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Träumereien

Ich entführe den Leser in das Wohnzimmer einer etwa dreißig Jahre alten Frau. Sie liegt auf der Couch. In der einen Hand hält sie eine Zeitung in die Höhe und mit der anderen streicht sie über den vorgewölbten Bauch. Sie ist nicht fett, sondern schwanger. Plötzlich richtet sie sich auf und ruft: "Genau, genau das ist es." Immer wieder tippt sie auf die Anzeige, bis sie die Kontaktdaten mit einem roten Stift einrahmt ...

Dieser Moment sollte eine Entwicklung ins Rollen bringen, die sie bis heute beeinflusst, denn das weibliche Wesen auf dem Sofa bin ich.

 

***

 

Ich staunte, eine Mitteilung vorzufinden, die ankündigte, dass im Frühjahrssemester der Volkshochschule ein Anfängerkurs Japanisch beginnt, die Sprache eines Klassenfeindes. Zur Erklärung: Ich lebte in der DDR, in der neben Deutsch, Russisch äußerst bedeutsam war, weil es von den sowjetischen Freunden gesprochen wurde. Obwohl ich als Schulkind darin stets die Note 'sehr gut' erzielte, konnte ich während des Studiums nichts damit anfangen, da ich englischsprachige Fachliteratur lesen musste. War das ein Irrsinn!

Doch zurück zum Zimmer mit der Couch. Bald würde ich zu Hause bleiben, um mich um das Baby und dessen fünf Jahre älteren Bruder zu kümmern. Ich nahm mir vor, auch etwas für die Bildung zu tun. Daher kam die Annonce zur rechten Zeit. Fremdsprachen lernte ich gern. Und diese betrachtete ich als Herausforderung, da sie zu den schwierigsten der Welt gehören sollte. Ich fackelte nicht lange und füllte das Anmeldeformular aus.

Unser zweites Kind bereicherte die Familie. Natürlich war es das niedlichste Baby, was man sich nur vorstellen konnte. Trotzdem ging ich nach vier Monaten zur ersten Unterrichtsstunde in die Abendschule, wusste ich den Nachwuchs bei meinem Mann in guten Händen.

Die Lehrerin, eine Sinologin, gestaltete den Unterricht interessant. Nur ..., worauf hatte ich mich eingelassen??! Drei Alphabete, davon zwei Silbenschriften und die Kanji, jene bildhaft abstrakten Stricheleien, von denen es 15000 Zeichen gibt. Man kann die Sprache nicht sprechen lernen, indem man anfängt, sie zu lesen. Das heißt, es ist möglich, Texte zu verstehen, ohne zu wissen, wie man sie spricht. Im Gegenzug erlernt man die Schrift nicht durchs Erlernen der Sprache. Hinzu kommen die unterschiedlichen Hierarchien, die es erschweren, einfache Wendungen zu büffeln. Je nachdem, ob man mit Senioren, Kindern, dem Vater, dem Chef, weiblichen/männlichen Personen, mit einem armen Würstchen oder Geldmenschen, usw. redet, klingt jeder Dialog anders. (Glücklicherweise besitzt der Ausländer im Land der aufgehenden Sonne einen Bonus.) Die japanische Satzstellung ist für uns abartig. Ob zum Beispiel bejaht, verneint oder gefragt wird, erfährt man erst mit der Schlusssilbe. Außerdem sind die Sätze in der grammatischen Abfolge für deutsche Verhältnisse unmöglich verschachtelt. (Ich bewundere die Simultandolmetscher dieser Sprache grenzenlos.)

Ich führe das nur an, um verständlich zu machen, dass ich viel zu sehr damit beschäftigt war, jene Kapriolen zu kapieren, als davon zu träumen, nach Japan zu reisen. Für den Otto-Normalverbraucher war das in der DDR eh vergeudete Energie. Wie sollte ich stinknormaler Bürger beim Klassenfeind meinen Urlaub verbringen?

Die Lehrerin hatte unendliche Geduld mit mir, da es doch etwas chaotisch war, mit einem Baby und einem Kleinkind zuhause zu lernen bzw. Hausaufgaben zu erledigen. Ich schilderte ihr die Situation. Daraufhin fragte sie stets: "Frau Voß, sind Sie vorbereitet?" Wenn ich mit "Nein" antwortete, ließ sie mich in Ruhe. Auch passiv lernte ich eine Menge. So nahm sie mir nicht den Mut, wodurch ein Lebenstraum als zarte Pflanze zu sprießen begann. Die Dozentin besaß die hinreißende Fähigkeit, neben der Sprache, ebenso die Kultur plastisch zu schildern. Ich kaufte Bücher über Japan, interessierte mich für japanische Schriftsteller und verschlang, was diesbezüglich auf dem DDR-Markt angeboten wurde. Ich fing an, Andeutungen loszulassen, wie "Ich werde das Land der Kirschblüten besuchen", ohne zu wissen, wie das aufgrund der politischen Verhältnisse geschehen könnte. Die Freunde, der Ehemann - alle zeigten mir symbolisch einen Vogel. Trotzdem krallte sich in mir der Wunsch fest. Bilder tauchten auf: Ich stand in der Türöffnung eines Flugzeuges. Alsdann schritt ich inmitten von Japanern die Treppe der Gangway hinab, um den Boden ihres Heimatlandes zu betreten. Diese Vorstellung suchte mich oft heim.

Mein Vater träumte stets davon, Hawaii zu bereisen. Zur Hitlerzeit hielt man ihn für verrückt, in den 50ziger Jahren kam er in den Verdacht, ein Staatsfeind zu sein (er war Bürger der DDR), und dreißig Jahre später, erging es ihm wie mir. Wir wurden als arme Irre eingestuft und belächelt. Das Streben nach Unerreichbarem schien in der Familie zu liegen.

Die Zeit verging, die Menschen demonstrierten auf den Straßen. Zunächst forderten sie: "Wir wollen raus." Die Losung wurde abgelöst durch "Wir bleiben hier", bis in gewaltigen Demonstrationszügen der Ruf "Deutschland einig Vaterland" erklang.

Letzteres wollte ich nicht, da ich Änderungen innerhalb des Systems anstrebte. Das "Deutschland einig Vaterland" mich auf die Gangwaytreppe im Tôkyôter Flugplatz bringen könnte, war mir in diesem Fall egal.

Die einzig konstante Komponente zwischen den Montagsdemos, blieb für mich das Erlernen der japanischen Sprache. Aber auch hier sollte es zu Turbulenzen kommen:

Der Leser möge sich ein Klassenzimmer vorstellen. Auf den Tischen und Stühlen lungerten Erwachsene herum, die den Beginn des Unterrichts erwarteten - ich mittendrin. Wir diskutierten über die politischen Ereignisse oder machten noch rasch Hausaufgaben. Ein Mitschüler studierte die lokale Presse. "He, morgen ist eine Demo gegen die Stasi!", rief er, als die Lehrerin den Raum betrat. Sie verharrte und wurde blass. Mit zittriger Stimme begann sie: "Ja, ja, die Stasi." Sie erzählte, dass sie bei den Weltfestspielen von Personen gefragt wurde, ob sie für Frieden und Völkerfreundschaft sei. Sie hatte bejaht und wurde in Diskussionen verwickelt, die in der Frage gipfelten: "Möchten Sie der Stasi nützlich sein?"

Schluchzend verriet sie uns, wie stolz sie gewesen sei, für das MfS arbeiten zu dürfen.

Wir waren wie vom Donner gerührt, wussten nicht, wie wir reagieren sollten, bis eine Schülerin fragte: "Was hatte man von Ihnen verlangt?"

"Die Anmeldelisten für die Japanischkurse weiterleiten."

Diese enthielten unsere Namen, Adressen und weitere Angaben.

"Im Gegenzug erhielt ich japanische Zeitungen und Zeitschriften", fügte sie hinzu.

(Zur Erläuterung für die Leser, die nie in einem sozialistischen Staat lebten: Wir einfachen DDR-Bürger hatten so etwas nicht zu benötigen. Die feindlichen Medien könnten uns vom Klassenkampf abhalten. Daher waren derartige Delikatessen auf normalem Weg unerreichbar, auch wenn sie nur dem Training von Fremdsprachen dienen sollten.)

Da ich in das Visier der Stasi geraten war, wuchs vor meinen fantasievollen Augen die Treppe am Flugzeug, das gerade in Japan gelandet war, zu einer Größe an, die die Manie meines Lebenstraumes verdeutlichte - so nach dem Motto: "Jetzt erst recht!" Bereits als Kind soll ich widerspenstig gewesen sein.

Ich war stinksauer über die Lehrerin, doch verzieh ich ihr bald. Immerhin, sie hatte sich geoutet, und das in einer frühen Periode. Ich stehe heute noch in Kontakt mit ihr.

Obwohl der Wunsch, Japan zu betreten, aussichtslos war (das wusste ich in den tiefsten Winkeln des Gehirns), konnte ich wenigstens Japanisch lernen.

Es nahten die letzten Monate der DDR, als es geschah:

Eine Freundin kam auf mich zu: "Brigitte, mein verrückter Erzeuger hat sich wieder ein Ding geleistet."

"Wieso?", fragte ich genervt, da ich den Vater nett fand.

"Quatscht der in der Kaufhalle eine Japanerin an. In seinem Alter! Ist der nicht übergeschnappt?"

"Eine Japanerin?" Die Angelegenheit begann, mich zu interessieren.

"Naja, sie zählte auf Japanisch die Brötchen ab. Natürlich musste er auch gleich welche kaufen, stellte sich daneben und zählte laut auf Deutsch."

"Hmm, ist doch süß!"

"Und jetzt kommt's!" Sie schwieg und erreichte ihr Ziel.

"Nun sprich endlich weiter!" Ich hasste diese Erzählweise.

"Da lässt sich Vater ihre Adresse geben!" Sie wedelte mit einem Zettel vor meiner Nase herum. "Jetzt weiß er nicht, wohin damit."

"Naja, er ist verheiratet und ...", stammelte ich, "kann weder englisch noch japanisch sprechen."

"Willst du die Anschrift? Gehst du noch in den Japanischkurs?" Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte sie mir das Papier in die Hand.

Lange überlegte ich, ob ich die Unbekannte aus Fernost kontaktieren sollte. Schließlich schrieb ich in englischer Sprache einen Brief, indem ich anbot, im Tandemverfahren Deutsch bzw. Japanisch zu lernen. Sie sagte zu, und so steuerte ich eines Abends den Trabbi mit gemischten Gefühlen Richtung Internat, wo sie wohnte.

Sie öffnete die Tür. Ich stellte mich vor. Wir verständigten uns in einem Kauderwelsch aus Englisch und Japanisch. Sie heißt Hiroko. Da sie erst einige Tage in der DDR weilte, beherrschte sie nur wenige deutsche Worte. Es lag etwas Förmliches, Steifes in der Luft. Trotzdem verabredeten wir uns für die folgende Woche. Zum Abschied streckte ich ihr die Hand entgegen und spürte im selben Augenblick lange Haare darin. Natürlich hatte sie sich nach Sitte ihres Landes verbeugt. Wir lachten. Das Eis war gebrochen.

Sie lebte zum ersten Mal in Europa und hatte sich ausgerechnet die DDR ausgesucht. Schuld trugen die Musiker meiner Heimatstadt, wie zum Beispiel Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und andere. Sie wollte Kirchenmusik studieren.

Der Kontakt zwischen ihr und meiner Familie wurde enger. Schließlich verbrachte sie die Wochenenden bei uns. Wir unternahmen gemeinsame Ausflüge. Die Kinder mochten sie. Nur für den Ehemann war das nicht immer leicht. Sie besänftigte ihn mit japanischen Kochkünsten. Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Viel erzählte sie über ihre Heimat Fukushima. Wo das liegt, brauche ich dem Leser nicht zu erklären. Leider!

Die Unzufriedenheit des Volkes hatte die Mauer zum Einsturz gebracht. Ich war dem Ziel, bewusste Gangway hinunterzuschreiten näher gerückt. Allerdings konnte ich die jüngsten Entwicklungen in der DDR kaum verarbeiten, da sich die politischen Ereignisse geradezu überschlugen. Mein Gehirn hatte Schwierigkeiten, diesem Tempo zu folgen.

Es kam zur Einheit Deutschlands. Als wir mit Hiroko vor dem Fernseher saßen, um die Feierlichkeiten zu verfolgen, stellte sie fest: "Japaner sagen, große Freude für die Deutschen. Aber ich glaube, ihr traurig." Sie hatte recht. An den Traum, nach Japan zu fliegen, dachte ich an jenem Tag nicht.

Nach zweijährigem Studium der Kirchenmusik nahte der Tag ihrer Heimreise. Ich heulte Rotz und Wasser, würde ich sie doch nie wieder sehen. Japan ist so weit weg. Am letzten gemeinsamen Tag sagte sie unerwartet zu mir: "Du in mein Haus kommen. Nichts bezahlen, nur Reise. Du mir immer geholfen, so viel."

Das Fantasiebild der Gangway, die ich, umringt von Japanern, herunterschritt, erschlug mich bald, so mächtig war die Treppe geworden. Ich war vor Freude verwirrt.

Ich begann, die Familie, Freunde und Kollegen zu nerven: "Wenn ich Japan mit eigenen Augen gesehen habe, bin ich für den Rest des Lebens wunschlos." Gern setzte ich noch einen drauf: "Ich kann dann sagen, ich habe gelebt."

Der heiß ersehnte Tag kam, ich reiste nach Japan. Total aufgelöst stand ich mit meinen Männern (Ehemann und Söhnen) im Gebäude des Flugplatzes Berlin-Tegel und wartete auf den Abflug. Zweifel tauchten auf. Was traute ich mir da überhaupt zu? In so ein fremdes Land zu fliegen - und dazu noch vom Gate Nummer 13! Finde ich mich allein nach Fukushima? Das war eine berechtigte Frage, hatte ich doch in Deutschland ein miserables Orientierungsvermögen. Wie sollte das erst in Japan funktionieren? Werden die Japaner mich verstehen? Und was wird, wenn sie gar antworten?? Außerdem könnte das Flugzeug abstürzen, und in dem Fall wäre sowieso alles vorbei. Der Leser wird bemerken, dass ich ziemlich durch den Wind war.

In Amsterdam stieg ich in eine riesige Boeing um. Leider nahm kein prächtiger Samurai neben mir Platz, sondern eine Türkin. Da wir Richtung Osten düsten, war die Nacht kurz. Nach vier bis fünf Stunden wurde es bereits hell. Das verstieß ja nun gegen alle Regeln, die ich von meiner Bodenständigkeit her kannte! Ich riss die lichtdurchlässige Schlafbrille vom Gesicht und sah mich um. Die Japaner saßen ordentlich auf ihren Plätzen. Die Decke sittsam bis ans Kinn gezogen, schliefen sie. Im Gegensatz dazu lümmelten wir Europäerinnen auffallend herum, teilten wir uns doch den freien Mittelsitz.

Ein klarer Morgen brach an. Unter mir erstreckte sich das endlose Sibirien. Wir schwebten über Wladiwostok, ließen die russische Küste hinter uns und querten das Japanische Meer. Die Wellen gleisten im Morgenlicht der aufgehenden Sonne. Ja, ich flog wortwörtlich dem Land der aufgehenden Sonne entgegen. Ich konnte es kaum glauben. Da saß ich in diesem Flugzeug und war vor noch fünf Jahren eine eingesperrte DDR-Bürgerin.

Ständig sah ich aus dem Fenster. Eine Küstenlinie tauchte auf. Das musste Japan sein!!! Am liebsten hätte ich vor Freude laut losgeheult, aber das ging ja nun wirklich nicht. Mit einer nördlichen Schleife schwebten wir in Japan ein. Die Uhr zeigte 8.30 Uhr, als wir in Narita landeten. Erst später wurde mir bewusst, dass keine Treppe an die Boeing andockte. Dafür schritt ich inmitten von Japanern durch eine Fluggastbrücke in das Ankunftsgebäude. Insofern ist meinem Lebenstraum ein klitzekleiner Fehler unterlaufen.

Ich checkte ohne Schwierigkeiten aus. Mit dem Narita-Express fuhr ich nach Tôkyô.

Da stand ich nun, mit einem Koffer in der Hand und dem Rucksack auf dem Rücken, in der riesigen Halle des Tôkyôter Hauptbahnhofes. Ich lehnte an einer Säule und beobachtete die Menschenmassen, die unbekannten Zielen entgegen eilten. Mich befiel die große Lähmung. Ich sah Treppen sowie Rolltreppen, prall gefüllt mit Reisenden, unendlich viele Wegweiser mit fremden Schriftzeichen, die in alle möglichen Richtungen wiesen und einen Wust von Info- und grellbunten Werbetafeln. Mir schwankte im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen. Mein Herz ließ sich von der Panik antreiben, bis ich auf einem Plakat ein westlich aussehendes Gesicht entdeckte, das mir bekannt vorkam. Die dazugehörige Schrift in Hiragana (japanisches Silbenalphabet) konnte ich entziffern: ri-to-ba-ru-su-kie. Wer sollte das sein? Ich schaute vom Foto auf die Buchstaben und umgekehrt. Endlich erkannte ich Littbarski, den deutschen Fußballer, der für die J.-League spielte (höchste Spielklasse im japanischen Fußball) und in diesem Land wohnte. Der Anblick von Litti, wie ihn die Japaner liebevoll nannten, tat mir so gut, dass ich mich wieder beruhigte und klare Gedanken fassen konnte. Der Verstand sagte mir, dass ich jetzt den Tôhoku-Shinkansen suchen müsste. Erst fand ich einen englischsprachigen Wegweiser und schließlich auch den Bahnsteig nach Fukushima. "Na bitte, es geht doch", schoss es mir mit geschwellter Brust durch den Kopf und löste kühn eine Fahrkarte. Die 20-minütige Wartezeit nutzte ich, um Hiroko telefonisch mitzuteilen, wann ich in Fukushima ankommen werde. Dazu hatte sie mir Telefonkarten gegeben. Aber leider kam ich damit nicht zurecht.

"Tedsudatte kudasai", bat ich eine junge Japanerin um Hilfe. Sie war sehr freundlich, steckte die Karten nacheinander in den Schlitz, jedoch keine funktionierte. Mit den Yen-Münzen klappte es. "Moshi, moshi", begrüßte ich die Freundin, die unendlich begeistert war, dass sie mich vom Bahnhof ihrer Heimatstadt abholen konnte. Ich zwickte mich in die Hand, da ich glaubte, zu träumen.

Endlich saß ich im Shinkansen. Aus den Sitzen ragten schwarze Haarschöpfe hervor. Jetzt wurde mir endgültig klar, dass ich in Japan angekommen war. Dezente, aber neugierige Blicke trafen mich, denn mein Haar ist blond. Das passierte später noch öfters. "Mamonaku, ...." Eine lächelnde Stimme kündigte die nächsten Stationen in Englisch und Japanisch an. Auf einer Anzeige konnte ich die entsprechenden Schriftzeichen verfolgen. Reisfelder sowie schneebedeckte Berge huschten an mir vorbei. Immerhin donnerte der Zug mit einer Geschwindigkeit von 250 km pro Stunde durch die Landschaften. Ich saß in einem weichen Sitz mit verstellbarer Rückenlehne und genoss die Fahrt. Die Gegenzüge tauchten mit knallendem Fauchen urplötzlich auf und verschwanden noch schneller. Jedes Mal zuckte ich zusammen.

Mein Ziel wurde angesagt. Ich sprang auf, und schon stand ich am Bahnsteig. Da war sie! Wir eilten aufeinander zu. Herzlich umarmten wir uns. Die Freude war riesig.

Hiroko, ihre Familie und Freunde zeigten mir die japanische Heimat. Auch wenn dabei die unterschiedlichen Mentalitäten aufeinanderprallten, nahmen wir es mit Humor. Ich verbrachte wunderbare vier Wochen in diesem Land. Ein unwahrscheinlicher Lebenstraum hatte sich erfüllt.

 

Der Frosch im Brunnen ahnt nichts

von der Weite des Meeres

 

                                                  (japanisches Sprichwort)

 

 

Impressum

Texte: Brigitte Voß
Bildmaterialien: Brigitte Voß
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2014

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