutzt, als sei davon nur gegessen worden.
In dieser Unordnung thronte ein Aschenbecher mit über den Rand quellender Asche, garniert von Zigarettenstummeln.
Der Tee blieb ebenso unberührt, stellte sie fest, wie das Brot welches sie für ihn geschmiert hat.
Eine Weile betrachtete sie ihren schlafenden Mann, der Hemd und Hose geöffnet schnarchend und durchgeschwitzt auf dem Sofa schläft. Seine dünnen Haare kleben auf der hohen Stirn.
Sich abwendend, Richtung Küche gehend, schwante ihr fürchterliches.
So hatte es in ihrem kleinen Reich noch nie ausgesehen.
Die Schranktüren standen offen und entnommen Gegenstände standen wahllos in der Küche verteilt herum.
Auf der Arbeitsplatte lag verschmutztes, zerknülltes Haushaltsrollenpapier zwischen benutztem Besteck sowie Schüsseln und Schalen.
Alles schien sinnlos aufgemacht, angebrochen und verschmutzt worden zu sein.
Auf dem Herd sah sie ihre drei Pfannen stehen von kaltem Fett und Essenresten verschmutzt. Beim Brutzeln hat ihr Mann einen erheblichen Teil heraus- statt herumgerührt. Der Herd völlig beschmutzt und mit eingetrockneten Resten übersät. Die Schranktüren ebenso wie die fast zugestellten Arbeitsplatten, waren mit schmierigen Streifen und Fingerabdrücken übersäht. Der gestern gewischte Boden, sah auch nicht viel anders aus.
Alles das, ließ sie einige Male heftig schlucken.
Ihr Blick streift noch einmal durch ihre Küche.
Langsam dreht sie sich um und verschwindet mit schleppenden Schritten die Tür hinter sich schließend, im Badezimmer.
Nach einer guten Stunde öffnete sich die Tür wieder und eine völlig veränderte Frau betrat den Flur.
Dem Spiegel im Flur zugewandt, zupfte sie sich betrachtend an Kleid und Bluse herum.
„Du siehst doch noch gut aus.“ Raunte sie ihrem Spiegelbild zu. Die vielen kleine Falten und ihre freundlichen Augen, gaben ihr ein äußerst sympathisches Aussehen.
Sich umdrehend, griff sie nach ihren Schuhen, zog den Mantel an und öffnete die Wohnungstür.
Hinaus getreten, zog sie die Tür leise wieder ins Schloss und ging die Stufen abwärts in den Vorgarten.
Dort angekommen, zögerte sie kurz, glaubte sie doch zu hören wie ihr Mann sie beim Namen rief.
Sich aber einen Ruck gebend, setzte sie dann unbeirrt ihren Weg fort und fühlte sich bei jedem Schritt mit dem sie sich weiter entfernte, leichter und besser.
Es wird noch ein langer beschwerlicher Weg, dachte sie, aber das was sie jetzt hatte, das wollte sie nicht mehr.
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Texte: © Harry Reinert
Jede Verwendung des Textes bedarf der Genehmigung des Autoren.
Tag der Veröffentlichung: 31.12.2008
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