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Eine unvergessene Nacht

Eine unvergessene Nacht.

 

Eine Geburt war zwar 1963 und ist auch jetzt 2016 nichts Ungewöhnliches, aber eine Hausgeburt schon. Und zu der hatte ich mich entschlossen, als ich zum zweiten Mal schwanger war.

Seit meiner Kindheit kannte ich eine Hebamme, die sechsmal erfolgreich bei einer Frau in unserer Nachbarschaft Geburtshilfe leistete. Jedes Mal waren Mutter und Kind wohlauf.

Und genau diese Hebamme hatte ich auserwählt, mir bei der Geburt meines zweiten Kindes, beizustehen.

Die Schwangerschaft verlief problemlos. Vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin untersuchte mich noch einmal die Hebamme und gab mir Instruktionen, wie ich mich zu verhalten hätte, wenn die Wehen einsetzen würden.

Ultraschalluntersuchungen gab es in den 60ziger Jahren noch nicht, die wurden erst in den 70ziger Jahren in den Kliniken eingeführt.

 

Am 8. Januar spürte ich abends schon ein leichtes Ziehen im Rücken. Der Geburtstermin sollte schon am 2. Januar sein. Ich war also schon eine Woche überfällig.

Im Fernsehen lief ein schöner Film. Da wir noch keinen Fernseher besaßen, gingen wir zu meinen Schwiegereltern herüber, die gegenüber von uns wohnten und sahen uns den Film dort an.

Ungefähr um 23.30 verabschiedeten wir uns von den Eltern. Wir waren kaum in unserer Wohnung, da verspürte ich die erste Wehe.

Telefon und Auto hatten wir noch nicht. Die Telefonzelle war 7.- 8 Minuten von uns entfernt. Wir warteten noch die nächste Wehe ab, die im Abstand von 10 Minuten erfolgte. Dann schickte ich meinen Mann los, um die Hebamme zu benachrichtigen

 

Während mein Mann unterwegs war, kamen die Wehen schon im Abstand von 5 Minuten. Da wurde ich leicht nervös. Aber es hielt sich noch in Grenzen, wusste ich doch, dass mein Mann unterwegs war, um Hilfe zu holen.

Endlich hörte ich, nach gefühlten mindestens 45 Minuten, es waren aber nur 25 Minuten, seinen Schlüssel im Türschloss. Als er eintrat, sah ich ihn erwartungsvoll an. „ Und was hat die Hebamme gesagt „, war meine Frage-

„Als sie hörte, dass die Wehen alle 10 Minuten kommen, meinte sie, dann haben wir ja noch Zeit, „ entgegnete mir mein Mann.

Jetzt brach bei mir Panik aus. „Nein, „ rief ich, jetzt kommen sie doch schon alle 3 Minuten Inzwischen hatte sich der Abstand noch einmal verringert.

Trotz Panik half ich meinem Mann unseren Sohn Michael, 15 Monate alt, der in unserem Elternschlafzimmer im Kinderbettchen schlief, aus dem Zimmer und nebenan ins leerstehende Kinderzimmer zu transportieren.

Nachdem der Junge aus dem Zimmer war, in dem ein wenig später ein Geburtsvorgang stattfinden sollte, brach ich vor Angst, dass die Hebamme nicht rechtzeitig kommen würde, vollends zusammen.

Während ich mich auszog, bekam ich einen Schüttelforst, daran war nicht die Kälte draußen schuld Es war eine eiskalte Januarnacht mit Eiszapfen an den Fensterbänken. Nein, es war einfach meiner Panik zuzuschreiben. Ich zitterte am ganzen Körper. Die Wehen kamen Schlag auf Schlag.

Endlich !! Es klingelte an unserer Tür. Die Hebamme war da. Mit Erscheinen der Hebamme fiel die Angst, so wie sie gekommen war, auch wieder von mir ab. Ich hatte das Gefühl und das Vertrauen, jetzt kann nichts mehr schief gehen.

Die Hebamme klärte meinen Mann über seine Aufgabe während des Geburtsvorgangs auf, und brachte mich in die richtige Geburtsstellung. Ich erklärte mich noch damit einverstanden, dass sie mir eine Spritze setzte, um den Geburtsvorgang zu beschleunigen.

Ja, und dann ging es auch schon los.. Wir unterhielten uns zuerst noch ganz locker über die Familie, der sie zu 6 gesunden Kindern verholfen hatte und dann kam die erste Presswehe und unsere Unterhaltung musste unterbrochen werden. Es war ein gutes Gefühl meinen Mann an meiner Seite zu haben-.

Nach der Presswehe setzten wir unsere Unterhaltung fort, die nur immer von einer weiteren Wehe unterbrochen wurde.

Während einer besonders heftigen Wehe tröstete mich mein Mann mit den Worten :“Es dauert nicht mehr lange, ich sehe schon das Köpfchen.,“ Dabei hielt er beruhigend meine Hand, oder vielmehr ich umklammerte seine Hand. Ja, die Geburt unserer Tochter Ulrike war das erste gemeinsame Erlebnis, das mein Mann, Ulrike und ich hatten,

Am 9. Januar um 2.30 Uhr erblickte unsere Ulrike in einer eiskalten Nacht mit der tatkräftigen Hilfe meines Mannes das Licht der Welt.,

Ulrike war noch an der Nabelschnur und rein äußerlich noch nicht getrennt von mir, als mein Mann sie mir in den Arm legte und stolz und glücklich sagte: „ Es ist ein Mädchen.“

Ulrike war ein 9 Pfund und 150 Gramm schwerer, vierundfünfzig Zentimeter langer, niedlicher Wonneproppen mit einem hübschen Doppelkinn.

Nachdem mein Mann die Spuren der Ankunft von Ulrike beseitigt hatte, lief er zu den Eltern herüber und weckte sie und auch seine Geschwister, die noch alle bei den Eltern wohnten, indem er in ihre Zimmer stürmte und immer wieder laut rief: „Es ist ein Mädchen, es ist ein Mädchen……!

Wir hatten übrigens schon vorher beschlossen, falls es ein Mädchen würde, ihr den Namen Ulrike zu geben, wäre sie ein Junge geworden, hätten wir ihn Ulrich genannt. Und nun hatten wir ein Päarchen.

Die Schwiegermutter ließ es sich nicht nehmen noch in der Nacht her zu kommen, um unser Baby zu begutachten. Sie stand vor ihrem Bettchen und fing laut an zu lachen. Nachdem ich sie verständnislos anschaute, erklärte sie mir lachend. Unser Baby sähe aus, wie unser damaliger Wirtschaftsminister Professor Erhard, es fehle nur noch die Zigarre im Mund. Prof. Erhard war ein Kollos von einem Mann mit einem enormen Doppelkinn und immer mit einer Zigarre im Mund.

Im Übrigen war die Geburt, obwohl alle drei Entbindungen ohne Komplikationen verliefen, für mich eines der schönsten Erlebnisse, auf die ich in meinem Leben zurückblicken kann.

Beim Michael und Steffi unserer Jüngsten, die ich beide im Krankenhaus entbunden habe, bekam ich in der Endphase eine Spritze und wurde erst wieder wach, als beide gebadet und gewickelt waren. Bei Ulrike hingegen durfte ich die Schmerzen bis zum Schluss erleben, aber auch das Glücksgefühl, das mich durchrieselte, als sie endlich ihren Weg zu uns mit Hilfe der Hebamme, ihres Vaters und meiner Hilfe und aus eigener Kraft erkämpft hatte.

Glücklich und erschöpft schliefen wir hinterher ein und wurden erst wach, als es an unserer Wohnungstür klingelte. Erschreckt fuhren wir hoch. Wir hatten verschlafen.

Mein Mann besuchte zu der Zeit noch die Bergschule. Er absolvierte eine Ausbildung als Elektro Steiger. Dabei hatte er an drei Tagen Schule und an den übrigen Tagen musste er auf der Zeche arbeiten.

An dem Tag hätte er zur Schule gemusst. Ein Schulkollege nahm ihn immer mit seinem Auto mit. Als er nicht am Treffpunkt war, ahnte der Kollege wohl, dass etwas vorgefallen sein musste und stand dann vor unserer Tür.

Als er erfuhr, was passiert war, freute er sich mit uns, gratulierte noch und fuhr dann alleine zur Schule. Mein Mann hatte an diesem Tag Wichtiges zu erledigen. Ulrike musste ja schließlich ordnungsgemäß am Standesamt angemeldet werden.

 

 

 

 

 

 

 

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Impressum

Texte: Doris Frese
Bildmaterialien: Eigenes Coverfoto
Tag der Veröffentlichung: 03.10.2016

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