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Familienleben

Familienleben 1968 -1978

Mein Leben in Jahrzehnten

 

Ich war 30 Jahre alt, als wir im April 1968 von Essen nach Hamm gezogen sind. Es hieß Abschied nehmen von den Verwandten und Freunden. Abschiedsschmerz auch bei den Kindern. Es zerriss mir das Herz, als ich unsere damals fünfjährige Ulrike im Auto leise vor sich hin weinen hörte. Aber wie das bei den Kindern so ist, sie lebten sich sehr schnell in Hamm ein. Michael wurde im August 1968 eingeschult, und Ulrike besuchte ab sofort den ev. Kindergarten. Nur Steffi, die Kleinste, die im Mai 4 Jahre alt wurde, war noch zu Hause.

Als unser Sohn bei der Schulanmeldung gefragt wurde, was er später einmal machen möchte, hat er wie aus der Pistole geschossen geantwortet : „Teppiche“ . Der Lehrer schaute etwas verdutzt drein. Ich erklärte ihm, dass mein Mann bei Dupont arbeite und wir unserem Sohn erzählt hatten, dass dort das Garn für Teppichböden hergestellt wird.

1969 konnten wir uns zum ersten Mal mit der ganzen Familie einen Urlaub im Teutoburger Wald in einer familienfreundlichen Pension in Holzhausen erlauben. Im August 1969 wurde dann auch Ulrike eingeschult und Steffi, die nun den Kindergarten besuchte, konnte es nicht erwarten, bis dass sie endlich 1970 zum ersten Mal erwartungsvoll mit ihrer Schultüte zur Schule ging. Seit ihrer Kindergartenzeit hatte Steffi den Wunsch ‚Erzieherin zu werden und ihn auch später verwirklicht..

 

Im Gegensatz zu den anfänglichen Leseschwierigkeiten von Micheal, hatten die beiden Mädchen von Anfang an keine Schwierigkeiten in der Schule.

Für mich waren die Jahre, die nun folgten, mit die schönsten und erfreulichsten, die wir mit unseren Kindern erleben durften.

Ein Erlebnis möchte ich besonders hervorheben, und ich werde es auch, solange ich lebe nicht vergessen.

Es war Weihnachten 1971. Steffi war im zweiten Schuljahr und konnte mal so gerade ohne zu stottern lesen, als Ulrike wohl die Idee hatte, mit Michael und Steffi ein Krippenspiel einzuüben. Steffi als Maria, Michael als Josef. Ulrike spielte den Verkündigungsengel und führte Regie. Nach der Bescherung am Heiligen Abend führten sie uns das Eingeübte vor. Mein Mann und ich waren nicht nur überrascht, sondern auch ganz gerührt. Ich habe natürlich vor Rührung richtig geheult, während mein Mann sich verstohlen ein paar Tränen weg wischte.

 

Ich war nicht berufstätig, deshalb lag die Erziehung unserer Kinder fast ausschließlich in meinen Händen Während mein Mann in der Firma einen guten Job hinlegte und jährlich eine gute Performance bestätigt bekam, was jedes Mal eine Gehaltserhöhung bedeutete, hielt ich ihm zu Hause den Rücken frei.

Da ich vor meiner Ehe keinen Traumjob ausgeübt hatte, fiel es mir nicht so schwer „ nur Hausfrau und Mutter „ zu sein. Im Nachhinein fand ich es sogar gut. Meine Kinder hatten, wenn sie mittags aus der Schule kamen, immer einen Ansprechpartner. Am Mittagstisch ging es bei uns oft hoch her, Entweder mussten die drei ihren Frust über einen Lehrer/in oder Mitschüler/in los werden oder sie freuten sich über gute Zensuren. Oder sie stritten sich, hauptsächlich die beiden Mädchen, weil wieder die eine oder andere etwas angezogen hatte, was der jeweils anderen gehörte. Vielleicht ein T-_Shirt, welches wochenlang von beiden unbeachtet im Schrank lag, oder ein abgelegtes Hemd von meinem Mann. Dann kam eine von den beiden auf die Idee, es anzuziehen, und ausgerechnet an diesem Tag wollte die andere es auch anziehen. Ich versuchte dann den Streit zu schlichten, was nicht immer gelang..

Apropos „abgelegtes Hemd“ . das war die Mode der Kids in den siebziger Jahren. Ein Herrenhemd, das mindestens 20 Zentimeter unter einem Bundeswehrparka hervorschaute und nach Möglichkeit zerrissene Jeans und Boots dazu. Den Eltern blieb nichts anderes übrig als diesen Modetrend zu akzeptieren, wenn sie nicht jeden Tag Stress mit ihren Zöglingen haben wollten und zu warten, dass diese Zeit vorüber geht.

Nach dem vierten Grundschuljahr wechselte unser Michael die Schule und besuchte das Gymnasium. Ulrike wechselte ein Jahr später zur Realschule und Steffi blieb auf der Hauptschule, absolvierte aber dort das zehnte Schuljahr. Zu der Zeit konnte man so auf der Hauptschule die Mittlere Reife erlangen. Heute gibt es das, glaube ich nicht mehr.

 

Ja, und dann fing die Zeit der Pubertät an. Das, was meine Eltern mit mir oder auch ich mit ihnen durchleben musste, geschah nun bei uns auch. Dabei waren die Mädchen noch am pflegeleichtesten. Unsere Ulrike war schon in frühen Jahren politisch sehr interessiert und es folgten oft endlose politische Debatten mit ihrem Vater, die manchmal so endeten, dass sie heulend aus dem Zimmer lief, weil mein Mann ihre Argumente widerlegte, oder weil sie das Gefühl hatte nicht ernst genommen zu werden. Auch hier versuchte ich immer zu schlichten.

Während die beiden Töchter in der Schule gute bis befriedigende Leistungen erzielten , hatten wir mit unserem Sohn richtige Probleme. Seine Leistungen in der Schule ließen immer mehr nach und wir mussten ihn nach zwei Jahren von Gymnasium heruntenehmen und er wechselte zur Realschule. Hier musste er ein Schuljahr wiederholen und war nun zusammen mit seiner jüngeren Schwester Ulrike in einer Klasse. Das muss sehr beschämend für ihn gewesen sein. Er zeigte es nach außen nicht, wurde aber immer verschlossener und wie ich damals meinte immer bockiger und seine Leistungen in der Schule ließen noch mehr nach.

Dann kam der Tag mit dem blauen Brief von der Schule mit der Mitteilung, dass er in fünf Fächern „mangelhaft „ stand.. ich machte ihm klar, dass es nun für ihn wohl an der Zeit wäre sich einen Job zu suchen., da er ja die Klasse nicht noch einmal wiederholen könne und sowieso von der Schule muss und ohne Schulabschluss würde er ja wohl keinen Ausbildungsplatz bekommen, wenn überhaupt dann nur eine Stelle als Hilfsarbeiter..

Ich weiß nicht, was es letztendlich war, das ihn bewogen hatte, sich doch noch einmal auf den Hosenboden zu setzen und sich richtig „lang“ zu machen. Jedenfalls schaffte er es nicht nur von den 5 Fünfen herunter zu kommen sondern konnte 4 Fünfen in Zweien umwandeln, nur in Physik musste er sich mit einem „ausreichend „ zufrieden geben.

Hinterher erfuhren wir von einem befreundeten Lehrer, dass diese Leistung von ihm das Thema Nummer Eins auf der Zeugniskonferenz war. Als Michael 1979 aus der Realschule entlassen wurde, hatte er sogar die Qualifikation fürs Gymnasium

 

Während ich zuhause Höhen und Tiefen mit den Kindern durchmachte, bastelte mein Mann in der Firma an seiner Karriere. 1976 hatte er es geschafft von der Schichtarbeit herunter zu kommen. Er wurde zum Bereichsingenieur –Verfahrenstechnik ernannt . Er hatte nun nur noch Dienst von 8.00 bis 17.00 Uhr, eine 5 Tagewoche und jedes Wochenende frei. Nachdem er acht Jahre lang nur alle vier Wochen ein freies Wochenende hatte.

Am 1. November 1977 wird er zum Leiter der Produktion und am 1. März 1985 zum stellvertretenden Abteilungsleiter befördert.

 

Die Kinder verliebten sich, trennten sich wieder und verliebten sich aufs Neue. Ich litt jedes Mal mit, wenn wieder Trennungsschmerz anstand. Mehr über das Liebeskleben meiner Kinder zu schreiben steht mir nicht zu. Das sind ihre Geschichten und es sollen auch ihre bleiben.

 

Finanziell ging es uns ab Ende der siebziger Jahre gut. Wir konnten nun jedes Jahr, soweit mein Mann in den Ferien Urlaub bekam, diesen mit unseren Kindern in Österreich oder Italien verbringen.

 

Und was geschah außerhalb unseres Familienlebens noch so in der Welt.

 

Nach den sechsten Deutschen Bundestagswahlen im September 1969 bildete die SPD mit der FDP eine Koalition. Willy Brand (SPD Parteivorsitzender) wird Bundeskanzler und Walter Scheel (FDP Parteivorsitzender ) wird Außenminister . Die sozial-liberale Bundesregierung war maßgeblich an den Verhandlungen über die Ostverträge beteiligt. Willy Brand erhielt für seine Ostpolitik, die auf Entspannung ausgerichtet war, 1971 den Friedensnobelpreis.

Nach dem Rücktritt von Willy Brand wurde Helmut Schmid 1974 der fünfte Kanzler der Bundesrepublik.

Am 20. Juli 1969 verfolgten wir die erste Mondlandung mit dem Astronauten Neil Amstrong. Edwin Aldrin und Michael Collins. Insgesamt verfolgten weltweit 500 Millionen Menschen die Durchführung des Fluges.

1971 sang Udo Jürgens „Zeig mir den Platz an der Sonne“ für die ARD Fernsehlotterie und „Griechischer Wein“ wurde 1975 Hit des Jahres.

Nach den Heimat- und Schlager-und Kriegsfilme im ersten Jahrzehnt der BRD wurden in den 70er Jahren gesellschaftskritische Filme gedreht wie „Angst fressen Seele auf „ (R. W. Fassbender) oder „ Die verlorene Ehre der Katharina Blum „ nach dem Roman von Heinrich Böll

 

Und für mich war 1978 ein Lebensabschnitt zu Ende und ein neuer begann.

 

 

 

Impressum

Texte: Doris Frese
Tag der Veröffentlichung: 31.08.2020

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
meinem Mann und meinen Kindern gewidmet

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