Die Weihnachtsfeier
Wie jedes Jahr fand auch diesmal die zwangsverordnete Weihnachtsfeier meiner Firma statt. Eine große Wahl zur Vermeidung hatte ich leider nicht, entweder ich würde den Tag, immerhin 25 Stunden Dienst, mit sogenannten Problemkindern verbringen, was grundsätzlich bedeutet, dass der Stress hoch und der Schlaf gering ist, oder ich nahm die Herausforderung der Feier an, obschon ich mir denken konnte, dass hier nichts Gutes auf mich zukommen würde.
Schon zu Beginn der Fahrt, der Feierort lag zwei Stunden Busfahrt entfernt, schlug mir überschwängliche Sentimentalität, wie zur Weihnachtszeit allgemein üblich, mit voller Härte, via lautstarkem und inbrünstigen Weihnachts- und Heiliger-oh-Jesu-Gesang sowie übermäßigem Glühweingenuss meiner Kollegen, der den Gesang nicht unerheblich beeinflusste, entgegen. Der Versuch, mich mit ansprechender Literatur in eine Welt von Natur, Ausgeglichenheit und geistigen Genüssen zurück zu ziehen, misslang kläglich, da ich nicht mit meiner unmittelbaren Banknachbarin gerechnet hatte, die unbeständig und ohne jegliche Toleranz gegen Lesende, gegen Literatur und gegen Kunst auf mich einschwätzte. Auch mehrere Bemühungen meinerseits, die Dame auf meine persönliche und emotionale, damit bedeutungsschwere, Bindung an den Autor hinzuweisen, wurde in aller Gutmütigkeit, die diese Frau ausstrahlte, ignoriert und übergangen, so dass ich schließlich etwas entnervt mein Buch beiseite legte und mich der einfachen Konversation der mütterlichen Hausfrau über putzende Kinder und die Bedienung einer Waschmaschine durch eben diese, hingab.
Im Bestimmungsort angekommen, durften wir nicht sogleich den Festsaal betreten, sondern mussten eine halbe, mir kam es aufgrund der doch sehr kühlen Temperaturen wie eine volle, Stunde im Freien verbringen. Gekrönt wurde dieser unliebsame Zwischenstopp durch eine Märchengeschichte, gelesen vom Sekundanten des Chefs, die, mit Verlaub, an das geistige Niveau eines Viertklässlers heranreichte. Gefeiert, bejubelt und belacht – es ist doch sentimentale Weihnachtszeit – wurde sie allerdings wie Goethes „Faust“. Sei dem so, eine Zigarette und farbenfrohe Gedanken an meine letzte Wanderung ließen mich auch diesen Programmteil überdauern und so wurde alsbald in den Saal gerufen.
Von der mehrstündigen Feier weiß ich leider nur noch zu berichten, dass das Essen hervorragend, die Bedienungen äußerst liebreizend und aufmerksam, und die Musik sowie kurze Gespräche mit Kollegen und mir Unbekannten mittelmäßig waren. Die meiste Zeit verbrachte ich mit lethargischem Beobachten der Feiergesellschaft und den mehrmaligen Aufsuchen des Raucherecks, das mir als Insel des Rückzugs und der inneren Erdung einen großen Dienst erwies.
Während ich diese Notizen aufschreibe befinden wir uns schon auf der Rückfahrt. Glücklicherweise schweigt meine Sitznachbarin gerade, sie schläft, der Wein tat hier sein übriges, und ermöglicht mir somit meinen freien Gedankengang. Auch sind endlich die Weihnachtslieder, gesungen von meinen Kollegen und laut schallend aus den Radioboxen, verklungen, so dass auch die Ruhe, ihres Zeichen Entspannungsträgerin und Kraftschöpferin, ihren Weg in die Heimreise fand.
Nächstes Jahr, da bin ich mir ganz sicher, werde ich aus meinem diesjährigen Fehltritt lernen und lasse mich vorsorglich krank schreiben, nicht um faul und träge daheim die Zeit verstreichen zu lassen, sondern um in Ruhe und seliger Zufriedenheit, mit einem Kännchen Tee, stiller Musik und der wohltuenden Nähe meiner Frau, meine ganz persönliche und tiefe Andacht, an die Feier des letzten Jahres, zu gedenken.
In diesem Sinne,
Frohe Wei(h)n-achten!
Tag der Veröffentlichung: 07.07.2010
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Widmung:
Eine kleine Satire auf meine KollegInnen.