Cover

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Die Horrorshow begann ganz unverfänglich. Ich glaube man weiß sowas nie oder vermutet es nicht bevor es dann doch passiert. Dabei habe ich wirklich nicht auch nur ein leises Gefühl gehabt das ich am Ende von diesem Tag nicht mehr die Selbe sein würde.

Ich hetzte die Straße entlang um wie gewöhnlich die S-Bahn zu erwischen um nicht zu spät zur Arbeit zu kommen. Als sich die Türen zu schließen begannen, legte ich einen Endspurt ein und sprang in letzter Sekunde keuchend in die Bahn. Schwer atmend ließ ich mich auf einen der abgenutzten Sitze plumpsen und strich mir die wirren Haare hinter die Ohren. Ich tat so als würde ich die Blicke auf mir nicht bemerken und wühlte ein wenig in meiner Tasche, um den Leuten die Chance zu geben den, `Ich-starre-immer-Leute-an-die-keine-perfekte-Figur-haben-und-keuchen-wie-ein-Schlauchboot-ohne-Stöpsel-Blick´ abzuwenden.
Als ich mir sicher war, das es denen die noch immer glotzten peinlich war wenn ich sie direkt angucken würde, hob ich meinen Blick aus meiner Tasche nach vorne und wurde mit einem raschen umdrehen belohnt. Lächelnd fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare und spielte mit einer Strähne.
Durch die Färbeaktion gestern Abend hatte ich nun einen satten rubinroten Ton und konnte mich nicht satt dran sehen. Der Kerl vor mir anscheinend auch nicht, denn er starrte mich schon wieder an. Seine kalten grauen Augen bohrten sich in meine und ich bekam eine Gänsehaut.
Ich wandte schaudernd den Blick ab und wippte nervös mit dem Fuß. Als ich das Gefühl hatte nicht mehr mit Blicken aufgespießt zu werden, wagte ich es und schaute mir den Mann wieder an.
Der war grade dabei die Uhr an seinem Handgelenk zu inspizieren und klopfte genervt mit dem Fingernagel auf das Glas der Uhr. Der Fingernagel war eine lang geschliffene Kralle, sowie der Rest seiner Nägel.

Er trug einen bis zum Boden reichenden Mantel und schwarze hochgeschnürte Stiefel. Den Anblick rundeten die Stachelarmbänder sowie die lange lockige Haare die zu einem Zopf zusammengefasst waren ab. Er war muskulös gebaut und hatte ein markantes Gesicht bei dem ich mich nicht entscheiden konnte ob es nun gut oder angsteinflößend aussah. Und er strahlte eine Kälte aus die mir den Angstschweiß über den Rücken laufen ließ. Normalerweise bringt mich ja nichts so schnell aus der Fassung, aber dieser Kerl machte mir einfach nur Angst. Sinnlose und unkontrollierbare Angst.

`Nächster Halt, Kamenbergstraße´ kam die Stimme der Zugansage aus dem Lautsprecher und ich sprang wie elektrisiert vom Sitz auf.
Ich wollte nicht viel mehr Zeit als nötig mit diesem Mann in einer S-Bahn verbringen, oder überhaupt in seiner Nähe sein.
An der Haltestelle sprang ich förmlich aus dem Zug und lief so schnell ich konnte weiter. Es war doch lächerlich vor jemandem Angst zu haben, vor allem so panische Angst, den man nicht einmal kannte.
Scharf sog ich die Luft ein um mich zu beruhigen. Komisch, nachdem ich nicht mehr in seiner Nähe war fühlte ich mich nicht einmal mehr bedroht von seiner Präsenz. Ich schlug mir mit der Hand vor die Stirn.
‚So ängstlich kann auch wirklich nur ich sein‘ murmelte ich und beeilte mich zum Café in der dritten Straße zu kommen.
Mein Nebenjob war anstrengend, aber er brachte gutes Geld und ich konnte mir nicht leisten ihn zu verlieren. Ohne meine Eltern, die mich hätten unterstützen können, würden sie denn noch leben, hatte ich keine Wahl als jobben zu gehen.
Die Glocke über der Tür klingelte als ich eintrat und nach hinten in den Bedienungsbereich eilte.
‚Wie schön das Sie und auch noch mit ihrer Gesellschaft erfreuen Cleo‘ wurde ich mit dem genervten Blick meines Chefs begrüßt.
Ja, ja, ja, einmal zu spät kommen und schon wird man zur Aussätzigen.
Ich ließ die morgendlichen Belehrungen über mich rieseln und ging dann zu meinem Platz bei den Kaffebechern und Plastiklöffeln und setzte mein aller schönstes Feiertags Lächeln auf mit dem ich Becher um Becher mit der Kaffee-Plörre füllte und über den Tresen reichte. 

‚Wenn du nicht gleich mit diesem fest gefrorenen Grinsen aufhörst hau ich dich‘ fauchte mir kurz vor Schichtende meine Freundin Monika zu.
Noch immer das Zahnpasta Lächeln im Gesicht drehte ich mich zu ihr herum und reichte ihr meine Schürze.
Sie verdrehte die Augen und knuffte mir den Ellenbogen in die Seite.
‚Autsch, Mon das kannst du dir sparen, ich brauch den Job, also wenn ich dafür nun mal ein wenig falsch grinsen muss tu ich das und du solltest es auch tun‘ raunte ich ihr ins Ohr als uns Frank, der Geschäftsleiter, ins Auge fasste.
Ich drückte ihr einen leichten Abschiedskuss auf die Wange und machte das ich aus dem Laden kam. 

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‚Ciao Mon, bis morgen‘ winkte ich ihr zu und war auch schon aus dem Laden heraus. Ich bog in eine der Seitenstraßen ab um den Weg zu Bahnhaltestelle zu verkürzen. Im nächsten Moment wünschte ich mir ich hätte es nicht getan. Als ich die Schritte hinter mir hörte war es schon zu spät. Ich war grade im Begriff einen kurzen Blick über die Schulter zu werfen, da schloss sich von hinten eine Hand um meinen Mund und eine andere um meinen Hals, die mir den Kopf nach hinten bog. Vor Schmerz schwirrten Sterne in meinem Kopf und ich verlor für einen Moment die Kontrolle. Ich spürte heißen Atem an meiner Kehle und spürte wie die heiße Zunge meines Folterers an ihr entlangfuhr.
Mein Körper zitterte unkontrolliert, aber innerlich war ich wie gelähmt.
Ich wollte diesen Kerl hauen, beißen, kratzen, oder alles gleichzeitig, aber ich konnte nicht.
Meine Augen waren starr nach vorne gerichtet und ich konnte mich partout nicht bewegen.
Die Zunge des Mannes stoppte über meine Halsschlagader und ich hörte wie er genießerisch die Luft einsog.
Wie ein Tier auf Beutejagt.
Dann ohne Vorwarnung bohrte er wild seine Zähne in meinen Hals.
Geschockt über die Tatsache das grade jemand seine Zähne (!) in meinen Hals geschlagen hatte und mein Blut trank ließ mich schwindeln. Das Ziehen und Zerren an meinem Hals wurde stärker als er ungestüm trank. Plötzlich verschwand die Hand von meinem Mund und glitt unter mein Oberteil.
Ich war unfähig zu schreien, unfähig mich zu wehren.
Ich war einem perversen Schutzlos ausgeliefert und ich spürte seine geilen Finger die sich hart um meine Brust schlossen und sie hart zusammenquetschte. Vor Schmerz liefen mir die Tränen übers Gesicht. In meinem Rücken spürte ich seine harte Erektion die er rhythmisch gegen mich presste.
Auf einmal verschwanden seine Hände von meinem Busen und ich wurde grob herumgezerrt. Seine Zähne steckten noch immer in meinem Hals und ich wurde von einem grellen Licht geblendet.
‚Oh bitte lass es die Polizei sein, lass es die Polizei sein…‘ betete ich innerlich.
Plötzlich ohne Vorwarnung riss er ungestüm mit den Zähnen an meinem Hals und ließ mich einfach auf den Boden fallen. Ich fühlte warmes, klebrig, metallisch riechendes Blut an meinem Nacken hinunter sprudeln und musste würgen.
Der Geruch mit dem Gefühl von Blut auf meiner Haut das meine Kleidung tränke machte mich halb wahnsinnig.
Geschrei drang durch meinen getrübten Geist zu mir und ich versuchte die hellen Schleier vor meinen Augen wegzublinzeln.
Was ich sah ließ mich an einen Kinofilm denken. À la Jackie Chan. Zwei Gestalten kämpften in der dunklen Gasse. Nicht das allein das ungewöhnlich gewesen wäre, aber die Schnelligkeit mit der sie es taten war das unglaublich. Egal wie sehr ich mich bemühte, viel mehr wie verschwommene Schatten konnte ich nicht erkennen. Der Kampf endete Urplötzlich als einem der Kämpfenden der Kopf von den Schultern gerissen wurde und dieser im hohen Bogen durch die Luft segelte.
Ich blinzelte erneut hektisch um meine Sicht zu verbessern denn schwarze Schleier versuchten mir den Blick weiter einzutrüben.
Meine Atmung ging hektisch und viel zu schnell.
Der Mann der dem anderen den Kopf gekostet hatte, kam nun auf mich zu gerannt.
Beruhigende Hände legten sich auf meine Halswunde und versuchten die Blutung zu stoppen. Der Mann sagte irgendetwas, doch ich verstand es nicht deutlich, ein starkes Brausen hatte meine Ohren in Besitz genommen und es dauerte lange bis ich die Worte die der Mann sprach herausfiltern konnte.
‚Willst du leben?‘ fragte er.
Was für eine dumme Frage, natürlich wollte ich das. Schwach nickte ich, aber ich wusste nicht ob er es als ein Nicken deuten konnte.
Mitleidsvolle Augen trafen mich und er nickte auch erwidernd. Dann beugte er sich für kurze Zeit aus meinem Sichtfeld, kam dann sehr nah an mein Gesicht heran, hielt mich mit der Hand um Nacken fest und presste seine heißen Lippen auf meine. Ich konnte keinen Wiederstand bieten, selbst wenn ich gewollt hätte.
Er öffnete meine Lippen und ließ eine klebrige, warme Flüssigkeit in meinen Mund rinnen.
Blut.
Erschrocken riss ich meine Augen weit auf und versuchte ihn von mir wegzustoßen, doch er ließ es nicht zu und hielt meinen Nacken eisern fest bis ich es schluckte.
Es floss heiß und brennend meinen Hals hinunter und kurze Zeit später fühlte ich mich als würde ich innerlich verbrennen. Als ich dachte der Schmerz wäre nicht mehr zu ertragen stumpfte er ab und barg mich in seinen schwarzen Armen.

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Mit einem Schrei fuhr ich hoch. Keuchend atmend und wild zitternd umklammerte ich meinen Oberköper und versuchte das wiedersinnige Gefühl von panischer Angst zu unterdrücken.
Ich hörte schnelle Schritte und eine Tür die hastig geöffnet wurde.
Dann wurde ich von starken Armen und einem angenehmen Duft nach Meer umhüllt.
Beruhigend schaukelten mich die Arme bis sich meine Atmung verlangsamte und mein Herz aufhörte wie verrückt gegen meine Rippen zu pochen.
Schließlich öffnete ich die Augen.
Was ich sah raubte mir kurzzeitig wieder den Atem und ich japste nach Luft. Ich glaube in den Armen eines Gottes zu liegen. Keine Untertreibung, kein Scherz.
Der Mann der mich da in den Armen hielt war wahrscheinlich eine der Hauptfiguren in jeder erotischen Vorstellung einer Frau. Er trug ein Hemd, hatte grüne Augen langes braunes Haar das offen über seine Schultern wallte und Lippen wie ein Gott.
Als er bemerkte, dass ich mich beruhigt hatte wollte er mich zurück in Kissen betten, doch ich klammerte mich aus einem unsinnigen Gefühl von Einsamkeit an ihm fest.
‚Alles ist gut, ich bleib hier, doch du musst dich ausruhen hörst du?‘
Oh mein Gott. Seine Stimme war tief und männlich und ließ mit Gänsehautschauer über den Rücken rollen.
Ich nickte schwach den zu etwas anderen war ich nicht in der Lage. Mein Gehirn lief wohl gerade auf Sparflamme.
Sanft ließ er mich zurück auf das Bett sinken und zog mir die Decke über. Bis dahin hatte ich nicht bemerkt, dass ich außer einem T-Shirt, was definitiv nicht meins war unbekleidet war.
Errötend zog ich die Decke höher und starrte den Gott vor mir noch ein bisschen weiter an. Wo waren meine Klamotten hin? Wo zum Teufel war ich hier gelandet?
‚Du brauchst keine Angst zu haben, ich passe auf dich auf. Wenn dir danach ist aufzustehen, im Schrank hängen ein paar Kleider von denen ich dachte sie dürften dir passen und im Bad sind Handtücher‘
Ohne das es mir auch nur in den Sinn gekommen wäre zu wiedersprechen nickte ich benommen und er stand auf.
‚Du kannst runterkommen wenn du bereit dazu bist, lass dir einfach Zeit.‘
Noch bevor ich noch den Mut fand irgendetwas von mir zu geben war er auch schon wieder aus dem Zimmer geschlüpft.
Ich schwang die Beine aus dem Bett und entdeckte den benannten Schrank. Ich öffnete ihn und zog planlos eines der Kleidungsstücke heraus. Es war ein langes schwarzes Kleid ohne Verzierungen und langen Ärmeln aus Strechstoff ich legte es auf das wie ich Bemerkte viel zu große Bett und ging ins Bad. Mein Spiegelbild blickte mich übermüdet und blass an, aber ansonsten…
Ich fasste mir an den Hals und blickte ungläubig in den Spiegel. Keine Wunde, nichts was auch nur auf so etwas Ähnliches hinweisen könnte.
Und warum war ich nicht in einer Klinik? Oder war ich schon ins Irrenhaus eingeliefert worden ohne es bemerkt zu haben? Hatte ich mir das an diesem Abend nur eingebildet? Was ging hier nur vor?
Verwirrt stellte ich mich unter die Dusche und ließ mir das Wasser auf die Haut prasseln.
In ein Handtuchgewickelt stand ich zehn Minuten später wieder in dem Zimmer und ging mir mit den Fingern durch die Haare. Unentschlossen zog ich mir das schwarze Kleid über den Kopf und drehte mich im Bad vor dem Spiegel. Als ob es wichtig wäre in diesem Moment gut auszusehen... 
Nervös zupfte ich mir ein paar Haarsträhnen zurecht und atmete tief durch.
Als ich die Treppe hinunter ging hörte ich leise Stimmen im Wohnzimmer, ich stolperte auf der mit rotem Teppich verkleideten Treppe und durch das Geräusch verschreckt verstummten die Stimmen auch wieder.
Unten angekommen gelangte ich in einen Korridor von dem mehrere Türen abgingen und von denen eine offen stand. Gelbes, warmes Licht viel durch den Türrahmen und lud mich ein hereinzukommen.
Ich betrat ein Zimmer mit Kamin, mehreren gemütlichen Sesseln und kleinen urigen Tischen. Zwei der Sessel waren besetz, einer von dem Mann der mich oben eingewiesen hatte und in dem anderen ein Junge vielleicht zwei Jahre jünger wie ich. Und Beide starrten sie mich an.
Der Mann räusperte sich laut und deutete beim sprechen auf einen der Sessel neben ihm ‚Setz dich doch und mach es dir bequem.‘
Schon während ich auf die zwei zuging verzog der Junge das Gesicht und schaute in die andere Richtung.
Womit hatte ich diese Reaktion denn verdient? Verdutzt ließ ich mich auf eines der Möbelstücke fallen und schlug die Beine übereinander.
‚Lass dich nicht von Jace’s schlechter Laune irritieren, so sieht er immer aus wenn ihm etwas nicht passt‘ bemerkte der Sexgott neben mir.
Mit wütender Miene starrte Jace ihn an.
`Wenn Blicke töten könnten…´ dachte ich bei mir und versuchte Jace so gut ich konnte auszublenden.
Ich verstand noch immer nicht ganz. War das hier nur einer meiner äußerst kreativen Träume oder Realität? Wenn ja, dann musste hier etwas faul sein.
‚Oh entschuldige, nein das hier ist kein Traum und du bist auch nicht durchgedreht oder wurdest in die Irrenanstalt verfrachtet, die Sache ist durchaus etwas komplizierter.‘
Ich dachte mich trifft ein Schlag. Hallo, wie kommt es das jemand auf Fragen antwortet die ich in meinem Kopf an mich selbst richte und hundert prozentig NICHT laut ausgesprochen habe?
`Klarer Fall Cleo, du bist verrückt geworden.´
Der Sexgott seufzte schwer und stützte den Kopf in seine wunderbar männlichen Hände wie ich bemerkte.

Der Junge lächelte mich süffisant an und konnte sich wohl kaum noch einen Spruch verkneifen.
Er ließ seinen Blick von meinen Füßen bis hoch zu meinem Gesicht schweifen und es war ihm anzusehen, dass er das was er sah nicht mochte, noch billigte.
In seinen Augen entdeckte ich so etwas wie Mitleid, was sich aber im selben Augenblick des Erkennens verflüchtigte und einer Kälte und Härte Platz machte, die man bei einem Kind nicht erwartet.
‚Es ist ja nicht so als würde ich nicht gerne deinen Gedanken lauschen, sie sind sehr unterhaltsam, aber es erschwert die Situation momentan ungemein, also würdest du bitte versuchen einfach nur zuzuhören und wenn möglich nicht so viel nachzudenken?‘
Entgeistert starrte ich Mr. Sexgott an. Witzig, als ob jemand einfach in meinem Kopf umher schreiten dürfte dem ich das nicht erlaubt hab, Moment mal, warum dachte ich überhaupt über die Möglichkeit nach, dass er tatsächlich in meinem Kopf herumstöbern konnte?
‚In Ordnung, das scheint schwer zu sein, also ich versuche es trotzdem und du versuchst zu verstehen, es ist ein wenig, nun ja, komplizierter.‘

Ja das hatte er nun schon mehrfach erwähnt. Nur nicht was denn du verdammt kompliziert sei.
Er schickte einen Blick zu Jace und dieser verdrehte gespielt die Augen und verließ betont langsam den Raum. Als er die Tür mit einem Knall der den Raum erzittern ließ verlassen hatte, seufzte der Mann und ließ sich in den Sessel sinken.
‚Er ist normalerweise nicht so, er mag es nur nicht wenn seine Umgebung sich verändert, damit kann er nicht umgehen.‘
Ich nickte, als würde ich verstehen wie ein Junge den ich nicht kannte sich gerade fühlte.
‚Nun dann kann ich ja beginnen.‘
Er erhob sich aus seinem Sessel und kniete sich direkt vor mich.  Wollte er mich nun um meine Hand bitten oder was lief hier ab?
‚Ich muss dir etwas erklären was keinen Aufschub dulden kann, wahrscheinlich wäre es einfacher es dich selbst herausfinden zu lassen, aber die Zeit in der ich dich wandeln musste war denkbar ungünstig, sodass es keinen Aufschub dulden kann.‘
Er beugte sich weiter vor und hob seine, noch immer unwiderstehlich männliche Hand und berührte mich mit dem Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand an der Stirn.
Plötzlich stand ich wieder mitten in dieser Gasse, aber ich sah mich aus seiner Perspektive. Okay, das war definitiv nicht mein Tag gewesen, wie ich mit selbstkritischem Blick feststellte.
Ich beobachtete wie ich weggeschleudert wurde und wie dem fremden Mann der Kopf abhanden ging. Als ob ich die Wiederholung des Geschehens unbedingt nochmal gebraucht hätte! Ich würde es eh niemals vergessen.
Ich sah mich selbst von oben und hörte die Frage erneut,
‚Willst du Leben?‘
Sexgott biss sich auf meine Erwiderung in sein Handgelenk, saugte das eigene Blut in seinen Mund und flößte es mir ein… Mit einem Keuchen riss ich mich aus der Erinnerung, am ganzen Körper zitternd und in Schweiß gebadet saß ich in dem Sessel. Ich hatte den anderen erkannt. Das war der Typ aus der Bahn von heute morgen gewesen!
‚Das tut mir leid, aber wenn du das gesehen hast, muss dir klar sein das du eigentlich hättest tot sein müssen.‘
Ja und ob ich das sein müsste, ich hatte viel zu viel Blut eingebüßt um danach noch hier sitzen zu können…
"Willst du Leben?"
Die Frage hallte in meinem Kopf immer und immer wieder nach, wie in einer Schlucht, in die man hinein schrie um dem Echo zu lauschen. Ich lebte…
‚Als ich dir die Frage gestellt habe, da habe ich in dir gesehen das du den Lebenswillen hast. Ich konnte dich nicht dort sterben lassen, nun ja… Wenn man es genau betrachtet bist du tot, oder zumindest nicht mehr eine gewöhnliche Sterbliche. Der einfachste Begriff der mir einfällt um es dir zu erklären ist `Vampir´. Wir atmen, haben ein schlagendes Herz, doch unsere einzige Möglichkeit zu überleben ist Blut zu trinken. Wir können bei Tag das Haus verlassen, aber es ist unangenehm, weil sich die Sinne der unseren ungemein verstärken. Der Sehsinn und der Hörsinn werden schärfer, der Geruchsinn prägt sich aus und Kraft und Schnelligkeit nehmen zu. Ah, und natürlich sind unsere Heilungskräfte um einiges besser.‘
Während er sprach ging mein Blick ins Leere. Vampire…
Als ob es so einen Unsinn wirklich geben könnte, ich meine hey, seht mich an, ich bin Cleo der Vampir!

Noch heute morgen war ich eine Waise gewesen, die sich verzweifelt um Ihre Ausbildung bemüht hatte. Verrückt war nur das ich das mit dem Heilen nicht abstreiten konnte, es sei denn ich wäre über Wochen, wenn nicht Jahre hinweg in einer sehr guten Klinik gewesen, denn die nicht vorhandenen Narben an meiner Kehle störten das Bild ungemein.
‚Du musst es noch nicht alles verstehen, nur möchte ich das dir klar wird, das du zunächst nicht aus diesem Haus herauskannst, oder Kontakt zu jemandem aufnehmen kannst. Ich habe deine Arbeitsstelle gekündigt und allen die in deinem Adressbuch waren Nachrichten zukommen lassen, das du für unbegrenzte Zeit nicht erreichbar bist.‘
Ungläubig starrte ich ihn an. Hatte er mir grade im Plauderton mitgeteilt, dass ich nicht hier raus durfte und er meinen Job gekündigt hatte?
Hatte er tatsächlich allen meinen Freunden und Verwandten mitgeteilt das ich nicht erreichbar war??
Wie konnte dieser aufgeblasene Möchtegern-Vampir es wagen mir mein ohnehin schon durch geknalltes Leben auf diese Art und Weise zu vermiesen? Ich brauchte diesen Job!
Während meine Gedanken rasten merkte ich, dass sich in mir eine bisher unbekannte Wut aufbaute. Nicht diese normale, wie wenn man unbedingt etwas zerschmeißen, oder jemanden anbrüllen will damit es einem besser geht.
Nein ich wollte diesen Mann der mir das alles mitteilte als sei es alltäglich das mein Leben in einen Scherbenhaufen zerfiel in kleine Stücke hauen, ihm sein Lächeln aus dem Gesicht wischen und seine Zähne als Ohrringe verkaufen!
Ohne es zu merken war ich in eine kauernde Position von Sessel gerutscht und knurrte ihn an. Alle Muskeln in meinen Beinen waren angespannt und ich war bereit ihm jeden Augenblick an die Gurgel zu gehen.
Er selbst trug einen Ausdruck aus Traurigkeit und dummen Verstehens im Gesicht, der mich rasend machte. Warum war er traurig, war ihm sein Leben etwa vor zwei Minuten vor den Augen zerbrochen? Zum zweiten mal in diesem Leben? Mein Herz zog sich zusammen beim Gedanken an meine geliebten Eltern.
Ich sah Rot und sprang ihn mit gefletschten Zähnen an, mit den Nägeln fuhr ich ihm über jeden erreichbaren Fetzen Haut, ich wollte ihn zerreißen, zerfetzen, ihm so sehr wehtun wie ich es grade eben konnte.
Und er ließ es einfach geschehen.
Mit einem Knall flog die Tür auf und Jace stürmte herein, riss mich von meinem Opfer herunter und schleuderte mich mit dem Kopf voran an die Wand.
Ich drehte meinen Körper so in der Luft das meine Füße die Wand trafen und ich mich zurück katapultieren konnte und nun Jace von den Füßen riss. Wir krachten in die Sesselgruppe und kullerten in einem Regen aus Splittern und Sesselbeinen über den Boden.
Als ich in sein Gesicht sah erstarrte ich. Seine Zähne.
Die Eckzähne hatten sich verlängert und ragten nun über seine Unterlippe. Vampir, schoss es mir durch den Kopf und wie von der Tarantel gestochen sprang ich von ihm weg.
Mit der Zunge fuhr ich mir über die Zähne und zuckte zusammen als ich meine eigenen Eckzähne erreichte.
Ich hatte die Selben.
‚Luc, verdammt ich hab es dir gesagt, sie ist ein Neuling, du kannst sie nicht überfordern, sie hat keine Kontrolle über sich selbst, sie weiß ja noch nicht einmal wie sie ihre Gedanken verschließt!‘
Jace hatte Luc, der inzwischen wieder stand und keinen Kratzer mehr hatte, dafür aber eine Menge Blut im Gesicht und auf der Kleidung, an den Schultern gepackt und geschüttelt.
‚Es ist ja nichts passiert.‘
‚Nichts passiert?‘ kreischte Jace mit hoher, sich überschlagender Stimme. ‚Sie hätte dich töten können!‘
‚Sei nicht albern Jace, sie ist stark, aber soweit wäre sie nicht gegangen, nicht einmal du hast es soweit in der Anfangszeit gebracht.‘
Jace funkelte Luc noch ein paar weitere Sekunden an, dann verließ er das Zimmer mit einem Wutschrei der Enttäuschung.
Luc wischte sich währenddessen das Blut mit einem Ärmel aus dem Gesicht und ließ mich dabei keinen Moment aus den Augen. Wenn ich ehrlich sein sollte, Ich würde mich auch keine Sekunde mehr aus den Augen lassen nachdem was ich eben getan hatte.
Das war doch nicht Ich? Diese aberwitzige Erklärung von ihm war die einzige die bis jetzt Sinn machte, aber das konnte nicht sein.
Wo war ich hier nur hingeraten?

 

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An diesem Abend erhielt ich keine Antwort auf meine Frage.
Schweigend wurde ich von Luc auf das Zimmer geführt in dem ich vorher schon gewesen war und wortlos verschwand er auch wieder.
Meine Gedanken schienen Purzelbäume zu schlagen. Es fühlte sich an würde jemand einen ungeheuren Spaß haben mein Gehirn auf besonders fantasievolle Weise zu verknoten.
Stöhnend ging ich in die Knie und legte den Kopf auf den kalten Laminat-Boden.
Der Unterschied von der Kühle des Künstlichen Holzes und meiner Haut schien nicht vorhanden und verstört schrak ich zurück.
Mit dem Rücken an das Bett gelehnt und den Armen um meine Knie geschlungen blieb ich eine Weile sitzen bis ich den seichten Mondschein auf dem Boden bemerkte.
Der Boden wo der Mondschein auf das Laminat traf, schien zu glühen und zu funkel, doch wo Mondschein war, da gab es auch ein Fenster…!
Bis jetzt hatte ich gar nicht daran gedacht ich könnte doch einfach die Kurve kratzen und zurück nach hause, doch nun durchzuckte mich der Tatendrang.
Es mochte ja so sein das Herr-Möchtegern-Vampir-Sexgott gerne das wäre was er vorgab zu sein und somit ich auch ein Vampir wäre. Bah, nein, ich akzeptiere diese Lösung wirklich erst wenn es keine andere Erklärung mehr gibt.
Die Versuchung aus diesem verrückten Traum aufzuwachen war verlockend.
Zu verlockend.
Von der Idee gepackt krabbelte ich auf allen Vieren Richtung Mondschein und damit weiter auf das Fenster zu. Ich zog mich an dem Fensterbrett in die Höhe und blickte nach Draußen. Was ich dort sah konnte einfach nicht Wirklichkeit sein.
Eine weite und ländlich angehauchte Fläche kam in mein Blickfeld, die sich bis zum Horizont zog. Rechts konnte ich ein paar Büsche und Tannen ausmachen und ein Truck stand in der Einfahrt. Das war es dann auch schon.
Verdutzt starrte ich nach draußen. Ich lebte in einer Großstadt. Die Betonung liegt auf GROß.
Wie zur Hölle kam ich in die Einöde? Wo war ich?
Ich wischte Gedanklich alle Fragen aus dem Weg und fummelte am Fenstergriff herum, er ließ sich ohne Wiederstadt drehen und das Fenster schwang auf.
Jetzt erst fiel mir auf das ich im zweiten Stock war und ein unsicherer Tritt an der Rauen Fassade und ich konnte bei den Engeln Harfe spielen lernen. Oder ich vertraute auf den Vampir Quatsch und sprang einfach runter, dachte ich und ein hysterisches Lachen drohte mir zu entwischen. Ich meine Vampire können sowas doch oder? Oder konnte ich mich in eine Fledermaus verwandeln? Das wäre wiederum ziemlich cool.
Schnell verbannte ich den Unsinn aus meinem Hirn und konzentrierte mich wieder darauf lebendig auf dem Boden unten zu gelangen.
Ich schwang ein Bein über die Fensterbank und zog das andere nach, nachdem ich halt gefunden hatte und klammerte mich an das Fensterbrett von außen. Meine Nägel gruben sich tief in das weiche Holz der Bretter und ich konnte beinahe spüren wie sehr das Holz unter meinem Gewicht ächzte.
Mich einem Blick nach unten wurde mich klar, dass es fast unmöglich war den Boden zu erreichen.
Aus den Augenwinkel sah ich eine Regenrinne, wenn ich sie als Abseilungs-Hilfe missbrauchen konnte…
Ohne groß weiter darüber nachzudenken schob ich mich vorsichtig weiter nach rechts bis ich nur noch mit einer Hand halt am Rahmen fand und streckte mich bis ich die Rinne zu fassen bekam.
Ich atmete ein paarmal tief ein und aus. Dann stieß ich mich von dem Fensterrahmen ab und…
Verfehlte die Regenrinne.
Klasse.
Wie ein Stein fiel ich mit einem spitzen Aufschrei und landete mit dem Gesicht voran auf dem Asphalt.

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In meinem Kopf hämmerte es als wären hundert Bauarbeiter dabei einen Weltrekord im Lärm machen aufzustellen und in meinem Mund fühlte es sich pelzig und metallisch an.
Beunruhigt öffnete ich die Augen und fand mich in noch immer Splitter übersähten Wohnzimmer wieder.
Mr. Sexgott saß mir genau gegenüber, mit glühend grünen Augen und einem Ausdruck im Gesicht der einerseits an Erleichterung erinnerte, andererseits auch an Mordlust.
Als er bemerkte das ich wieder bei mir war sprang er aus dem Sessel und beugte sich mit ausgefahrenen Reißzähnen über mich, okay, ich gebe zu sie sahen ziemlich echt aus.
‚Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?‘ fauchte er mit verzerrtem Gesicht.
Ich wich ein wenig in meinem Sessel zurück und legte den Kopf schräg.
Wenn er mich so ansah fiel es mir ziemlich schwer nicht zu glauben das er ein echter Vampir war.
Seine wild funkelnden Augen bohrten sich in meine.
Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er war verschwunden.
Verwirrt richtete ich mich auf und bereute es sofort als ein roter Schleier aus Schmerz mir die Sicht nahm. Keuchend sackte ich nach vorne.
Starke Arme schoben mich zurück in meine vorherige Position und Hände öffneten meinen Mund. Der pelzig-metallische Geschmack verstärkte sich und eine klebrige Flüssigkeit rann mir die Kehle hinab. Hecktisch blinzelte ich die Schleier weg und sah was ich da schluckte.
Ich versteifte mich und versuchte das Blut das schon in mir war wieder hoch zu würgen und mit dem Rest auszuspucken, doch Luc hielt eisern mein Kinn fest und flößte mir mehr ein.
Verzweifelt versuchte ich seinen Griff zu sprengen doch keine Chance.
Als ich seiner Meinung nach genug hatte hielt er mir einfach nur noch den Mund zu bis ich alles geschluckt hatte und wischte mir die Tränen, die ohne mein Wissen in Strömen meine Wangen runter gelaufen waren, weg.
Dann ließ er mich los und drehte sich kurz um und wieder zu mir.
Bevor ich etwas bemerkte hatte er mich an einen Infusionsschlauch angeschlossen an dessen Ende ein Blutbeutel baumelte.
‚Wenn du nicht so dumm gewesen wärest hätte ich es dir nicht so verabreichen müssen, aber da du aus dem Fenster springen musstest…‘ sagte Luc mit grimmiger Miene und funkelte mich mit deinen grünen Augen an.
‚Die Infusion hätte vollkommen gereicht für die nächsten Tage, auch wenn sie bei weitem nicht so wirkungsvoll ist wie die Blutaufnahme wie sie für uns vorgesehen ist.‘
Er blickte sie noch einen Moment nachdenklich an.
‚Vielleicht solltest du besser noch ein wenig Blut trinken, es würde besser beim heilen helfen als die Infusion.‘
Luc hängte schon einen weiteren Blutbeutel an den Infusionsständer.
‚Nein, danke‘ krächzte ich, erschrocken über meine Stimme keuchte ich.
Als ich aus dem zweiten Stock gefallen war musste ich mir wohl mehr verknackst haben als nur den Knöchel, meine Stimmbänder fühlten sich an als hätte sie jemand durch den Mixer gejagt und wieder zusammengebastelt. Dazu hatte ich brennenden Durst der mir die Kehle austrocknete und der Nachgeschmack des Blutes machte es nicht besser.
‚Wasser…‘ hauchte ich schwach.
‚Glaub mir das wird den Durst nicht stillen, aber du kannst es gerne ausprobieren meine Liebe‘ sagte er ruhig und drückte mir ein Glas Wasser an die Lippen.
In gierigen Zügen leerte ich das Glas doch es schien als würde es meinen Rachen nie erreichen und in meinem Mund verdunsten. Und da spürte ich sie wieder. Und nein, es war kein Traum.
Da war ich mir sicher.
Zumindest fast sicher.
Meine Eckzähne waren ausgefahren und ragten wieder über meine Unterlippe hinaus.
‚Gut die Zähne machen es einfacher, du musst einfach nur in den Beutel beißen und deine Zähne erledigen den Rest. Ich hätte dir auch gern den direkten Kontakt erspart, aber deine Zähne wollten nicht ausfahren.‘
Schwach schüttelte ich den Kopf doch er ignorierte meinen jämmerlichen Protest, packte grob mit einer Hand mein Kinn und drückte es hart zusammen sodass ich vor Qual den Mund aufriss und er den Blutbeutel auf meinen Zähnen aufspießte.
Ich spürte ein leichtes ziehen während meine Zähne innerhalb von wenigen Sekunden den Beutel leerten. Nach zwei weiteren Beuteln ließ er mein Kinn wieder los und ich taste mit meiner Zunge nach den Zähnen. Sie waren noch immer ausgefahren, aber der Durst hatte nachgelassen.
Nach einer Weile fand ich meine Stimme wieder.
‚Wie kann das sein, es gibt doch sowas nur in Romanen oder Märchen. Vampire...‘
‚Du hättest es normalerweise selbst herausfinden müssen, es akzeptieren müssen, aber wir haben dazu keine Zeit.‘
Luc nahm wieder im Sessel gegenüber platz und schlug die Beine übereinander, selbst in dieser Situation musste ich mir eingestehen das er unglaublich sexy aussah.
‚Ich helfe Neulingen wie dir mit ihrem neuen Leben zurecht zu kommen. In Wochen, beziehungsweise Monaten lernen Neulinge was erlaubt ist und was ein Tabu ist in der Vampir Society. Für dich wird das etwas anders sein. Normalerweise hättest du erst in einer Woche Blut trinken müssen, aber wie ich schon gesagt habe hast du durch deine unbedachte Klettertour Verletzungen davon getragen die heilen mussten. Und da du nun einmal nun bist was du bist, brauchtest du Blut. Und zwar auf dem direkten Weg. Deine Zähne fahren aus wenn du wirklich hunger hast, aber das kann man kontrollieren. Und du wirst lernen deinen Geist vor uns zu verschließen, denn niemand mag es wenn man in seinen persönlichen Gedanken rumgeistert.
Dazu gibt es bestimmte Regeln.‘
‚Vampir regeln? Sowas wie "Ich-darf-niemanden-umbringen" oder "Knabbern verboten"?‘ Ich begleitete meine Frage mit in die Luft gemalten Gänsefüßchen.
Luc seufzte schwer.
‚So in etwa. Ich habe dein Regelbuch schon bestellt, es dürfte bald eintreffen.‘
Aha, okay… Ich war also endgültig unter die Freaks gewandert. Und durfte anscheinend auch wieder zurück ins Klassenzimmer. Nur diesmal in einer Vampirschule?

 

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Als ob alles nicht schon schräg genug war, drückte mir Luc noch einen Beutel angewärten Bluts und schickte mich zurück in das Zimmer in dem ich schon vorher gewesen war.
Mein erster Blick galt dem Fenster welches, oh Wunder, nun mit stabilen Eisenbeschlägen verschlossen war.
Manno man, der Kerl ließ wirklich nichts und niemandem eine Chance ihm seine netten Pläne zu vermiesen.
Ich legte den Blutbeutel auf die nächstbeste Kommode und ging ins Bad.
Mein Spiegelbild wirkte leicht erschlagen, etwas blutig – mal wieder – aber auf merkwürdige Weise… erholt?!
Na klasse, ich konnte nicht einmal mehr wegleugnen ein Vampir zu sein, selbst wenn ich es wollte, denn eines wusste ich. Das da im Spiegel, was mich aus klaren grünen Augen anblickte, war nicht mehr ich.
Ja schön vielleicht doch noch… Nur, irgendwie gleichzeitig doch nicht.
Ich strich mir die roten Strähnen aus dem Gesicht und rückte dem Spiegel auf die Pelle. Kurz bevor meine Nase den Spiegel berührte und ich schon fast das kühle Glas spüren konnte, riss mich ein unterdrücktes Prusten zurück in die Wirklichkeit.
Hastig nahm ich meine Hände wieder herunter und wich vom Spiegel zurück als ich Jace erspähte.
Abwehrend hob er die Hände mit einem verkniffenen Grinsen in die Höhe.
Ich hatte wetten können, dass mein Blick ihn getötet hätte, wenn er nicht schon dummerweise ein Untoter Vampir gewesen wäre.
‚Hey, komm auf den Teppich Frischling‘ sagte er noch immer grinsend und in einem Ton den ich schon unter normalen Umständen gehasst hätte, so aber brachte er mich beinahe auf die Palme.
Sein Grinsen verschwand.
‚Hör mal, ich wollte doch nur gucken ob‘s dir gut geht, Luc reißt mir den Kopf ab wenn du wieder türmst und ich befürchte wir Beide hatten einen recht schlechten Start, also‘ er hielt mir seine Hand hin, ‘Schwamm drüber und wir fangen nochmal von vorne an?‘
Also mir soll keiner nachsagen ich sei nachtragend oder so, aber der Typ konnte mich noch vor ein paar Stunden nicht die Bohne leiden und bot mir nun einen Friedensvertrag an?!
Andererseits blieb mir auch nicht viel anderes übrig als ihm die Hand zu reichen, schließlich würden wir noch eine ganze Weile zusammen in diesem Haus festsitzen und soweit ich das richtig verstanden hatte war er auch noch nicht allzu lange Vampir. Mich erstaunte es wie einfach ich mich in dieses Bild einzufügen begann. Wo ich noch gestern (?) Kaffe ausgeschenkt hatte und Monika herum gealbert hatte.
Ich nahm seine Hand mit einem kräftigen Druck um sie zu schütteln und ihm eventuell ein paar Knoch zu zerdrücken.
‚Woher der plötzliche Sinneswandel?‘
‚Hab ich doch gesagt, oder willst du das wir uns über die ganze Zeit lang lieber die Augen auskratzen?‘
Mit einem abschätzigen Blick musterte er mich weiterhin an die Badezimmertür gelehnt.
Grrr.
Wenn der wüsste was ich so alles gerne mit ihm anstellen würde, zum Beispiel ihn im Klo runter spülen nachdem ich ihn in viele kleine Schnipsel gehackt habe.
‚Du weißt schon das ich deine Gedanken noch immer hören kann oder?‘
Knallrot wandte ich mich wieder ab.
‚Nein, bis grade eben hab ich versucht diese Tatsache zu verdrängen‘ murmelte ich missmutig.
‚Okay, komm mal mit.‘
Und noch ohne auf meine Antwort zu warten war er auch schon aus meinem Zimmer und hatte sich nach rechts den Flur runter begeben.
Dieser, dieser… Arrgh!
Ich beeilte mich ihm zu folgen, schaffte es aber nicht ihm einzuholen, bevor er die Treppe nach oben erreichte.
Oben angekommen ging Jace schnell auf die Tür am Ende des Flures zu und öffnete sie.
‚Herzlich willkommen im Therapie-Raum.‘
Mit einem Knallen viel die Tür hinter mir ins Schloss.
Okay. Unheimlich.
‚Und was jetzt?‘
‚Jetzt schalten wir deine Gedanken ab, ich hab keine Lust ständig deine Konfusen Selbstgespräche mit anzuhören, sie sind auf die Dauer recht nerv tötend. Und so nebenbei auch noch beleidigend‘ fügte er mit einem Seitenblick auf mich hinzu.
Na toll, ich hatte die Gefühle des herzlosen Blutsaugers verletzt. Buhu. Böse Cleo.
Ich sah mich aufmerksam im Raum um und war nicht überrascht weitere Ohrensessel vorzufinden, vielleicht ein Hobby von Luc die Dinger zu sammeln, wer weiß was für Macken sich Vampire über die Jahre zulegten.
Die Fenster waren mit schweren Vorhängen verhängt die jegliches Licht aussperrten. In der Mitte des Raumes stand ein kleiner Runder Tisch. Alles in allem war der Raum grade zu winzig. Ich fühlte mich irgendwie sofort wohl und ließ mich in einen der Flauschigen Ohrensessel neben einem Fenster sinken.
Jace musterte mich noch einmal und setzte sich dann mir gegenüber hin.
‚Also Momentan liegen deine Gedanken in deinem Kopf herum wie in einem Offenen Buch. Wenn du nun willst das ich oder Luc deine Gedanken nicht hören, musst du die `Tür´ zu deinen Gedanken verschließen.‘
‚Hey, Moment eben, hört sich ja ganz toll an, aber ich hab keine Ahnung wie du das meinst.‘
Jace verdrehte die Augen blieb aber ruhig.
‚Hab mal ein bisschen Geduld, ich erkläre es dir ja. Schließ jetzt mal die Augen.‘
Gehorsam klappte ich meine Augen zu.
‚Visualisiere in deinem Kopf eine Tür. Öffne sie und stell dir ein Blendend weißes Licht vor.‘
Ich kniff meine Augen zusammen und erdachte mir eine Tür.
‚Gut, jetzt holst du das weiße Licht aus der Tür in den Raum herein und sperrst die Tür wieder zu.‘
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ein merkwürdiges Stechen flammte in meinen Schläfen auf.
Mit einem seufzen kippte mein Oberkörper nach vorne und ich konnte mich mit letzter Sekunde wieder fangen bevor ich mit meinem Gesicht auf den Tisch knallen konnte.
‚Das war es dann, siehst du war doch ganz einfach. Wenn du es rückgängig machen willst musst du den Vorgang einfach nur Rückwerts wiederholen. Verstanden?‘
Ich hörte wie er aufstand und sich an einem der Regale im Zimmer zu schaffen machte.
Kurz darauf drückte er mir einen Becher in die Hände der mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war.
‚Runter damit.‘
Misstrauisch roch ich an dem Becher. Es roch nach Alkohol. Und zwar noch hochprozentigem.
Kann man als Vampir betrunken werden?
‚Jetzt trink schon, auch wenn du ein Vampir bist, Flüssigkeit ist Flüssigkeit und Alkohol hilft gegen die Schmerzen ohne das es uns in irgendeiner Weise beeinträchtigt.‘
Okay, na dann mal ex und hopp.
Ich beeilte mich den Becher zu leeren und nicht angeekelt das Gesicht zu verziehen.
Jace kicherte und nahm mir den Becher wieder weg.
‚Erinner mich daran das nächste Mal ein Foto zu machen wenn ich dir das Zeug gebe…‘
Ich bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick und stand auf. Der Schmerz hatte aber tatsächlich ein wenig nachgelassen. Naja, immerhin etwas.

"Sei mir nicht böse, aber die Wahl des Getränks war bescheiden, hast du nicht besseres da?" hustete ich, meine Kehle brannte noch immer.

"Nein, aber medizinischer Alkohol soll denk ich auch nicht lecker sein." zwinkerte er zurück.

Na da hatte jemand aber seinen Spaß. Wahrscheinlich hatte er sonst keinen anderen Gesprächspartner als Luc um sich zu beschäftigen. "Wie lange bist du eigentlich schon hier?" fragte ich ihn neugierig. "Zu lange" erwiederte er abweisend. "Na komm schon, du durftest auch in meinem Kopf herum stochern" versuchte ich ihn zu überreden.

"Wir werden noch viel Zeit zuammen verbringen, um uns kennen zu lernen. Aber jetzt nicht." Enttäuscht lehnte ich mich zurück. Jace sah mich weiter mit verschlossenem Gesicht an.

Mit einem gequälten Lächeln stand ich auf und bewegte ich mich Richtung Tür.
‚Danke, wenigstens hat sich das gelohnt, meine Gedanken gehören wieder mir.‘
Jace nickte mir zu und ich war anscheinend entlassen und ging machte mich zurück auf den Weg in mein Zimmer.
Zurück in meinen Zimmer ließ ich mich in voller Montur aufs Bett fallen und schloss die Augen. Und bevor sich meine Gedanken wieder in Gang setzten konnten um mir den Schlaf zu rauben, war ich auch schon eingedöst.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 29.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Caro

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