Verliebt, verlobt, verheiratet
Mein Leben in Jahrzehnten
Ich war knapp 20 Jahre, als ich im Frühjahr 1958 meinen Mann kennenlernte. Eigentlich wollten wir beide am Anfang keine feste Beziehung. Wir fühlten uns beide noch zu jung dafür. Also der Verstand wehrte sich, aber die Schmetterlinge im Bauch waren stärker. Ich hatte mich verliebt und meinem Mann ging es wohl nicht anders. Und je länger wir uns kannten, desto heftiger reagierten die Schmetterlinge im Bauch.
Als wir beide 1959 volljährig wurden- zu der Zeit war man erst mit 21 Jahren volljährig- verlobten wir uns. Wir kauften uns Ringe, setzten sie uns im Laden noch auf, gingen nach Hause und erklärten unseren Eltern, dass wir uns verlobt hätten.
Die Verwandtschaft war sauer, dass es keine Feier gab.
Ende der 50ziger und Anfang der 60ziger Jahre konnten die jungen Leute nicht so wie heute einfach eine gemeinsame Wohnung suchen und zusammen ziehen. Wenn man sich von den Fesseln des Elternhauses befreien wollte. musste man heiraten. Ein Kind vor der Ehe wäre ein Skandal gewesen. Immer wieder hieß es ,“was sollen die Leute denken.“ Vor der Eheschließung ein Kind zu bekommen, war eine Schande.
Also mit anderen Worten, wenn die Regel sich um ein paar Tage verspätete, und Frau Sex mit dem Freund hatte, stand Frau tausend Tode aus und betete, dass Frau nicht schwanger war. Das konnte eine Beziehung schon sehr belasten. Deshalb beschlossen wir im August 1960 zu heiraten.
Mein Mann hatte Elektriker gelernt und fing nach seiner Ausbildung gegen den Willen seiner Eltern auf dem Pütt als Elektriker an. Als wir uns kennen lernten, besuchte er nach der Arbeitszeit die Bergvorschule und dann nach unserer Heirat die Bergschule in Bochum. An drei Tagen in der Woche arbeitete er unter Tage und an den übrigen drei Tagen hatte er Schule. Sein Ziel war, Elektro-Steiger zu werden.
Wir hätten am liebsten ohne großen Aufwand geheiratet und es vorgezogen anstatt zu feiern irgendwo eine Flitterwoche zu verbringen. Aber da waren meine Eltern, die meinten: „ einzige Tochter und keine Hochzeit in „weiß“?- Da ist er wieder dieser Satz – was sollen denn die Leute denken?“. Also wurden alle Verwandten eingeladen. Die Hochzeit fand in der Wohnung meiner Eltern statt. Um all die Leute unter zu bringen, musste ein Zimmer ausgeräumt werden. Was für ein Aufwand. Eine Frau wurde engagiert, die meiner Mutter in der Küche half. Am nächsten Tag gab es dann noch eine Nachfeier mit den Nachbarn.
Da mein Mann auf der Zeche beschäftigt war, war es nicht schwer eine Wohnung zu bekommen. Die Schlafzimmereinrichtung war ein Hochzeitsgeschenk meiner Eltern. Fürs Wohnzimmer hatte ich die Möbel aus meinem Mädchenzimmer mitgebracht und die Kücheneinrichtung konnten wir von unserem Ersparten kaufen. Von den Schwiegereltern bekamen wir das Kochgeschirr. Apropos Schwiegereltern. Sie mochten mich zwar, fanden aber unsere Heirat verfrüht. Der Schwiegervater verdiente nicht viel. Mein Mann war der Älteste von 5 Kindern und seine Eltern konnten das Geld, das er zum Haushalt beisteuerte gut gebrauchen. Das fiel mit unserer Heirat nun weg.
Für mich begann nun mein Debüt als Ehefrau und Hausfrau. Ehefrau zu sein fiel mir bei meiner Verliebtheit nicht schwer, aber da gab es noch die „Hausfrau“, die sich bei der Mutter nie für die Kochkunst interessiert hatte und nun versuchte, ihrem Gemahl ein möglichst schmackhaftes Essen vorzusetzen. Und jetzt muss ich meinem Mann ein dickes Lob aussprechen. Er war ein wundervolles Versuchskaninchen. Ihm hat immer alles geschmeckt, was ich ihm vorgesetzt habe. Mir nicht. Die ersten Kartoffelknödel , die ich zubereitete zerfielen im Topf. Die Nudelsuppe konnte man mit der Gabel essen, und, und, und…… (inzwischen habe ich es aber gelernt und zwar so gut, dass ich mich manchmal sogar selbst lobe).
Dazu kam noch, dass wir wenig Geld hatten. Meinem Mann wurden nur 90 % seines Lohnes ausbezahlt. Sein Arbeitgeber übernahm schließlich die Kosten der Bergschule. Das war überhaupt der Grund, warum mein Mann auf der Zeche angefangen hatte. Ein Ingenieurstudium wäre nicht möglich gewesen, zum einen aus finanziellen Gründen und zum anderen mein Mann hatte kein Abitur und hätte deshalb schon gar nicht studieren können. Ich verdiente gerade einmal so viel, dass wir die Miete davon bezahlen konnten. Eine Heizung gab es zwar nicht, aber die Kohlen brauchten wir nicht kaufen. Von der Zeche bekamen wir Deputatkohle
Zu der Zeit gab es in den Lebensmittelgeschäften 3 % Rabatt beim Einkauf, der in Rabattmarken ausgehändigt wurde. Wenn ich ein Rabattbuch voll geklebt hatte, legte ich es immer beiseite für Notfälle. Ich glaube, es gab 3,-- DM für ein volles Buch. Genau weiß ich das nicht mehr.
Der Lohn wurde Anfang der 60ziger Jahre noch nicht auf ein Konto überwiesen. Die Bergleute bekamen es cash auf die Hand. Wenn Lohnzahlung war, standen oft einige Ehefrauen vor dem Zechentor, um ihre Männer abzufangen und ihnen die Lohntüten abzunehmen, weil sie Angst hatten, dass ihre Männer mit dem Geld in die nächste Kneipe verschwanden. Diese Sorgen hatte ich Gott sei Dank nicht. Aber das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Und so passierte es einmal als der Kassierer vom RWE kam, um das fällige Stromgeld zu kassieren, auch das wurde bar eingeholt, dass ich nicht mehr so viel Geld im Haus hatte und ihn bat, in einer halben Stunde wieder zu kommen, weil ich noch ein paar Rabattbücher eintauschen wollte. Ich habe übrigens damals ein Haushaltsbuch geführt, das jetzt noch in meinem Besitz ist. Hier ein paar Preise aus der damaligen Zeit.
Die „Hör Zu „ kostete -,80 DM, 250 Gramm Butter 1,82 DM, eine Dauerwelle 17,50 DM, ein Herrenhaarschnitt 2,50 DM, ein halbes Grillhähnchen 2,75 DM- der absolute Luxus für uns - 1 Päckchen Zigaretten (12 Stück( 1,00 DM.
In der Zeit von 1961 und 1964 bekam ich alle drei Kinder. Michael am 13, August 1961, an dem Tag als die Berliner Mauer errichtet wurde, Ulrike im Januar 1963 und unsere Jüngste, Steffi, im Mai 1964.
Im Mai 1964 war die Ausbildung meines Mannes als Elektro-Steiger beendet und im August 1964 bekam er einen Anstellungsvertrag als Elektro-Steiger unter Tage bei der Rheinelbe-Bergbau AG auf der Zeche Bonifacius in Essen-Kray. Sein Anfangsgehalt betrug 664,-- DM zuzüglich, ich zitiere aus dem Anstellungsvertrag: „ eine bewegliche Leistungszulage nach Maßgabe der eingeführten Regelungen,“ ferner ein Hausstandsgeld von 14,-- DM , Kindergeld von 28,-- DM , ein Wohnungsgeld von70,-- DM oder eine Werkswohnung sowie freier Hausbrand.
Im Herbst 1964 bekamen wir eine Werkswohnung zugewiesen, brauchten nun keine Miete mehr zu zahlen und hatten eine Koksheizung im Haus. Nach der Geburt unserer Steffi suchte ich einen Arzt auf und ließ mir die „Pille „ verschreiben. Ich liebe meine drei Kinder zwar heiß und innig, aber drei waren genug.
Langsam verbesserte sich auch unsere finanzielle Situation und wir bekamen etwas von dem großen Kuchen ‚“Wirtschaftswunder „ ab. Das trug dazu bei, dass wir mit unserem zwar immer noch bescheidenen Familienleben, zufrieden waren und nun optimistisch in die Zukunft blicken konnten…
Cover: eigenes Hochzeitsfoto
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2020
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
meinem Mann gewidmet, mit dem ich in diesem Jahr 60 Jahre verheiratet bin