Eine Fahrradtour und ein turbulenter Tag
Im September 1993 unternahmen mein Mann und ich eine Fahrradtour. Wir hatten die östliche Seite der Ostsee anvisiert und wollten die Ostseeküste eventuell bis zur polnischen Grenze erkunden. Das Ganze sollte von Lübeck aus gestartet werden.
Am 5. 9. 1993 ging es dann endlich los.
Nachdem wir 276 Kilometer geradelt waren und Boltenhagen, Kirchdorf auf der Halbinsel Poel, Kühlungsborn, Rostock, Ahrenshop, und Zingst hinter uns gelassen hatten, erreichten wir am 12. 9. Stralsund
Damit wir nicht so viel Gepäck mit dem Fahrrad transportieren mussten, hatte ich zuhause zwei Wäschepakete gepackt und die Tochter sollte sie postlagernd nach Stralsund schicken. In Stralsund planten wir einen Ruhetag einzulegen, um am nächsten Tag die Pakete von der Post abzuholen. Wir wollten die Wäsche wechseln und die Schmutzwäsche und was wir sonst nicht mehr brauchten wieder an unsere Tochter zurückschicken.
Bis zum 12. 9. Verlief alles planmäßig.
Am anderen Tag am 13. 9l (übrigens an meinem Geburtstag), ging mein Mann zur Post, um die beiden Wäschepakete abzuholen. Er kam aber nur mit einem zurück. Meins war nicht da. Was nun? Wir beschlossen, deswegen keinen Tag in Stralsund zu vertrödeln und zunächst unseren Plan einzuhalten.
Da meine Wäsche zum Wechseln in dem nicht angekommenen Paket war, gingen wir zur Stadt und kauften dort noch Unterwäsche für mich.
Das fehlende Paket wollten wir, wenn wir von der Insel Rügen wieder über Stralsund nach Greifswald radeln würden, in Stralsund von der Post abholen.
Um 15.00 Uhr ging es dann planmäßig mit der Fähre los zur Insel Hiddensee. Um 18.00 Uhr kamen wir in Kloster (Hiddensee) an und machten uns dort auf Zimmersuche. Und das war im Vergleich zum nicht angekommenen Paket zum ersten Mal eine richtige Katastrophe.
Nachdem wir alle Hotels und Pensionen abgeklappert hatten und nichts frei war, entdeckten wir ein Privathaus mit dem Hinweis, dass dort noch ein Zimmer frei wäre Ich hatte die Aufgabe übernommen, in den Hotels oder Pensionen wegen eines Zimmers zu fragen. Ich ging also zur Haustür und klingelte. Man ließ mich herein und ich ließ meinen Spruch los, dass wir mit Fahrrädern unterwegs seien und für eine Nacht ein Zimmer suchen .
Und folgende Geschichte ist mir da passiert.
Nachdem ich besagten Spruch einer älteren Dame vorgetragen hatte, verwies die mich an ihre Schwiegertochter, die, als sie mich hörte, aus der offen stehenden Küche kam und mir sagte, dass das Zimmer wohl frei wäre, aber die Gäste erst am Morgen abgereist, und das Zimmer noch nicht gemacht wäre. Ich erwiderte, dass ich das zur Not selbst machen würde. Die junge Frau zögerte.
Die Schwiegermutter, die ein gutes Geschäft witterte, fragte mich, ob ich denn auch bereit dazu wäre einen Aufschlag zu bezahlen, da wir ja nur vor hätten, eine Nacht zu bleiben.
Ich erklärte, dass ich mir schon klar darüber wäre und auch bereit sei mehr zu bezahlen und wieviel das denn sein sollte. Der ursprüngliche Zimmerpreis betrug 40 DM, die Schwiegermutter war bereit mir das Zimmer für 60 DM zu überlassen, und sie selbst wollte das Zimmer in Ordnung bringen.
Ich atmete schon erleichtert auf. Aber da kam der dicke Hammer in Gestalt des Sohnes, der das Ganze am Küchentisch sitzend mitbekommen hatte. Ein hartes „Nein, das kommt nicht in Frage, ich dulde es nicht, dass jetzt hier noch geputzt wird,“ ertönte es aus der Küche.
Die Mutter zuckte bedauernd mit den Schultern. Die Schwiegertochter blickte verlegen. Obwohl den Tränen nahe, bedankte ich mich ganz höflich und schloss betont leise die Haustür hinter mir.
Es war schon fast dunkel. Es fuhr keine Fähre mehr zurück nach Stralsund oder weiter nach Rügen.
Ich war ziemlich niedergeschlagen, aber mein Mann war da optimistischer und schlug erst einmal vor, dass wir weiter mit dem Rad bis zum nächsten Ort zwei Kilometer südlich (Kloster ist am Nordzipfel der Insel) nach Vitte fuhren. Unterwegs registrierte ich wohl, dass die Insel wunderschön ist, aber ich hatte zu der Zeit nicht die richtige Einstellung dazu. Ich wollte nur eins, endlich ein Quartier bekommen. Ich war ziemlich mutlos geworden. Ich dachte nur immer, zur Not können wir uns ein Wassertaxi nehmen und entweder weiter nach Rügen oder zurück nach Stralsund fahren.
In Vitte war uns das Glück hold. Wir bekamen im Hause „Godewind „ ein Zimmer für 80 DM. WC und DU waren allerdings auf der Etage. Ich glaube, ich hätte sogar ein Zimmer genommen mit einem Plumsklo außerhalb des Hauses.
Inzwischen war es 19.30 Uhr geworden Nachdem wir uns ein wenig frisch gemacht hatten, gingen wir ins Hotelrestaurant und setzten uns zu einem einzelnen Herrn an den Tisch, weil kein freier Tisch mehr da war.
Ich hatte ja nichts dagegen , dass wir keinen Tisch für uns alleine hatten Auch gegen eine nette Unterhaltung war nichts einzuwenden. Aber musste es denn ausgerechnet dieser gute Mann sein, ein Mecklenburger, der versuchte
„Malteser „ Schnaps in Mecklenburg-Vorpommern an den Mann zu bringen. Ich wurde nicht so recht schlau aus ihm. Er motzte zum Beispiel darüber, dass es die Restaurants in den neuen Bundesländern immer noch nicht verständen, ein exquisites Essen zu servieren. Ich weiß nicht, was er darunter verstand. Wir haben immer vorzüglich gespeist. Auch im Hause Godewind.
Allerdings wurde dort auf der Getränkekarte kein “Malteser „ angeboten.. Vielleicht war der gute Mann sauer, dass er seinen Schnaps nicht loswerden konnte. Kurz und gut, der gute Mann ging uns ganz gehörig mit seiner Jammerei auf den Zeiger und ichatmete erleichtert auf, als wir uns endlich verabschiedeten und auf unser Zimmer gingen.
Wir waren auf jeden Fall froh, noch ein Quartier bekommen zu haben. Das Zimmer und vor allen Dingen die Betten waren in Ordnung. Ich fiel nach dem turbulenten Tag auch ssofort in einen traumlosen Tiefschlaf.
Kleiner Nachtrag:
Übrigens unser fehlendes zweites Wäschepaket haben wir dann auf der Rückfahrt von Rügen wieder zum Festland in Stralsund abgeholt.
Wir sind am 18. 09. von Putbus auf Rügen morgens zeitig losgefahren und waren um 10.15 Uhr in Garz, 22 Kilometer von Stralsund entfernt.
Es war ein Smstag, an dem die Postämter bekanntlich um 12.00 Uhr schließen. Nun hieß es ganz schön in die Pedalen treten um rechtzeitig da zu sein, und wir schafften es um 11.45 Uhr in Stralsund am Postamt zu sein.
Ich nahm meinen Fahrradkoffer mit der Schmutzwäsche und sonstigen Sachen, die zurück geschickt werden sollten und ging zum Postschalter. Dort nahm ich das Paket aus Hamm in Empfang. Ich packte schnell alles um, was ich mitnehmen wollte in meinen Koffer, alles andere ins Paket. Zwei Minuten vor Zwölf war das Paket wieder verschnürt und ich konnte es abschicken..
Erleichtert verließ ich das Postamt und wir suchten erst einmal ein Restaurant auf und bestellten uns ein wohlverdientes schmackhaftes Menue, Anschließend sind wir noch 30 Kilometer über Kopfsteinpflaster bis Greifswald geradelt. Die Suche dort nach einem Zimmer ist schon wieder eine neue Geschichte.
Texte: Doris Frese
Bildmaterialien: eigenes Cover-Foto
Tag der Veröffentlichung: 07.06.2016
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