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"Komm schon Ally." Die Straßen waren von Licht durchflutet. Überall waren Menschen, die von Panik angetrieben durch die Straßen zogen. Verzweifelt riefen Kinder nach ihren Eltern und Eltern nach ihren Kindern. Doch Ally hatte das Gefühl, als wäre es still, vor ihren Augen lief alles in Zeitlupe ab und das schrille Sirenengeheul drang aus weiter Ferne zu ihr vor. Plötzlich packte ein Mann sie am Arm und zog sie mit sich.
Sie war wieder hellwach. Sie sah die Menschenmenge auf den Bunker zuhetzen und hörte Kinder und Frauen, Männer und Jungen verzweifelt rufen. Der Mann, der sie mitgeschleppt hatte sagte plötzlich: "Wenn du selber laufen kannst, dann renn!" Und ohne das sie wusste, was sie tat rannte sie. Um ihr Leben. Sie spürte etwas am Bein, im Rennen sah sie sich um. Auf dem Boden lag ein Mann.
Oh Gott- dachte Ally, rannte zurück und kniete sich neben ihm nieder. Er bewegte sich und sagte :"Hilf mir!" Doch da kam Allys Nachbarin vorbei und sagte :"Komm das ist ein Jude, ihnen haben wir das zu verdanken. Den Juden!" Den letzten Satz hatte Margret laut geschrien.
"Aber was hat er dir denn getan ?" fragte Ally verzweifelt, doch Margret sagte nur voller Abscheu :" Es reicht das er ein Jude ist. Hast du seinen Judenstern nicht gesehen? Jetzt komm, deine Eltern machen sich bestimmt Sorgen." Margret zog sie mit sich, obwohl sie sich mit aller Kraft dagegen wehrte.
Als sie am Bunker angekommen waren hörten sie ein paar Juden mit einem Polizisten streiten:" Sie können doch nicht,... wir sind doch nur... wir sind auch nur Menschen." stammelte der eine Jude den Polizisten an.
Warum geht er nicht rein dachte Ally, doch Margret hatte schon ihre Eltern entdeckt und zog sie mit sich.
Fünf geschlagene Stunden später hatten sie im Bunker gewartet. Es war still gewesen, unheimlich still. Sobald einer angefangen hatte zu tuscheln, kam von allen Seiten ein "Shh". Als das Zeichen der Entwarnung kam gab es von allen Seiten ein kollektives aufatmen. Alle drängten zur Tür. Die Steh- und Sitzpositionen, die sie die letzten Stunden bewahrt hatten wurden aufgelöst. Alle strömten zur Tür. Doch Ally schwirrten immer wieder die gleichen Worte durch den Kopf:"Hast du seinen Judenstern nicht gesehen? Wir sind auch nur Menschen!"
Als sie an die Luft kamen nahm Ally erstmal ein paar Züge von der frischen Luft. Es tat gut, denn im Bunker war es stickig gewesen. Doch sie roch etwas und plötzlich war ihr klar was. Tod, Trauer und Krieg. Sie verstand wieso der Polizist die Juden aussortiert hatte. Aber sie verstand nicht, was aus all den Menschen in ihrem Umfeld geworden war. Die Gebäude lagen in Trümmern. Die Luft war nicht frisch. Die trübe Luft des Bunkers hatte sie getäuscht. Die Luft war grau von Leid und Schutt. Sie wusste, dass die folgenden Zeiten schlimmer werden würden, als im Jahr zuvor und das war schon schlimm gewesen. Sie wusste auch, dass sie sich ihr Leben lang an die Juden, die mit dem Polizisten gesprochen haben und an den Juden, der auf dem Boden lag erinnern würde.
Ihr Leben lang. Sie wusste es.

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Tag der Veröffentlichung: 14.10.2012

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