Ein Nachmittag mit Sofia im Park
Während eines Telefongesprächs mit meiner Tochter, erkundigte sie sich so beiläufig. Ob ich am kommenden Wochenende genauer gesagt am Samstagnachmittag Zeit hätte und für 2 Stunden meine kleine Enkelin Sofia zu mir nehmen könnte.
Ein kurzer Blick auf meinem Terminkalender endete mit der Feststellung, dass nichts eingetragen war. Also hatte Oma Zeit.
Der Samstag war der 2. Februar 2002 und der Wetterbericht hatte mit 18 ° und Sonnenschein für diese Jahreszeit ungewöhnlich gutes und warmes Wetter angesagt.
Der Samstag kam, das Wetter stimmte, und ich beschloss mit Sofia in den nahegelegenen Maxi-Park mit den vielen wunderschönen Spielplätzen zu gehen.
Sofia war 2 ½ Jahre alt und ein liebes hübsches und sehr eigenwilliges Kind. Und ich war 64 und freute mich auf den Nachmittag mit Sofia.
Da wusste ich noch nicht, was mich am Ende des Tages erwartete.
Als ich kam um sie abzuholen, hatte sie schon auf mich gewartet und begrüßte mich dementsprechend erfreut.
Nachdem wir ihrer Mama Tschüss gesagt hatten,, zogen wir los. Sofia auf ihrem Dreirädchen mit der Stange hinten dran, so dass ich sie schieben konnte.
Vor dem Eingang des Parks eine Riesenschlange. Anscheinend hatten viele Familien die gleiche Idee wie ich und nutzten das schöne Wetter für einen Besuch im Park. Nur das Personal war dem Ansturm nicht gewachsen und wir mussten eine Viertelstunde warten., bis wir endlich im Park waren. Sofiechen war während dieser Zeit sehr verständig und geduldig. Einfach lieb.
Da wusste ich auch noch nicht, was mich am Ende des Tages erwartete.
Aber schließlich kamen wir am ersten Spielplatz an. Sofie startete sofort zum Auto, ein von allen Kindern heiß begehrtes Spielgerät. Bei diesem Besucheransturm war das Auto natürlich besetzt. Sofia zeigte ihren Unmut darüber, verzog schon das Gesichtchen und ich dachte, oh je jetzt geht es los. Wie kann ich das Kind ablenken,
Mein Blick wanderte hilfesuchend umher. Da an der Rutsche war die Rettung. Ein Freund der Familie unserer Tochter stand da mit seinen beiden kleinen Kindern, Louisa und Marie. Louisa 2 ½ Jahre älter als Sofia und Marie ein wenig jünger.
Ich nutzte die Gunst des Augenblicks und machte Sofia darauf aufmerksam. Sofort war das Auto vergessen und Sofiechen stapfte durch den Sand auf die drei zu,
Auf der Plattform der Rutsche stehen zwei kleine Bänke mit einem Tisch dazwischen. Das Ganze ist überdacht. Die Seitenwände haben je ein kopfgroßes Guckloch. Die drei saßen auf den Bänken und hatten ihren Spaß. Ich steckte meinen Kopf durch das Guckloch und spielte mit den Dreien „Nase klauen“. Ich stupste alle drei abwechseln an ihre Nasen, zeigte ihnen dann meinen Daumen und behauptete ihre Nasen wären ab. Dann tippte ich meinen Daumen wieder auf ihre Näschen und sagte : So , jetzt ist die Nase wieder dran.“ Dieses Spielchen musste ich immer und immer wiederholen. Dann machten die drei das gleiche Spielchen mit mir und hatten ein diebisches Vergnügen dabei. Zwischendurch kam Sofia mit ihrem kleinen süßen Gesichtchen ganz nah an mein Gesicht und rieb ihre Wange an meine und gab mir Küsschen. Oh, dachte ich, das Kind mag dich, das Kind hat Spaß.
Da wusste ich immer noch nicht, was mich am Ende des Tages erwartete.
Nachdem die Kinder von der Rutsche genug hatten, ging es weiter zu den Schaukeln. Dort wurde es noch einmal kritisch mit Sofiechens guter Laune. Sie wollte partout auf die Schaukel, die bereits besetzt war. Ich weiß nicht, was sie an den beiden freien Schaukeln auszusetzen hatte. Jedenfalls wollte sie da nicht drauf, Ihr „nein „ wurde immer eindringlicher, Ich hatte aber noch einmal Glück. Bevor Sofia mit lauten schrillen Tönen ihren Unmut demonstrieren konnte, hatte das Mädchen, welches auf der von Sofia so heiß begehrten Schaukel saß, wohl genug und trollte sich… Erleichtert hievte ich Sofia auf die Schaukel und das Kind war wieder zufrieden mit sich und der Welt.
Ich hatte immer noch keine Ahnung, was mich am Ende des Tages erwartete.
Ich achtete auch in der nächsten Stunde darauf, dass Sofiechen immer das bekam, was sie wollte um ein unnötiges „Sonderkonzert“ zu vermeiden und mir damit unnötigen Stress zu ersparen.
Dann kam der Augenblick als Louisa und Marie mit ihrem Papa nach Hause mussten. Zu dem Zeitpunkt spielten Louisa und Sofia friedlich im Sand. Sofiechen hatte auch keine Einwände und nahm es gelassen hin, dass sie nun alleine im Sand saß
Ich gesellte mich zu ihr und wir bauten eine Burg nach der andere, bis ich zur Uhr schaute und sagte : „Sofiechen, wir müssen jetzt nach Hause, die Mama wartet.“ Ein kurzes „Nein, „ von ihr war die Antwort.
Ich. „ Doch, es wird Zeit.“
Sofia: Nein, Oma , Opa gehen.“
Ich: „ Nein, heute nicht mehr, es ist schon zu spät. .ein anderes Mal.“
Sofia jetzt schon etwas ärgerlicher :“ N--------eiein.“
Ich packte inzwischen schon einmal Eimer und Schaufel weg. Sofiechen baute mit ihren Händchen weiter.
Ich forderte sie noch ein- oder zweimal auf zu kommen. Keine Reaktion.
„ Gut, „ sagte ich, dann geht Oma alleine „.
Keine Antwort, keine Reaktion.
Was Nun? Ich atmete einmal tief durch, dann ging ich entschlossen auf das Kind zu und zog sie hoch. Ja, und dann war alles zu spät.
Und nun wusste ich auch was mich erwartet hatte.
Eine Sirene ist nichts dagegen, so laut und schrill konnte meine Enkelin schreien. Die Kinder und Mütter sahen inzwischen interessiert zu uns herüber. Die Mütter oder teilweise auch die Großmütter mit diesem , na, wie reagiert sie Ausdruck im Gesicht. Ja, wie denn?
Ich nahm das schreiende Kind auf den Arm, versuchte vergeblich es zu beruhigen und entfernte mich langsam vom Spielplatz, auf dem linken Arm das schreiende Kindt tragend mit der rechten Hand das Dreirädchen schiebend.
Am Ausgang angelangt, versuchte ich die immer noch schreiende Sofia aufs Dreirädchen zu setzen. Vergeblich! Sofia machte sich ganz steif und schrie noch lauter. Also stellte ich sie auf ihre kleinen Füßchen und sagte:“ Na gut, dann musst du eben laufen.“
Die Leute, die uns entgegen kamen, sahen uns teils neugierig, teils mitleidsvoll. teilweise auch amüsiert, aber einige auch empört an. Ich kam mir dann wie ein Ungeheuer vor, welches das arme Kind so weinen lässt und nicht imstande ist, es zu beruhigen.
Endlich war das Haus meiner Tochter in Sicht. Sofia hatte das auch schon mit bekommen. Sie zog noch einmal alle Register ihrer Schreikunst. Ihre Mama öffnete ganz erschrocken die Tür. Ich zuckte bedauernd die Schultern und erzählte ihr, warum das Töchterchen so schreit. Sofia flüchtete auf Mamas Arme, kuschelte sich an und schaute mich ziemlich erzürnt an. Auf Mamas Frage, ob es denn im Maxi-Park schön gewesen wäre, schüttelte Sofiechen verneinend den Kopf.
Auf meine Frage, ob sie denn noch Omas Schatz sei, schüttelte sie wieder den Kopf, schaute mich mit einem vernichtenden Blick an und sagte unter Schluchzen “Opas aber“.
Auf die Frage meiner Tochter : „ sagst du denn der Oma noch tschüss!“ sah Sofiechen mich immer noch unversöhnlich an, bewegte aber einmal ihre Händchen,.
Ich musste zugeben, dass das Kind Charakter hat. Nachdem sie absolut nicht ihren Willen bekam und gegen ihren Willen nach Hause musste, hat sie wirklich Charakterstärke gezeigt. Ich ging dann aber doch einigermaßen getröstet nach Hause. Immerhin hatte sie zum Schluss mit der kleinen Handbewegung doch angedeutet, dass sie nicht nachtragend ist, aber auch demonstriert, dass sie sich beim nächsten Mal in einer ähnlichen Situation genau so und nicht anders verhalten wird. Das Kind war eben sehr willensstark. Und das ist sie bis heute geblieben.
Sofia ist inzwischen 21 Jahre alt, lebt in Kiel und macht dort eine Ausbildung am Theater als Maskenbildnerin. Wir zwei haben uns in all den Jahren sehr gut verstanden. Wenn sie in Hamm zu Besuch ist, versäumt sie es nicht uns zu besuchen und freut sich jedes Mal auf Omas Kochkunst, die ihr dann ihre Lieblingsgerichte kocht.
Texte: Doris Frese
Cover: eigenes Foto
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2020
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für meine Enkelin Sofia