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Kairo ist in jeder Hinsicht eine besondere Stadt. Die Stadt war schon früh der Mittelpunkt des Pharaonenreiches und auch im späteren Verlauf war die Stadt immer wieder ein wichtiger Punkt in der Geschichte. Die meisten Leute stellen sich unter Kairo eine blühende Stadt vor, die finanziell hochgestellt ist und nur wenig Armut hat.
Andere wiederum denken bei dem Namen Kairo an eine Stadt voller lauter, hupender Autos. Und wieder andere stellen sich eine Stadt voller Armut und Gewalt vor. All diese Beschreibungen treffen auf Kairo zu.
Herbert Grant kannte die Stadt Kairo schon sehr lange und sehr gut. Er wohnte in den nobleren Vierteln der Stadt und genoss sein Leben in vollen Zügen. Von der Armut um ihn herum merkte er normalerweise wenig bis gar nichts. Er vertrat die Meinung, wenn es mir gut geht, geht es allen gut und wenn es allen nicht gut geht, ist mir das egal; so lange es mir weiterhin gut geht.
An diesem Abend befand sich Grant in seiner Villa in Kairo. Er stammte aus Deutschland, hatte jedoch viel Geld geerbt und war nach Ägypten, um genau zu sein, nach Kairo ausgewandert. Er befand sich gerade in seinem Garten als er plötzlich Lust auf einen guten Wein bekam. Er griff nach seinem Haustelefon, das neben ihm lag und wählte die Kurzwahltaste des Handys seines Kammerdieners. Dieser meldete sich sofort, wie er es immer tat und versprach seinem Arbeitgeber, ihm sofort ein Glas gekühlten Rotwein in den Garten zu bringen.
Im Haus drückte der Kammerdiener von Grant auf den roten Hörer seines Handys und brach damit die Verbindung ab. Er ging zur Hausbar und schenkte sich einen Wein ein. Dann stellte er das Weinglas auf ein silbernes Tablett und gab es einem zweiten Mann, der im Haus war, der jedoch nicht zum Personal gehörte. „Viel Glück“, flüsterte der Kammerdiener dem anderen zu, als dieser sich auf den Weg in den Garten machte.
„Ah da sind sie ja“, sagte Grant als er die Schritte hinter sich hörte. Er drehte sich nicht zu dem Mann um, von dem er dachte, dass es sein Kammerdiener sei. Er drehte sich leicht zur Seite um das Glas anzunehmen und starrte in die Mündung einer Pistole.
„Was soll das?“, fragte er verwirrt und stellte jetzt erst fest, dass es sich nicht um seinen Kammerdiener handelte, der ihn da bedrohte. Der Mann ließ das Tablett fallen, wobei das Glas zerbrach. Dann zog er einen Zettel aus der Hosentasche und reichte ihn Grant. „Vorlesen“, befahl der Mann. Grant zögerte, nahm dann aber den Zettel und las laut vor. „Ich habe Kamin Ali umgebracht.“ Er zögerte. „Wer soll das sein?“, fragte Grant. Der Mann sah ihn traurig an. „Der, dem sie versprochen hatten zu helfen es aber nicht getan haben.“ Mit diesen Worten schoss der Mann. Die Kugel fuhr genau in die Stirn ein, zerstörte nach ihrem Flug das Gehirn und trat auf der anderen Seite wieder heraus. Grants Kopf kippte nach hinten, seine Augen waren weit aufgerissen.
Der Mann wandte sich von dem Toten ab und ging ins Haus. Der Kammerdiener kam ihm entgegen. „Haben sie es getan?“, fragte er. „Ja“, war die knappe Antwort des anderen. „Jesus, Maria, Gott sei Dank“, sagte der andere und huschte davon.
Der Mann war noch nicht fertig mit seiner Mission. Er verließ jedoch das Haus und ging. Sein nächstes Opfer würde an einen anderen Tag büßen.

Jack Sampson war ein Afroamerikaner. Er war in Amerika aufgewachsen, dann jedoch nach Afrika, dem Heimatland seiner Vorfahren, gezogen. Nun arbeitete er bereits seit fünf Jahren für die Polizei von Kairo als Ermittler. Er war ein großer Mann von ein Meter neunzig und muskulös. Sein kahl rasierter Schädel glänzte in der Sonne, als er sich neben den toten Grant bückte und ihm das Zettelchen aus der Hand nahm, das der Mörder hinterlassen hatte.
„Ich habe Kamin Ali umgebracht“, las er. „Selbstmord?“, fragte ein Mann von der Spurensicherung. „Sehen sie eine Waffe?“, fragte Sampson sarkastisch und wandte sich dann einem anderen Schwarzen zu, der sich gerade über den Toten gebeugt hatte.
„Na, hast du was Doc?“, fragte Sampson. Der Arzt schaute zu ihm. Seine Augen waren durch die Brille, in der sich die Sonne spiegelte, nicht zu sehen. Er lächelte Sampson an. „Tot durch einen Schuss in die Stirn, eine neun Millimeter Patrone war dafür verantwortlich, aber dafür hättest du mich nicht gebraucht.“ „Ja, aber wenn ich jedes Mal selber die Untersuchung mache, wärst du Arbeitslos.“ „Auch wieder war.“ Dann fügte er hinzu, „Meine Jungs werden die Leiche wegbringen, sobald du dein OK gibst. Sehen wir uns am Samstag zum Essen? Meine Frau macht Rinderbraten.“ „Da fragst du noch? Wieviel Uhr...?“ „So gegen Sechs“ „Also, ich komme.“ „Sehr gut! Ich esse nämlich keinen ganzen Braten alleine auf.“ Die beiden gaben sich die Hand und der Arzt verließ den Garten.
Sampson kniete sich hin und untersuchte das zersprungen Weinglas, das auf dem Boden lag. Dann wandte er sich zu einem Polizisten. „Was ist mit den Angestellten?“ „Die waren gestern Abend nicht da und wissen daher auch nichts.“ „Fehlt einer?“ „Ja, der Kammerdiener, der gestern hier war, ist nicht auffindbar.“ „Dann lassen sie ihn zur Fahndung ausschreiben. Eventuell ist er ein Verdächtiger, vielleicht auch ein Zeuge, vielleicht weiß er auch gar nichts. Das müssen wir feststellen.“ Der Polizist ging und Sampson verschwand ins Haus.
In dem Haus oder wohl eher in der Villa, fand Sampson schnell das Arbeitszimmer. Der Tote schien mit allen möglichen Wohltätigkeitsorganisationen zu tun gehabt zu haben. Eine davon hatte einen Standpunkt in Kairo. Sampson beschloss, dort einmal vorbeizufahren.

Die Wohltätigkeitsorganisation „Makamba“ wurde größtenteils durch Deutsche Schulen und Privatleute unterstützt. Die Organisation kümmerte sich darum, das Bewohner aus afrikanischen Dörfern eine bessere Schulbildung bekamen.
Die Frau, die am Empfang saß, begrüßte Sampson lächelnd. Nachdem Sampson jedoch seinen Ausweis zeigte, verblasste das Lächeln der Frau ein wenig. „Wir machen hier nichts Illegales, Sie können direkt wieder abhauen.“ „Keine Angst“, sagte er lächelnd. „Ich habe nur ein paar Fragen über einen ihrer Spender“. „Wir waschen hier auch kein Geld“, gab die Frau zurück. „Sagen sie mal, wieso sind Sie so unfreundlich?“, fragte Sampson. „Weil man durchgängig versucht, unsere Organisation zu zerstören, damit die Menschen hier weiter arm und ungebildet bleiben und als Arbeiter ausgenutzt werden können!“ Sie holte tief Luft. „Ich verstehe ja ihren Standpunkt“, sagte Sampson ruhig. „Aber bitte glauben Sie mir, ich bin nur hier um Informationen über Herbert Grant zu bekommen.“ „Was ist mit Mr. Grant?“ fragte die Frau. „Er ist tot“, sagte Sampson knapp. Die Frau starrte ihn an. „Was kann ich für Sie tun?“ fragte sie nun sehr ruhig. Sampson fragte sich, ob er sie vielleicht einmal zu viel zur Ruhe ermahnt hatte. „Was hat Mr. Grant in dieser Organisation gemacht?“ „Er war einer unsere Vorstandsmitglieder. Er war für die Geldverwaltung zuständig.“
„Hatte er hier ein Büro?“
„Nein er hat immer zu Hause gearbeitet.“
„Wie viele Vorstandsmitglieder hat die Organisation?“
„Drei oder jetzt wohl nur noch Zwei.“
„Ist einer der zwei Anderen hier?“
„Ja, im oberen Stockwerk, ich werde Sie anmelden.“
„Danke, aber nicht nötig. Ich gehe einfach rein. Auf Wiedersehen.“
Sampson ging nach oben und sah schon bald eine Tür, die nach Vorstand aussah. Zumindestens stand Vorstand in goldenen Lettern auf der Tür. Sampson klopfte, wartete jedoch nicht auf eine Antwort und ging rein.
Hinter dem Schreibtisch, der aus sehr schönem Holz bestand, das auf jeden Fall aus Europa stammte, saß ein Mann. Er war ein Meter siebzig groß und hatte einen Bierbauch. Er schaute Sampson fragend an. „Polizei, Jack Sampson“, stellte er sich knapp vor.
„Was kann ich für sie tun?“, fragte der Andere. „Mein Name ist übrigens Walter Bauer. Setzen Sie sich doch.“ Dabei zeigte er auf einen Stuhl ihm gegenüber. Sampson setzte sich und Bauer bot ihm etwas zu trinken an. Dieser nahm dankend an und Bauer reichte ihm einen Konjak. Bauer nippte an seinem eigenen Glas und zuckte zusammen als Sampson sein Glas mit einen Zug leerte.
„Nun gut Herr Sampson, was kann ich für Sie tun?“ „Ich wollte ihnen mitteilen, dass Ihr Geschäftspartner Grant tot ist“. Der andere sah Sampson schockiert an. „Wie denn das?“, fragte er dann. „Er wurde ermordet in seinem Garten aufgefunden.“ „Das ist schrecklich,“ sagte Bauer. Doch irgendwie klang es nicht aufrichtig.
„Wann haben Sie ihren Geschäftspartner das letzte Mal gesehen?“, fragte Sampson. „Gestern Mittag. Er war hier im Büro. Wir haben uns über das Geschäft unterhalten“. „War er anders als sonst? Vielleicht aufgeregt oder beunruhigt?“ „Nein, er war wie immer“. „Was macht Ihre Organisation eigentlich genau?“ „Wir sammeln Geldspenden aus aller Welt und helfen damit Dörfern in Südafrika. Wir kümmern uns darum, dass es dort Lebensmittel und Schulbildung gibt.“ „Verstehe“, sagte Sampson und schrieb etwas in sein Notizbuch.
„Das wäre schon alles“. Er ging zur Tür, zögerte dann aber und fragte „Wo waren Sie eigentlich gestern Abend zwischen 20 und 22Uhr?“ Als Bauer ihn entsetzt anstarrte, lächelte er. „Keine Angst, ist nur für den Bericht ich möchte gründlich sein. Bauer entspannte sich. „Gestern Abend war ich mit Bekannten in einem Restaurant. Ich schreibe Ihnen die Adresse auf.“ Er reichte Sampson einen Zettel, auf dem eine Anschrift stand und führte ihn bis zur Tür. „Auf Wiedersehen, Herr Sampson“, sagte er und schloss die Tür vor dessen Nase.
„Er scheint mich nicht zu mögen“ dachte Sampson „Nun ja, beruht auf Gegenseitigkeit. Ich mag ihn auch nicht.“ Am Empfang verabschiedete sich Sampson noch von der Empfangsdame und ging zu seinem Wagen.

Im Präsidium ging Sampson zu einem Polizisten, der auch am Tatort gewesen war und der den Namen Kamin Ali, der auf den Zettel stand, den der Tote in der Hand gehalten hatte, überprüfen sollte. „Nichts. Ich habe über den Namen nichts gefunden.“ Sampson nickte nur. Das hatte er erwartet.
Dann sagte er zu dem Polizisten: „Hassan, versuche doch mal herauszubekommen, wer das dritte Vorstandsmitglied der Organisation Makamba ist und wo der sich aufhält.“ Hab ich vorhin nämlich vergessen.“ Hassan lächelte. „Kein Problem, Chef.“
Fünfzehn Minuten später trat Hassan an den Tisch von Sampson. Das dritte Vorstandsmitglied ist Pater Johannes Morgan, amerikanischer Staatsbürger. Er befindet sich derzeit in einem Dorf in Südafrika.“ „Sehr gut,“ sagte Sampson „Dann überprüfe jetzt bitte noch die finanziellen Hintergründe von Makamba und buche mir ein Flugticket nach Südafrika.“ Hassan sah ihn an. „Wieso muss ich immer die Drecksarbeit machen?“ fragte er. „Weil du am besten darin bist, diese Drecksarbeit zu verrichten,“ antwortete Sampson.

Achtzehn Stunden später stand Sampson am Flughafen von Pretoria, der Hauptstadt des Staates Südafrika. Ein Polizist mit freundlichem Lächeln holte ihn ab und wieder ein paar Stunden später befanden sie sich in einem Dorf mitten in der Einöde.
Ein Mann in schwarzer Kutte und weißem Kragen, offensichtlich ein Pater, kam ihnen entgegen. „Ich bin Pater Morgan. Schön, Sie kennenzulernen“ wandte er sich an Sampson. Dieser hatte seinen Besuch telefonisch über eine wirklich schlechte Leitung angekündigt. „Danke, Pater“ sagte Sampson und reichte dem etwas kleineren Mann seine Hand.
„Ich verstehe, dass Sie nach dem Tod von Mr. Grant mit mir darüber reden müssen“, sagte der Pater „aber, dass Sie dafür extra hierherkommen, hätte ich nicht gedacht.“ „Ich wollte mir hiervon“ er zeigte auf das ganze Dorf, „einen Eindruck machen und Sie persönlich kennenlernen.“ Der Pater lächelte wieder. „Dann kommen Sie erst mal mit in meine Hütte und dann sehen wir weiter.“
Sampson schulterte seinen Rucksack und folgte dem Pater. Obwohl Sampson in der New Yorker Bronx aufgewachsen war und nun seit Jahren in Kairo lebte, war die Armut um ihn herum erschreckend.
Kinder, ältere Menschen und Erwachsene saßen zusammengekauert an Häuserwänden. Andere wiederum gingen eifrig ihrer Arbeit nach, jedoch sahen sie dabei aus, als würden sie jeden Moment zusammenbrechen. Kinder spielten mit selbstgebauten Spielzeugen aus Schrott und Müll. Alle waren abgemagert und hatten einen Blick, der sagte, das hier der Tod zu Hause war.
Sampson wandte seinen Blick ab. Er verabscheute diese Menschen nicht. Er verabscheute auf einmal all die Menschen, die solche Armut zuließen. Die Reichen und die Politiker. Er war geschockt, was es für Armut in einer so fortschrittlichen Welt gab.
Die Hütte des Paters war klein aber gemütlich. „Pater Morgan,“ begann Sampson, „sagt Ihnen der Name Kamin Ali etwas?“ Der Pater schaute ihn verdutzt an. „Ja, selbstverständlich“ sagte er dann. „Kamin war ein Junge, der hier lebte. Er ist vor zwei Monaten gestorben.“ „Wie ist er gestorben?“ hackte Sampson nach. „Wie die meisten hier. Er ist verhungert. Zu viel Arbeit, zu wenig essen. Wir bekommen einfach nicht genug finanzielle Mittel, um hier alle zu retten. Deswegen werde ich auch zum Ende des Monats nach Amerika zurückkehren. Ich werde mich ab sofort mit der Geldbeschaffung beschäftigen, damit da auch mal was gemacht wird. Wir können ohne Geld einfach nichts schaffen, verstehen Sie?“, fragte der Pater. Sampson nickte. „Das verstehe ich selbstverständlich, Parter.“
„Wie standen Sie eigentlich zu Mr. Grant?“ „Ich kannte ihn nicht so gut, wie man meinen sollte. Grant hat sich um unsere Finanzen gekümmert und das eher aus Langeweile, als das ihm etwas hieran lag.“ Er meinte natürlich das Dorf, das verstand Sampson. Der Pater fuhr fort. „Ich habe ihn das letzte mal vor zwei Wochen gesehen. Seitdem nicht mehr.“ Ich verstehe, sagte Sampson. „Sagen Sie..., der Junge Kamin Ali, hat der hier Verwandte?“ „Ja, seinen Vater. Seine Mutter ist auch verstorben. Dasselbe wie beim Sohn. Der Vater hat sein Haus an eine andere Familie vergeben. Er sagt, er ist nun ganz alleine. Er bräuchte ja jetzt nichts mehr.“ „Könnten sie mich zu ihm führen?“ „Selbstverständlich“, sagte der Pater.
Die beiden Männer verließen die Hütte und wandten sich nach rechts. Das Elend, das hier herrschte erneut zu sehen, war weiterhin erschreckend für Sampson. Er sah ein Kind mit nur einem Bein und sah Pater Morgan fragend an. „In Afrika liegen überall noch Landminen die noch nicht gefunden, aber immer noch scharf sind. Dieser Junge hatte das Pech auf eine solche Landmine zu treten.“ Sampson spürte Trauer in sich hochsteigen.
„Da ist er“, sagte der Pater und deutete auf einen großen, sehr dünnen Mann mit Rasterlocken. „Versteht er mich?“, fragte Sampson. Er wusste, dass in ganz Afrika in unterschiedlichen Dialekten und Sprachen gesprochen wurde und war sich nicht sicher, ob der Mann ihn nun verstand.
„Der Mann versteht sie ausgezeichnet“, sagte Pater Morgan lächelnd. Die beiden gingen auf den Mann zu. „Herr Ali?“, fragte Sampson. „Der Mann drehte sich zu Sampson. Er war mindestens genau so groß wie Sampson selber, jedoch fast abgemagert. „Ja“, sagte er mit heiserer Stimme. „Ich bin von der Polizei in Kairo, Jack Sampson. Ich habe ein paar Fragen wegen ihres Sohnes.“ Der Mann lächelte. Sampson schaute ihn fragend an. „Wie kommt es, dass auf einem Zettel, den ein ermordeter Mann in der Hand gehalten hatte, stand: Ich habe Kamin Ali umgebracht?“ Der Mann lächelte wieder. „Weil dieser Mann meinen Sohn umgebracht hat,“ sagte er nun vollkommen ruhig. „Haben sie Mr. Grant ermordet?“, fragte Sampson kühl.
„Dieser Schweinehund hat immer nur an sich gedacht. Es wurde Zeit ihn zu vernichten.“ „Herr Ali, haben Sie ihn umgebracht?“ „Ja!“ schrie Ali plötzlich hervor. „Ja verdammt! Ich habe ihn umgebracht.“ Bevor Sampson reagieren konnte, hatte der Mann eine Pistole gezogen und riss Pater Morgan zu sich. Auch Sampson zog seine Waffe. „Lassen Sie den Mist,“ sagte Sampson. „Sie reiten sich nur noch tiefer in die Scheiße.“ „Das ist mir egal,“ sagte der andere. „Ich habe keine Angst vor dem Tod oder dem Gefängnis.“ Sampson sah Ali in die Augen. Dieser Mann war innerlich vollkommen tot. Er hatte vor nichts mehr Angst.
Im Augenwinkel sah Sampson wie Ali dem Pater einen Zettel in die Hand drückte. „Vorlesen,“ befahl er knapp. Die Stimme des Paters zitterte, als er las: „Ich habe Ebun Ali umgebracht.“ Der Schuss hallte durch die Stille des Dorfes. Und der Pater sackte zusammen. Ali ließ die Waffe fallen. Sampson starrte auf den toten Pater und dann auf Ali. „Was soll die Scheiße?“ fragte er dann.
Ali hatte sich ruhig Handschellen anlegen lassen. Jetzt saß er in der Hütte des Toten Paters und Sampson und der Polizist, der ihn ins Dorf gebracht hatte, standen vor ihm. Ali begann zu erzählen.
„Meine Frau Ebun und mein Sohn Kamin sind langsam gestorben. Sie sind verhungert, weil man nicht genug Geld für noch mehr Lebensmittel hatte. Auf diese Art sterben jeden Tag Leute. Ich war voller Trauer und dann hörte ich eines Abends zufällig ein Telefongespräch zwischen Pater Morgan und diesem Grant. Sie unterhielten sich darüber, dass sie bald genug Geld der Spenden unterschlagen haben, um ein spezielles Grundstück hier in der Nähe zu kaufen. Sie hatten wohl herausgefunden, dass dort eine Diamantenader war und waren ganz scharf darauf. Um sogar noch mehr Geld zusammen zu bekommen, hatte Morgan vor, zurück nach Amerika zu reisen, um nach noch mehr „Spendengeldern“ zu betteln. Meine Familie starb daran, dass man keine Lebensmittel besorgen konnte und die beiden unterschlugen Geld um eine Diamantenader auszugraben. Als ich das herausgefunden hatte bin ich durchgedreht.“ „Sie haben sich eine Waffe besorgt, sind nach Kairo gereist und haben Grant umgebracht. Danach sind sie zurück gekehrt und planten Pater Morgan zu beseitigen. Was sie schließlich auch getan haben.“ Ali nickte zustimmend.
„Wie sind sie überhaupt bis nach Kairo gekommen? Immerhin sind das sechs Stunden Flugzeit.“ „Ich habe einen Cousin“, erklärte Ali ruhig. „Er arbeitet in einer Firma, die Obst nach Kairo bringt. Mein Cousin hat dafür gesorgt, dass ich bei einem der Transporte mitreisen konnte.“ „Verstehe“, sagte Sampson knapp.„Wie sind Sie in das Haus von Grant gekommen?“, fragte Sampson jetzt noch. „Man hat mir geholfen, reinzukommen. Das Personal konnte ihn noch nie ausstehen. Ich werde Ihnen aber keine Namen nennen.“ „Na gut“ Sampson nickte zustimmend.
„Ich habe ehrlich gesagt gehofft, dass sie mich finden.“ „Wirklich?“ fragte Sampson. „Wirklich“ bestätigte Ali. „Ich wollte immer, dass diese Geschichte an die Öffentlichkeit kommt. Damit man sich an Pater Morgan und Grant nicht als Wohltäter, sondern als Schweine erinnert.“ „Da kann ich Sie beruhigen,“ sagte Sampson. „Die beiden werden als Schweine in Erinnerung bleiben. Das kann ich versprechen.“

Zwei Tage später kam Sampson wieder in Kairo an. Ali würde mit einen anderen Flugzeug hergebracht werden, um hier vor Gericht gestellt zu werden. Hassan kam Sampson im Flugzeuggebäude entgegen.
„Ich habe die Organisation Makamba überprüft. Es scheint so, als seien da während den vergangenen sechs Monaten immer wieder Gelder oder Teile davon verschwunden.“ „Ich weiß“, gab Sampson zurück. „Pater Morgan und Grant wollten ein Stück Land kaufen, auf der sich eine Diamantenader befand, von der aber niemand etwas wusste. Zum Glück sind die Kerle tot.“ „Vielleicht nicht zum Glück“, gab Hassan zögerlich dazu. „Was willst du damit sagen?“, fragte Sampson. „Nun ja, du hast uns ja die persönlichen Sachen von Pater Morgan zugeschickt ...“ „Ja, und was ist damit?“ „Bei den Sachen ist auch Pater Morgans Tagebuch gewesen. So wie es aussieht, hatten Pater Morgan und Mr. Grant vor, mit dem unterschlagenen Geld das Stück Land mit der Diamantenader zu kaufen und die Einnahmen daraus für ihre Wohltätigkeitsorganisation zu benutzen.“
„Was?“ schrie Sampson überrascht aus. „Ja. Grant hatte von der Ader erfahren und es seinem Kollegen mitgeteilt. Herrn Bauer hat er wohl nicht so vertraut, daher hat er es nur dem Pater verraten. Aber die beiden hätten die Gelder der Organisation nicht zum Kauf eines scheinbar wertlosen Stück Landes benutzen dürfen. Und hätten sie verlauten lassen, dass es wertvoll ist, wäre der Preis in die Höhe gestiegen. Daher haben sie Gelder unterschlagen, um die Ader inoffiziell für die Organisation zu kaufen.“
Sampson sah Hassan an. „Ich glaube, da wird ein gewisser Mörder, einen ganz schönen Schock bekommen“, sagte Sampson. „Ja und Bauer auch“ sagte Hassan. „Der wollte nämlich jetzt gleich eine Pressekonferenz über die Untaten seiner Geschäftspartner halten.“ Sampson sah ihn an. „Hassan hol schon mal den Wagen.“
Auf der Pressekonferenz stand Walter Bauer auf einer Bühne, die man vor dem Gebäude der Organisation Makamba aufgebaut hatte und ging im Geiste noch einmal durch, was er jetzt gleich sagen würde. Mit ernstem Gesicht trat er dann ans Rednerpult, als ihn von hinten eine Hand packte.
Bauer drehte sich um und sah verdutzt ihn Sampsons Gesicht. „Was wollen Sie hier?“ fragte Bauer scharf. „Sie vor einer Dummheit bewahren“ gab Sampson zurück. Mit schnellen Worten klärte Sampson Bauer auf.
Schließlich kam er zum Ende seiner Erklärungen. „Ihre Kollegen haben zwar illegal Gelder veruntreut, wie Sie sehen, aber halt nur für einen guten Zweck. Ich schlage vor, dass sie die Pressekonferenz vertagen und dieses Grundstück jetzt so schnell wie möglich kaufen. Ich vermute, das Geld, was die Organisation von Mr. Grant und Pater Morgan geerbt hat, dürfte dafür reichen. Dann können sie der Presse immer noch von der Veruntreuung berichten, aber halt auch von dem wahren Motiv.
Bauer sah Sampson an, als wolle er ihn umarmen. „Herr Sampson, Sie hat der Himmel geschickt.“ „Nein, die Polizei“, gab Sampson zurück. „Trotzdem, Danke. Tausend dank. Ich werde mich sofort darum kümmern. Ich denke, ich habe genug Einfluss um die Regeln so biegen zu können, dass wir dieses Grundstück von dem Geld der Herren Grant und Morgan kaufen können. Nochmals, tausend Dank.“ Mit diesen Worten ging er lächelnd zum Rednerpult, erklärte die Pressekonferenz würde auf Freitag verschoben werden und eilte ins Gebäude der Makamba Organisation.
Sampson verließ die Bühne und ging zu seinem Wagen. Als er drin saß lächelte er zufrieden.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.12.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An meine Lehrer, die mich überedet haben, für unsere Spendenaktion in der Schule über Afrika einen Krimi zu schreiben.

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